Wissenschaftler liefern laufend neue Gründe dafür, warum wir die Wirtschaft schnell transformieren müssen, wenn wir unsere Lebensgrundlagen erhalten wollen. Aber in der Praxis ist die Transformation der Wirtschaft ein schwieriges Unterfangen – heute unser Thema.
Viele Unternehmen befürworten eine soziale und ökologische Regulierung der Lieferketten – aber sie sind unzufrieden mit der praktischen Umsetzung. Das zeigt eine Studie der Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik, die Überraschendes zutage fördert. Thema meiner Analyse.
Mit Geld die Wirtschaft gestalten – das klingt einfach. Aber von Nachhaltigkeitsinvestoren verlangt die Umsetzung der Idee mit Blick auf die Modeindustrie schwierige Entscheidungen. Damit beschäftigt sich Verena von Ondarza.
Wenn die Transformation gelingen soll, dann müssen Produkte viel länger halten und weniger neue Produkte verkauft werden. Wie können Unternehmen darauf reagieren? Dafür liefert der Unternehmensberater Björn Dahmen im Gespräch mit Annette Mühlberger einige Ideen.
Lokal lässt sich die Transformation vorantreiben, aber damit die Menschheit künftig die planetaren Grenzen einhält, braucht es die Staatengemeinschaft. Wie aber können die Länder gemeinsam an einem Strang ziehen? Dafür braucht es nach Ansicht von Heiner Flassbeck ein neues Handels- und Währungssystem. Im Standpunkt begründet er dies.
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Einen selten detaillierten Einblick zur Einschätzung des Lieferkettengesetzes aus Sicht von mittelständischen Unternehmen (KMU) bietet eine bislang unveröffentlichte Befragung der Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik, die Table.Media vorliegt. Die vertraulich befragten Unternehmen halten Menschenrechtsschutz in Wertschöpfungsnetzen grundsätzlich für “notwendig” und sie “vertreten überwiegend die Einschätzung, eine gesetzliche Rahmenordnung bzw. verbindliche Strategie seien notwendig”, schreiben die Studienautorinnen Jesco Kreft, Christiane Hellar und Miriam Putz. Unter den Unternehmen “herrscht eine hohe Akzeptanz des Lieferkettengesetzes“.
Seit Jahren dominieren in der öffentlichen Diskussion im Hinblick auf die Lieferkettenregulierung in Deutschland zwei Positionen aus der Wirtschaft: Da sind auf der einen Seite die klaren Befürworter von Lieferkettengesetzen. Dazu zählen Unternehmen wie Vaude und Tchibo sowie meist kleinere progressive Unternehmensverbände wie der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft oder B.A.U.M e.V. Und da sind zum anderen große Verbände, die sich lange gegen eine nationale Lieferkettenregulierung in menschenrechtlicher Hinsicht ausgesprochen haben und nun verhindern wollen, dass die EU-Regelungen verabschiedet, die ihnen zu weit gehen. Wichtige Stimmen sind hier der BDI, BDA und VDMA.

Die Rede ist von Kompetenzprobleme, Bürokratie, Kosten und Machbarkeit. Am Dienstag warnte die Stiftung Familienunternehmen vor einer “inflationsartigen” Regulierung. Aktuell müssten Unternehmen 20 neue Gesetzesvorhaben und Richtlinien mit Prüf-, Berichts- und Offenlegungspflichten umsetzen. Zwölf Vorhaben kämen aus Europa, acht aus Deutschland. “Wir können die ökologische Transformation nicht mit Meldepflichten und Regulatorik bewältigen, sondern vor allem mit unternehmerischer Initiative und Innovation”, sagt Professor Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik.
Die Befragung der Hamburger Stiftung für Unternehmensethik vermittelt eine dritte, andere Position von Unternehmen: KMU, die sich an der Kritik der eigenen Verbände an der Lieferkettengesetzgebung stören, die prinzipiell Lieferkettenregulierung für richtig erachten, aber sich an der Umsetzung des Gesetzes stören. Schon jetzt befassen sich viele KMU mit dem Thema, obwohl sie von dem Gesetz nicht direkt erfasst sind, da die Verpflichtung bislang nur für Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten gilt. Aber die betroffenen Unternehmen reichen die Anforderungen an ihre Kunden – häufig KMU – weiter – das führe, so die Analyse, “zu einer Verbreiterung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten weit über den Geltungsbereich des Gesetzes hinaus”.
Die befragten Unternehmen sprechen von finanziellen Belastungen durch die Lieferkettenregulierung, die aber nicht genau zu beziffern seien, weil die Umsetzung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten überwiegend als Querschnittaufgabe organisiert sei.
Den Einsatz zusätzlicher Ressourcen betrachteten die befragten Unternehmen als “sinnvolle unternehmerische Investition”. Einige Unternehmen sehen hier ein “Vertretungsproblem” durch ihre Verbände. “Ihre politische Interessenvertretung habe die grundsätzlich positive Haltung vieler KMU erst ignoriert, dann zu lange auf Verhinderung gesetzt und sich schließlich zu wenig pragmatisch in die konkrete Ausgestaltung eingebracht”, heißt es. Zweifel daran, dass KMU die Anforderungen des Gesetzes operativ und konzeptionell nicht umzusetzen können, halten sie für unangebracht. Dieses politische Narrativ wiesen selbst “ursprünglich gesetzesskeptische Unternehmen als wirtschafts- bzw. mittelstandsfremd zurück”, heißt es in der Studie.
Bei der Umsetzung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nutzten die Unternehmen gewöhnlich Instrumente und Verfahren, mit denen sie bereits im Umweltbereich Erfahrungen haben.
Unzufrieden sind die KMU mit der Umsetzung durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Bis weit in den Spätsommer 2022 habe es in wichtigen Punkten keine Auslegungshilfen durch die Behörde gegeben. Zudem wünschen sich die Unternehmen spezifischere Hilfen des Helpdesks der Behörde, was Verfahren, Instrumente, Berichte sowie Einschätzungen zu Reichweite und Tiefe es Gesetzes anbelangt. Unzufrieden sind die Unternehmen auch mit den entsprechenden Beratungsangeboten der Kammern.
Die Unternehmen sehen die Gefahr, dass bei der Umsetzung des Gesetzes “mittelfristig eine Compliance-Perspektive dominieren könnte”. Unternehmen könnten sich darauf fokussieren, sich rechtlich unangreifbar zu machen, während die echte Verbesserung der Verhältnisse entlang der Lieferketten unterbleibe. Damit wäre in der Sache – also der Verbesserung der Situation für Mensch und Umwelt in den Lieferketten – wenig gewonnen.
“Erhebliche Durchsetzungsprobleme” erwarten die KMU in China, wo sie sich “angesichts der LkSG-Vorgaben und ihrer Einflussmöglichkeiten vor Ort mit paradoxen Anforderungen konfrontiert” sehen, die eine ganze Reihe Geschäftsmodelle mit großem China-Bezug in der Lieferkette grundsätzlich infrage stellen könnten. Man werde die Einhaltung von Menschenrechten “in einem autoritären, nicht demokratischen Land schlichtweg nicht gewährleisten können”, sagen Unternehmensvertreter. Auf Nachfrage gebe etwa ein Viertel der Befragten an, mittelfristig einen kompletten Rückzug aus bestimmten chinesischen Regionen zu prüfen.


Eigentlich müssten nachhaltig orientierte Investoren einen weiten Bogen um die Modebranche machen, meint Henrik Pontzen. Er leitet das Portfoliomanagement im Bereich ESG für die Vermögensverwaltung der Volks- und Raiffeisenbanken, Union Investment. Denn, sagt er, “es ist ein wesentliches Merkmal von Mode, dass sie wechselt. Das Geschäftsmodell lebt von schnellem Konsum.” Und das sei das Gegenteil von nachhaltig.
Der ökologische Fußabdruck der Branche ist gigantisch. Auf 2,1 Milliarden Tonnen CO₂ schätzte die Unternehmensberatung McKinsey die Emissionen der weltweiten Modeindustrie im Jahr 2018. Das sind vier Prozent der Treibhausgase weltweit. Seitdem hat die Branche einen coronabedingten Einbruch erlebt, erholt sich aber wieder. Dazu kommen die sozialen Probleme der Branche. Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen in den Produktionsländern, Billiglöhne, Kinderarbeit. Die Liste ließe sich noch lang fortsetzen.
Aus diesem Grund hat die GLS-Bank die Modebranche aus ihrem Investmentportfolio ausgeschlossen, sagt Marc Pfitzenmaier. Bevor er in die Kommunikationsabteilung von Deutschlands größter Nachhaltigkeitsbank wechselte, hat er neun Jahre im Research der GLS gearbeitet. Immer wieder hätte er da Material von Unternehmen auf dem Tisch gehabt, die sich als “nachhaltig” bezeichnet hätten. Bei genauem Hinsehen hätte er aber doch immer wieder viele nicht angegangene Baustellen entdeckt. In aller Regel scheiterte ein Investment dann an den Ausschlusskriterien der GLS-Bank. Nur selten würden Unternehmen die gesamte Lieferkette offenlegen oder könnten garantieren, dass es vor Ort nicht zu Verstößen gegen Menschenrechte kommt. Deshalb hat bisher keines der geprüften Modekonzerne den Aufnahmeprozess geschafft.
Mit dieser Radikalität steht die GLS-Bank allerdings ziemlich allein da. Europas größte Nachhaltigkeitsbank Triodos aus den Niederlanden entschied sich für einen anderen Weg. Man habe intensiv über den Umgang mit der Modeindustrie debattiert, sagt Johanna Schmidt, die dort das Investment Strategy Team leitet. “Wir brauchen Kleidung. Mode ist kein kontroverses Produkt an sich”, sagt sie. Aber viele Entwicklungen der Branche seien nicht nachhaltig. Deshalb hat die Bank entschieden, Investments in Modefirmen nicht grundsätzlich auszuschließen. Nur solche in Konzerne, die auf Fast-Fashion setzen. Das gelte zum Beispiel auch für Unternehmen wie H&M und Inditex (Zara). Zusätzlich gilt eine umgekehrte, strenge Nachhaltigkeitsprüfung. Als allererstes müsse ein Unternehmen belegen, dass es zu Veränderungen in der Branche beiträgt – zum Beispiel durch ein ausgefeiltes Konzept für Kreislaufwirtschaft. Dann prüfe die Bank, ob die eigenen Nachhaltigkeitsstandards eingehalten werden. Als Letztes folge die Finanzanalyse.
“Nachhaltig investieren heißt nicht, nur in voll nachhaltige Unternehmen zu investieren. Sonst wäre es nachhaltiges Spenden”, erklärt hingegen Henrik Pontzen die Anlagestrategie von Union Investment. Deshalb hat seine Bank auch trotz der grundsätzlichen Bedenken zum Geschäftsmodell die Modebranche nicht ausgeschlossen. Und deswegen steht bei ihm auch die Finanzanalyse an erster Stelle einer Investitionsentscheidung. Unter den finanzstarken Unternehmen würden dann die 50 Prozent nachhaltigsten ausgewählt – klassischer Best-in-Class-Ansatz also.
Auch die Unternehmen, die durchfallen, bekommen eine zweite Chance, wenn sie glaubwürdige und umsetzbare Pläne zur Transformation vorlegen. Gerade in letzterem sieht Pontzen einen entscheidenden Hebel. Denn mit diesen Unternehmen gehe man ins Engagement. Insgesamt führt die Union Investment rund 2.000 solcher Gespräche im Jahr. Die wichtigsten Themen im Bereich Umwelt sieht er beim Wassermanagement und in der Erhöhung der Recyclingquote. “Das fängt beim Anfangsprodukt an. Die Wahl der Rohstoffe und die Frage, wie viele davon ich vermische, entscheiden darüber, ob ein Kleidungsstück später überhaupt recycelt werden kann”. Das habe man in Gesprächen mit Modefirmen immer wieder angesprochen.
Was aber passiert, wenn ein Unternehmen seine Geschäftspraktiken trotz Versprechen und Transformationsplänen nicht ändert? Pontzen verweist in dieser Frage auf die hochproblematische Menschenrechtslage in Xingjiang. Hier habe schon mehrfach eine weitere Eskalationsstufe gegriffen, indem man das deutsche Außenministerium in Gespräche mit der Geschäftsführung einbezogen habe und zusätzliche Berichte von unabhängigen Prüfern vor Ort eingefordert habe. Auch am Ende eines solchen Prozesses, das gesteht Pontzen ein, könne keine 100-prozentige Sicherheit stehen. Aber wenn die Zweifel an den Geschäftspraktiken vor Ort überwiegen, bleibe immer noch der Rückzug von Kapital. Das allerdings sei immer das letzte Mittel. Denn letztlich beraubt man sich mit einem Ausstieg auch der Einflussmöglichkeit.
Als Beispiel für erfolgreiches Engagement nennt Pontzen Adidas. Das Unternehmen habe substanziell an seiner Recyclingquote gearbeitet und gilt auch im Bereich existenzsichernde Löhne als ein Vorreiter der großen Modekonzerne. Im Fall von Adidas haben nachhaltige Investoren offenbar Hand in Hand gearbeitet. Das Unternehmen findet sich nicht nur in Fonds von Union Investment. Auch die Triodos Bank und die Vermögensverwaltung der Sparkasse, Deka, ist hier investiert. Genauso der Arbeitskreis kirchlicher Investoren (AKI), der sich international mit der Church Investors Group aus Großbritannien verbündet.
“Die Modebranche ist zuletzt viel empfänglicher geworden für Gespräche über Nachhaltigkeit”, sagt auch AKI-Geschäftsführerin Antje Schneeweiß. Einen Grund sieht sie in der anziehenden Regulierung durch die EU. Als Beispiele nennt sie das Sorgfaltspflichtgesetz, das gerade ausgearbeitet wird, sowie die Offenlegungsverordnung der EU, die gerade überarbeitet wurde. Letztere sieht jetzt schon vor, dass Vermögensverwalter angeben müssen, bei wie viel Prozent der investierten Unternehmen Kontroversen im Bereich Menschenrechte bestehen und wie hoch der Anteil der Unternehmen ist, die aktiv Menschenrechtsverletzungen vorbeugen. Hinzu kommt, sagt sie, “die Modebranche ist sehr stark an den Konsumentinnen und Konsumenten ausgerichtet.” Und die würden zunehmend sensibel auf Berichte über Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen reagieren. Das wiederum helfe Investoren bei Gesprächen mit Unternehmen. Trotz allem, das gibt Schneeweiß so wie auch alle anderen hier Zitierten zu: Es bleibt schwer nachzuweisen, dass es die Investitionsentscheidungen oder die Gespräche mit der Finanzbranche sind, die die Modebranche verändern.
Direkter ist der Einfluss bei der Kreditvergabe. Hier ist auch die GLS-Bank offen für Modeunternehmen. In Kreditgesprächen habe man die Möglichkeit, konkrete Nachhaltigkeitsziele zu definieren. Diese sogenannten Sustainablity Linked Bonds oder Credits dürften künftig deutlich an Bedeutung gewinnen. Auch das gepusht durch die EU-Regulierung. Denn die sieht vor, dass Geldhäuser, den Anteil ihrer nachhaltigen Finanzierungen ausweisen und steigern müssen.
Triodos-Bankerin Johanna Schmidt hat noch eine weitgehendere Vision. Am liebsten sähe sie, dass sich Investoren mit Lieferanten und Produzenten vor Ort verbünden. Das könnte die Machtverhältnisse in der Branche auf den Kopf stellen und die Mode-Industrie revolutionieren. Verena von Ondarza

Durch das Recht auf Reparatur soll es für Verbraucherinnen und Verbraucher in der EU einfacher werden, Produkte reparieren zu lassen. Was bedeutet es für die Industrie, wenn mehr repariert und weniger gekauft wird?
Das würde kurzfristig weniger Umsatz durch den Verkauf, andererseits aber auch Umsatzpotenziale auf der Reparaturseite bedeuten. Interessant ist für die Unternehmen dabei noch ein anderer Punkt: Konsumgüterfirmen haben oft nur einen Berührungspunkt zum Kunden und das ist der Kauf. Lassen Kunden ihre Geräte reparieren, ändert sich dies. Die Reparatur ist für die Firmen somit eine Chance, die Kunden enger an das eigene Unternehmen zu binden und mehr über ihr Nutzungsverhalten und ihre Bedürfnisse zu erfahren. Zum Beispiel über ein Abonnement. Das Konzept, das die Streamingdienste sehr erfolgreich verfolgen, haben die Konsumgüterhersteller schon einmal versucht zu imitieren, indem sie die Verbrauchsmaterialien für ihre Geräte (Waschmittel, Kaffeepads, Rasierklingen) in Abomodelle gepackt haben. Bisher mit eher bescheidenem Erfolg. Durch das Recht auf Reparatur könnte es zu einem neuen Anlauf kommen.
Sie meinen Reparatur- oder Mietmodelle?
Zum Beispiel. Es gibt bereits vereinzelt Hersteller hochwertiger Geräte, die so etwas anbieten. Je nach Modell tauschen oder reparieren die Hersteller die Geräte dann kostenlos. Allerding sehen viele Kunden Abos für Konsumgüter – im Gegensatz zu Dienstleistungen – noch kritisch. Außerdem ist das Wettbewerbsumfeld für Services bei Privatkunden schwieriger als im Industrieumfeld, wo Serviceverträge für den Maschinenpark alltäglich sind. Oft lohnt sich ein eigener Kundenservice für Konsumgüteranbieter auch nicht. Für unabhängige Reparaturwerkstätten kann das anders aussehen. Nehmen Sie als Beispiel den Handybereich oder Repaircafés, auch wenn diese noch eine kleine Nische sind.
Am Ende entscheidet der Kunde, ob er die Reparaturmöglichkeit nutzt oder neu kauft…
Das Recht auf Reparatur ist keine Pflicht. Es wird weiter Kunden geben, die lieber ein neues Produkt kaufen, anstatt ein altes reparieren zu lassen. Zudem sind die meisten Konsumenten bequem. An der Entwicklung des Onlinehandels kann man das sehr gut beobachten. Auch der Preis spielt eine Rolle. Unsere Sustainability Studie aus dem November zeigt: Nachhaltigkeit ist 95 Prozent der Konsumenten in Deutschland wichtig. Gleichzeitig bleibt die größte Hemmschwelle bei 30 Prozent der Kunden ein zu hoher Preis. Auch bei refurbishten, also vollständig erneuerten, Produkten sind Kunden nicht bereit den Aufwand, der mit der Ressourcenschonung und längeren Nutzung verbunden ist, zu bezahlen und verlangen einen spürbaren Abschlag. Außerdem wird Nachhaltigkeit zunehmend zum Hygienefaktor, der erwartet wird, und für den Kunden nicht bereit sind mehr zu bezahlen. Das macht es schwieriger, für nachhaltige Angebote einen preislichen Aufschlag zu verlangen.”
Wie kann Reparierbarkeit als Geschäftsmodell dann funktionieren?
Wichtig ist: Es muss sich rechnen und der Kunde muss es verstehen. Der professionelle Industrieeinkauf kalkuliert grundsätzlich die Gesamtkosten, die mit dem Kauf und der Nutzung eines Investitionsgutes verbunden sind. Auf langlebige Konsumgüter wie eine Waschmaschine ließe sich dieser Ansatz im Premiumbereich übertragen. Allerdings sind Privatkunden keine professionellen Einkäufer. Das braucht sehr viel Kommunikation und Überzeugungsarbeit.
Was könnte helfen?
Wenn die längere Nutzung von Konsumgütern ein gesellschaftlicher Trend wird – durch den politischen Willen, durch Brancheninitiativen, durch die Selbstverpflichtung großer Hersteller. Dann rückt das Thema in den Vordergrund der Kaufentscheidung. Eine Reparatur bewerten Kunden ja erst einmal negativ. Es bedeutet, ein Produkt geht kaputt und es entsteht Aufwand. Damit will sich beim Kauf eigentlich niemand beschäftigen. Deshalb ist es wichtig, die Vorteile einer längeren Produktnutzung bei den Kunden gezielt zu adressieren.
Dass viele Produkte nicht reparabel sind, hat mit ihrer kostengünstigen Herstellung zu tun. Wer zahlt den Mehraufwand für die aufwändigere Fertigung?
Jeder Hersteller braucht eine Mindestmarge. Es wird für alle Produkte weiter Einstiegsmodelle geben, deren Preis dann aber entweder über dem heutigen liegt oder Innovationen erlauben reparierbare Produkte zu vergleichbaren Herstellkosten. Marktchancen können sich aus dem Recht auf Reparatur aber für Hersteller auch noch aus einem ganz anderen Bereich ergeben, nämlich aus dem Vorhalten von Ersatz- und Zubehörteilen für den Direktabsatz zum Endkunden.
Warum ist das für die Firmen attraktiv?
Schon heute bieten viele Konsumgüterhersteller in ihren eigenen Onlineshops Zubehör- und Ersatzteile in einer Vielfalt, die der Handel für die Produkte so gar nicht vorhalten kann. Die Produkte haben zudem oft äußerst attraktive Margen. Dieses Angebot wird umso wichtiger, je wichtiger die Langlebigkeit von Konsumgütern wird. Wer hier gut aufgestellt ist, kann sich vom Wettbewerb auch preislich besser abgrenzen.
23. Mai 2023, 13:00 bis 17:00 Uhr, Stuttgart
Informationsveranstaltung Future-Camp 4.0: Willkommen zur Arbeitskräftetransformation. Veranstalter: Qualifizierungsverbünde Baden-Württemberg
Info und Anmeldung
23. bis 24. Mai 2023, Berlin
Konferenz In einer Zeit des Umbruchs – Arbeit und Wertschöpfung im Wandel
23. bis 25. Mai 2023, Essen
Messe E-world energy & water Info
30.05.2023, 18:00 bis 21:00 Uhr, Frankfurt am Main
Vortrag Die grüne Transformation der Deutschen Bahn
Info und Anmeldung Info und Anmeldung
31. Mai 2023, 14:00 bis 15:30 Uhr (Online)
Webinar Gesteuertes Laden – Wie wir Elektroautos erfolgreich ins Stromsystem integrieren Info
1. bis 2. Juni 2023, Berlin
Konferenz Move – Die Konferenz zur Nachhaltigkeitskommunikation
Info und Anmeldung Info und Anmeldung
6. Juni 2023, 14:00 bis 15:00 Uhr (Online)
Webinar Klimaschutz im Personalmanagement Info und Anmeldung
13. bis 14. Juni 2023, Darmstadt
Konferenz Beschaffungskonferenz: BME Sustainability Summit 2023 Info und Anmeldung
14. bis 16. Juni 2023, Berlin
Festival Greentech Festival Info
14. bis 16. Juni 2023, Cottbus
Messe Bundeskongress: Die Welt im Wandel – So gelingt die Transformation in der Region Info
15. Juni 2023, 11:00 bis 16:00 Uhr, Bonn
Fachaustausch Länderforum: Nachhaltiges Bauen & Verkehrswende Info und Anmeldung
16. bis 17. Juni 2023
Konferenz Bits & Bäume NRW: Die Konferenz für Digitalisierung und Nachhaltigkeit Info und Anmeldung
20. Juni 2023, 11:00 bis 16:00 Uhr, Hoppstädten-Weiersbach
Fachaustausch Länderforum: Kreislaufwirtschaft Info und Anmeldung
24.06.2023, Kassel
Versammlung Bundesversammlung des kooperativen Wirtschaftens in Deutschland Info und Anmeldung
Anlässlich der heutigen Hauptversammlung der Deutschen Bank kritisiert die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald die anhaltende Finanzierung fossiler Energien. Laut dem von der Organisation mit herausgegebenen Bericht Banking on Climate Chaos hat sich das Finanzierungsvolumen allein im Bereich LNG zwischen 2021 und 2022 von 340 Millionen US-Dollar auf 907 Millionen US-Dollar fast verdreifacht. Damit belegt die Deutsche Bank im aktuellen Bericht Platz 11 im weltweiten LNG-Ranking. Insgesamt gehört sie mit 7,5 Milliarden US-Dollar auch 2022 zu den größten Finanzierern der fossilen Industrie.
Zu den von Urgewald kritisierten Geschäften gehört unter anderem ein Handelskredit für Flüssiggaslieferungen des Rohstoffhändlers Trafigura an das deutsche Unternehmen Sefe in Höhe von drei Milliarden Euro, den die Deutsche Bank zusammen mit einem Partner bereitgestellt hat und der staatlich abgesichert wurde.
Außerdem beteiligte sich die Frankfurter Bank an einem Kredit für Venture Global Plaquemines LNG. Venture Global will mit dem im Bau befindlichen Plaquemines-LNG-Terminal im US-Bundesstaat Louisiana neue Exportkapazitäten für gefracktes Gas schaffen. Das Projekt steht im Ruf, massive Auswirkungen auf die lokale Natur und Bevölkerung zu haben, da es Feuchtgebiete zerstört, die den umliegenden Gemeinden als Sturmschutz dienen.
Urgewald fordert daher generell strengere Richtlinien der Bank für Geschäfte mit Kohle, Gas und Öl. “Die Deutsche Bank muss ihrer Nachhaltigkeitsrhetorik endlich Taten folgen lassen und ihre fossilen Richtlinien dringend auf den Stand der Klimawissenschaft bringen”, sagt Anna Lena Samborski, Finanzexpertin von Urgewald. Das bedeute, den fossilen Ausbau nicht weiter zu unterstützen. Konkurrent BNP Paribas habe dies gerade getan und zumindest die direkte Finanzierung neuer Öl- und Gasfelder ausgeschlossen.
Die Deutsche Bank sah sich in der Vergangenheit immer wieder mit dem Vorwurf des Greenwashings konfrontiert. Zuletzt wiederholte die vor zwei Jahren gekündigte Nachhaltigkeitschefin der hauseigenen Fondsgesellschaft DWS, Desiree Fixler, in einem Interview mit dem Spiegel ihre damaligen Vorwürfe. Sie bezweifle, dass sich seither etwas geändert habe, so Fixler. Sie habe dem damaligen Leiter der Kommunikation der Deutschen Bank, dem heutigen Nachhaltigkeitschef Jörg Eigendorf, und dem DWS-Aufsichtsratschef Karl von Rohr 2021 “in einem Brief detailliert geschildert, was falsch läuft bei der ESG-Strategie, wie getrickst wird”. Beide hätten ihre Bedenken “abgetan”. ch/cd
Das Risiko von Kinderarbeit in internationalen Lieferketten sei “allgegenwärtig”, heißt es in einem Bericht der Kinderrechtsorganisation Save the Children und deren gemeinnütziger Tochterorganisation The Centre for Child Rights and Business. Dafür werteten die Autoren 20 Kinderrechtsanalysen in internationalen Lieferketten aus, in jeder zweiten fand sich Kinderarbeit, in acht der weiteren zehn Analysen wurde ein sehr hohes Risiko für Kinderarbeit beobachtet. Kinder arbeiteten vor allem in den vorlagerten unteren Ebenen der Lieferketten und im informellen Sektor. Hier sind weltweit mehr als die Hälfte aller Menschen beschäftigt ist. Die schlimmsten Formen von Kinderarbeit fänden sich im Bergbau, besonders im Kleinbergbau.
Kinderarbeit werde nicht eliminiert, sondern auf die vorgelagerten Lieferkettenstufen verdrängt, sagt Anne Reiner, Fachleitung für nachhaltige Lieferketten bei Save the Children Deutschland, gegenüber Table.Media: Hieraus resultiere, dass viele Unternehmen, die auf Tier-1-Lieferanten fokussiert seien, “zwar den Eindruck haben, dass es in ihren Lieferketten keine Kinderarbeit mehr gäbe, dies aber in Wirklichkeit leider nicht so ist”.
Die ILO-Kernarbeitsnormen verbieten Kinderarbeit – darauf bezieht sich auch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Deutschland und entsprechende nationale Regulierungen anderer Länder. Bei internationalen Unternehmen ist eine Null-Toleranz-Politik gegen Kinderarbeit Standard. Aber deren Monitoring-Mechanismen führen laut der Studie “oftmals nur zu einer Verlagerung von Kinderarbeit, nicht aber deren Beseitigung”.

Schwierigkeiten ergeben sich auch, weil Unternehmen schematisch agieren. So würden die Tier-1-Betriebe regelmäßig jugendliche Arbeitskräfte nicht beschäftigen, die noch keine 18 Jahre alt sind, auch wenn in ihrem Land ein niedrigeres Mindestalter gilt. So wie in Indien, wo es bei 16 Jahren liegt. Häufig sind diese jungen Menschen dann gezwungen, unter schlechteren Bedingungen im informellen Sektor zu arbeiten.
Der Bericht bezieht sich auf Kinderrechtsanalysen, die zwischen 2019 und 2022 entstanden und die Risikofaktoren sowie Geschäftspraktiken in der Produktion, Landwirtschaft und im Bergbau in Äthiopien, Brasilien, Indien, Indonesien, Sri Lanka, Vietnam, der Türkei und der Demokratischen Republik Kongo beleuchten. Hierfür wurden insgesamt 2.751 Eltern und 1.799 Kinder interviewt, zudem fanden Gespräche mit weiteren relevanten Stakeholdern in Lieferketten und Gemeinschaften statt.
Die Autoren ziehen den Schluss, dass ein unzureichendes Einkommen der Eltern und hohe Bildungskosten das Risiko von Kinderarbeit in allen Sektoren erhöhen und dass die mangelnde Formalisierung der lokalen Wirtschaft das Risiko verschärft. Verantwortlich für die Situation machen sie auch die Unternehmenspraktiken wie aggressive Preisstrukturen, unrealistische Umschlagzeiten und unvorhersehbare Auftragsvolumen – sie “verschärfen das Risiko noch weiter”. Aber hier bietet sich für Unternehmen auch eine Möglichkeit, um mit ihren wirtschaftlichen Aktivitäten in Lieferketten, die Situation zu verbessern.
Häufig hätten Unternehmen wenig Einblick in die tiefen Lieferketten. Abhilfe schaffen könnte die Einbindung betroffener Gemeinschaften und zivilgesellschaftlicher Gruppen, beispielsweise durch den Einsatz unabhängiger Vermittler. cd
Die hohen Wachstumsraten von pflanzlichem Fleischersatz waren von kurzer Dauer und der Marktanteil beträgt weniger als 0,2 Prozent des weltweiten Fleischmarktes von 1,7 Billionen US-Dollar. Dies geht aus einer Studie über Megatrends der Ernährungswirtschaft (“Was auf den Tisch kommt”) hervor. Erstellt hat sie PGIM, die Vermögensverwaltungsgesellschaft des US-Lebensversicherers Prudential Financial. Befragt wurden dafür 40 eigene Anlageexperten sowie politischen Entscheidern, Wissenschaftlern, Unternehmern sowie Private-Equity- und Venture-Capital-Investoren. Tatsächlich sei die Nachfrage nach alternativem Fleisch rückläufig, während die weltweite Nachfrage nach Fleisch tierischer Herkunft bis 2030 um 14 Prozent steigen werde. Haupttreiber sei die größere Fleischnachfrage von Verbrauchern in Schwellenländern. Unter den Herstellern von alternativem Fleisch wird es nach Ansicht der Autoren der Studie zu einer Konsolidierung kommen. Noch sei die Branche, in die eine Milliarde Euro an Risikokapital geflossen sei “stark fragmentiert und wirtschaftlich unrentabel”.
Das Urteil der Experten über das Lebensmittelsystem fällt schlecht aus. Es vereint 70 Prozent des globalen Wasserverbrauchs und 30 Prozent der Treibhausgasemissionen auf sich. Nebenwirkungen hat das System auch für die Menschen: 2017 waren ein Fünftel aller Todesfälle auf falsche Ernährung zurückzuführen.
“Vom Erzeuger bis zum Endverbraucher ist unser globales Ernährungssystem komplex, ineffizient und zunehmend ungeeignet, seinen Zweck zu erfüllen“, sagt Shehriyar Antia, Head of Thematic Research bei PGIM. Gleichzeitig sehen die Autoren Chancen für Investoren, die nach ESG-Kriterien anlegen. “Es besteht kein Zweifel, dass sich das Ernährungssystem in der Anfangsphase eines grundlegenden Wandels befindet.” Der Sektor müssen sowohl produktiver als auch nachhaltiger werden. Investoren sollten sich auf Innovationen in der gesamten Lebensmittelwertschöpfungskette konzentrieren, von der Kulturpflanzenforschung und landwirtschaftlichen Geräten bis hin zu Fortschritten bei Verpackung, Logistik und sogar alternativer Landwirtschaft.
Die Transformation des Ernährungssystems ähnele der des Energiesektors vor zehn Jahren, “das gesamte System befindet sich mitten in einem Umbruch”, sagt Jakob Wilhelmus, Director of Thematic Research bei PGIM. Chancen böten sich für Investoren, wenn sie Unternehmen ausfindig machten, “die tatsächlich dazu beitragen, die Produktivität und Nachhaltigkeit entlang der Lebensmittelwertschöpfungsketten zu verbessern”. cd
Der Rat hat am Dienstag die Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten angenommen. Das Parlament hatte die in den Trilog-Verhandlungen beschlossene Fassung des Gesetzes bereits am 19. April gebilligt. Die Verordnung kann nun im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden und tritt 20 Tage später in Kraft.
Wer bestimmte Produkte aus Risikogebieten auf dem EU-Markt anbietet, muss dann gewährleisten, dass diese nicht von einer nach dem 31. Dezember 2020 abgeholzten Fläche stammen und auch nicht zur Schädigung von Wäldern geführt haben. Zu den Produkten gehören Rinder, Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja, Holz, Kautschuk, Holzkohle, Druckerzeugnisse und einige Palmölderivate; außerdem Produkte, die diese Rohstoffe enthalten, mit ihnen gefüttert oder aus ihnen hergestellt wurden (etwa Leder, Schokolade und Möbel).
Die Kommission hatte den Gesetzesentwurf im November 2021 vorgestellt. Mit den neuen Vorschriften will die EU verhindern, dass ihr Verbrauch und Handel mit diesen Rohstoffen und Produkten zur weiteren Zerstörung der Waldökosysteme beiträgt. leo
Am Montag veröffentlichte die EU-Kommission ihren freiwilligen Bericht zur Agenda 2030 (EU Voluntary Review). Damit soll überprüft werden, ob die EU beim Erreichen der SDG-Ziele auf Kurs ist. In dem 26-seitigen Bericht attestiert sich die EU-Kommission selbst eine gute Note. Die Prioritäten der Kommission – vom “Green Deal ” bis hin zur “Wirtschaft im Dienste der Menschen” – würden die Erfüllung der SDG berücksichtigen.
Allerdings kann die Kommission nicht bei allen SDG-Zielen die gleichen Fortschritte vermelden. Während sie bei der Förderung von Wirtschaftswachstum und der Armutsbekämpfung gut abschneide, hätten andere Ziele, insbesondere die Ernährungssicherheit und nachhaltige Landwirtschaft (SDG 2) unter der Covid-Pandemie und dem Ukrainekrieg gelitten.
Außerdem gäbe es Nachholbedarf beim nachhaltigen Ressourcenverbrauch und dem Schutz terrestrischer Ökosysteme sowie im Bereich sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen (SDG6). Sorgen machen der Kommission hier vor allem die Verschmutzung von Gewässern durch pharmazeutische und industrielle sowie Pestizidrückstände.
Die Umweltorganisation EEB kritisierte in einem Presseschreiben, der freiwillige Bericht würde die Erkenntnisse der NGO-Allianz SDG Watch Europe, zu der auch die EEB gehört, nicht berücksichtigen. Diese stelle Rückschritte statt Fortschritte beim Erreichen der SDG-Ziele, insbesondere bei der Armutsbekämpfung, der Bekämpfung von Ungleichheiten und der Bewältigung der Klima-und Biodiversitätskrise fest. Die Kommission habe die Zivilgesellschaft und NGO nicht in das Überprüfungsverfahren eingebunden, bemängelt die EEB ferner. cw
Die Niederlande haben seit Jahren ein massives Problem mit Stickstoffemissionen aus der Tierproduktion. Jetzt hat die EU-Kommission grünes Licht für eine ungewöhnliche Maßnahme gegeben. Die Regierung in Den Haag darf Beihilfen zahlen, wenn Rinder-, Schweine- und Geflügelzüchter ihre Betriebe freiwillig aufgeben.
Für das Programm, das bis Ende Februar 2028 läuft, stehen insgesamt 1,47 Milliarden Euro an Ausgleichszahlungen zur Verfügung. Es richtet sich an bis zu 3.000 Tierhalter in Natura-2000-Gebieten. Natura 2000 ist ein EU-weites Netz von Schutzgebieten zur Erhaltung gefährdeter oder typischer Lebensräume und Arten.
Das Ausstiegsprogramm besteht aus zwei Teilen. Das Basisprogramm LBV ist mit 500 Millionen Euro ausgestattet und wird für die endgültige Aufgabe von Betrieben gewährt, die eine gebietsbezogene Mindestmenge an Stickstoffemissionen verursachen. Weitere 975 Millionen Euro stehen für das Programm LBV plus zur Verfügung. Es richtet sich gezielt an Betriebe mit hohen Emissionen.
In beiden Fällen werden die Landwirte durch direkte Zuschüsse für die entstandenen Verluste entschädigt. Bei der LBV plus kann der Ausgleich bis zu 120 Prozent betragen. Die EU-Kommission begründete ihre Genehmigung unter anderem mit den Zielen des europäischen Green Deal.
Die Stickstoffdebatte ist in den Niederlanden zu einem echten Politikum geworden. Das Land gehört zu den größten Agrarproduzenten der Welt. Auch bei den Stickstoffemissionen pro Hektar liegt es weltweit an der Spitze. Trotzdem mobilisieren die Landwirte seit Jahren gegen geplante Umweltauflagen.
Ein politisches Erdbeben, die sogenannte hellgrüne Welle, war die Folge. Die vor vier Jahren gegründete BauernBürgerBewegung (BBB) wurde bei den Regionalwahlen im März 2023 in allen zwölf Provinzen stärkste Partei. Damit wird sie künftig auch auf nationaler Ebene ein gewichtiges Wort mitreden. Ende Mai wählen die Abgeordneten der Provinzparlamente den neuen Senat. Die BBB kann mit 17 von 75 Sitzen rechnen. ch
Wärmepumpen versprechen in den kommenden Jahren ein gutes Geschäft zu werden. Bis 2030 sollen allein in Deutschland sechs Millionen Wärmepumpen installiert werden. Das sind 500.000 Stück pro Jahr. Der Rüstungs- und Technologiekonzern Rheinmetall will an der Transformation der Heizungsbranche kräftig mitverdienen. Bereits im Dezember meldete das DAX-Unternehmen einen Auftrag im Wert von 770 Millionen Euro für die Herstellung von Kompressoren. Nun wurde bekannt, dass die Kältemittelverdichter für Wärmepumpen bestimmt sind. Sie entscheiden über deren Effizienz und gelten daher als Schlüsselkomponente.
Der Einstieg von Rheinmetall sei eine “wichtige Entscheidung”, sagt Thomas Nowak, Generalsekretär der European Heat Pump Association, gegenüber Table.Media. Denn bei Kompressoren gebe es eine starke Abhängigkeit von Asien. Nun hätten die Wärmepumpenhersteller eine weitere Option für den Einkauf wichtiger Komponenten und “einen Beschaffungspunkt innerhalb Europas”, so Nowak. Im ersten Quartal 2023 hat die Branche in Deutschland knapp 100.000 Stück verkauft. Im Vergleich zum Vorjahresquartal entspricht das einem Plus von 122 Prozent.
Offen ist, wer den Auftrag an Rheinmetall vergeben hat. Das Handelsblatt will aus Unternehmenskreisen erfahren haben, dass es sich um den deutschen Heizungsbauer Viessmann handelt. Rheinmetall wollte sich dazu nicht äußern, Viessmann dementierte. Das Familienunternehmen hat erst kürzlich seine Klimatechnik-Sparte für zwölf Milliarden Euro an den US-Konzern Carrier Global verkauft. Viessmann gehört in Deutschland zusammen mit Bosch Thermotechnik, Vaillant und Stiebel Eltron zu den großen Vier auf dem Markt für Wärmepumpen. Alle vier produzieren auch in Deutschland.
Anders als etwa bei Solarpaneelen ist China mit 40 Prozent der Weltproduktion zwar ein gewichtiger Global Player, hat aber keine marktbeherrschende Stellung. “Eine ähnliche Entwicklung der Abhängigkeiten wie in der Solarindustrie kann ich mir kaum vorstellen”, sagt Jan Rosenow gegenüber Table.Media. Rosenow ist Europa-Direktor des Think Tanks Regulatory Assistance Project und ein Kenner der Branche. “China produziert zwar günstiger”, als Hersteller im Westen, so Rosenow. Die größten Kostensenkungen seien in Zukunft aber bei der Installation zu erwarten. “Somit kann China seine Vorteile einer günstigen Massenproduktion nicht gut ausspielen.” Zudem achteten deutsche Kunden und Installateure bei Wärmepumpen sehr auf die Qualität, sagt Rosenow. Das Vertrauen in die heimischen Hersteller sei hoch. nib
Einer europäischen Forschergruppe zufolge ist die Zahl der Vögel in Europa zwischen 1980 und 2016 um ein Viertel zurückgegangen. Besonders davon betroffen sind Vögel, die in Agrarlandschaften leben. Hier lag der Rückgang bei über 50 Prozent. Laut der Studie, die kürzlich im US-Wissenschaftsmagazin PNAS veröffentlicht wurde, hat die Ausweitung der intensiven Landwirtschaft den mit Abstand größten Einfluss auf die Vogelbestände.
In ihrer Studie analysieren die Forscher Daten des European Bird Census Council zu 170 Vogelarten an 20.000 Standorten in 28 Ländern und verknüpfen sie für jedes dieser Länder mit Untersuchungen zu vier potenziellen Stressfaktoren für Vögel: Ausweitung der Landwirtschaft mit hohem Pestizid- und Düngemitteleinsatz, Verstädterung, Veränderung der Bewaldung und steigende Temperaturen.
Die Untersuchung zeigt, “dass in Ländern, in denen die intensive Landwirtschaft dominiert, die Vogelbestände besonders stark zurückgehen – vor allem in den westeuropäischen Industriestaaten”, bewertet Christian Hof vom Lehrstuhl für Terrestrische Ökologie der TU München die Forschungsergebnisse. Er rät deshalb zu einer weniger intensiven Landwirtschaft. “Vor allem müssen wir von dem hohen Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden wegkommen”, so Hof.
Die Folgen des Rückgangs der Vogelzahlen und der Vogelvielfalt seien weitreichend, sagt Katrin Böhning-Gaese, Professorin an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Vögel erfüllten wichtige Ökosystemfunktionen wie die Schädlingsbekämpfung oder die Verbreitung von Samen. Zudem seien Vögel Indikatoren für andere Arten. “Der Rückgang der Vögel spiegelt wider, dass viele andere Arten zurückgehen, zum Beispiel Wildkräuter, Bestäuber, andere Insekten und womöglich sogar Bodenorganismen.”
Die Ornithologin befürchtet aber auch Auswirkungen auf die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen. “Der Rückgang der Vögel führt möglicherweise dazu, dass wir trauriger und unglücklicher werden”, sagt Böhning-Gaese. ch
An diesen Experten mangelt es Deutschlands Unternehmen – Handelsblatt
Durch Auflagen und Investoren steige der Druck auf Unternehmen, klare Kriterien für Umwelt, Soziales und Führung zu erreichen, berichtet Lukas Bay. Doch ESG-Experten auf diesem Gebiet seien Mangelware. Laut einer Umfrage der Managementberatung Horváth fürchte jedes vierte Unternehmen, die gesetzliche Anforderungen nicht erfüllen zu können. Zum Artikel
Wir produzieren Luxus – Süddeutsche Zeitung
Über die Schwierigkeiten der Transformation der Automobilindustrie berichtet Bernd Kastner anlässlich einer Tagung zu Klimagerechtigkeit in Tutzing. Dort sagte der BMW-Nachhaltigkeitsmanager Thomas Becker, das Unternehmen habe viele Lieferanten verpflichtet, mehr grüne Energie und Sekundär- statt Primärmaterial einzusetzen. Man habe auf der IAA auch ein Recycling-Auto präsentiert: Das könnte man aber nicht wirtschaftlich bauen, weil Sekundärmaterial zu knapp, zu schlecht und zu teuer sei. Zum Artikel
Europe needs more factories and fewer dependencies – Financial Times
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron fordert in einem Gastbeitrag eine europäische Kraftanstrengung für eine Reindustrialisierung. Europa brauche mehr Fabriken und weniger Abhängigkeiten. “Wir sind nicht mehr naiv. Ohne unsere Offenheit zu gefährden, handeln wir, um unsere Interessen, unsere Unabhängigkeit und unsere Werte zu schützen und unser europäisches Wirtschafts- und Sozialmodell durchzusetzen”, schreibt Macron. Zum Artikel
The Leader’s Dilemma: Why you’re probably hearing less about Corporate Climate Initiatives -The NYT
Angesichts der Vorwürfe des Greenwashing und des Woke Capitalism sagen Berater immer häufiger, dass es vielleicht die beste Lösung für Unternehmen sei, ruhig zu bleiben, hat Michael Skapinker rausgefunden. Zum Artikel
ESG wird nicht zu Ende gedacht – Computerwoche
Oliver Schonscheck widmet sich der Frage, warum das Thema Nachhaltigkeit bislang kaum Einzug in die Unternehmenssteuerung genommen hat, obwohl Konzepte durchaus vorhanden sind. Zum Artikel
Sozial-ökologische Transformation: Der Staat als Klimaaktivist – nd.aktuell
Roland Kulke berichtet darüber, dass sich die Spielräume für die sozial-ökologische Transformation von Wirtschaft, Arbeit und Gesellschaft in den vergangenen Jahren vergrößert haben. Zum Artikel
Northvolt to build German battery factory after Berlin pledges state aid – Financial Times
Das schwedische Unternehmen Northvolt wird mit der Planung eines Werks in Norddeutschland beginnen, nachdem die Bundesregierung sich auf Hilfen in dreistelliger Millionenhöhe festgelegt hat. Zum Artikel
BNP Paribas to stop funding new gas projects as litigation risk mounts – Financial Times
BNP Paribas wolle keine neuen Gasfeldprojekte mehr finanzieren und damit seine Finanzierungsaktivitäten für fossile Brennstoffe weiter einschränken, schreiben Sarah White und Kenzy Bryan. Zum Artikel
Macrons Kampfansage an chinesische E-Autobauer – Handelsblatt
Frankreich wolle die nationale Kaufprämie für Elektroautos künftig vom CO₂-Ausstoß bei der Produktion abhängig machen, schreibt Gregor Waschinski. Damit wären in China hergestellt Fahrzeuge faktisch von dieser Subvention ausgeschlossen. Europa dürfe nicht den gleichen Fehler wie bei der Solarindustrie machen, warnte Macron. Von den damaligen Subventionen profitieren in großem Ausmaß chinesische Hersteller. Zum Artikel
PwC sieht Finanzierungslücke bei der Transformation der Wirtschaft – Focus Online
Beim notwendigen Umbau der deutschen Wirtschaft gibt es nach Einschätzung der Unternehmensberatung PwC “eine große Finanzierungslücke”. Für die Transformation seien zusätzliche Investitionen von jährlich 170 Milliarden Euro erforderlich, das entspricht gut vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Zum Artikel
How fast can European steelmakers decarbonise? – The Economist
Laut dem Economist gibt es zwei zentrale Motive für die grüne Transformation europäischer Hersteller Stahlhersteller: Große Kunden, beispielsweise aus der Autobranche oder dem Maschinenbau, schauten nach Möglichkeiten einer Dekarbonisierung ihrer Wertschöpfungsketten und seien bereit, für grünen Stahl mehr zu bezahlen. Außerdem sinke in den nächsten zehn Jahren der Anteil der kostenlosen CO₂-Zertifikate, die Stahlhersteller in der EU erhalten, auf null. Zum Artikel
Total verbohrt – Süddeutsche Zeitung
Nakissa Salvati berichtet über die Auswirkungen von bisherigem Fracking in Deutschland, was in poröseren Gesteinsschichten wie Sand erlaubt ist, und über die Diskussion zum Ausbau der Förderung in Schiefergestein, was seit 2016 verboten ist. Der Industrieverband BVEG gehe davon aus, dass dadurch eine Menge Erdgas gewonnen werden könne, die 20 Jahre den deutschen Gasbedarf decken würde. Zum Artikel
Chance für Umweltrechte durch die europäische Gesetzgebung zu Lieferketten – Ökoinstitut
Podcast mit Peter Gailhofer in der Reihe “Wenden bitte!” über seine Einschätzung zum Lieferkettengesetz. Er befürwortet, dass die klimabezogenen Sorgfaltspflichten im Rahmen der Lieferkettengesetze durch die EU-Richtlinie gestärkt werden. Zum Podcast
Podcast: Die neue Verbandsklage – Auswirkungen im Bereich ESG? -Gleiss Lutz-Podcast
Lukas Schultze-Moderow erörtert mit dem ESG-Experten Marc Ruttloff der Kanzlei Gleiss Lutz die verschiedenen Konstellationen von “ESG-Litigation”, einschließlich Ansatzpunkten für Schadenersatzansprüche, die mithilfe der Verbandsabhilfeklage zukünftig durchgesetzt werden könnten. Zum Podcast


Von vielen Seiten wird seit einiger Zeit der Versuch unternommen, eine Globalisierung 2.0 zu proklamieren, die sich von der Globalisierung 1.0 vor allem dadurch unterscheidet, dass der Westen/Norden, also die sogenannte industrialisierte Welt, sich politisch und wirtschaftlich weniger vom Osten/Süden abhängig macht. Man ordnet die Handelspartner dazu von vorneherein in Kategorien ein wie den “Wertepartner” oder das “autoritäre Regime”.
Noch beeindruckender ist es, dass diejenigen, die sich mit den Wertepartnern unbedingt auf eine “regelbasierte” Ordnung einigen wollen, offenbar davon ausgehen, man könne mit dem Rest der Welt dann genau den Handel treiben, den man selbst gerne möchte und genau auf den Handel verzichten, der “zu große Abhängigkeiten” mit sich bringt. Ob irgendjemand auf der Welt Interesse an einem solchen Handel hat, der dem Westen/Norden nicht nur die schon bisher üblichen Vorteile beschert, sondern ihm auch noch freie Hand bei der Auswahl der Produkte gibt, die er handeln möchte, das fragt erstaunlicherweise niemand.
Auch die einfache Frage, ob internationaler Handel überhaupt sinnvoll ist, wenn nicht nur seine Regeln, sondern auch seine Produkte zum Spielball westlicher Wertepartner werden, wird nicht gestellt. Bisher hat die große Mehrheit der Ökonomen in Deutschland und Europa Globalisierung und Freihandel als unverbrüchliche Einheit gesehen und beides vehement als wohlstandsfördernd für alle verteidigt. Jetzt schweigen die Liberalen.
Doch sie lügen sich auch mit ihrem Schweigen in die eigene Tasche. Es war nämlich nicht die Globalisierung als solche, die “Abhängigkeit und Verletzbarkeit” im Westen und Norden mit sich gebracht hat, sondern die Art und Weise, wie die Globalisierung von den entwickelnden Ländern in den sich entwickelnden Ländern umgesetzt wurde. Das beliebteste Modell war der Umzug ganzer Fabriken in Niedriglohnländer, wo man mit der bombigen westlichen Produktivität Gewinne oder Marktanteile auf dem Weltmarkt erzielen konnte, die zu Hause niemals möglich gewesen wären. China steht dafür wie kein anderes Land jemals vorher.
Wenn aber ein auf diese Weise sich entwickelndes Land wie China auf die Idee kommt, selbst im Westen/Norden zu investieren oder sich gar in anderen Entwicklungsländern zu engagieren, dann finden wir das gar nicht gut, weil China ja nicht zu unseren Wertepartnern gehört.
Nicht genug damit. Basierend auf vollkommen realitätsfremden Modellen hat der Westen/Norden über viele Jahrzehnte die vollkommene Freiheit des Güter- und Kapitalverkehrs ausgerufen und jedes Land massiv politisch und wirtschaftlich unter Druck gesetzt, dass sich diesem Dogma nicht beugen wollte. Geriet ein Land in Konflikt mit den “Märkten”, wurde es mithilfe des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank systematisch und auch gegen den Willen ihrer Regierungen auf Neoliberalismus getrimmt.
Der aufgezwungene Neoliberalismus war jedoch niemals in der Lage, die Probleme der Länder zu lösen. Das Maß an Währungsstabilität, das unabdingbar für einen funktionierenden Freihandel ist, hat es beispielsweise nie gegeben. Die Kapitalmärkte waren nicht effizient, sondern haben in jeder Hinsicht versagt. Sie haben verrückt gespielt und jeden mit massiven Spekulationen überzogen, der versuchte, seine Wirtschaft auf eine Weise, wie sie im Westen durchaus üblich ist, zu steuern. Brasilien kann viele Lieder davon singen.
Doch selbst die Dogmen des Neoliberalismus waren den Verkündern des Neoliberalismus immer wieder vollkommen egal. Länder wie Deutschland und die Niederlande predigen zwar den anderen den Freihandel, praktizieren mit ihren Leistungsbilanzüberschüssen gleichzeitig jedoch Merkantilismus in Reinform und verteidigen ihn – gegen jede Vernunft – mit Zähnen und Klauen.
Die Welt braucht 50 Jahre nach dem Ende des Systems von Bretton Woods wieder ein globales Wirtschafts- und Währungssystem. Ein solches System muss auf der Erkenntnis aufbauen, dass Handel und Finanzen nicht voneinander zu trennen sind. Unternehmen, die im internationalen Handel erfolgreich agieren wollen, müssen sich, nicht anders als auf der nationalen Ebene, absolute Vorteile gegenüber ihren Konkurrenten erarbeiten. Sie müssen – bei gleicher Qualität der Produkte – billiger sein. Die von den Ökonomen seit Jahrhunderten hochgehaltenen komparativen Kostenvorteile im internationalen Handel, die den Entwicklungsländern vorgaukeln, eine kleine Chance zu haben, sind ein geschickter Trost, aber in Wirklichkeit nicht existent.
Was für Unternehmen gilt, gilt jedoch nicht für Länder. Sind viele Unternehmen eines Landes erfolgreich im Sinne einer deutlichen Zunahme der Produktivität, müssen unter vernünftigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Löhne in dem Land so stark steigen, dass der Produktivitätsvorteil im internationalen Vergleich nicht mehr zugunsten der Unternehmen dieses Landes zu Buche schlägt. Trotz höherer Produktivität müssen die Lohnstückkosten, die Löhne im Verhältnis zur Produktivität, dann genauso stark wie in den Ländern steigen, die eine geringere Produktivitätszunahme aufweisen.
Steigen die Löhne im Verhältnis zur heimischen Produktivität zwischen den Ländern in unterschiedlichem Tempo, ergeben sich Inflationsdifferenzen, die absolute Vorteile für ganze Länder mit sich bringen, nämlich für diejenigen, die die geringsten Inflationsraten aufweisen. Die Inflationsdifferenzen müssen deshalb zwingend durch das Währungssystem ausgeglichen werden.
Die Währungen von Ländern mit niedrigen Inflationsraten müssen aufwerten und umgekehrt. Konstante reale Wechselkurse, also konstante Wettbewerbspositionen von Ländern, sind der Kern der Lösung der Globalisierungsprobleme. Standortwettbewerb von Ländern ist genau das Gegenteil dessen, was die Welt braucht. Die Positionen von Unternehmen können sich auch bei konstanten realen Wechselkursen in der gleichen Weise ändern wie in einem Binnenmarkt, sodass die Vorteile des Wettbewerbs erhalten bleiben, ohne dass ganze Gesellschaften in den Ruin getrieben werden und Auswanderungswellen nach sich ziehen.
Die Welt braucht folglich ein Handelssystem, das von einem Währungssystem ergänzt wird, welches dafür sorgt, dass kein Land auf Dauer absolute Vorteile oder Nachteile hat. Was nichts anderes heißt, als dass keine Länder dauerhafte Leistungsbilanzdefizite oder Leistungsbilanzüberschüsse aufweisen dürfen. Nur so kann man einen Neuanfang schaffen, der auf Integration der Entwicklungsländer und auf Kooperation statt auf Konfrontation setzt.
Direktinvestitionen wird es dennoch geben und man sollte sie auch nicht verhindern, denn sie schaffen für die Entwicklungsländer die Möglichkeit schneller aufzuholen. Allerdings muss man den Ländern, die von den daraus resultierenden Billigimporten überschwemmt werden, die Möglichkeit einräumen, ihre eigene Industrie zu schützen.
Generell muss sich die Einstellung der Industrieländer zu den Entwicklungsländern fundamental ändern. Standortwettbewerb ist ebenso fehl am Platz wie die immer wieder in den internationalen Organisationen hochkommende “natürliche” Gegnerschaft des Nordens mit dem Süden. Die Entwicklungsländer sind nicht die Gegenspieler der Industrieländer. Diese weit verbreitete Vorstellung, die sich auch in Brüssel immer wieder als hoffähig erweist, ist eine Form des geistigen Kolonialismus, die dringend in die Mülltonne der überholten Dogmen entsorgt werden muss.
Noch schlimmer ist die “Rivalität”, die von der deutschen Außenpolitik im Verhältnis zu China den USA abgeschaut wurde. Mit China das Land leichtfertig zum Rivalen zu erklären, von dessen rasender Entwicklung die deutsche Wirtschaft wie keine zweite auf der Welt profitiert hat, zeugt schlicht von Unwissen über die Verhältnisse in China und in der gesamten Welt.
Gerade diejenigen, die das Tempo der globalen Klimaschutzpolitik forcieren wollen, werden kläglich scheitern, wenn sie über kein zukunftsfähiges Wirtschaftsmodell für die gesamte Welt verfügen. Eine fair gestaltete wirtschaftliche Globalisierung ist der Schlüssel zu einer effizienten Klimapolitik. Bisher hangelt man sich von Konferenz zu Konferenz, um hinterher festzustellen, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse niemals so waren, dass sie den Entwicklungsländern den Ausstieg aus den fossilen Energieträgern erlaubt hätte. Der Westen muss nicht reisen und reden, er muss durch seine Taten zeigen, dass er die wahren wirtschaftlichen Probleme anzuerkennen bereit ist.
Der Volkswirt Heiner Flassbeck ist Honorarprofessor an der Universität Hamburg. Er arbeitete von 1976 bis 1980 im Stab des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und danach sechs Jahre im Bundesministerium für Wirtschaft. Im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin war er von 1988 bis 1998 Leiter der Abteilung Konjunktur. 1998 wurde er beamteter Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen. Von August 2003 bis Dezember 2012 war er bei UNCTAD in Genf, Direktor der Abteilung für Globalisierung und Entwicklungsstrategien. Er ist Autor vieler Bücher. Sein letztes Buch, “Der begrenzte Planet und die unbegrenzte Wirtschaft”, erschien 2020 im Westend Verlag. Mit Friederike Spiecker zusammen hat er einen “Atlas der Weltwirtschaft” in den Jahren 2020 und 2022 herausgebracht. Er schreibt regelmäßig zu aktuellen Fragen auf Relevante-Ökonomik.com.

Dass Thorsten Pinkepank im Lobbyregister des Deutschen Bundestags auftaucht, stört ihn nicht. Lobbyismus habe zu Unrecht einen schlechten Ruf, sagt der langjährige Netzwerker. “Ich möchte nicht in einer Gesellschaft leben, in der Unternehmen kein Interesse daran haben, was im Parlament passiert und sich nicht einbringen.” Als Director of Sustainability Relations bei BASF vermittelt er zwischen Unternehmen und Gesellschaft, stößt intern und extern Diskussionen über Nachhaltigkeit an und engagiert sich in internationalen Unternehmensinitiativen für Menschenrechte.
Thorsten Pinkepank wurde 1966 in Alfeld nahe Hildesheim geboren. Nach einer kaufmännischen Ausbildung bei BASF studierte er Publizistik, Politik und Psychologie und sammelte praktische mediale Einblicke beim ZDF, der Deutschen Welle sowie in der Presseabteilung des Bundesumweltministeriums. Dort erkannte er, dass das Thema Nachhaltigkeit für Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen unverzichtbar werden würde. Noch als Student gründete er mit einem Partner ifok, ein Beratungsunternehmen für Nachhaltigkeitskommunikation – es existiert noch immer. Als in den 90er Jahren Nachhaltigkeit das erste Mal auf dem Radar vieler Unternehmen auftauchte, “dominierte das E in ESG”, sagt Pinkepank.
Mittlerweile habe sich das gedreht: “Das Soziale in ESG ist enorm wichtig, weil wir die notwendigen Transformationen nur mit der Gesellschaft und nicht gegen sie schaffen.”
Mit seinem Unternehmen betreute Pinkepank Ende der 90er-Jahre Kampagnen für CO₂-Vermeidung, entwickelte für seinen größten Kunden BASF Nachbarschaftsforen und Beschwerdemechanismen für Industriestandorte. 2002 stieg er fest als Lobbyist bei BASF ein.
2010 wurde Pinkepank Direktor der Sustainability Relations bei BASF. Und die neue Aufgabe hatte es in sich: 2012 erschütterte ein Massaker in der südafrikanischen Platinmine Marikana die Welt. Nach einem mehrtätigen Streik für bessere Arbeitsbedingungen wurden 34 Minenarbeiter durch Polizeikräfte getötet. Der Minenbetreiber Lonmin war damals ein großer Lieferant von BASF. Der Vorfall brachte dem Chemiekonzern viel Kritik ein und BASF startete einen internen Aufarbeitungsprozess, den Thorsten Pinkepank mitorganisierte. Das Massaker von Marikana beförderte die Debatte über Menschenrechte in Lieferketten und die Verantwortung von Unternehmen aus Industrieländern. Im Fokus der Öffentlichkeit steht BASF gerade mit dem Ausbau seines Geschäfts in China, das wegen Menschenrechtsverletzungen vor allem an Uiguren in der Kritik steht. In autoritären Regimen sei es generell “viel schwieriger, Lieferketten zu prüfen, aber nicht unmöglich”. Jedes Unternehmen müsse selbst entscheiden, wann es nicht mehr genug Einblick habe und es daraus Konsequenzen ziehe, sagt Pinkepank.
In der Diskussion um das Anfang des Jahres in Kraft getretene Lieferkettengesetz sprach sich Pinkepank für eine Konzentration auf Tier-1-Lieferanten aus. In den Lieferketten von BASF sei eine große Zahl von Akteuren involviert, sagt er. Das Unternehmen spricht von 70.000 Lieferanten. Statt sich jedem Lieferanten bis in die Verästelungen der Lieferketten zu widmen, sei es effektiver, wenn sich Unternehmen auf die größten Risiken für Mensch und Umwelt konzentrierten.
Er warnt davor, die Gewährleistung von Menschenrechten immer stärker Unternehmen zu überantworten. “Wir sollten nicht den Schutz der Menschenrechte privatisieren”, sagt er. Menschenrechte seien besonders in Ländern gefährdet, in denen es einen schwachen oder autoritären Staat gebe. Man könne aber weder jedes Land meiden, in dem das der Fall sei, noch die Rolle des Staates einnehmen. Bei der Frage, ob das Massaker von Marikana mit dem Lieferkettengesetz verhindern worden wäre, ist Pinkepank unschlüssig. “Ich würde gerne ja sagen, bin mir aber nicht sicher.” Lukas Homrich
Ursula von der Leyen erfährt zurzeit viel Zuspruch für ihr (noch nicht erklärtes) Streben nach einer zweiten Amtszeit. “All hail Queen Ursula!”, titelte kürzlich etwa ein Brüsseler Klatschblatt. Auch Friedrich Merz und Markus Söder preisen die Kommissionspräsidentin. Ansonsten ist die CDU-Politikerin aber herzlich unbeliebt im eigenen politischen Lager. “Wo ist der Unterschied zu Toni Hofreiter?”, fragt ein namhafter Unionsabgeordneter im Bundestag.
Tatsächlich verschwimmen die Grenzen zwischen der Christdemokratin und den Grünen bisweilen, so wie bei der Konferenz “Beyond Growth” im Brüsseler Europaparlament gestern. Ihr ebenfalls christdemokratischer Vorgänger Jean-Claude Juncker habe die Einladung vor fünf Jahren noch “recht ruppig” abgesagt, berichtete der gastgebende Grünen-Co-Fraktionschef Philippe Lamberts.
Rede von der Leyens “ziemlich unheimlich”
Von der Leyen hingegen trat nicht nur bei der Veranstaltung auf. Sie zitierte sogar den vor 50 Jahren veröffentlichten Bericht des Club of Rome über die “Grenzen des Wachstums” und sagte unter dem Gejohle des meist jungen Publikums, “dass das auf fossile Brennstoffe ausgerichtete Wachstumsmodell schlicht überholt ist”.
Sandrine Dixson-Declève traute ihren Ohren kaum: Es sei schon “ziemlich unheimlich”, so die Co-Präsidentin des Club of Rome, dass die amtierende Kommissionspräsidentin die Hälfte dessen vorweggenommen habe, was sie selbst habe sagen wollen.
Allerdings eben nur die Hälfte: Dixson-Declève wetterte anschließend über eine “gefährliche Wachstumsbesessenheit” als Ursache der heutigen Polykrise. Von der Leyen hingegen setzt auf saubere Energien und Kreislaufwirtschaft als “unser neues Wachstumsmodell”. Die EVP-Wahlkampfstrategen müssen also nicht befürchten, dass ihre (unerklärte) Kandidatin die Grünen bald links überholt. Ein schwacher Trost. Till Hoppe
Wissenschaftler liefern laufend neue Gründe dafür, warum wir die Wirtschaft schnell transformieren müssen, wenn wir unsere Lebensgrundlagen erhalten wollen. Aber in der Praxis ist die Transformation der Wirtschaft ein schwieriges Unterfangen – heute unser Thema.
Viele Unternehmen befürworten eine soziale und ökologische Regulierung der Lieferketten – aber sie sind unzufrieden mit der praktischen Umsetzung. Das zeigt eine Studie der Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik, die Überraschendes zutage fördert. Thema meiner Analyse.
Mit Geld die Wirtschaft gestalten – das klingt einfach. Aber von Nachhaltigkeitsinvestoren verlangt die Umsetzung der Idee mit Blick auf die Modeindustrie schwierige Entscheidungen. Damit beschäftigt sich Verena von Ondarza.
Wenn die Transformation gelingen soll, dann müssen Produkte viel länger halten und weniger neue Produkte verkauft werden. Wie können Unternehmen darauf reagieren? Dafür liefert der Unternehmensberater Björn Dahmen im Gespräch mit Annette Mühlberger einige Ideen.
Lokal lässt sich die Transformation vorantreiben, aber damit die Menschheit künftig die planetaren Grenzen einhält, braucht es die Staatengemeinschaft. Wie aber können die Länder gemeinsam an einem Strang ziehen? Dafür braucht es nach Ansicht von Heiner Flassbeck ein neues Handels- und Währungssystem. Im Standpunkt begründet er dies.
Zu guter Letzt: Wenn Ihnen der ESG.Table gefällt, leiten Sie uns bitte weiter. Wenn Ihnen diese Mail zugeschickt wurde: Hier können Sie das Briefing kostenlos testen.
Einen selten detaillierten Einblick zur Einschätzung des Lieferkettengesetzes aus Sicht von mittelständischen Unternehmen (KMU) bietet eine bislang unveröffentlichte Befragung der Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik, die Table.Media vorliegt. Die vertraulich befragten Unternehmen halten Menschenrechtsschutz in Wertschöpfungsnetzen grundsätzlich für “notwendig” und sie “vertreten überwiegend die Einschätzung, eine gesetzliche Rahmenordnung bzw. verbindliche Strategie seien notwendig”, schreiben die Studienautorinnen Jesco Kreft, Christiane Hellar und Miriam Putz. Unter den Unternehmen “herrscht eine hohe Akzeptanz des Lieferkettengesetzes“.
Seit Jahren dominieren in der öffentlichen Diskussion im Hinblick auf die Lieferkettenregulierung in Deutschland zwei Positionen aus der Wirtschaft: Da sind auf der einen Seite die klaren Befürworter von Lieferkettengesetzen. Dazu zählen Unternehmen wie Vaude und Tchibo sowie meist kleinere progressive Unternehmensverbände wie der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft oder B.A.U.M e.V. Und da sind zum anderen große Verbände, die sich lange gegen eine nationale Lieferkettenregulierung in menschenrechtlicher Hinsicht ausgesprochen haben und nun verhindern wollen, dass die EU-Regelungen verabschiedet, die ihnen zu weit gehen. Wichtige Stimmen sind hier der BDI, BDA und VDMA.

Die Rede ist von Kompetenzprobleme, Bürokratie, Kosten und Machbarkeit. Am Dienstag warnte die Stiftung Familienunternehmen vor einer “inflationsartigen” Regulierung. Aktuell müssten Unternehmen 20 neue Gesetzesvorhaben und Richtlinien mit Prüf-, Berichts- und Offenlegungspflichten umsetzen. Zwölf Vorhaben kämen aus Europa, acht aus Deutschland. “Wir können die ökologische Transformation nicht mit Meldepflichten und Regulatorik bewältigen, sondern vor allem mit unternehmerischer Initiative und Innovation”, sagt Professor Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik.
Die Befragung der Hamburger Stiftung für Unternehmensethik vermittelt eine dritte, andere Position von Unternehmen: KMU, die sich an der Kritik der eigenen Verbände an der Lieferkettengesetzgebung stören, die prinzipiell Lieferkettenregulierung für richtig erachten, aber sich an der Umsetzung des Gesetzes stören. Schon jetzt befassen sich viele KMU mit dem Thema, obwohl sie von dem Gesetz nicht direkt erfasst sind, da die Verpflichtung bislang nur für Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten gilt. Aber die betroffenen Unternehmen reichen die Anforderungen an ihre Kunden – häufig KMU – weiter – das führe, so die Analyse, “zu einer Verbreiterung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten weit über den Geltungsbereich des Gesetzes hinaus”.
Die befragten Unternehmen sprechen von finanziellen Belastungen durch die Lieferkettenregulierung, die aber nicht genau zu beziffern seien, weil die Umsetzung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten überwiegend als Querschnittaufgabe organisiert sei.
Den Einsatz zusätzlicher Ressourcen betrachteten die befragten Unternehmen als “sinnvolle unternehmerische Investition”. Einige Unternehmen sehen hier ein “Vertretungsproblem” durch ihre Verbände. “Ihre politische Interessenvertretung habe die grundsätzlich positive Haltung vieler KMU erst ignoriert, dann zu lange auf Verhinderung gesetzt und sich schließlich zu wenig pragmatisch in die konkrete Ausgestaltung eingebracht”, heißt es. Zweifel daran, dass KMU die Anforderungen des Gesetzes operativ und konzeptionell nicht umzusetzen können, halten sie für unangebracht. Dieses politische Narrativ wiesen selbst “ursprünglich gesetzesskeptische Unternehmen als wirtschafts- bzw. mittelstandsfremd zurück”, heißt es in der Studie.
Bei der Umsetzung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nutzten die Unternehmen gewöhnlich Instrumente und Verfahren, mit denen sie bereits im Umweltbereich Erfahrungen haben.
Unzufrieden sind die KMU mit der Umsetzung durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Bis weit in den Spätsommer 2022 habe es in wichtigen Punkten keine Auslegungshilfen durch die Behörde gegeben. Zudem wünschen sich die Unternehmen spezifischere Hilfen des Helpdesks der Behörde, was Verfahren, Instrumente, Berichte sowie Einschätzungen zu Reichweite und Tiefe es Gesetzes anbelangt. Unzufrieden sind die Unternehmen auch mit den entsprechenden Beratungsangeboten der Kammern.
Die Unternehmen sehen die Gefahr, dass bei der Umsetzung des Gesetzes “mittelfristig eine Compliance-Perspektive dominieren könnte”. Unternehmen könnten sich darauf fokussieren, sich rechtlich unangreifbar zu machen, während die echte Verbesserung der Verhältnisse entlang der Lieferketten unterbleibe. Damit wäre in der Sache – also der Verbesserung der Situation für Mensch und Umwelt in den Lieferketten – wenig gewonnen.
“Erhebliche Durchsetzungsprobleme” erwarten die KMU in China, wo sie sich “angesichts der LkSG-Vorgaben und ihrer Einflussmöglichkeiten vor Ort mit paradoxen Anforderungen konfrontiert” sehen, die eine ganze Reihe Geschäftsmodelle mit großem China-Bezug in der Lieferkette grundsätzlich infrage stellen könnten. Man werde die Einhaltung von Menschenrechten “in einem autoritären, nicht demokratischen Land schlichtweg nicht gewährleisten können”, sagen Unternehmensvertreter. Auf Nachfrage gebe etwa ein Viertel der Befragten an, mittelfristig einen kompletten Rückzug aus bestimmten chinesischen Regionen zu prüfen.


Eigentlich müssten nachhaltig orientierte Investoren einen weiten Bogen um die Modebranche machen, meint Henrik Pontzen. Er leitet das Portfoliomanagement im Bereich ESG für die Vermögensverwaltung der Volks- und Raiffeisenbanken, Union Investment. Denn, sagt er, “es ist ein wesentliches Merkmal von Mode, dass sie wechselt. Das Geschäftsmodell lebt von schnellem Konsum.” Und das sei das Gegenteil von nachhaltig.
Der ökologische Fußabdruck der Branche ist gigantisch. Auf 2,1 Milliarden Tonnen CO₂ schätzte die Unternehmensberatung McKinsey die Emissionen der weltweiten Modeindustrie im Jahr 2018. Das sind vier Prozent der Treibhausgase weltweit. Seitdem hat die Branche einen coronabedingten Einbruch erlebt, erholt sich aber wieder. Dazu kommen die sozialen Probleme der Branche. Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen in den Produktionsländern, Billiglöhne, Kinderarbeit. Die Liste ließe sich noch lang fortsetzen.
Aus diesem Grund hat die GLS-Bank die Modebranche aus ihrem Investmentportfolio ausgeschlossen, sagt Marc Pfitzenmaier. Bevor er in die Kommunikationsabteilung von Deutschlands größter Nachhaltigkeitsbank wechselte, hat er neun Jahre im Research der GLS gearbeitet. Immer wieder hätte er da Material von Unternehmen auf dem Tisch gehabt, die sich als “nachhaltig” bezeichnet hätten. Bei genauem Hinsehen hätte er aber doch immer wieder viele nicht angegangene Baustellen entdeckt. In aller Regel scheiterte ein Investment dann an den Ausschlusskriterien der GLS-Bank. Nur selten würden Unternehmen die gesamte Lieferkette offenlegen oder könnten garantieren, dass es vor Ort nicht zu Verstößen gegen Menschenrechte kommt. Deshalb hat bisher keines der geprüften Modekonzerne den Aufnahmeprozess geschafft.
Mit dieser Radikalität steht die GLS-Bank allerdings ziemlich allein da. Europas größte Nachhaltigkeitsbank Triodos aus den Niederlanden entschied sich für einen anderen Weg. Man habe intensiv über den Umgang mit der Modeindustrie debattiert, sagt Johanna Schmidt, die dort das Investment Strategy Team leitet. “Wir brauchen Kleidung. Mode ist kein kontroverses Produkt an sich”, sagt sie. Aber viele Entwicklungen der Branche seien nicht nachhaltig. Deshalb hat die Bank entschieden, Investments in Modefirmen nicht grundsätzlich auszuschließen. Nur solche in Konzerne, die auf Fast-Fashion setzen. Das gelte zum Beispiel auch für Unternehmen wie H&M und Inditex (Zara). Zusätzlich gilt eine umgekehrte, strenge Nachhaltigkeitsprüfung. Als allererstes müsse ein Unternehmen belegen, dass es zu Veränderungen in der Branche beiträgt – zum Beispiel durch ein ausgefeiltes Konzept für Kreislaufwirtschaft. Dann prüfe die Bank, ob die eigenen Nachhaltigkeitsstandards eingehalten werden. Als Letztes folge die Finanzanalyse.
“Nachhaltig investieren heißt nicht, nur in voll nachhaltige Unternehmen zu investieren. Sonst wäre es nachhaltiges Spenden”, erklärt hingegen Henrik Pontzen die Anlagestrategie von Union Investment. Deshalb hat seine Bank auch trotz der grundsätzlichen Bedenken zum Geschäftsmodell die Modebranche nicht ausgeschlossen. Und deswegen steht bei ihm auch die Finanzanalyse an erster Stelle einer Investitionsentscheidung. Unter den finanzstarken Unternehmen würden dann die 50 Prozent nachhaltigsten ausgewählt – klassischer Best-in-Class-Ansatz also.
Auch die Unternehmen, die durchfallen, bekommen eine zweite Chance, wenn sie glaubwürdige und umsetzbare Pläne zur Transformation vorlegen. Gerade in letzterem sieht Pontzen einen entscheidenden Hebel. Denn mit diesen Unternehmen gehe man ins Engagement. Insgesamt führt die Union Investment rund 2.000 solcher Gespräche im Jahr. Die wichtigsten Themen im Bereich Umwelt sieht er beim Wassermanagement und in der Erhöhung der Recyclingquote. “Das fängt beim Anfangsprodukt an. Die Wahl der Rohstoffe und die Frage, wie viele davon ich vermische, entscheiden darüber, ob ein Kleidungsstück später überhaupt recycelt werden kann”. Das habe man in Gesprächen mit Modefirmen immer wieder angesprochen.
Was aber passiert, wenn ein Unternehmen seine Geschäftspraktiken trotz Versprechen und Transformationsplänen nicht ändert? Pontzen verweist in dieser Frage auf die hochproblematische Menschenrechtslage in Xingjiang. Hier habe schon mehrfach eine weitere Eskalationsstufe gegriffen, indem man das deutsche Außenministerium in Gespräche mit der Geschäftsführung einbezogen habe und zusätzliche Berichte von unabhängigen Prüfern vor Ort eingefordert habe. Auch am Ende eines solchen Prozesses, das gesteht Pontzen ein, könne keine 100-prozentige Sicherheit stehen. Aber wenn die Zweifel an den Geschäftspraktiken vor Ort überwiegen, bleibe immer noch der Rückzug von Kapital. Das allerdings sei immer das letzte Mittel. Denn letztlich beraubt man sich mit einem Ausstieg auch der Einflussmöglichkeit.
Als Beispiel für erfolgreiches Engagement nennt Pontzen Adidas. Das Unternehmen habe substanziell an seiner Recyclingquote gearbeitet und gilt auch im Bereich existenzsichernde Löhne als ein Vorreiter der großen Modekonzerne. Im Fall von Adidas haben nachhaltige Investoren offenbar Hand in Hand gearbeitet. Das Unternehmen findet sich nicht nur in Fonds von Union Investment. Auch die Triodos Bank und die Vermögensverwaltung der Sparkasse, Deka, ist hier investiert. Genauso der Arbeitskreis kirchlicher Investoren (AKI), der sich international mit der Church Investors Group aus Großbritannien verbündet.
“Die Modebranche ist zuletzt viel empfänglicher geworden für Gespräche über Nachhaltigkeit”, sagt auch AKI-Geschäftsführerin Antje Schneeweiß. Einen Grund sieht sie in der anziehenden Regulierung durch die EU. Als Beispiele nennt sie das Sorgfaltspflichtgesetz, das gerade ausgearbeitet wird, sowie die Offenlegungsverordnung der EU, die gerade überarbeitet wurde. Letztere sieht jetzt schon vor, dass Vermögensverwalter angeben müssen, bei wie viel Prozent der investierten Unternehmen Kontroversen im Bereich Menschenrechte bestehen und wie hoch der Anteil der Unternehmen ist, die aktiv Menschenrechtsverletzungen vorbeugen. Hinzu kommt, sagt sie, “die Modebranche ist sehr stark an den Konsumentinnen und Konsumenten ausgerichtet.” Und die würden zunehmend sensibel auf Berichte über Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen reagieren. Das wiederum helfe Investoren bei Gesprächen mit Unternehmen. Trotz allem, das gibt Schneeweiß so wie auch alle anderen hier Zitierten zu: Es bleibt schwer nachzuweisen, dass es die Investitionsentscheidungen oder die Gespräche mit der Finanzbranche sind, die die Modebranche verändern.
Direkter ist der Einfluss bei der Kreditvergabe. Hier ist auch die GLS-Bank offen für Modeunternehmen. In Kreditgesprächen habe man die Möglichkeit, konkrete Nachhaltigkeitsziele zu definieren. Diese sogenannten Sustainablity Linked Bonds oder Credits dürften künftig deutlich an Bedeutung gewinnen. Auch das gepusht durch die EU-Regulierung. Denn die sieht vor, dass Geldhäuser, den Anteil ihrer nachhaltigen Finanzierungen ausweisen und steigern müssen.
Triodos-Bankerin Johanna Schmidt hat noch eine weitgehendere Vision. Am liebsten sähe sie, dass sich Investoren mit Lieferanten und Produzenten vor Ort verbünden. Das könnte die Machtverhältnisse in der Branche auf den Kopf stellen und die Mode-Industrie revolutionieren. Verena von Ondarza

Durch das Recht auf Reparatur soll es für Verbraucherinnen und Verbraucher in der EU einfacher werden, Produkte reparieren zu lassen. Was bedeutet es für die Industrie, wenn mehr repariert und weniger gekauft wird?
Das würde kurzfristig weniger Umsatz durch den Verkauf, andererseits aber auch Umsatzpotenziale auf der Reparaturseite bedeuten. Interessant ist für die Unternehmen dabei noch ein anderer Punkt: Konsumgüterfirmen haben oft nur einen Berührungspunkt zum Kunden und das ist der Kauf. Lassen Kunden ihre Geräte reparieren, ändert sich dies. Die Reparatur ist für die Firmen somit eine Chance, die Kunden enger an das eigene Unternehmen zu binden und mehr über ihr Nutzungsverhalten und ihre Bedürfnisse zu erfahren. Zum Beispiel über ein Abonnement. Das Konzept, das die Streamingdienste sehr erfolgreich verfolgen, haben die Konsumgüterhersteller schon einmal versucht zu imitieren, indem sie die Verbrauchsmaterialien für ihre Geräte (Waschmittel, Kaffeepads, Rasierklingen) in Abomodelle gepackt haben. Bisher mit eher bescheidenem Erfolg. Durch das Recht auf Reparatur könnte es zu einem neuen Anlauf kommen.
Sie meinen Reparatur- oder Mietmodelle?
Zum Beispiel. Es gibt bereits vereinzelt Hersteller hochwertiger Geräte, die so etwas anbieten. Je nach Modell tauschen oder reparieren die Hersteller die Geräte dann kostenlos. Allerding sehen viele Kunden Abos für Konsumgüter – im Gegensatz zu Dienstleistungen – noch kritisch. Außerdem ist das Wettbewerbsumfeld für Services bei Privatkunden schwieriger als im Industrieumfeld, wo Serviceverträge für den Maschinenpark alltäglich sind. Oft lohnt sich ein eigener Kundenservice für Konsumgüteranbieter auch nicht. Für unabhängige Reparaturwerkstätten kann das anders aussehen. Nehmen Sie als Beispiel den Handybereich oder Repaircafés, auch wenn diese noch eine kleine Nische sind.
Am Ende entscheidet der Kunde, ob er die Reparaturmöglichkeit nutzt oder neu kauft…
Das Recht auf Reparatur ist keine Pflicht. Es wird weiter Kunden geben, die lieber ein neues Produkt kaufen, anstatt ein altes reparieren zu lassen. Zudem sind die meisten Konsumenten bequem. An der Entwicklung des Onlinehandels kann man das sehr gut beobachten. Auch der Preis spielt eine Rolle. Unsere Sustainability Studie aus dem November zeigt: Nachhaltigkeit ist 95 Prozent der Konsumenten in Deutschland wichtig. Gleichzeitig bleibt die größte Hemmschwelle bei 30 Prozent der Kunden ein zu hoher Preis. Auch bei refurbishten, also vollständig erneuerten, Produkten sind Kunden nicht bereit den Aufwand, der mit der Ressourcenschonung und längeren Nutzung verbunden ist, zu bezahlen und verlangen einen spürbaren Abschlag. Außerdem wird Nachhaltigkeit zunehmend zum Hygienefaktor, der erwartet wird, und für den Kunden nicht bereit sind mehr zu bezahlen. Das macht es schwieriger, für nachhaltige Angebote einen preislichen Aufschlag zu verlangen.”
Wie kann Reparierbarkeit als Geschäftsmodell dann funktionieren?
Wichtig ist: Es muss sich rechnen und der Kunde muss es verstehen. Der professionelle Industrieeinkauf kalkuliert grundsätzlich die Gesamtkosten, die mit dem Kauf und der Nutzung eines Investitionsgutes verbunden sind. Auf langlebige Konsumgüter wie eine Waschmaschine ließe sich dieser Ansatz im Premiumbereich übertragen. Allerdings sind Privatkunden keine professionellen Einkäufer. Das braucht sehr viel Kommunikation und Überzeugungsarbeit.
Was könnte helfen?
Wenn die längere Nutzung von Konsumgütern ein gesellschaftlicher Trend wird – durch den politischen Willen, durch Brancheninitiativen, durch die Selbstverpflichtung großer Hersteller. Dann rückt das Thema in den Vordergrund der Kaufentscheidung. Eine Reparatur bewerten Kunden ja erst einmal negativ. Es bedeutet, ein Produkt geht kaputt und es entsteht Aufwand. Damit will sich beim Kauf eigentlich niemand beschäftigen. Deshalb ist es wichtig, die Vorteile einer längeren Produktnutzung bei den Kunden gezielt zu adressieren.
Dass viele Produkte nicht reparabel sind, hat mit ihrer kostengünstigen Herstellung zu tun. Wer zahlt den Mehraufwand für die aufwändigere Fertigung?
Jeder Hersteller braucht eine Mindestmarge. Es wird für alle Produkte weiter Einstiegsmodelle geben, deren Preis dann aber entweder über dem heutigen liegt oder Innovationen erlauben reparierbare Produkte zu vergleichbaren Herstellkosten. Marktchancen können sich aus dem Recht auf Reparatur aber für Hersteller auch noch aus einem ganz anderen Bereich ergeben, nämlich aus dem Vorhalten von Ersatz- und Zubehörteilen für den Direktabsatz zum Endkunden.
Warum ist das für die Firmen attraktiv?
Schon heute bieten viele Konsumgüterhersteller in ihren eigenen Onlineshops Zubehör- und Ersatzteile in einer Vielfalt, die der Handel für die Produkte so gar nicht vorhalten kann. Die Produkte haben zudem oft äußerst attraktive Margen. Dieses Angebot wird umso wichtiger, je wichtiger die Langlebigkeit von Konsumgütern wird. Wer hier gut aufgestellt ist, kann sich vom Wettbewerb auch preislich besser abgrenzen.
23. Mai 2023, 13:00 bis 17:00 Uhr, Stuttgart
Informationsveranstaltung Future-Camp 4.0: Willkommen zur Arbeitskräftetransformation. Veranstalter: Qualifizierungsverbünde Baden-Württemberg
Info und Anmeldung
23. bis 24. Mai 2023, Berlin
Konferenz In einer Zeit des Umbruchs – Arbeit und Wertschöpfung im Wandel
23. bis 25. Mai 2023, Essen
Messe E-world energy & water Info
30.05.2023, 18:00 bis 21:00 Uhr, Frankfurt am Main
Vortrag Die grüne Transformation der Deutschen Bahn
Info und Anmeldung Info und Anmeldung
31. Mai 2023, 14:00 bis 15:30 Uhr (Online)
Webinar Gesteuertes Laden – Wie wir Elektroautos erfolgreich ins Stromsystem integrieren Info
1. bis 2. Juni 2023, Berlin
Konferenz Move – Die Konferenz zur Nachhaltigkeitskommunikation
Info und Anmeldung Info und Anmeldung
6. Juni 2023, 14:00 bis 15:00 Uhr (Online)
Webinar Klimaschutz im Personalmanagement Info und Anmeldung
13. bis 14. Juni 2023, Darmstadt
Konferenz Beschaffungskonferenz: BME Sustainability Summit 2023 Info und Anmeldung
14. bis 16. Juni 2023, Berlin
Festival Greentech Festival Info
14. bis 16. Juni 2023, Cottbus
Messe Bundeskongress: Die Welt im Wandel – So gelingt die Transformation in der Region Info
15. Juni 2023, 11:00 bis 16:00 Uhr, Bonn
Fachaustausch Länderforum: Nachhaltiges Bauen & Verkehrswende Info und Anmeldung
16. bis 17. Juni 2023
Konferenz Bits & Bäume NRW: Die Konferenz für Digitalisierung und Nachhaltigkeit Info und Anmeldung
20. Juni 2023, 11:00 bis 16:00 Uhr, Hoppstädten-Weiersbach
Fachaustausch Länderforum: Kreislaufwirtschaft Info und Anmeldung
24.06.2023, Kassel
Versammlung Bundesversammlung des kooperativen Wirtschaftens in Deutschland Info und Anmeldung
Anlässlich der heutigen Hauptversammlung der Deutschen Bank kritisiert die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald die anhaltende Finanzierung fossiler Energien. Laut dem von der Organisation mit herausgegebenen Bericht Banking on Climate Chaos hat sich das Finanzierungsvolumen allein im Bereich LNG zwischen 2021 und 2022 von 340 Millionen US-Dollar auf 907 Millionen US-Dollar fast verdreifacht. Damit belegt die Deutsche Bank im aktuellen Bericht Platz 11 im weltweiten LNG-Ranking. Insgesamt gehört sie mit 7,5 Milliarden US-Dollar auch 2022 zu den größten Finanzierern der fossilen Industrie.
Zu den von Urgewald kritisierten Geschäften gehört unter anderem ein Handelskredit für Flüssiggaslieferungen des Rohstoffhändlers Trafigura an das deutsche Unternehmen Sefe in Höhe von drei Milliarden Euro, den die Deutsche Bank zusammen mit einem Partner bereitgestellt hat und der staatlich abgesichert wurde.
Außerdem beteiligte sich die Frankfurter Bank an einem Kredit für Venture Global Plaquemines LNG. Venture Global will mit dem im Bau befindlichen Plaquemines-LNG-Terminal im US-Bundesstaat Louisiana neue Exportkapazitäten für gefracktes Gas schaffen. Das Projekt steht im Ruf, massive Auswirkungen auf die lokale Natur und Bevölkerung zu haben, da es Feuchtgebiete zerstört, die den umliegenden Gemeinden als Sturmschutz dienen.
Urgewald fordert daher generell strengere Richtlinien der Bank für Geschäfte mit Kohle, Gas und Öl. “Die Deutsche Bank muss ihrer Nachhaltigkeitsrhetorik endlich Taten folgen lassen und ihre fossilen Richtlinien dringend auf den Stand der Klimawissenschaft bringen”, sagt Anna Lena Samborski, Finanzexpertin von Urgewald. Das bedeute, den fossilen Ausbau nicht weiter zu unterstützen. Konkurrent BNP Paribas habe dies gerade getan und zumindest die direkte Finanzierung neuer Öl- und Gasfelder ausgeschlossen.
Die Deutsche Bank sah sich in der Vergangenheit immer wieder mit dem Vorwurf des Greenwashings konfrontiert. Zuletzt wiederholte die vor zwei Jahren gekündigte Nachhaltigkeitschefin der hauseigenen Fondsgesellschaft DWS, Desiree Fixler, in einem Interview mit dem Spiegel ihre damaligen Vorwürfe. Sie bezweifle, dass sich seither etwas geändert habe, so Fixler. Sie habe dem damaligen Leiter der Kommunikation der Deutschen Bank, dem heutigen Nachhaltigkeitschef Jörg Eigendorf, und dem DWS-Aufsichtsratschef Karl von Rohr 2021 “in einem Brief detailliert geschildert, was falsch läuft bei der ESG-Strategie, wie getrickst wird”. Beide hätten ihre Bedenken “abgetan”. ch/cd
Das Risiko von Kinderarbeit in internationalen Lieferketten sei “allgegenwärtig”, heißt es in einem Bericht der Kinderrechtsorganisation Save the Children und deren gemeinnütziger Tochterorganisation The Centre for Child Rights and Business. Dafür werteten die Autoren 20 Kinderrechtsanalysen in internationalen Lieferketten aus, in jeder zweiten fand sich Kinderarbeit, in acht der weiteren zehn Analysen wurde ein sehr hohes Risiko für Kinderarbeit beobachtet. Kinder arbeiteten vor allem in den vorlagerten unteren Ebenen der Lieferketten und im informellen Sektor. Hier sind weltweit mehr als die Hälfte aller Menschen beschäftigt ist. Die schlimmsten Formen von Kinderarbeit fänden sich im Bergbau, besonders im Kleinbergbau.
Kinderarbeit werde nicht eliminiert, sondern auf die vorgelagerten Lieferkettenstufen verdrängt, sagt Anne Reiner, Fachleitung für nachhaltige Lieferketten bei Save the Children Deutschland, gegenüber Table.Media: Hieraus resultiere, dass viele Unternehmen, die auf Tier-1-Lieferanten fokussiert seien, “zwar den Eindruck haben, dass es in ihren Lieferketten keine Kinderarbeit mehr gäbe, dies aber in Wirklichkeit leider nicht so ist”.
Die ILO-Kernarbeitsnormen verbieten Kinderarbeit – darauf bezieht sich auch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Deutschland und entsprechende nationale Regulierungen anderer Länder. Bei internationalen Unternehmen ist eine Null-Toleranz-Politik gegen Kinderarbeit Standard. Aber deren Monitoring-Mechanismen führen laut der Studie “oftmals nur zu einer Verlagerung von Kinderarbeit, nicht aber deren Beseitigung”.

Schwierigkeiten ergeben sich auch, weil Unternehmen schematisch agieren. So würden die Tier-1-Betriebe regelmäßig jugendliche Arbeitskräfte nicht beschäftigen, die noch keine 18 Jahre alt sind, auch wenn in ihrem Land ein niedrigeres Mindestalter gilt. So wie in Indien, wo es bei 16 Jahren liegt. Häufig sind diese jungen Menschen dann gezwungen, unter schlechteren Bedingungen im informellen Sektor zu arbeiten.
Der Bericht bezieht sich auf Kinderrechtsanalysen, die zwischen 2019 und 2022 entstanden und die Risikofaktoren sowie Geschäftspraktiken in der Produktion, Landwirtschaft und im Bergbau in Äthiopien, Brasilien, Indien, Indonesien, Sri Lanka, Vietnam, der Türkei und der Demokratischen Republik Kongo beleuchten. Hierfür wurden insgesamt 2.751 Eltern und 1.799 Kinder interviewt, zudem fanden Gespräche mit weiteren relevanten Stakeholdern in Lieferketten und Gemeinschaften statt.
Die Autoren ziehen den Schluss, dass ein unzureichendes Einkommen der Eltern und hohe Bildungskosten das Risiko von Kinderarbeit in allen Sektoren erhöhen und dass die mangelnde Formalisierung der lokalen Wirtschaft das Risiko verschärft. Verantwortlich für die Situation machen sie auch die Unternehmenspraktiken wie aggressive Preisstrukturen, unrealistische Umschlagzeiten und unvorhersehbare Auftragsvolumen – sie “verschärfen das Risiko noch weiter”. Aber hier bietet sich für Unternehmen auch eine Möglichkeit, um mit ihren wirtschaftlichen Aktivitäten in Lieferketten, die Situation zu verbessern.
Häufig hätten Unternehmen wenig Einblick in die tiefen Lieferketten. Abhilfe schaffen könnte die Einbindung betroffener Gemeinschaften und zivilgesellschaftlicher Gruppen, beispielsweise durch den Einsatz unabhängiger Vermittler. cd
Die hohen Wachstumsraten von pflanzlichem Fleischersatz waren von kurzer Dauer und der Marktanteil beträgt weniger als 0,2 Prozent des weltweiten Fleischmarktes von 1,7 Billionen US-Dollar. Dies geht aus einer Studie über Megatrends der Ernährungswirtschaft (“Was auf den Tisch kommt”) hervor. Erstellt hat sie PGIM, die Vermögensverwaltungsgesellschaft des US-Lebensversicherers Prudential Financial. Befragt wurden dafür 40 eigene Anlageexperten sowie politischen Entscheidern, Wissenschaftlern, Unternehmern sowie Private-Equity- und Venture-Capital-Investoren. Tatsächlich sei die Nachfrage nach alternativem Fleisch rückläufig, während die weltweite Nachfrage nach Fleisch tierischer Herkunft bis 2030 um 14 Prozent steigen werde. Haupttreiber sei die größere Fleischnachfrage von Verbrauchern in Schwellenländern. Unter den Herstellern von alternativem Fleisch wird es nach Ansicht der Autoren der Studie zu einer Konsolidierung kommen. Noch sei die Branche, in die eine Milliarde Euro an Risikokapital geflossen sei “stark fragmentiert und wirtschaftlich unrentabel”.
Das Urteil der Experten über das Lebensmittelsystem fällt schlecht aus. Es vereint 70 Prozent des globalen Wasserverbrauchs und 30 Prozent der Treibhausgasemissionen auf sich. Nebenwirkungen hat das System auch für die Menschen: 2017 waren ein Fünftel aller Todesfälle auf falsche Ernährung zurückzuführen.
“Vom Erzeuger bis zum Endverbraucher ist unser globales Ernährungssystem komplex, ineffizient und zunehmend ungeeignet, seinen Zweck zu erfüllen“, sagt Shehriyar Antia, Head of Thematic Research bei PGIM. Gleichzeitig sehen die Autoren Chancen für Investoren, die nach ESG-Kriterien anlegen. “Es besteht kein Zweifel, dass sich das Ernährungssystem in der Anfangsphase eines grundlegenden Wandels befindet.” Der Sektor müssen sowohl produktiver als auch nachhaltiger werden. Investoren sollten sich auf Innovationen in der gesamten Lebensmittelwertschöpfungskette konzentrieren, von der Kulturpflanzenforschung und landwirtschaftlichen Geräten bis hin zu Fortschritten bei Verpackung, Logistik und sogar alternativer Landwirtschaft.
Die Transformation des Ernährungssystems ähnele der des Energiesektors vor zehn Jahren, “das gesamte System befindet sich mitten in einem Umbruch”, sagt Jakob Wilhelmus, Director of Thematic Research bei PGIM. Chancen böten sich für Investoren, wenn sie Unternehmen ausfindig machten, “die tatsächlich dazu beitragen, die Produktivität und Nachhaltigkeit entlang der Lebensmittelwertschöpfungsketten zu verbessern”. cd
Der Rat hat am Dienstag die Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten angenommen. Das Parlament hatte die in den Trilog-Verhandlungen beschlossene Fassung des Gesetzes bereits am 19. April gebilligt. Die Verordnung kann nun im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden und tritt 20 Tage später in Kraft.
Wer bestimmte Produkte aus Risikogebieten auf dem EU-Markt anbietet, muss dann gewährleisten, dass diese nicht von einer nach dem 31. Dezember 2020 abgeholzten Fläche stammen und auch nicht zur Schädigung von Wäldern geführt haben. Zu den Produkten gehören Rinder, Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja, Holz, Kautschuk, Holzkohle, Druckerzeugnisse und einige Palmölderivate; außerdem Produkte, die diese Rohstoffe enthalten, mit ihnen gefüttert oder aus ihnen hergestellt wurden (etwa Leder, Schokolade und Möbel).
Die Kommission hatte den Gesetzesentwurf im November 2021 vorgestellt. Mit den neuen Vorschriften will die EU verhindern, dass ihr Verbrauch und Handel mit diesen Rohstoffen und Produkten zur weiteren Zerstörung der Waldökosysteme beiträgt. leo
Am Montag veröffentlichte die EU-Kommission ihren freiwilligen Bericht zur Agenda 2030 (EU Voluntary Review). Damit soll überprüft werden, ob die EU beim Erreichen der SDG-Ziele auf Kurs ist. In dem 26-seitigen Bericht attestiert sich die EU-Kommission selbst eine gute Note. Die Prioritäten der Kommission – vom “Green Deal ” bis hin zur “Wirtschaft im Dienste der Menschen” – würden die Erfüllung der SDG berücksichtigen.
Allerdings kann die Kommission nicht bei allen SDG-Zielen die gleichen Fortschritte vermelden. Während sie bei der Förderung von Wirtschaftswachstum und der Armutsbekämpfung gut abschneide, hätten andere Ziele, insbesondere die Ernährungssicherheit und nachhaltige Landwirtschaft (SDG 2) unter der Covid-Pandemie und dem Ukrainekrieg gelitten.
Außerdem gäbe es Nachholbedarf beim nachhaltigen Ressourcenverbrauch und dem Schutz terrestrischer Ökosysteme sowie im Bereich sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen (SDG6). Sorgen machen der Kommission hier vor allem die Verschmutzung von Gewässern durch pharmazeutische und industrielle sowie Pestizidrückstände.
Die Umweltorganisation EEB kritisierte in einem Presseschreiben, der freiwillige Bericht würde die Erkenntnisse der NGO-Allianz SDG Watch Europe, zu der auch die EEB gehört, nicht berücksichtigen. Diese stelle Rückschritte statt Fortschritte beim Erreichen der SDG-Ziele, insbesondere bei der Armutsbekämpfung, der Bekämpfung von Ungleichheiten und der Bewältigung der Klima-und Biodiversitätskrise fest. Die Kommission habe die Zivilgesellschaft und NGO nicht in das Überprüfungsverfahren eingebunden, bemängelt die EEB ferner. cw
Die Niederlande haben seit Jahren ein massives Problem mit Stickstoffemissionen aus der Tierproduktion. Jetzt hat die EU-Kommission grünes Licht für eine ungewöhnliche Maßnahme gegeben. Die Regierung in Den Haag darf Beihilfen zahlen, wenn Rinder-, Schweine- und Geflügelzüchter ihre Betriebe freiwillig aufgeben.
Für das Programm, das bis Ende Februar 2028 läuft, stehen insgesamt 1,47 Milliarden Euro an Ausgleichszahlungen zur Verfügung. Es richtet sich an bis zu 3.000 Tierhalter in Natura-2000-Gebieten. Natura 2000 ist ein EU-weites Netz von Schutzgebieten zur Erhaltung gefährdeter oder typischer Lebensräume und Arten.
Das Ausstiegsprogramm besteht aus zwei Teilen. Das Basisprogramm LBV ist mit 500 Millionen Euro ausgestattet und wird für die endgültige Aufgabe von Betrieben gewährt, die eine gebietsbezogene Mindestmenge an Stickstoffemissionen verursachen. Weitere 975 Millionen Euro stehen für das Programm LBV plus zur Verfügung. Es richtet sich gezielt an Betriebe mit hohen Emissionen.
In beiden Fällen werden die Landwirte durch direkte Zuschüsse für die entstandenen Verluste entschädigt. Bei der LBV plus kann der Ausgleich bis zu 120 Prozent betragen. Die EU-Kommission begründete ihre Genehmigung unter anderem mit den Zielen des europäischen Green Deal.
Die Stickstoffdebatte ist in den Niederlanden zu einem echten Politikum geworden. Das Land gehört zu den größten Agrarproduzenten der Welt. Auch bei den Stickstoffemissionen pro Hektar liegt es weltweit an der Spitze. Trotzdem mobilisieren die Landwirte seit Jahren gegen geplante Umweltauflagen.
Ein politisches Erdbeben, die sogenannte hellgrüne Welle, war die Folge. Die vor vier Jahren gegründete BauernBürgerBewegung (BBB) wurde bei den Regionalwahlen im März 2023 in allen zwölf Provinzen stärkste Partei. Damit wird sie künftig auch auf nationaler Ebene ein gewichtiges Wort mitreden. Ende Mai wählen die Abgeordneten der Provinzparlamente den neuen Senat. Die BBB kann mit 17 von 75 Sitzen rechnen. ch
Wärmepumpen versprechen in den kommenden Jahren ein gutes Geschäft zu werden. Bis 2030 sollen allein in Deutschland sechs Millionen Wärmepumpen installiert werden. Das sind 500.000 Stück pro Jahr. Der Rüstungs- und Technologiekonzern Rheinmetall will an der Transformation der Heizungsbranche kräftig mitverdienen. Bereits im Dezember meldete das DAX-Unternehmen einen Auftrag im Wert von 770 Millionen Euro für die Herstellung von Kompressoren. Nun wurde bekannt, dass die Kältemittelverdichter für Wärmepumpen bestimmt sind. Sie entscheiden über deren Effizienz und gelten daher als Schlüsselkomponente.
Der Einstieg von Rheinmetall sei eine “wichtige Entscheidung”, sagt Thomas Nowak, Generalsekretär der European Heat Pump Association, gegenüber Table.Media. Denn bei Kompressoren gebe es eine starke Abhängigkeit von Asien. Nun hätten die Wärmepumpenhersteller eine weitere Option für den Einkauf wichtiger Komponenten und “einen Beschaffungspunkt innerhalb Europas”, so Nowak. Im ersten Quartal 2023 hat die Branche in Deutschland knapp 100.000 Stück verkauft. Im Vergleich zum Vorjahresquartal entspricht das einem Plus von 122 Prozent.
Offen ist, wer den Auftrag an Rheinmetall vergeben hat. Das Handelsblatt will aus Unternehmenskreisen erfahren haben, dass es sich um den deutschen Heizungsbauer Viessmann handelt. Rheinmetall wollte sich dazu nicht äußern, Viessmann dementierte. Das Familienunternehmen hat erst kürzlich seine Klimatechnik-Sparte für zwölf Milliarden Euro an den US-Konzern Carrier Global verkauft. Viessmann gehört in Deutschland zusammen mit Bosch Thermotechnik, Vaillant und Stiebel Eltron zu den großen Vier auf dem Markt für Wärmepumpen. Alle vier produzieren auch in Deutschland.
Anders als etwa bei Solarpaneelen ist China mit 40 Prozent der Weltproduktion zwar ein gewichtiger Global Player, hat aber keine marktbeherrschende Stellung. “Eine ähnliche Entwicklung der Abhängigkeiten wie in der Solarindustrie kann ich mir kaum vorstellen”, sagt Jan Rosenow gegenüber Table.Media. Rosenow ist Europa-Direktor des Think Tanks Regulatory Assistance Project und ein Kenner der Branche. “China produziert zwar günstiger”, als Hersteller im Westen, so Rosenow. Die größten Kostensenkungen seien in Zukunft aber bei der Installation zu erwarten. “Somit kann China seine Vorteile einer günstigen Massenproduktion nicht gut ausspielen.” Zudem achteten deutsche Kunden und Installateure bei Wärmepumpen sehr auf die Qualität, sagt Rosenow. Das Vertrauen in die heimischen Hersteller sei hoch. nib
Einer europäischen Forschergruppe zufolge ist die Zahl der Vögel in Europa zwischen 1980 und 2016 um ein Viertel zurückgegangen. Besonders davon betroffen sind Vögel, die in Agrarlandschaften leben. Hier lag der Rückgang bei über 50 Prozent. Laut der Studie, die kürzlich im US-Wissenschaftsmagazin PNAS veröffentlicht wurde, hat die Ausweitung der intensiven Landwirtschaft den mit Abstand größten Einfluss auf die Vogelbestände.
In ihrer Studie analysieren die Forscher Daten des European Bird Census Council zu 170 Vogelarten an 20.000 Standorten in 28 Ländern und verknüpfen sie für jedes dieser Länder mit Untersuchungen zu vier potenziellen Stressfaktoren für Vögel: Ausweitung der Landwirtschaft mit hohem Pestizid- und Düngemitteleinsatz, Verstädterung, Veränderung der Bewaldung und steigende Temperaturen.
Die Untersuchung zeigt, “dass in Ländern, in denen die intensive Landwirtschaft dominiert, die Vogelbestände besonders stark zurückgehen – vor allem in den westeuropäischen Industriestaaten”, bewertet Christian Hof vom Lehrstuhl für Terrestrische Ökologie der TU München die Forschungsergebnisse. Er rät deshalb zu einer weniger intensiven Landwirtschaft. “Vor allem müssen wir von dem hohen Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden wegkommen”, so Hof.
Die Folgen des Rückgangs der Vogelzahlen und der Vogelvielfalt seien weitreichend, sagt Katrin Böhning-Gaese, Professorin an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Vögel erfüllten wichtige Ökosystemfunktionen wie die Schädlingsbekämpfung oder die Verbreitung von Samen. Zudem seien Vögel Indikatoren für andere Arten. “Der Rückgang der Vögel spiegelt wider, dass viele andere Arten zurückgehen, zum Beispiel Wildkräuter, Bestäuber, andere Insekten und womöglich sogar Bodenorganismen.”
Die Ornithologin befürchtet aber auch Auswirkungen auf die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen. “Der Rückgang der Vögel führt möglicherweise dazu, dass wir trauriger und unglücklicher werden”, sagt Böhning-Gaese. ch
An diesen Experten mangelt es Deutschlands Unternehmen – Handelsblatt
Durch Auflagen und Investoren steige der Druck auf Unternehmen, klare Kriterien für Umwelt, Soziales und Führung zu erreichen, berichtet Lukas Bay. Doch ESG-Experten auf diesem Gebiet seien Mangelware. Laut einer Umfrage der Managementberatung Horváth fürchte jedes vierte Unternehmen, die gesetzliche Anforderungen nicht erfüllen zu können. Zum Artikel
Wir produzieren Luxus – Süddeutsche Zeitung
Über die Schwierigkeiten der Transformation der Automobilindustrie berichtet Bernd Kastner anlässlich einer Tagung zu Klimagerechtigkeit in Tutzing. Dort sagte der BMW-Nachhaltigkeitsmanager Thomas Becker, das Unternehmen habe viele Lieferanten verpflichtet, mehr grüne Energie und Sekundär- statt Primärmaterial einzusetzen. Man habe auf der IAA auch ein Recycling-Auto präsentiert: Das könnte man aber nicht wirtschaftlich bauen, weil Sekundärmaterial zu knapp, zu schlecht und zu teuer sei. Zum Artikel
Europe needs more factories and fewer dependencies – Financial Times
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron fordert in einem Gastbeitrag eine europäische Kraftanstrengung für eine Reindustrialisierung. Europa brauche mehr Fabriken und weniger Abhängigkeiten. “Wir sind nicht mehr naiv. Ohne unsere Offenheit zu gefährden, handeln wir, um unsere Interessen, unsere Unabhängigkeit und unsere Werte zu schützen und unser europäisches Wirtschafts- und Sozialmodell durchzusetzen”, schreibt Macron. Zum Artikel
The Leader’s Dilemma: Why you’re probably hearing less about Corporate Climate Initiatives -The NYT
Angesichts der Vorwürfe des Greenwashing und des Woke Capitalism sagen Berater immer häufiger, dass es vielleicht die beste Lösung für Unternehmen sei, ruhig zu bleiben, hat Michael Skapinker rausgefunden. Zum Artikel
ESG wird nicht zu Ende gedacht – Computerwoche
Oliver Schonscheck widmet sich der Frage, warum das Thema Nachhaltigkeit bislang kaum Einzug in die Unternehmenssteuerung genommen hat, obwohl Konzepte durchaus vorhanden sind. Zum Artikel
Sozial-ökologische Transformation: Der Staat als Klimaaktivist – nd.aktuell
Roland Kulke berichtet darüber, dass sich die Spielräume für die sozial-ökologische Transformation von Wirtschaft, Arbeit und Gesellschaft in den vergangenen Jahren vergrößert haben. Zum Artikel
Northvolt to build German battery factory after Berlin pledges state aid – Financial Times
Das schwedische Unternehmen Northvolt wird mit der Planung eines Werks in Norddeutschland beginnen, nachdem die Bundesregierung sich auf Hilfen in dreistelliger Millionenhöhe festgelegt hat. Zum Artikel
BNP Paribas to stop funding new gas projects as litigation risk mounts – Financial Times
BNP Paribas wolle keine neuen Gasfeldprojekte mehr finanzieren und damit seine Finanzierungsaktivitäten für fossile Brennstoffe weiter einschränken, schreiben Sarah White und Kenzy Bryan. Zum Artikel
Macrons Kampfansage an chinesische E-Autobauer – Handelsblatt
Frankreich wolle die nationale Kaufprämie für Elektroautos künftig vom CO₂-Ausstoß bei der Produktion abhängig machen, schreibt Gregor Waschinski. Damit wären in China hergestellt Fahrzeuge faktisch von dieser Subvention ausgeschlossen. Europa dürfe nicht den gleichen Fehler wie bei der Solarindustrie machen, warnte Macron. Von den damaligen Subventionen profitieren in großem Ausmaß chinesische Hersteller. Zum Artikel
PwC sieht Finanzierungslücke bei der Transformation der Wirtschaft – Focus Online
Beim notwendigen Umbau der deutschen Wirtschaft gibt es nach Einschätzung der Unternehmensberatung PwC “eine große Finanzierungslücke”. Für die Transformation seien zusätzliche Investitionen von jährlich 170 Milliarden Euro erforderlich, das entspricht gut vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Zum Artikel
How fast can European steelmakers decarbonise? – The Economist
Laut dem Economist gibt es zwei zentrale Motive für die grüne Transformation europäischer Hersteller Stahlhersteller: Große Kunden, beispielsweise aus der Autobranche oder dem Maschinenbau, schauten nach Möglichkeiten einer Dekarbonisierung ihrer Wertschöpfungsketten und seien bereit, für grünen Stahl mehr zu bezahlen. Außerdem sinke in den nächsten zehn Jahren der Anteil der kostenlosen CO₂-Zertifikate, die Stahlhersteller in der EU erhalten, auf null. Zum Artikel
Total verbohrt – Süddeutsche Zeitung
Nakissa Salvati berichtet über die Auswirkungen von bisherigem Fracking in Deutschland, was in poröseren Gesteinsschichten wie Sand erlaubt ist, und über die Diskussion zum Ausbau der Förderung in Schiefergestein, was seit 2016 verboten ist. Der Industrieverband BVEG gehe davon aus, dass dadurch eine Menge Erdgas gewonnen werden könne, die 20 Jahre den deutschen Gasbedarf decken würde. Zum Artikel
Chance für Umweltrechte durch die europäische Gesetzgebung zu Lieferketten – Ökoinstitut
Podcast mit Peter Gailhofer in der Reihe “Wenden bitte!” über seine Einschätzung zum Lieferkettengesetz. Er befürwortet, dass die klimabezogenen Sorgfaltspflichten im Rahmen der Lieferkettengesetze durch die EU-Richtlinie gestärkt werden. Zum Podcast
Podcast: Die neue Verbandsklage – Auswirkungen im Bereich ESG? -Gleiss Lutz-Podcast
Lukas Schultze-Moderow erörtert mit dem ESG-Experten Marc Ruttloff der Kanzlei Gleiss Lutz die verschiedenen Konstellationen von “ESG-Litigation”, einschließlich Ansatzpunkten für Schadenersatzansprüche, die mithilfe der Verbandsabhilfeklage zukünftig durchgesetzt werden könnten. Zum Podcast


Von vielen Seiten wird seit einiger Zeit der Versuch unternommen, eine Globalisierung 2.0 zu proklamieren, die sich von der Globalisierung 1.0 vor allem dadurch unterscheidet, dass der Westen/Norden, also die sogenannte industrialisierte Welt, sich politisch und wirtschaftlich weniger vom Osten/Süden abhängig macht. Man ordnet die Handelspartner dazu von vorneherein in Kategorien ein wie den “Wertepartner” oder das “autoritäre Regime”.
Noch beeindruckender ist es, dass diejenigen, die sich mit den Wertepartnern unbedingt auf eine “regelbasierte” Ordnung einigen wollen, offenbar davon ausgehen, man könne mit dem Rest der Welt dann genau den Handel treiben, den man selbst gerne möchte und genau auf den Handel verzichten, der “zu große Abhängigkeiten” mit sich bringt. Ob irgendjemand auf der Welt Interesse an einem solchen Handel hat, der dem Westen/Norden nicht nur die schon bisher üblichen Vorteile beschert, sondern ihm auch noch freie Hand bei der Auswahl der Produkte gibt, die er handeln möchte, das fragt erstaunlicherweise niemand.
Auch die einfache Frage, ob internationaler Handel überhaupt sinnvoll ist, wenn nicht nur seine Regeln, sondern auch seine Produkte zum Spielball westlicher Wertepartner werden, wird nicht gestellt. Bisher hat die große Mehrheit der Ökonomen in Deutschland und Europa Globalisierung und Freihandel als unverbrüchliche Einheit gesehen und beides vehement als wohlstandsfördernd für alle verteidigt. Jetzt schweigen die Liberalen.
Doch sie lügen sich auch mit ihrem Schweigen in die eigene Tasche. Es war nämlich nicht die Globalisierung als solche, die “Abhängigkeit und Verletzbarkeit” im Westen und Norden mit sich gebracht hat, sondern die Art und Weise, wie die Globalisierung von den entwickelnden Ländern in den sich entwickelnden Ländern umgesetzt wurde. Das beliebteste Modell war der Umzug ganzer Fabriken in Niedriglohnländer, wo man mit der bombigen westlichen Produktivität Gewinne oder Marktanteile auf dem Weltmarkt erzielen konnte, die zu Hause niemals möglich gewesen wären. China steht dafür wie kein anderes Land jemals vorher.
Wenn aber ein auf diese Weise sich entwickelndes Land wie China auf die Idee kommt, selbst im Westen/Norden zu investieren oder sich gar in anderen Entwicklungsländern zu engagieren, dann finden wir das gar nicht gut, weil China ja nicht zu unseren Wertepartnern gehört.
Nicht genug damit. Basierend auf vollkommen realitätsfremden Modellen hat der Westen/Norden über viele Jahrzehnte die vollkommene Freiheit des Güter- und Kapitalverkehrs ausgerufen und jedes Land massiv politisch und wirtschaftlich unter Druck gesetzt, dass sich diesem Dogma nicht beugen wollte. Geriet ein Land in Konflikt mit den “Märkten”, wurde es mithilfe des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank systematisch und auch gegen den Willen ihrer Regierungen auf Neoliberalismus getrimmt.
Der aufgezwungene Neoliberalismus war jedoch niemals in der Lage, die Probleme der Länder zu lösen. Das Maß an Währungsstabilität, das unabdingbar für einen funktionierenden Freihandel ist, hat es beispielsweise nie gegeben. Die Kapitalmärkte waren nicht effizient, sondern haben in jeder Hinsicht versagt. Sie haben verrückt gespielt und jeden mit massiven Spekulationen überzogen, der versuchte, seine Wirtschaft auf eine Weise, wie sie im Westen durchaus üblich ist, zu steuern. Brasilien kann viele Lieder davon singen.
Doch selbst die Dogmen des Neoliberalismus waren den Verkündern des Neoliberalismus immer wieder vollkommen egal. Länder wie Deutschland und die Niederlande predigen zwar den anderen den Freihandel, praktizieren mit ihren Leistungsbilanzüberschüssen gleichzeitig jedoch Merkantilismus in Reinform und verteidigen ihn – gegen jede Vernunft – mit Zähnen und Klauen.
Die Welt braucht 50 Jahre nach dem Ende des Systems von Bretton Woods wieder ein globales Wirtschafts- und Währungssystem. Ein solches System muss auf der Erkenntnis aufbauen, dass Handel und Finanzen nicht voneinander zu trennen sind. Unternehmen, die im internationalen Handel erfolgreich agieren wollen, müssen sich, nicht anders als auf der nationalen Ebene, absolute Vorteile gegenüber ihren Konkurrenten erarbeiten. Sie müssen – bei gleicher Qualität der Produkte – billiger sein. Die von den Ökonomen seit Jahrhunderten hochgehaltenen komparativen Kostenvorteile im internationalen Handel, die den Entwicklungsländern vorgaukeln, eine kleine Chance zu haben, sind ein geschickter Trost, aber in Wirklichkeit nicht existent.
Was für Unternehmen gilt, gilt jedoch nicht für Länder. Sind viele Unternehmen eines Landes erfolgreich im Sinne einer deutlichen Zunahme der Produktivität, müssen unter vernünftigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Löhne in dem Land so stark steigen, dass der Produktivitätsvorteil im internationalen Vergleich nicht mehr zugunsten der Unternehmen dieses Landes zu Buche schlägt. Trotz höherer Produktivität müssen die Lohnstückkosten, die Löhne im Verhältnis zur Produktivität, dann genauso stark wie in den Ländern steigen, die eine geringere Produktivitätszunahme aufweisen.
Steigen die Löhne im Verhältnis zur heimischen Produktivität zwischen den Ländern in unterschiedlichem Tempo, ergeben sich Inflationsdifferenzen, die absolute Vorteile für ganze Länder mit sich bringen, nämlich für diejenigen, die die geringsten Inflationsraten aufweisen. Die Inflationsdifferenzen müssen deshalb zwingend durch das Währungssystem ausgeglichen werden.
Die Währungen von Ländern mit niedrigen Inflationsraten müssen aufwerten und umgekehrt. Konstante reale Wechselkurse, also konstante Wettbewerbspositionen von Ländern, sind der Kern der Lösung der Globalisierungsprobleme. Standortwettbewerb von Ländern ist genau das Gegenteil dessen, was die Welt braucht. Die Positionen von Unternehmen können sich auch bei konstanten realen Wechselkursen in der gleichen Weise ändern wie in einem Binnenmarkt, sodass die Vorteile des Wettbewerbs erhalten bleiben, ohne dass ganze Gesellschaften in den Ruin getrieben werden und Auswanderungswellen nach sich ziehen.
Die Welt braucht folglich ein Handelssystem, das von einem Währungssystem ergänzt wird, welches dafür sorgt, dass kein Land auf Dauer absolute Vorteile oder Nachteile hat. Was nichts anderes heißt, als dass keine Länder dauerhafte Leistungsbilanzdefizite oder Leistungsbilanzüberschüsse aufweisen dürfen. Nur so kann man einen Neuanfang schaffen, der auf Integration der Entwicklungsländer und auf Kooperation statt auf Konfrontation setzt.
Direktinvestitionen wird es dennoch geben und man sollte sie auch nicht verhindern, denn sie schaffen für die Entwicklungsländer die Möglichkeit schneller aufzuholen. Allerdings muss man den Ländern, die von den daraus resultierenden Billigimporten überschwemmt werden, die Möglichkeit einräumen, ihre eigene Industrie zu schützen.
Generell muss sich die Einstellung der Industrieländer zu den Entwicklungsländern fundamental ändern. Standortwettbewerb ist ebenso fehl am Platz wie die immer wieder in den internationalen Organisationen hochkommende “natürliche” Gegnerschaft des Nordens mit dem Süden. Die Entwicklungsländer sind nicht die Gegenspieler der Industrieländer. Diese weit verbreitete Vorstellung, die sich auch in Brüssel immer wieder als hoffähig erweist, ist eine Form des geistigen Kolonialismus, die dringend in die Mülltonne der überholten Dogmen entsorgt werden muss.
Noch schlimmer ist die “Rivalität”, die von der deutschen Außenpolitik im Verhältnis zu China den USA abgeschaut wurde. Mit China das Land leichtfertig zum Rivalen zu erklären, von dessen rasender Entwicklung die deutsche Wirtschaft wie keine zweite auf der Welt profitiert hat, zeugt schlicht von Unwissen über die Verhältnisse in China und in der gesamten Welt.
Gerade diejenigen, die das Tempo der globalen Klimaschutzpolitik forcieren wollen, werden kläglich scheitern, wenn sie über kein zukunftsfähiges Wirtschaftsmodell für die gesamte Welt verfügen. Eine fair gestaltete wirtschaftliche Globalisierung ist der Schlüssel zu einer effizienten Klimapolitik. Bisher hangelt man sich von Konferenz zu Konferenz, um hinterher festzustellen, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse niemals so waren, dass sie den Entwicklungsländern den Ausstieg aus den fossilen Energieträgern erlaubt hätte. Der Westen muss nicht reisen und reden, er muss durch seine Taten zeigen, dass er die wahren wirtschaftlichen Probleme anzuerkennen bereit ist.
Der Volkswirt Heiner Flassbeck ist Honorarprofessor an der Universität Hamburg. Er arbeitete von 1976 bis 1980 im Stab des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und danach sechs Jahre im Bundesministerium für Wirtschaft. Im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin war er von 1988 bis 1998 Leiter der Abteilung Konjunktur. 1998 wurde er beamteter Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen. Von August 2003 bis Dezember 2012 war er bei UNCTAD in Genf, Direktor der Abteilung für Globalisierung und Entwicklungsstrategien. Er ist Autor vieler Bücher. Sein letztes Buch, “Der begrenzte Planet und die unbegrenzte Wirtschaft”, erschien 2020 im Westend Verlag. Mit Friederike Spiecker zusammen hat er einen “Atlas der Weltwirtschaft” in den Jahren 2020 und 2022 herausgebracht. Er schreibt regelmäßig zu aktuellen Fragen auf Relevante-Ökonomik.com.

Dass Thorsten Pinkepank im Lobbyregister des Deutschen Bundestags auftaucht, stört ihn nicht. Lobbyismus habe zu Unrecht einen schlechten Ruf, sagt der langjährige Netzwerker. “Ich möchte nicht in einer Gesellschaft leben, in der Unternehmen kein Interesse daran haben, was im Parlament passiert und sich nicht einbringen.” Als Director of Sustainability Relations bei BASF vermittelt er zwischen Unternehmen und Gesellschaft, stößt intern und extern Diskussionen über Nachhaltigkeit an und engagiert sich in internationalen Unternehmensinitiativen für Menschenrechte.
Thorsten Pinkepank wurde 1966 in Alfeld nahe Hildesheim geboren. Nach einer kaufmännischen Ausbildung bei BASF studierte er Publizistik, Politik und Psychologie und sammelte praktische mediale Einblicke beim ZDF, der Deutschen Welle sowie in der Presseabteilung des Bundesumweltministeriums. Dort erkannte er, dass das Thema Nachhaltigkeit für Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen unverzichtbar werden würde. Noch als Student gründete er mit einem Partner ifok, ein Beratungsunternehmen für Nachhaltigkeitskommunikation – es existiert noch immer. Als in den 90er Jahren Nachhaltigkeit das erste Mal auf dem Radar vieler Unternehmen auftauchte, “dominierte das E in ESG”, sagt Pinkepank.
Mittlerweile habe sich das gedreht: “Das Soziale in ESG ist enorm wichtig, weil wir die notwendigen Transformationen nur mit der Gesellschaft und nicht gegen sie schaffen.”
Mit seinem Unternehmen betreute Pinkepank Ende der 90er-Jahre Kampagnen für CO₂-Vermeidung, entwickelte für seinen größten Kunden BASF Nachbarschaftsforen und Beschwerdemechanismen für Industriestandorte. 2002 stieg er fest als Lobbyist bei BASF ein.
2010 wurde Pinkepank Direktor der Sustainability Relations bei BASF. Und die neue Aufgabe hatte es in sich: 2012 erschütterte ein Massaker in der südafrikanischen Platinmine Marikana die Welt. Nach einem mehrtätigen Streik für bessere Arbeitsbedingungen wurden 34 Minenarbeiter durch Polizeikräfte getötet. Der Minenbetreiber Lonmin war damals ein großer Lieferant von BASF. Der Vorfall brachte dem Chemiekonzern viel Kritik ein und BASF startete einen internen Aufarbeitungsprozess, den Thorsten Pinkepank mitorganisierte. Das Massaker von Marikana beförderte die Debatte über Menschenrechte in Lieferketten und die Verantwortung von Unternehmen aus Industrieländern. Im Fokus der Öffentlichkeit steht BASF gerade mit dem Ausbau seines Geschäfts in China, das wegen Menschenrechtsverletzungen vor allem an Uiguren in der Kritik steht. In autoritären Regimen sei es generell “viel schwieriger, Lieferketten zu prüfen, aber nicht unmöglich”. Jedes Unternehmen müsse selbst entscheiden, wann es nicht mehr genug Einblick habe und es daraus Konsequenzen ziehe, sagt Pinkepank.
In der Diskussion um das Anfang des Jahres in Kraft getretene Lieferkettengesetz sprach sich Pinkepank für eine Konzentration auf Tier-1-Lieferanten aus. In den Lieferketten von BASF sei eine große Zahl von Akteuren involviert, sagt er. Das Unternehmen spricht von 70.000 Lieferanten. Statt sich jedem Lieferanten bis in die Verästelungen der Lieferketten zu widmen, sei es effektiver, wenn sich Unternehmen auf die größten Risiken für Mensch und Umwelt konzentrierten.
Er warnt davor, die Gewährleistung von Menschenrechten immer stärker Unternehmen zu überantworten. “Wir sollten nicht den Schutz der Menschenrechte privatisieren”, sagt er. Menschenrechte seien besonders in Ländern gefährdet, in denen es einen schwachen oder autoritären Staat gebe. Man könne aber weder jedes Land meiden, in dem das der Fall sei, noch die Rolle des Staates einnehmen. Bei der Frage, ob das Massaker von Marikana mit dem Lieferkettengesetz verhindern worden wäre, ist Pinkepank unschlüssig. “Ich würde gerne ja sagen, bin mir aber nicht sicher.” Lukas Homrich
Ursula von der Leyen erfährt zurzeit viel Zuspruch für ihr (noch nicht erklärtes) Streben nach einer zweiten Amtszeit. “All hail Queen Ursula!”, titelte kürzlich etwa ein Brüsseler Klatschblatt. Auch Friedrich Merz und Markus Söder preisen die Kommissionspräsidentin. Ansonsten ist die CDU-Politikerin aber herzlich unbeliebt im eigenen politischen Lager. “Wo ist der Unterschied zu Toni Hofreiter?”, fragt ein namhafter Unionsabgeordneter im Bundestag.
Tatsächlich verschwimmen die Grenzen zwischen der Christdemokratin und den Grünen bisweilen, so wie bei der Konferenz “Beyond Growth” im Brüsseler Europaparlament gestern. Ihr ebenfalls christdemokratischer Vorgänger Jean-Claude Juncker habe die Einladung vor fünf Jahren noch “recht ruppig” abgesagt, berichtete der gastgebende Grünen-Co-Fraktionschef Philippe Lamberts.
Rede von der Leyens “ziemlich unheimlich”
Von der Leyen hingegen trat nicht nur bei der Veranstaltung auf. Sie zitierte sogar den vor 50 Jahren veröffentlichten Bericht des Club of Rome über die “Grenzen des Wachstums” und sagte unter dem Gejohle des meist jungen Publikums, “dass das auf fossile Brennstoffe ausgerichtete Wachstumsmodell schlicht überholt ist”.
Sandrine Dixson-Declève traute ihren Ohren kaum: Es sei schon “ziemlich unheimlich”, so die Co-Präsidentin des Club of Rome, dass die amtierende Kommissionspräsidentin die Hälfte dessen vorweggenommen habe, was sie selbst habe sagen wollen.
Allerdings eben nur die Hälfte: Dixson-Declève wetterte anschließend über eine “gefährliche Wachstumsbesessenheit” als Ursache der heutigen Polykrise. Von der Leyen hingegen setzt auf saubere Energien und Kreislaufwirtschaft als “unser neues Wachstumsmodell”. Die EVP-Wahlkampfstrategen müssen also nicht befürchten, dass ihre (unerklärte) Kandidatin die Grünen bald links überholt. Ein schwacher Trost. Till Hoppe