manchmal ist der Wunsch der Vater des Gedankens. Der in der westlichen Welt derzeit sicherlich besonders weit verbreitete Wunsch lautet, einen Vermittler zu finden, der den Kriegstreiber Putin zur Vernunft bringt. Und dieser Vermittler könnte Xi Jinping sein, so der daraus abgeleitete Gedanke.
Seit Beginn des Ukraine-Krieges wird beim kleinsten Anzeichen schnell spekuliert, ob China seine Haltung zu Russland ändere und von seinem Partner Russland abrücke. Beim Scholz-Besuch in Peking etwa galt Xis Erklärung zum Atomwaffeneinsatz als ein solches Zeichen. Beim G20-Gipfel schienen sich die Träume zu bestätigen: Die gemeinsame Abschlusserklärung verurteilte Russland.
Doch wer den G20-Gipfel genau verfolgte, fing auch gegenteilige Signale auf. Außenminister Wang Yi versicherte seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow, die Zusammenarbeit solle künftig noch tiefer gehen. Den russischen Angriffskrieg betitelte er lediglich als “Ukraine-Frage”. Fabian Kretschmer analysiert daher Chinas wahre Haltung zu Russland.
Eine Wahrheit hinter der Wahrheit gibt es auch in der Architektur des chinesischen Staates. Die Exekutive liegt in China – wie in anderen Ländern – theoretisch bei den Staatsorganen. Xi Jinping hat alle wichtigen Aufgaben jedoch nach und nach gezielt in die Partei hinüberzogen. Ein Geflecht aus Partei-Kommissionen und Arbeitsgruppen bildet eine Parallelstruktur zu staatlichen Institutionen und entfaltet großen Einfluss, berichtet Christiane Kühl. Merics-Forscher Nis Grünberg geht dem System in einer neuen Studie auf den Grund.
Ein Besuch auf dem Flohmarkt kann wie eine Schatzsuche sein. Vielleicht findet man eine lang ersehnte Schallplatte oder eine unerkannte Designer-Lampe – schon schlägt das Herz höher. Chinesische Flohmarktbesucher konnten bis vor kurzem sogar über politisch brisante Funde stolpern: seltene zeitgeschichtliche Dokumente, Fotos des Tianan’men-Massakers etwa, regimekritische Schriften oder politische Flugblätter der 50er-Jahre. Manche der Sammlerstücke wurden ausgerechnet von chinesischen Behörden selbst an Flohmarkthändler verhökert, berichtet Johnny Erling – seines Zeichens Schatzsucher spannender Geschichten.
Viel Freude beim Lesen und ein schönes Wochenende!

Der 20. Parteitag im Oktober hat den Status von Staats- und Parteichef Xi Jinping als absolute Machtzentrale zementiert. Hinter den Kulissen der Partei konzentriert Xi schon seit zehn Jahren die Steuerung der Politik in seinen Händen. Dazu gründete er ab dem Jahr 2012 in der Kommunistischen Partei ein Geflecht aus so genannten Kleinen Führungsgruppen (Leading Small Groups/LSG/领导小组) und Zentralen Kommissionen (中央委员会) für die verschiedensten Politikfelder wie Wirtschaft, Umwelt oder Innovation. Bei den meisten setzte Xi sich auch gleich selbst auf den Chefsessel.
Theoretisch liegen Exekutive und Gesetzgebung auch in China bei den Staatsorganen – Staatsrat, Ministerien und Nationaler Volkskongress. Doch Xi holte diese Funktionen mithilfe der neuen Kommissionen gezielt in die Partei. Heute existiert in der KP dadurch eine Parallelstruktur zu staatlichen Institutionen. LSG sind dabei Adhoc-Gremien, die eingegrenzte Aufgaben verwaltungsübergreifend koordinieren sollen. Zentrale Kommissionen fungieren dagegen als permanente politische Supra-Ministerien, wie die Merics-Experten Nis Grünberg und Vincent Brussee in einer aktuellen Studie analysieren. Dieses System könne zwar manche Maßnahmen beschleunigen und besser koordinieren, schreiben die beiden Forscher. Doch das geschehe auf Kosten von “Transparenz, Rechenschaftspflicht und Flexibilität.”
Eine besondere Rolle spielt in diesem System die Zentrale Kommission zur Vertiefung der Reformen (Central Commission for Comprehensively Deepening Reform/CCDR/中央全面深化改革委员会), mit der Xi Strukturreformen beschleunigen will. “Die CCDR ist etwas spezieller als die anderen Kommissionen in der KP. Sie trifft sich öfter, ist mehr eingebunden in Entscheidungsprozesse und hat festen Zugang zu bürokratischem Support der Parteizentrale”, sagt Studienautor Grünberg. Sie ist aufgehängt an der zentralen Denkfabrik der Partei, dem Central Policy Research Office (中共中央政策研究室), das verantwortlich für das Recherchieren und Verfassen wichtiger Dokumente und Reden ist und seinen Sitz im “Allgemeinen Büro”, dem Nervenzentrum der Partei (中国共产党中央委员会办公厅, kurz 中办) hat. Der Weg zum Chef ist also kurz.
Die CCDR wurde Ende 2013 zunächst als Kleine Führungsgruppe, also als LSG, gegründet und 2018 zur Kommission aufgewertet. Parallel wandelte die Partei damals weitere LSG in Kommissionen um, etwa jene für Finanzen und Wirtschaft, Nationale Sicherheit, Auswärtige Angelegenheiten und Cybersicherheit und Digitalisierung. Das Ziel: Die “Stärkung der Rolle der zentralen Gremien der KPCh bei der Politikgestaltung und -koordinierung.” Xi habe mit den Kommissionen die unter Deng Xiaoping vorangetriebene Entkopplung von Staatsverwaltung und Partei umgekehrt, sagt Grünberg. “Die Partei ist nun organisatorisch dicht verzahnt mit der Verwaltung. Während der Staatsrat für Implementierung zuständig ist, liegt das Policydesign heute in Parteikommissionen.”
Dass Xi nachweisbar mindestens zehn Kommissionen und LSG selbst leite, gebe ihren Beschlüssen eine größere Dringlichkeit, sagt der Forscher. “Xi sitzt in allen Meetings dieser Gremien.” Die CCDR sei dabei Xis persönlicher Reform-Katalysator, weil er mit ihrer Hilfe seine Prioritäten schneller durchbringen könne. “Die CCDR ist damit quasi ein Reform-Ministerium der KPCh.” Reform, das klingt nicht gerade nach Xi Jinping. Doch das Wort bedeutet letztlich nur eine Veränderung bisheriger Strukturen – nicht automatisch eine Öffnung.
Die CCDR ist in sechs Untergruppen organisiert, die sich mit zuständigen Ministerien abstimmen sollen:
Eines der Ziele der CCDR sei es gewesen, die zuweilen untereinander konkurrierenden staatlichen Institutionen zu koordinieren, sagt Grünberg. “Xi war 2012 verärgert über den Reformstau der Regierung von Hu Jintao. Das wollte er aufbrechen, also gründete er all die Kommissionen.” Heute gibt es auf allen administrativen Ebenen und in allen Staatsunternehmen Tausende Vertretungen der Kommissionen und LSGs, bis hinunter in die Landkreise.
Doch wie funktionieren diese undurchsichtigen KP-Gruppen im Alltag? Details über das Wirken der CCDR herauszufinden, gleicht laut Grünberg Detektivarbeit, da es nur wenige öffentlich zugängliche Schriftstücke über sie gibt. Grundsätzlich aber laufe der Prozess immer ähnlich ab. Jedes Jahr legt die CCDR in ihren Jahresarbeitsplänen (工作要点) ihre wichtigsten Reformprioritäten fest. Dann beauftragt sie zum Beispiel ein Ministerium, für einen bestimmte Agendapunkt konkrete Pläne oder ein Gesetz auszuarbeiten. Dieses geht dann zur Freigabe an die CCDR zurück – die dann in einer Art “Feedback Loop” entweder weitere Empfehlungen gibt, oder den Plan in einem Dokument veröffentlicht. Das Besondere: “Diese Dokumente gelten dann sofort als ‘in Kraft getretenes Gesetz’. Sie sind bindend, obwohl sie noch gar nicht das gesetzgebende Verfahren des Staates durchlaufen haben“, sagt Grünberg.
Xi zeigt sich hier als Mikromanager alltäglicher Politik. Ein Beispiel für die Themen: Bei ihrer Sitzung am 8. September besprach und verabschiedete die CCDR unter Vorsitz von Xi fünf Dokumente:
Ein Schwerpunkt der CCDR ist die Umweltpolitik. “Der Strukturwandel zur Kreislaufwirtschaft ist eine wichtige Priorität für Xi”, sagt Grünberg. Zum Beispiel verabschiedete die CCDR eine ‘Meinung’ (意见) zu den Eckpunkten der Mülltrennung und stieß damit den entsprechenden Regulierungsprozess an.
Auch war es laut Grünberg die CCDR, die Chinas Importstopp für Plastikmüll beschloss. Der Staat habe das Verbot erst danach formal verabschiedet. Beim Aufbau des chinesischen Systems der Nationalparks war die CCDR laut Grünberg ebenfalls federführend beteiligt. Dazu “haben wir eindeutige Referenzen zum Feedback-Fluss zwischen Ministerien und der CCDR gefunden”.
Sonderkomitees mit konkreten Ad-hoc-Aufgaben wie die Organisation der Olympischen Spiele können durchaus für Effizienz sorgen. Das Problem entstehe dann, wenn sich diese Strukturen dauerhaft verfestigen, sagt Grünberg – also in China die LSG zu Zentralen Kommissionen werden und sich immer mehr Macht Richtung Parteispitze konzentriere: “Dadurch haben wir nun die Situation, dass Xi alles selbst verantworten muss. Man muss heute davon ausgehen, dass nur noch dann etwas passiert, wenn es von oben angestoßen wird.”
Grünberg erwartet, dass das System weiter fortbesteht, auch wenn Xi spätestens ab März 2023 keine Konkurrenten mehr in der Regierung befürchten muss: Der von Xi ungeliebte Ministerpräsident Li Keqiang wird dann voraussichtlich durch seinen Loyalisten Li Qiang ersetzt. Die CCDR mag auch künftig ein Motor für Verwaltungsreformen sein. “Doch zugleich saugt sie Ressourcen aus den Behörden, die alle sehr viel Energie in Xis Prioritätspolitik gesteckt haben”, sagt Grünberg.
Xi dominiere die Bürokratie, indem er das System vollstopfe mit Anweisungen. “Außerdem führt die Priorisierung zentraler Vorgaben zwangsläufig dazu, dass Lösungen vorgegeben werden, die den lokalen Gegebenheiten weniger angepasst sind, als wenn sie vor Ort erarbeitet werden”, so der Experte. “Im sehr heterogenen China ist das ein Problem.”

Für den Westen ist Russlands Außenminister Sergej Lawrow längst Persona non grata, doch sein chinesischer Amtskollege Wang Yi begrüßte ihn am Dienstag beim G20-Gipfel auf Bali mit Handschlag und herzlichem Lächeln. Der nachträgliche Blick auf die Bilder konterkariert die Wahrnehmung, die sich aus der gemeinsamen Abschlusserklärung ergeben hat. Diese hatte Russland kritisiert und war auch von China mitgetragen worden.
Was die beiden zueinander sagten, dürfte europäischen Politikern bitter aufgestoßen sein. Wang Yi habe zugesichert, “die pragmatische Zusammenarbeit mit Russland zu vertiefen” und eine “multipolare” Weltordnung zu fördern. Der russische Angriffskrieg wurde lediglich als “Ukraine-Frage” betitelt. Genauso klangen beide Seiten in den Berichten der Staatsmedien auch auf ihrem vorigen Treffen im September.
Nur eine von Wangs Aussagen lässt sich – mit viel gutem Willen – als leichtes Abweichen der üblichen Linie auslegen: China habe positiv registriert, dass Russland jüngst seine “rationale und verantwortliche Haltung” bestätigt habe und ein Atomkrieg niemals geführt werden dürfe.
Seit Februar achtet der politische Westen auf jede Silbe, die chinesische Regierungsvertreter an Russland richten. Zuletzt waren sie begeistert über vermeintliche Zusagen, die Staatschef Xi Jinping gegenüber Bundeskanzler Olaf Scholz gemacht hat. China werde “den Einsatz von und die Drohung mit Atomwaffen ablehnen” – das verkaufte Scholz zuhause als starkes, neues Zugeständnis.
Immerhin handelte es sich dabei um die bis dato kritischsten Worte aus Peking in Richtung Kreml seit Beginn des Kriegs. Doch die Wahrnehmung vieler westlicher Medien, die chinesische Staatsführung sei endlich zur Vernunft gekommen und von Moskau abgerückt, ist eine Überreaktion. Das Atom-Statement hat einfach einen feststehenden Leitsatz der chinesischen Politik wiederholt.
Für einen Kurswechsel Chinas gibt es bisher keine echten Anzeichen. Tatsächlich war die Aussage Xi Jinpings nicht einmal im Ansatz ein Indiz dafür: Die Stellungnahme war vage und Russland wurde nicht einmal direkt erwähnt. Und bei den Gipfeltreffen Xis mit US-Präsident Joe Biden und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Bali auf dem G20-Gipfel wurde die Ablehnung von Atomwaffen in der chinesischen Aussendung nicht wiederholt.
Feststeht: Nach wie vor versucht sich die Volksrepublik an einem delikaten Drahtseilakt. Nach außen gibt man sich als neutrale Friedensnation, die sich für Verhandlungen und Gespräche einsetzt. Effektiv jedoch hat man sich auf die Seite Russlands geschlagen. Denn während Xi gegenüber Wladimir Putin “grenzenlose Freundschaft” versprach, hat er mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj seit Kriegsbeginn nicht einmal mehr telefoniert.
In den offiziellen Staatsmedien wird zudem nach wie vor die russische Propaganda – mit minimalen Abweichungen – übernommen. In der Volkszeitung heißt es etwa, dass die “nukleare Bedrohungstheorie im Westen hochgespielt” werde, und Russland seine Atomwaffen nur zur Selbstverteidigung einsetze. In den CCTV-Abendnachrichten Xinwen Lianbo wurde zuletzt gar die Ukraine direkt für den Raketeneinschlag in Polen als Hauptschuldiger identifiziert. Und hinter sämtlichen Entwicklungen steht eine zündelnde Nato unter Führung Washingtons.
Als diese Woche die Vereinten Nationen über eine Resolution abstimmten, um “eine Grundlage für künftige Reparationszahlungen von Russland an die Ukraine zu schaffen”, stimmte China – gemeinsam mit Syrien, Nordkorea und Iran – dagegen. Indien, das ebenfalls vom Westen für seine Russland-freundliche Haltung kritisiert wird, hat sich im Gegensatz bei der Abstimmung enthalten.
Natürlich ist Chinas Beziehung zu Russland nicht in Stein gemeißelt, sondern passt sich der Lage an. Bei einer G20-Abschlusserklärung mag man sich nicht querstellen und zum Außenseiter machen. Doch die Bandbreite ist ansonsten eher gering: Über kurzfristige Verstimmungen steht weiterhin Pekings strategisches Interesse, die Weltordnung nach den eigenen Vorstellungen umzugestalten. Und um die westliche Hegemonie, angeführt durch die Vereinigten Staaten, zu durchbrechen, brauche es der chinesischen Logik zufolge unbedingt Russland als internationalen Partner.
Dass der Einsatz von Atomwaffen eine rote Linie auch für das chinsisch-russische Zweckbündnis darstellt, ist weiterhin richtig, er wäre bei der geplanten Umgestaltung der Weltordnung kaum zielführend. Doch eine solche Haltung sollte eine Selbstverständlichkeit sein – und verdient keinen internationalen Beifall. Fabian Kretschmer
21.11.2022, 20:30 Uhr (22.11.2022, 3:30 Uhr Beijing time)
Center for Strategic & International Studies, Buchvorstellung und Diskussion: Overreach: How China Derailed its Peaceful Rise Mehr
22.11.2022, 1:30 Uhr (8:30 Uhr Beijing time)
Fairbank Center for Chinese Studies, Webinar: Performing the Ecological Fix Under State Entrepreneurialism in China Mehr
22.11.2022, 15:30 Uhr (22:30 Uhr Beijing time)
Fairbank Center for Chinese Studies, Webinar: Sarah Mellors Rodriguez – Birth Control and Abortion in China Mehr
22.11.2022, 8:30 Uhr (15:30 Uhr Beijing time)
China Netzwerk Baden-Württemberg, Business Talk: Lockdown als Dauerschleife – Erfahrungs- und Lernprozess Mehr
22.11.2022, 19:30 Uhr
Konfuzius-Institut Trier, Vortrag (Präsenz): Digitaler Alltag – Digitalisierung Made in China Mehr
23.11.2022, 9:00 Uhr
China-Institut für die deutsche Wirtschaft, Führungskräfte-Seminar: Rechtssicher im China-Geschäft Mehr
23.11.2022, 9:00 Uhr (16:00 Uhr Beijing time)
Dezan Shira & Associates, Webinar: Global Supply Chain Disruptions and Transfer Pricing: What to Know for Your China Operations Mehr
24.11.2022, 11:00 Uhr (18:00 Uhr Beijing time)
Kiel Institut für Weltwirtschaft, Global China Conversations: Expats verlassen China: Welche Konsequenzen ergeben sich für multinationale Unternehmen und China’s Wirtschaft? Mehr
25.11.2022, 12:00 Uhr (19:00 Uhr Beijing time)
Konfuzius-Institut FU Berlin, Vortrag: Influence of the Ukraine War on International Relations Mehr
Die chinesische Regierung hat einen am Mittwoch bekannt gewordenen Entwurf für eine neue China-Strategie aus dem Auswärtigen Amt scharf kritisiert. In einer Stellungnahme des chinesischen Außenministeriums hieß es auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in Peking, die Einstufung Chinas als “Wettbewerber” und “systemischer Rivale” sei ein “Erbe des Denkens aus dem Kalten Krieg”. Die chinesische Seite bezeichnete das Papier als eine “Verunglimpfung Chinas durch die deutsche Seite”. Das Papier sei voll von “Lügen und Gerüchten”.
Über den ersten, vertraulichen Entwurf der China-Strategie hatte am Mittwoch der Spiegel berichtet. Das Papier definiert China als Partner, Wettbewerber und systemischen Rivalen. Geht es nach dem Willen von Außenministerin Annalena Baerbock, sollen im Umgang mit China vor allem die Menschenrechte eine größere Rolle spielen und die Beziehungen zu Taiwan ausgebaut werden. Zudem sollen wirtschaftliche Abhängigkeiten “zügig und mit für die deutsche Volkswirtschaft vertretbaren Kosten” abgebaut werden.
Die neue China-Strategie steckt allerdings noch in der Abstimmungsphase mit den anderen Ministerien, vor allem aber mit dem Kanzleramt. Vor einer endgültigen Verabschiedung soll erst die europäische Sicherheits-Strategie vorgestellt werden. flee
Großbritannien will nachträglich nun doch die Übernahme des Chipherstellers Newport Wafer Fab durch den chinesischen Konzern Nexperia stoppen. Nexperia ist eine niederländische Tochtergesellschaft der chinesischen Wingtech-Gruppe. Die britische Regierung hatte den umstrittenen Verkauf der walisischen Halbleiter-Fabrik eigentlich im Frühjahr 2022 nach einer Sicherheitsprüfung genehmigt (China.Table berichtete). Gekauft hatte Nexperia den Graphen-Hersteller bereits 2021.
Nun legte Handelsminister Grant Shapps nach Regierungsangaben sein Veto gegen die Übernahme des größten britischen Chip-Herstellers ein. Man begrüße zwar Außenhandel und Investitionen, die Wachstum und Beschäftigung förderten, erklärte Shapps. “Aber wenn wir ein Risiko für die nationale Sicherheit erkennen, werden wir entschlossen handeln.” Nexperia müsse daher mindestens 86 Prozent der britischen Chipfabrik Newport Wafer Fab wieder verkaufen, um “mögliche Gefährdungen” abzuwenden. Grund der Entscheidung sei eine “umfassende Bewertung der nationalen Sicherheit”.
Ein ranghoher Nexperia-Manager teilte laut der Nachrichtenagentur Reuters mit, man akzeptiere die vorgebrachten Bedenken nicht. In zwei früheren Überprüfungen seien diese nicht erhoben worden. “Wir sind ehrlich schockiert. Die Entscheidung ist falsch”, hieß es demnach. Nexperia werde gegen die Entscheidung vorgehen. Der britische Fall erinnert an Elmos: Die Bundesregierung hatte jüngst dem Dortmunder Chiphersteller den geplanten Verkauf seiner Waferfertigung an die Tochter eines chinesischen Unternehmens untersagt (China.Table berichtete). ari
Eine sichtlich aufgeladene Konversation zwischen Kanadas Premier Justin Trudeau und Chinas Staatschef Xi Jinping am Rande des G20-Gipfels in Bali sorgt weiterhin für Gesprächsstoff. Xi habe Trudeau nicht kritisiert, betonte das chinesische Außenministerium am Donnerstag. Peking unterstütze einen offenen Austausch, solange er auf gleicher Basis erfolge, sagte Sprecherin Mao Ning. China hoffe, dass Kanada Maßnahmen ergreifen werde, um die bilateralen Beziehungen zu verbessern. Das Gespräch habe in der Tat so stattgefunden, bestätigte Mao. Sie erklärte: “Das ist sehr normal. Ich denke nicht, dass es so interpretiert werden sollte, dass der Vorsitzende Xi jemanden kritisiert oder beschuldigt.”
In dem am Mittwoch verbreiteten Video beschwert sich ein sichtlich verstimmter Xi bei Trudeau über mangelnde Vertraulichkeit nach einem bilateralen Gespräch (China.Table berichtete). Xis Unmut war möglicherweise Medienberichten in Kanada geschuldet, in welchen laut Regierungsquellen Trudeau bei einem Treffen mit Xi am Vortag Bedenken über angebliche Spionage und chinesische Einmischung in die kanadischen Wahlen geäußert haben soll. Das Treffen der beiden war jedoch inoffiziell angesetzt gewesen.
Offen blieb, ob den beiden Politikern bewusst war, dass sie gefilmt werden, oder ab welchem Zeitpunkt. Xi drückt Trudeau zum Abschluss fest die Hand, bevor er der Kamera beim Abgang ein kurzes Standard-Lächeln zeigt und aus dem Bild geht. Die Aufnahmen führten zu etlichen Spekulationen. Was auf dem Video zu sehen sei – nämlich, dass ein chinesischer Politiker Unzufriedenheit auf “spontane” Weise öffentlich zeige – sei sehr selten, sagte Chong Ja Ian, Professor für Politikwissenschaft an der National University of Singapore, der französischen Nachrichtenagentur AFP. Das Gespräch zwischen den beiden Männern zeige, dass Xi “Trudeau und Kanada nicht als wirklich ernsthafte Gesprächspartner betrachtet”. Der Ton des Austauschs sei ähnlich dem einer “Großmacht”, die sich an eine kleinere wendet, sagte Van Jackson, Professor für Internationale Beziehungen an der Victoria University of Wellington in Neuseeland, gegenüber AFP. “Die Sprache und Haltung von Herrn Xi sind – privat – nicht ungewöhnlich für ein Gespräch zwischen Regierungsvertretern, die sich nicht gut verstehen”, so Jackson.
Ebenfalls ungeklärt blieb die Intention einer Aussage Xis, die es nicht in die Übersetzung seines Dolmetschers geschafft hatte. Je nach Übersetzung kann hier eine Drohung oder eher Resignation verstanden werden. Außenamts-Sprecherin Mao betonte, Xi habe dies nicht als Drohung gemeint. Die beiden Politiker hätten einen “normalen” Austausch geführt und lediglich “ihre jeweiligen Positionen zum Ausdruck” gebracht. rtr/ari
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat im Entstehungsprozess des EU-weiten Lieferkettengesetzes dem Europaparlament mangelnde Praxisnähe vorgeworfen. “Dem EU-Parlament scheint das Augenmaß für die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen in der Krise zu fehlen”, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm am Donnerstag. Der Anwendungsbereich über die gesamte Wertschöpfungskette sei “realitätsfern”. Er forderte einen eingeschränkteren Umfang der Gesetzgebung, von der weitreichende Auswirkungen auf das China-Geschäft erwartet werden. “Verpflichtende rechtliche Anforderungen müssen sich auf die direkten Zulieferer beschränken. Sonst sind sie in der täglichen Praxis nicht umsetzbar”, so Russwurm.
Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments hatte sich am Donnerstag mit einem Berichtsentwurf zum EU-Lieferkettengesetz befasst. Derzeit wird innerhalb der EU-Institutionen über die Details der Ausgestaltung verhandelt. Lara Wolters, zuständige Berichterstatterin des Europaparlaments für das Lieferkettengesetz, betonte, dass weiterhin eine Abdeckung der gesamten Wertschöpfungskette das Ziel sei.
Neben dem Umfang der Gesetzgebung ist auch die Frage noch offen, wie Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden können – auch von direkt Betroffenen in Drittländern. Das EU-Lieferkettengesetz soll weiter reichen als das deutsche. Das deutsche Lieferkettengesetz tritt Anfang 2023 in Kraft. Bis wann genau die EU-weite Gesetzgebung abgeschlossen sein wird, ist noch nicht klar. ari
Die Akzeptanz für chinesische Automarken ist in Deutschland gerade unter Premium-Kunden vergleichsweise hoch. Das ergibt eine Umfrage der Unternehmensberatung Berylls. Während 25 Prozent der möglichen Kunden für ein Oberklasse-Modell auch ein chinesisches Fabrikat in Erwägung ziehen würden, sind es im allgemeinen Automarkt nur 16 Prozent.
Das Ergebnis überrascht die Experten, weil im Premium-Segment der Preis eigentlich eine geringere Rolle spielt. Möglicherweise liegt das am Informationsstand der Befragten: Rund die Hälfte der Premium-Kunden glaubt, dass Chinas Autohersteller sich international durchsetzen werden. Von den anderen Befragten glauben das nur 35 Prozent.
Eine Umfrage des China.Table durchgeführt von dem Forschungshaus Civey hat im vergangenen Jahr ähnliche Werte ergeben. Rund 20 Prozent der Befragten konnten sich vorstellen, eine chinesische Marke zu kaufen. 45 Prozent trauten es den chinesischen Herstellern zu, in Deutschland Fuß zu fassen. fin

Chinas Ideologen bestimmen und lenken, was ihre Bürger über die Geschichte der Volksrepublik wissen dürfen und denken sollen. Seit seinem Amtsantritt hat Parteichef Xi Jinping die zuvor drei Jahrzehnte lang geduldete kritische Aufarbeitung der Vergangenheit wieder zurückfahren und als historischen Nihilismus verurteilen lassen. Schulbücher wurden umgeschrieben, Medien und das Internet, Kunst, Kultur und Forschung werden zensiert, vergangene Ereignisse neu gedeutet oder verschwiegen. Dennoch gibt es viele Chinesen, die sich der Kontrolle bislang entzogen haben. Sie verfügen zu Hause über ihr eigenes Archiv mit Belegen und Quellen, was in der Volksrepublik einst wirklich passierte. Es sind Liebhaber von Zeitgeschichte.
Ungewollt half ihnen die KP dabei, ihre Sammlungen zu vervollständigen. Rund 15 Jahre nach Maos Tod begannen Ministerien, Gerichte, Bibliotheken, Verlage, sogar Sicherheitsbehörden ihre als überflüssig empfundenen, in Archiven und “ideologischen Giftschränken” verwahrten Asservate zu verramschen. Darunter: indizierte Bücher, Manuskripte, Dokumente, Flugblätter. Einst verbotene und verborgene Schätze landeten auf den Flohmärkten der Großstädte. Diese wurden zu Fundgruben für Historiker, Hobby-Forscher und passionierte Sammler. So entstand eine Art unfreiwilliger chinesischer Vergangenheitsbewältigung.


Die Ansichtskarten aus dem Ausland lagen päckchenweise zwischen anderen Sammlerstücken auf einem Stand des Pekinger Flohmarktes. Sie waren mit Briefmarken aus der Schweiz frankiert und zeigten Fotos eines Jungen aus Tibet. Deutsche und englische Aufschriften forderten: “Freiheit für den jüngsten politischen Gefangenen der Welt”.
Die Solidaritätsschreiben stammten von internationalen Tibet-Initiativen, die in Europa Bürger aufriefen, per Postkarte nach Peking ihre Solidarität mit dem Jungen zu bekunden. Adressat war der damalige Parteichef Jiang Zemin. Er bekam die Postkarten nie zu sehen. Die Polizei bunkerte sie in ihren Archiven.
Sie warfen China vor, den siebenjährigen Gedhun Choekyi Nyima im Mai 1995 verschleppt zu haben, nur Tage, nachdem ihn der Dalai Lama als Reinkarnation des verstorbenen 10. Panchen Lama anerkannt hatte. Die KP verdammte dessen religiöse Wahl. Sie ließ einen anderen Jungen zum designierten Panchen-Lama-Nachfolger bestimmen und den wahren Nachfolger verschwinden.
Der Verbleib des heute 35-Jährigen gilt als Staatsgeheimnis. Der von Peking eingesetzte Ersatzlama, den tibetische Gläubige weiter den “falschen Jungen” nennen, darf zu religiösen Feiertagen Tibets heilige Klöster aufsuchen, wo ihn die Mönche als 11. Panchen Lama verehren müssen.
Gedhuns staatliches Kidnapping (China.Table berichtete) und Pekings Rolle dabei wurde öffentlich immer verschwiegen. 2004 sah ich die Karten erstmals auf einem Pekinger Flohmarkt ausliegen. Er könne viel mehr davon besorgen, sagte der Händler, der offenbar nicht einmal wusste, wer der Junge war, aber mein Interesse bemerkte. 20 Yuan koste so eine Karte. Ab zehn gebe es Rabatt. Zur Herkunft wollte er nichts sagen. Eine von zehn Regeln für Pekings große Flohmärkte, wie den Panjiayuan (潘家园) oder den Tempelmarkt Bao Guosi (报国寺) lautete: “Woher die Sachen stammen, geht die Käufer nichts an” (古玩交易卖家东西来自何方与买家无关).
Die plötzlich auftauchenden Postkarten beantworteten die Frage, was mit den vielen Tausend Amnesty-Petitionen geschah, die alljährlich aus Europa an Chinas Führer geschickt wurden. Sie wurden nicht vernichtet, sondern behördlich aufbewahrt.
Doch als Pekinger Ministerien, Institute und Gerichte um das Jahr 2000 Neubauten planten und umzogen, entrümpelten sie ihre überquellenden Asservatenkammern und ihre Staatsarchive. Säckeweise trennten sich Behörden von nutzlosen Beständen an vergilbten Dokumenten. Von verbotenen, einst kulturrevolutionären Karikaturen gegen innerparteilichen Feinde Maos, bis hin zu beschlagnahmten regimekritischen Schriften. Selbst intern klassifizierte alte Parteibeschlüsse, einstige Haftbefehle und Urteile, handgeschriebene Selbstkritiken oder Denunziationsschreiben wurden entsorgt. Eigentlich hätten sie geschreddert gehört. Clevere Flohmarkt-Händler mit Beziehungen nutzten die grassierende Korruption, amtliches Desinteresse und fehlende Kontrollen aus, um sie den Behörden oft zum Preis des Papiergewichts abzukaufen.


Alles, was unbrauchbar erschien, wurde offenbar ausgemustert. Darunter fielen stapelweise aufgehobene Flugblätter aus dem Propagandakrieg zwischen der Volksrepublik und Taiwan. Ab dem Ende der 1950er-Jahre ließ Peking die taiwanesische Insel Qinmen bombardieren und beschoss sie immer wieder auch mit Propagandagranaten voller Flugblätter. Offenbar behielten Pekinger Ministerien Belege zurück. Diese landeten auf den Flohmärkten, zusammen mit den von Taiwan über China abgeworfenen Flugblättern. Staatstreue Festland-Bürger sammelten sie auf und lieferten sie ab. Ich sah die Blätter vereint auf einem Stand liegen: Die einen riefen Taiwans Inselbewohner zur Kapitulation auf, die anderen Chinas Bauern zum Umsturz des Mao-Regimes.
Das Angebot war neu und traf auf Nachfrage: Nur zaghaft hatten sich private Flohmärkte, die mit Gründung der Volksrepublik verboten worden waren, nach Maos Tod wieder gegründet. Zuerst boten sie Ramsch und alte Fahrradteile, Werkzeug und Nähmaschinen an. Um 1980 tauchte der erste Pekinger Vogel- und Blumenmarkt auf.
Dann war bald kein Halten mehr. Die städtische Gesellschaft wurde wohlhabender, Kontrollen nahmen ab. Chinesen erwärmten sich wieder für ihr traditionelles Hobby, Antiquitäten, Rollbilder, Porzellan, Perlen oder Jade zu sammeln. Antik- und Kunstmärkte boomten.
Neben der Leidenschaft für wertvolle Antiquitäten, die sich immer öfter als Fakes entpuppten, begannen sich Liebhaber erstmals auch für Objekte der eigenen Zeitgeschichte zu interessieren. Sie sammelte alles von Mao-Schriften und Devotionalien, Plakaten und Buttons, Kunst und Kitsch der Kulturrevolution, über Chinas System der Rationierungen bis hin zu privaten Tagebüchern und Familienbriefen.
Auch alte Fotos waren begehrt. Ich fand einmal Aufnahmen von Mao, der am 30. Oktober 1975 Bundeskanzler Helmut Schmidt und Frau Loki in seiner Residenz Zhongnanhai empfing. Die Originalabzüge waren offenbar ausgemustert worden, weil der deutsche Ehrengast mit Frau Loki auf einer Bank im Vorzimmer wartete, während Mao steht und gerade den Schmidt begleitenden damaligen deutschen Botschafter Rolf Friedemann Pauls begrüßt. Als ich Helmut Schmidt später in Peking traf, schenkte ich ihm eines der Fotos.

Manche Sammler spezialisierten sich auf die Auswirkungen der politischen Kampagnen Maos auf China, von der Landreform, dem Großen Sprung nach vorn, bis zur Kulturrevolution. Sie fanden auf den Flohmärkten neue Dokumente über Hungersnöte, nie gemeldete Natur- und Flutkatastrophen und brutale Verfolgung. Oder auch Rotgardistenzeitungen, die etwa den Funktionär Xi Zhongxun verdammten, den Vater von Xi Jinping. Selbst interne Dokumente und Fotos über das Tianan’men Massaker des 4. Juni 1989 wurden angeboten.
Die Partei verlor die Kontrolle über ihr Narrativ zur Geschichte. Flohmärkte wurden so über Nacht Chinas einzige Plätze, die offen politische Geheimnisse preisgaben und auch noch die Beweise dafür lieferten. Für Peking war es eine rechtliche Grauzone.
Während Museen zur Geschichte der Kulturrevolution erneut dicht machen müssen, das Außenministerium den Zugang zu seinen einst geöffneten historischen Archiven wieder einschränken ließ, konnten Sammler und Forscher auf den Flohmärkten Pekings bis kurz vor der Pandemie weiter fündig werden. Das galt auch für Dutzende chinesischer Metropolen, in denen überall Sammlermärkte entstanden, von Shanghai (上海城隍庙 古玩市场), über Chengdu (成都送仙桥古玩艺术城), Wuhan (武汉文物市场) bis Xi’an (西安古玩城) und Dalian (大连古文化市场).
Pekings Panjiayuan-Markt durfte sich schon 2004 einer der zehn größten Kulturmärkte des Landes nennen, er beherbergte bis zu 4.000 Händler. An Wochenenden kamen bis zu 100.000 Besucher, darunter Tausende ausländische Touristen. Der Flohmarkt wurde zu einem Markenzeichen der Hauptstadt, so wie die Große Mauer oder die Pekingente.
Wie alle Antikmärkte geriet auch der Panjiayuan durch Covid-19 an den “Rand des Zusammenbruchs”. Die Auswirkungen des wirtschaftlichen Slowdowns in China, die Folgen des Handelskrieges und die neue Epidemie, die zum Stillstand im Tourismus führten, trafen den Markt gleich dreifach schlimm.
Händler suchten online Auswege aus der Misere. Im November 2020 gründete sich die “Panjiayuan Douyin E-Commerce Livestream Basis” (潘家园电商直播基地), ein staatliches Kultur-Unternehmen, das ein neues Handelszentrum für Kulturgüter bauen ließ. Panjiayuans Antikhändler zogen in online geschaltete kleine Verkaufsräume um. Von dort aus vermarkten sie ihre Angebote per Live-Stream, unterstützt von Douyin, der chinesischen Mutter von Tiktok. Die staatliche Kulturbehörde wirbt mit dem “One-Stop Service” um Kunden, denen sie Qualitätskontrolle, Echtheitsprüfung, Verpackung bis Logistik anbietet. Anfang 2022 hatten sich 561 Panjiayuan-Händler mit ihrem Business eingemietet und registrieren lassen. Bis Ende Oktober waren es 1.060 Händler, die 30 Arten “genehmigter Kulturgüter” feilbieten dürfen – darunter Jadeartikel, Juwelen, Perlen oder Mahagoni-Holz.
Mit einem Flohmarkt hat das wenig zu tun. Zeitgeschichte ist auch nicht mehr dabei. Der Partei kann es nur Recht sein.
Sun Weidong, in den vergangenen drei Jahren chinesischer Botschafter in Indien, wird neuer Vize-Außenminister der Volksrepublik.
Philipp Ludwig ist von Dillinger China zurück nach Dillingen im Saarland gewechselt. Er ist jetzt Chef der Sales-Abteilung für Energieübertragung und -verarbeitung.
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Ästhetisch, aber leider unleserlich: In Anyang versucht ein Museumsbesucher, alte Siegelzeichen zu entziffern. Die Stadt in der Provinz Henan ist berühmt für spektakuläre Funde von Orakelknochen, die als erste Zeugnisse chinesischer Schrift in der Shang-Dynastie (ca. 1.600-1.046 v. Chr.) gelten. Anyang wurde zu einer wichtigen archäologischen Ausgrabungsstätte und Standort des Nationalen Museums für Chinesische Schrift. Diese Woche hat ein neuer Teil des Museums eröffnet.
manchmal ist der Wunsch der Vater des Gedankens. Der in der westlichen Welt derzeit sicherlich besonders weit verbreitete Wunsch lautet, einen Vermittler zu finden, der den Kriegstreiber Putin zur Vernunft bringt. Und dieser Vermittler könnte Xi Jinping sein, so der daraus abgeleitete Gedanke.
Seit Beginn des Ukraine-Krieges wird beim kleinsten Anzeichen schnell spekuliert, ob China seine Haltung zu Russland ändere und von seinem Partner Russland abrücke. Beim Scholz-Besuch in Peking etwa galt Xis Erklärung zum Atomwaffeneinsatz als ein solches Zeichen. Beim G20-Gipfel schienen sich die Träume zu bestätigen: Die gemeinsame Abschlusserklärung verurteilte Russland.
Doch wer den G20-Gipfel genau verfolgte, fing auch gegenteilige Signale auf. Außenminister Wang Yi versicherte seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow, die Zusammenarbeit solle künftig noch tiefer gehen. Den russischen Angriffskrieg betitelte er lediglich als “Ukraine-Frage”. Fabian Kretschmer analysiert daher Chinas wahre Haltung zu Russland.
Eine Wahrheit hinter der Wahrheit gibt es auch in der Architektur des chinesischen Staates. Die Exekutive liegt in China – wie in anderen Ländern – theoretisch bei den Staatsorganen. Xi Jinping hat alle wichtigen Aufgaben jedoch nach und nach gezielt in die Partei hinüberzogen. Ein Geflecht aus Partei-Kommissionen und Arbeitsgruppen bildet eine Parallelstruktur zu staatlichen Institutionen und entfaltet großen Einfluss, berichtet Christiane Kühl. Merics-Forscher Nis Grünberg geht dem System in einer neuen Studie auf den Grund.
Ein Besuch auf dem Flohmarkt kann wie eine Schatzsuche sein. Vielleicht findet man eine lang ersehnte Schallplatte oder eine unerkannte Designer-Lampe – schon schlägt das Herz höher. Chinesische Flohmarktbesucher konnten bis vor kurzem sogar über politisch brisante Funde stolpern: seltene zeitgeschichtliche Dokumente, Fotos des Tianan’men-Massakers etwa, regimekritische Schriften oder politische Flugblätter der 50er-Jahre. Manche der Sammlerstücke wurden ausgerechnet von chinesischen Behörden selbst an Flohmarkthändler verhökert, berichtet Johnny Erling – seines Zeichens Schatzsucher spannender Geschichten.
Viel Freude beim Lesen und ein schönes Wochenende!

Der 20. Parteitag im Oktober hat den Status von Staats- und Parteichef Xi Jinping als absolute Machtzentrale zementiert. Hinter den Kulissen der Partei konzentriert Xi schon seit zehn Jahren die Steuerung der Politik in seinen Händen. Dazu gründete er ab dem Jahr 2012 in der Kommunistischen Partei ein Geflecht aus so genannten Kleinen Führungsgruppen (Leading Small Groups/LSG/领导小组) und Zentralen Kommissionen (中央委员会) für die verschiedensten Politikfelder wie Wirtschaft, Umwelt oder Innovation. Bei den meisten setzte Xi sich auch gleich selbst auf den Chefsessel.
Theoretisch liegen Exekutive und Gesetzgebung auch in China bei den Staatsorganen – Staatsrat, Ministerien und Nationaler Volkskongress. Doch Xi holte diese Funktionen mithilfe der neuen Kommissionen gezielt in die Partei. Heute existiert in der KP dadurch eine Parallelstruktur zu staatlichen Institutionen. LSG sind dabei Adhoc-Gremien, die eingegrenzte Aufgaben verwaltungsübergreifend koordinieren sollen. Zentrale Kommissionen fungieren dagegen als permanente politische Supra-Ministerien, wie die Merics-Experten Nis Grünberg und Vincent Brussee in einer aktuellen Studie analysieren. Dieses System könne zwar manche Maßnahmen beschleunigen und besser koordinieren, schreiben die beiden Forscher. Doch das geschehe auf Kosten von “Transparenz, Rechenschaftspflicht und Flexibilität.”
Eine besondere Rolle spielt in diesem System die Zentrale Kommission zur Vertiefung der Reformen (Central Commission for Comprehensively Deepening Reform/CCDR/中央全面深化改革委员会), mit der Xi Strukturreformen beschleunigen will. “Die CCDR ist etwas spezieller als die anderen Kommissionen in der KP. Sie trifft sich öfter, ist mehr eingebunden in Entscheidungsprozesse und hat festen Zugang zu bürokratischem Support der Parteizentrale”, sagt Studienautor Grünberg. Sie ist aufgehängt an der zentralen Denkfabrik der Partei, dem Central Policy Research Office (中共中央政策研究室), das verantwortlich für das Recherchieren und Verfassen wichtiger Dokumente und Reden ist und seinen Sitz im “Allgemeinen Büro”, dem Nervenzentrum der Partei (中国共产党中央委员会办公厅, kurz 中办) hat. Der Weg zum Chef ist also kurz.
Die CCDR wurde Ende 2013 zunächst als Kleine Führungsgruppe, also als LSG, gegründet und 2018 zur Kommission aufgewertet. Parallel wandelte die Partei damals weitere LSG in Kommissionen um, etwa jene für Finanzen und Wirtschaft, Nationale Sicherheit, Auswärtige Angelegenheiten und Cybersicherheit und Digitalisierung. Das Ziel: Die “Stärkung der Rolle der zentralen Gremien der KPCh bei der Politikgestaltung und -koordinierung.” Xi habe mit den Kommissionen die unter Deng Xiaoping vorangetriebene Entkopplung von Staatsverwaltung und Partei umgekehrt, sagt Grünberg. “Die Partei ist nun organisatorisch dicht verzahnt mit der Verwaltung. Während der Staatsrat für Implementierung zuständig ist, liegt das Policydesign heute in Parteikommissionen.”
Dass Xi nachweisbar mindestens zehn Kommissionen und LSG selbst leite, gebe ihren Beschlüssen eine größere Dringlichkeit, sagt der Forscher. “Xi sitzt in allen Meetings dieser Gremien.” Die CCDR sei dabei Xis persönlicher Reform-Katalysator, weil er mit ihrer Hilfe seine Prioritäten schneller durchbringen könne. “Die CCDR ist damit quasi ein Reform-Ministerium der KPCh.” Reform, das klingt nicht gerade nach Xi Jinping. Doch das Wort bedeutet letztlich nur eine Veränderung bisheriger Strukturen – nicht automatisch eine Öffnung.
Die CCDR ist in sechs Untergruppen organisiert, die sich mit zuständigen Ministerien abstimmen sollen:
Eines der Ziele der CCDR sei es gewesen, die zuweilen untereinander konkurrierenden staatlichen Institutionen zu koordinieren, sagt Grünberg. “Xi war 2012 verärgert über den Reformstau der Regierung von Hu Jintao. Das wollte er aufbrechen, also gründete er all die Kommissionen.” Heute gibt es auf allen administrativen Ebenen und in allen Staatsunternehmen Tausende Vertretungen der Kommissionen und LSGs, bis hinunter in die Landkreise.
Doch wie funktionieren diese undurchsichtigen KP-Gruppen im Alltag? Details über das Wirken der CCDR herauszufinden, gleicht laut Grünberg Detektivarbeit, da es nur wenige öffentlich zugängliche Schriftstücke über sie gibt. Grundsätzlich aber laufe der Prozess immer ähnlich ab. Jedes Jahr legt die CCDR in ihren Jahresarbeitsplänen (工作要点) ihre wichtigsten Reformprioritäten fest. Dann beauftragt sie zum Beispiel ein Ministerium, für einen bestimmte Agendapunkt konkrete Pläne oder ein Gesetz auszuarbeiten. Dieses geht dann zur Freigabe an die CCDR zurück – die dann in einer Art “Feedback Loop” entweder weitere Empfehlungen gibt, oder den Plan in einem Dokument veröffentlicht. Das Besondere: “Diese Dokumente gelten dann sofort als ‘in Kraft getretenes Gesetz’. Sie sind bindend, obwohl sie noch gar nicht das gesetzgebende Verfahren des Staates durchlaufen haben“, sagt Grünberg.
Xi zeigt sich hier als Mikromanager alltäglicher Politik. Ein Beispiel für die Themen: Bei ihrer Sitzung am 8. September besprach und verabschiedete die CCDR unter Vorsitz von Xi fünf Dokumente:
Ein Schwerpunkt der CCDR ist die Umweltpolitik. “Der Strukturwandel zur Kreislaufwirtschaft ist eine wichtige Priorität für Xi”, sagt Grünberg. Zum Beispiel verabschiedete die CCDR eine ‘Meinung’ (意见) zu den Eckpunkten der Mülltrennung und stieß damit den entsprechenden Regulierungsprozess an.
Auch war es laut Grünberg die CCDR, die Chinas Importstopp für Plastikmüll beschloss. Der Staat habe das Verbot erst danach formal verabschiedet. Beim Aufbau des chinesischen Systems der Nationalparks war die CCDR laut Grünberg ebenfalls federführend beteiligt. Dazu “haben wir eindeutige Referenzen zum Feedback-Fluss zwischen Ministerien und der CCDR gefunden”.
Sonderkomitees mit konkreten Ad-hoc-Aufgaben wie die Organisation der Olympischen Spiele können durchaus für Effizienz sorgen. Das Problem entstehe dann, wenn sich diese Strukturen dauerhaft verfestigen, sagt Grünberg – also in China die LSG zu Zentralen Kommissionen werden und sich immer mehr Macht Richtung Parteispitze konzentriere: “Dadurch haben wir nun die Situation, dass Xi alles selbst verantworten muss. Man muss heute davon ausgehen, dass nur noch dann etwas passiert, wenn es von oben angestoßen wird.”
Grünberg erwartet, dass das System weiter fortbesteht, auch wenn Xi spätestens ab März 2023 keine Konkurrenten mehr in der Regierung befürchten muss: Der von Xi ungeliebte Ministerpräsident Li Keqiang wird dann voraussichtlich durch seinen Loyalisten Li Qiang ersetzt. Die CCDR mag auch künftig ein Motor für Verwaltungsreformen sein. “Doch zugleich saugt sie Ressourcen aus den Behörden, die alle sehr viel Energie in Xis Prioritätspolitik gesteckt haben”, sagt Grünberg.
Xi dominiere die Bürokratie, indem er das System vollstopfe mit Anweisungen. “Außerdem führt die Priorisierung zentraler Vorgaben zwangsläufig dazu, dass Lösungen vorgegeben werden, die den lokalen Gegebenheiten weniger angepasst sind, als wenn sie vor Ort erarbeitet werden”, so der Experte. “Im sehr heterogenen China ist das ein Problem.”

Für den Westen ist Russlands Außenminister Sergej Lawrow längst Persona non grata, doch sein chinesischer Amtskollege Wang Yi begrüßte ihn am Dienstag beim G20-Gipfel auf Bali mit Handschlag und herzlichem Lächeln. Der nachträgliche Blick auf die Bilder konterkariert die Wahrnehmung, die sich aus der gemeinsamen Abschlusserklärung ergeben hat. Diese hatte Russland kritisiert und war auch von China mitgetragen worden.
Was die beiden zueinander sagten, dürfte europäischen Politikern bitter aufgestoßen sein. Wang Yi habe zugesichert, “die pragmatische Zusammenarbeit mit Russland zu vertiefen” und eine “multipolare” Weltordnung zu fördern. Der russische Angriffskrieg wurde lediglich als “Ukraine-Frage” betitelt. Genauso klangen beide Seiten in den Berichten der Staatsmedien auch auf ihrem vorigen Treffen im September.
Nur eine von Wangs Aussagen lässt sich – mit viel gutem Willen – als leichtes Abweichen der üblichen Linie auslegen: China habe positiv registriert, dass Russland jüngst seine “rationale und verantwortliche Haltung” bestätigt habe und ein Atomkrieg niemals geführt werden dürfe.
Seit Februar achtet der politische Westen auf jede Silbe, die chinesische Regierungsvertreter an Russland richten. Zuletzt waren sie begeistert über vermeintliche Zusagen, die Staatschef Xi Jinping gegenüber Bundeskanzler Olaf Scholz gemacht hat. China werde “den Einsatz von und die Drohung mit Atomwaffen ablehnen” – das verkaufte Scholz zuhause als starkes, neues Zugeständnis.
Immerhin handelte es sich dabei um die bis dato kritischsten Worte aus Peking in Richtung Kreml seit Beginn des Kriegs. Doch die Wahrnehmung vieler westlicher Medien, die chinesische Staatsführung sei endlich zur Vernunft gekommen und von Moskau abgerückt, ist eine Überreaktion. Das Atom-Statement hat einfach einen feststehenden Leitsatz der chinesischen Politik wiederholt.
Für einen Kurswechsel Chinas gibt es bisher keine echten Anzeichen. Tatsächlich war die Aussage Xi Jinpings nicht einmal im Ansatz ein Indiz dafür: Die Stellungnahme war vage und Russland wurde nicht einmal direkt erwähnt. Und bei den Gipfeltreffen Xis mit US-Präsident Joe Biden und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Bali auf dem G20-Gipfel wurde die Ablehnung von Atomwaffen in der chinesischen Aussendung nicht wiederholt.
Feststeht: Nach wie vor versucht sich die Volksrepublik an einem delikaten Drahtseilakt. Nach außen gibt man sich als neutrale Friedensnation, die sich für Verhandlungen und Gespräche einsetzt. Effektiv jedoch hat man sich auf die Seite Russlands geschlagen. Denn während Xi gegenüber Wladimir Putin “grenzenlose Freundschaft” versprach, hat er mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj seit Kriegsbeginn nicht einmal mehr telefoniert.
In den offiziellen Staatsmedien wird zudem nach wie vor die russische Propaganda – mit minimalen Abweichungen – übernommen. In der Volkszeitung heißt es etwa, dass die “nukleare Bedrohungstheorie im Westen hochgespielt” werde, und Russland seine Atomwaffen nur zur Selbstverteidigung einsetze. In den CCTV-Abendnachrichten Xinwen Lianbo wurde zuletzt gar die Ukraine direkt für den Raketeneinschlag in Polen als Hauptschuldiger identifiziert. Und hinter sämtlichen Entwicklungen steht eine zündelnde Nato unter Führung Washingtons.
Als diese Woche die Vereinten Nationen über eine Resolution abstimmten, um “eine Grundlage für künftige Reparationszahlungen von Russland an die Ukraine zu schaffen”, stimmte China – gemeinsam mit Syrien, Nordkorea und Iran – dagegen. Indien, das ebenfalls vom Westen für seine Russland-freundliche Haltung kritisiert wird, hat sich im Gegensatz bei der Abstimmung enthalten.
Natürlich ist Chinas Beziehung zu Russland nicht in Stein gemeißelt, sondern passt sich der Lage an. Bei einer G20-Abschlusserklärung mag man sich nicht querstellen und zum Außenseiter machen. Doch die Bandbreite ist ansonsten eher gering: Über kurzfristige Verstimmungen steht weiterhin Pekings strategisches Interesse, die Weltordnung nach den eigenen Vorstellungen umzugestalten. Und um die westliche Hegemonie, angeführt durch die Vereinigten Staaten, zu durchbrechen, brauche es der chinesischen Logik zufolge unbedingt Russland als internationalen Partner.
Dass der Einsatz von Atomwaffen eine rote Linie auch für das chinsisch-russische Zweckbündnis darstellt, ist weiterhin richtig, er wäre bei der geplanten Umgestaltung der Weltordnung kaum zielführend. Doch eine solche Haltung sollte eine Selbstverständlichkeit sein – und verdient keinen internationalen Beifall. Fabian Kretschmer
21.11.2022, 20:30 Uhr (22.11.2022, 3:30 Uhr Beijing time)
Center for Strategic & International Studies, Buchvorstellung und Diskussion: Overreach: How China Derailed its Peaceful Rise Mehr
22.11.2022, 1:30 Uhr (8:30 Uhr Beijing time)
Fairbank Center for Chinese Studies, Webinar: Performing the Ecological Fix Under State Entrepreneurialism in China Mehr
22.11.2022, 15:30 Uhr (22:30 Uhr Beijing time)
Fairbank Center for Chinese Studies, Webinar: Sarah Mellors Rodriguez – Birth Control and Abortion in China Mehr
22.11.2022, 8:30 Uhr (15:30 Uhr Beijing time)
China Netzwerk Baden-Württemberg, Business Talk: Lockdown als Dauerschleife – Erfahrungs- und Lernprozess Mehr
22.11.2022, 19:30 Uhr
Konfuzius-Institut Trier, Vortrag (Präsenz): Digitaler Alltag – Digitalisierung Made in China Mehr
23.11.2022, 9:00 Uhr
China-Institut für die deutsche Wirtschaft, Führungskräfte-Seminar: Rechtssicher im China-Geschäft Mehr
23.11.2022, 9:00 Uhr (16:00 Uhr Beijing time)
Dezan Shira & Associates, Webinar: Global Supply Chain Disruptions and Transfer Pricing: What to Know for Your China Operations Mehr
24.11.2022, 11:00 Uhr (18:00 Uhr Beijing time)
Kiel Institut für Weltwirtschaft, Global China Conversations: Expats verlassen China: Welche Konsequenzen ergeben sich für multinationale Unternehmen und China’s Wirtschaft? Mehr
25.11.2022, 12:00 Uhr (19:00 Uhr Beijing time)
Konfuzius-Institut FU Berlin, Vortrag: Influence of the Ukraine War on International Relations Mehr
Die chinesische Regierung hat einen am Mittwoch bekannt gewordenen Entwurf für eine neue China-Strategie aus dem Auswärtigen Amt scharf kritisiert. In einer Stellungnahme des chinesischen Außenministeriums hieß es auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in Peking, die Einstufung Chinas als “Wettbewerber” und “systemischer Rivale” sei ein “Erbe des Denkens aus dem Kalten Krieg”. Die chinesische Seite bezeichnete das Papier als eine “Verunglimpfung Chinas durch die deutsche Seite”. Das Papier sei voll von “Lügen und Gerüchten”.
Über den ersten, vertraulichen Entwurf der China-Strategie hatte am Mittwoch der Spiegel berichtet. Das Papier definiert China als Partner, Wettbewerber und systemischen Rivalen. Geht es nach dem Willen von Außenministerin Annalena Baerbock, sollen im Umgang mit China vor allem die Menschenrechte eine größere Rolle spielen und die Beziehungen zu Taiwan ausgebaut werden. Zudem sollen wirtschaftliche Abhängigkeiten “zügig und mit für die deutsche Volkswirtschaft vertretbaren Kosten” abgebaut werden.
Die neue China-Strategie steckt allerdings noch in der Abstimmungsphase mit den anderen Ministerien, vor allem aber mit dem Kanzleramt. Vor einer endgültigen Verabschiedung soll erst die europäische Sicherheits-Strategie vorgestellt werden. flee
Großbritannien will nachträglich nun doch die Übernahme des Chipherstellers Newport Wafer Fab durch den chinesischen Konzern Nexperia stoppen. Nexperia ist eine niederländische Tochtergesellschaft der chinesischen Wingtech-Gruppe. Die britische Regierung hatte den umstrittenen Verkauf der walisischen Halbleiter-Fabrik eigentlich im Frühjahr 2022 nach einer Sicherheitsprüfung genehmigt (China.Table berichtete). Gekauft hatte Nexperia den Graphen-Hersteller bereits 2021.
Nun legte Handelsminister Grant Shapps nach Regierungsangaben sein Veto gegen die Übernahme des größten britischen Chip-Herstellers ein. Man begrüße zwar Außenhandel und Investitionen, die Wachstum und Beschäftigung förderten, erklärte Shapps. “Aber wenn wir ein Risiko für die nationale Sicherheit erkennen, werden wir entschlossen handeln.” Nexperia müsse daher mindestens 86 Prozent der britischen Chipfabrik Newport Wafer Fab wieder verkaufen, um “mögliche Gefährdungen” abzuwenden. Grund der Entscheidung sei eine “umfassende Bewertung der nationalen Sicherheit”.
Ein ranghoher Nexperia-Manager teilte laut der Nachrichtenagentur Reuters mit, man akzeptiere die vorgebrachten Bedenken nicht. In zwei früheren Überprüfungen seien diese nicht erhoben worden. “Wir sind ehrlich schockiert. Die Entscheidung ist falsch”, hieß es demnach. Nexperia werde gegen die Entscheidung vorgehen. Der britische Fall erinnert an Elmos: Die Bundesregierung hatte jüngst dem Dortmunder Chiphersteller den geplanten Verkauf seiner Waferfertigung an die Tochter eines chinesischen Unternehmens untersagt (China.Table berichtete). ari
Eine sichtlich aufgeladene Konversation zwischen Kanadas Premier Justin Trudeau und Chinas Staatschef Xi Jinping am Rande des G20-Gipfels in Bali sorgt weiterhin für Gesprächsstoff. Xi habe Trudeau nicht kritisiert, betonte das chinesische Außenministerium am Donnerstag. Peking unterstütze einen offenen Austausch, solange er auf gleicher Basis erfolge, sagte Sprecherin Mao Ning. China hoffe, dass Kanada Maßnahmen ergreifen werde, um die bilateralen Beziehungen zu verbessern. Das Gespräch habe in der Tat so stattgefunden, bestätigte Mao. Sie erklärte: “Das ist sehr normal. Ich denke nicht, dass es so interpretiert werden sollte, dass der Vorsitzende Xi jemanden kritisiert oder beschuldigt.”
In dem am Mittwoch verbreiteten Video beschwert sich ein sichtlich verstimmter Xi bei Trudeau über mangelnde Vertraulichkeit nach einem bilateralen Gespräch (China.Table berichtete). Xis Unmut war möglicherweise Medienberichten in Kanada geschuldet, in welchen laut Regierungsquellen Trudeau bei einem Treffen mit Xi am Vortag Bedenken über angebliche Spionage und chinesische Einmischung in die kanadischen Wahlen geäußert haben soll. Das Treffen der beiden war jedoch inoffiziell angesetzt gewesen.
Offen blieb, ob den beiden Politikern bewusst war, dass sie gefilmt werden, oder ab welchem Zeitpunkt. Xi drückt Trudeau zum Abschluss fest die Hand, bevor er der Kamera beim Abgang ein kurzes Standard-Lächeln zeigt und aus dem Bild geht. Die Aufnahmen führten zu etlichen Spekulationen. Was auf dem Video zu sehen sei – nämlich, dass ein chinesischer Politiker Unzufriedenheit auf “spontane” Weise öffentlich zeige – sei sehr selten, sagte Chong Ja Ian, Professor für Politikwissenschaft an der National University of Singapore, der französischen Nachrichtenagentur AFP. Das Gespräch zwischen den beiden Männern zeige, dass Xi “Trudeau und Kanada nicht als wirklich ernsthafte Gesprächspartner betrachtet”. Der Ton des Austauschs sei ähnlich dem einer “Großmacht”, die sich an eine kleinere wendet, sagte Van Jackson, Professor für Internationale Beziehungen an der Victoria University of Wellington in Neuseeland, gegenüber AFP. “Die Sprache und Haltung von Herrn Xi sind – privat – nicht ungewöhnlich für ein Gespräch zwischen Regierungsvertretern, die sich nicht gut verstehen”, so Jackson.
Ebenfalls ungeklärt blieb die Intention einer Aussage Xis, die es nicht in die Übersetzung seines Dolmetschers geschafft hatte. Je nach Übersetzung kann hier eine Drohung oder eher Resignation verstanden werden. Außenamts-Sprecherin Mao betonte, Xi habe dies nicht als Drohung gemeint. Die beiden Politiker hätten einen “normalen” Austausch geführt und lediglich “ihre jeweiligen Positionen zum Ausdruck” gebracht. rtr/ari
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat im Entstehungsprozess des EU-weiten Lieferkettengesetzes dem Europaparlament mangelnde Praxisnähe vorgeworfen. “Dem EU-Parlament scheint das Augenmaß für die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen in der Krise zu fehlen”, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm am Donnerstag. Der Anwendungsbereich über die gesamte Wertschöpfungskette sei “realitätsfern”. Er forderte einen eingeschränkteren Umfang der Gesetzgebung, von der weitreichende Auswirkungen auf das China-Geschäft erwartet werden. “Verpflichtende rechtliche Anforderungen müssen sich auf die direkten Zulieferer beschränken. Sonst sind sie in der täglichen Praxis nicht umsetzbar”, so Russwurm.
Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments hatte sich am Donnerstag mit einem Berichtsentwurf zum EU-Lieferkettengesetz befasst. Derzeit wird innerhalb der EU-Institutionen über die Details der Ausgestaltung verhandelt. Lara Wolters, zuständige Berichterstatterin des Europaparlaments für das Lieferkettengesetz, betonte, dass weiterhin eine Abdeckung der gesamten Wertschöpfungskette das Ziel sei.
Neben dem Umfang der Gesetzgebung ist auch die Frage noch offen, wie Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden können – auch von direkt Betroffenen in Drittländern. Das EU-Lieferkettengesetz soll weiter reichen als das deutsche. Das deutsche Lieferkettengesetz tritt Anfang 2023 in Kraft. Bis wann genau die EU-weite Gesetzgebung abgeschlossen sein wird, ist noch nicht klar. ari
Die Akzeptanz für chinesische Automarken ist in Deutschland gerade unter Premium-Kunden vergleichsweise hoch. Das ergibt eine Umfrage der Unternehmensberatung Berylls. Während 25 Prozent der möglichen Kunden für ein Oberklasse-Modell auch ein chinesisches Fabrikat in Erwägung ziehen würden, sind es im allgemeinen Automarkt nur 16 Prozent.
Das Ergebnis überrascht die Experten, weil im Premium-Segment der Preis eigentlich eine geringere Rolle spielt. Möglicherweise liegt das am Informationsstand der Befragten: Rund die Hälfte der Premium-Kunden glaubt, dass Chinas Autohersteller sich international durchsetzen werden. Von den anderen Befragten glauben das nur 35 Prozent.
Eine Umfrage des China.Table durchgeführt von dem Forschungshaus Civey hat im vergangenen Jahr ähnliche Werte ergeben. Rund 20 Prozent der Befragten konnten sich vorstellen, eine chinesische Marke zu kaufen. 45 Prozent trauten es den chinesischen Herstellern zu, in Deutschland Fuß zu fassen. fin

Chinas Ideologen bestimmen und lenken, was ihre Bürger über die Geschichte der Volksrepublik wissen dürfen und denken sollen. Seit seinem Amtsantritt hat Parteichef Xi Jinping die zuvor drei Jahrzehnte lang geduldete kritische Aufarbeitung der Vergangenheit wieder zurückfahren und als historischen Nihilismus verurteilen lassen. Schulbücher wurden umgeschrieben, Medien und das Internet, Kunst, Kultur und Forschung werden zensiert, vergangene Ereignisse neu gedeutet oder verschwiegen. Dennoch gibt es viele Chinesen, die sich der Kontrolle bislang entzogen haben. Sie verfügen zu Hause über ihr eigenes Archiv mit Belegen und Quellen, was in der Volksrepublik einst wirklich passierte. Es sind Liebhaber von Zeitgeschichte.
Ungewollt half ihnen die KP dabei, ihre Sammlungen zu vervollständigen. Rund 15 Jahre nach Maos Tod begannen Ministerien, Gerichte, Bibliotheken, Verlage, sogar Sicherheitsbehörden ihre als überflüssig empfundenen, in Archiven und “ideologischen Giftschränken” verwahrten Asservate zu verramschen. Darunter: indizierte Bücher, Manuskripte, Dokumente, Flugblätter. Einst verbotene und verborgene Schätze landeten auf den Flohmärkten der Großstädte. Diese wurden zu Fundgruben für Historiker, Hobby-Forscher und passionierte Sammler. So entstand eine Art unfreiwilliger chinesischer Vergangenheitsbewältigung.


Die Ansichtskarten aus dem Ausland lagen päckchenweise zwischen anderen Sammlerstücken auf einem Stand des Pekinger Flohmarktes. Sie waren mit Briefmarken aus der Schweiz frankiert und zeigten Fotos eines Jungen aus Tibet. Deutsche und englische Aufschriften forderten: “Freiheit für den jüngsten politischen Gefangenen der Welt”.
Die Solidaritätsschreiben stammten von internationalen Tibet-Initiativen, die in Europa Bürger aufriefen, per Postkarte nach Peking ihre Solidarität mit dem Jungen zu bekunden. Adressat war der damalige Parteichef Jiang Zemin. Er bekam die Postkarten nie zu sehen. Die Polizei bunkerte sie in ihren Archiven.
Sie warfen China vor, den siebenjährigen Gedhun Choekyi Nyima im Mai 1995 verschleppt zu haben, nur Tage, nachdem ihn der Dalai Lama als Reinkarnation des verstorbenen 10. Panchen Lama anerkannt hatte. Die KP verdammte dessen religiöse Wahl. Sie ließ einen anderen Jungen zum designierten Panchen-Lama-Nachfolger bestimmen und den wahren Nachfolger verschwinden.
Der Verbleib des heute 35-Jährigen gilt als Staatsgeheimnis. Der von Peking eingesetzte Ersatzlama, den tibetische Gläubige weiter den “falschen Jungen” nennen, darf zu religiösen Feiertagen Tibets heilige Klöster aufsuchen, wo ihn die Mönche als 11. Panchen Lama verehren müssen.
Gedhuns staatliches Kidnapping (China.Table berichtete) und Pekings Rolle dabei wurde öffentlich immer verschwiegen. 2004 sah ich die Karten erstmals auf einem Pekinger Flohmarkt ausliegen. Er könne viel mehr davon besorgen, sagte der Händler, der offenbar nicht einmal wusste, wer der Junge war, aber mein Interesse bemerkte. 20 Yuan koste so eine Karte. Ab zehn gebe es Rabatt. Zur Herkunft wollte er nichts sagen. Eine von zehn Regeln für Pekings große Flohmärkte, wie den Panjiayuan (潘家园) oder den Tempelmarkt Bao Guosi (报国寺) lautete: “Woher die Sachen stammen, geht die Käufer nichts an” (古玩交易卖家东西来自何方与买家无关).
Die plötzlich auftauchenden Postkarten beantworteten die Frage, was mit den vielen Tausend Amnesty-Petitionen geschah, die alljährlich aus Europa an Chinas Führer geschickt wurden. Sie wurden nicht vernichtet, sondern behördlich aufbewahrt.
Doch als Pekinger Ministerien, Institute und Gerichte um das Jahr 2000 Neubauten planten und umzogen, entrümpelten sie ihre überquellenden Asservatenkammern und ihre Staatsarchive. Säckeweise trennten sich Behörden von nutzlosen Beständen an vergilbten Dokumenten. Von verbotenen, einst kulturrevolutionären Karikaturen gegen innerparteilichen Feinde Maos, bis hin zu beschlagnahmten regimekritischen Schriften. Selbst intern klassifizierte alte Parteibeschlüsse, einstige Haftbefehle und Urteile, handgeschriebene Selbstkritiken oder Denunziationsschreiben wurden entsorgt. Eigentlich hätten sie geschreddert gehört. Clevere Flohmarkt-Händler mit Beziehungen nutzten die grassierende Korruption, amtliches Desinteresse und fehlende Kontrollen aus, um sie den Behörden oft zum Preis des Papiergewichts abzukaufen.


Alles, was unbrauchbar erschien, wurde offenbar ausgemustert. Darunter fielen stapelweise aufgehobene Flugblätter aus dem Propagandakrieg zwischen der Volksrepublik und Taiwan. Ab dem Ende der 1950er-Jahre ließ Peking die taiwanesische Insel Qinmen bombardieren und beschoss sie immer wieder auch mit Propagandagranaten voller Flugblätter. Offenbar behielten Pekinger Ministerien Belege zurück. Diese landeten auf den Flohmärkten, zusammen mit den von Taiwan über China abgeworfenen Flugblättern. Staatstreue Festland-Bürger sammelten sie auf und lieferten sie ab. Ich sah die Blätter vereint auf einem Stand liegen: Die einen riefen Taiwans Inselbewohner zur Kapitulation auf, die anderen Chinas Bauern zum Umsturz des Mao-Regimes.
Das Angebot war neu und traf auf Nachfrage: Nur zaghaft hatten sich private Flohmärkte, die mit Gründung der Volksrepublik verboten worden waren, nach Maos Tod wieder gegründet. Zuerst boten sie Ramsch und alte Fahrradteile, Werkzeug und Nähmaschinen an. Um 1980 tauchte der erste Pekinger Vogel- und Blumenmarkt auf.
Dann war bald kein Halten mehr. Die städtische Gesellschaft wurde wohlhabender, Kontrollen nahmen ab. Chinesen erwärmten sich wieder für ihr traditionelles Hobby, Antiquitäten, Rollbilder, Porzellan, Perlen oder Jade zu sammeln. Antik- und Kunstmärkte boomten.
Neben der Leidenschaft für wertvolle Antiquitäten, die sich immer öfter als Fakes entpuppten, begannen sich Liebhaber erstmals auch für Objekte der eigenen Zeitgeschichte zu interessieren. Sie sammelte alles von Mao-Schriften und Devotionalien, Plakaten und Buttons, Kunst und Kitsch der Kulturrevolution, über Chinas System der Rationierungen bis hin zu privaten Tagebüchern und Familienbriefen.
Auch alte Fotos waren begehrt. Ich fand einmal Aufnahmen von Mao, der am 30. Oktober 1975 Bundeskanzler Helmut Schmidt und Frau Loki in seiner Residenz Zhongnanhai empfing. Die Originalabzüge waren offenbar ausgemustert worden, weil der deutsche Ehrengast mit Frau Loki auf einer Bank im Vorzimmer wartete, während Mao steht und gerade den Schmidt begleitenden damaligen deutschen Botschafter Rolf Friedemann Pauls begrüßt. Als ich Helmut Schmidt später in Peking traf, schenkte ich ihm eines der Fotos.

Manche Sammler spezialisierten sich auf die Auswirkungen der politischen Kampagnen Maos auf China, von der Landreform, dem Großen Sprung nach vorn, bis zur Kulturrevolution. Sie fanden auf den Flohmärkten neue Dokumente über Hungersnöte, nie gemeldete Natur- und Flutkatastrophen und brutale Verfolgung. Oder auch Rotgardistenzeitungen, die etwa den Funktionär Xi Zhongxun verdammten, den Vater von Xi Jinping. Selbst interne Dokumente und Fotos über das Tianan’men Massaker des 4. Juni 1989 wurden angeboten.
Die Partei verlor die Kontrolle über ihr Narrativ zur Geschichte. Flohmärkte wurden so über Nacht Chinas einzige Plätze, die offen politische Geheimnisse preisgaben und auch noch die Beweise dafür lieferten. Für Peking war es eine rechtliche Grauzone.
Während Museen zur Geschichte der Kulturrevolution erneut dicht machen müssen, das Außenministerium den Zugang zu seinen einst geöffneten historischen Archiven wieder einschränken ließ, konnten Sammler und Forscher auf den Flohmärkten Pekings bis kurz vor der Pandemie weiter fündig werden. Das galt auch für Dutzende chinesischer Metropolen, in denen überall Sammlermärkte entstanden, von Shanghai (上海城隍庙 古玩市场), über Chengdu (成都送仙桥古玩艺术城), Wuhan (武汉文物市场) bis Xi’an (西安古玩城) und Dalian (大连古文化市场).
Pekings Panjiayuan-Markt durfte sich schon 2004 einer der zehn größten Kulturmärkte des Landes nennen, er beherbergte bis zu 4.000 Händler. An Wochenenden kamen bis zu 100.000 Besucher, darunter Tausende ausländische Touristen. Der Flohmarkt wurde zu einem Markenzeichen der Hauptstadt, so wie die Große Mauer oder die Pekingente.
Wie alle Antikmärkte geriet auch der Panjiayuan durch Covid-19 an den “Rand des Zusammenbruchs”. Die Auswirkungen des wirtschaftlichen Slowdowns in China, die Folgen des Handelskrieges und die neue Epidemie, die zum Stillstand im Tourismus führten, trafen den Markt gleich dreifach schlimm.
Händler suchten online Auswege aus der Misere. Im November 2020 gründete sich die “Panjiayuan Douyin E-Commerce Livestream Basis” (潘家园电商直播基地), ein staatliches Kultur-Unternehmen, das ein neues Handelszentrum für Kulturgüter bauen ließ. Panjiayuans Antikhändler zogen in online geschaltete kleine Verkaufsräume um. Von dort aus vermarkten sie ihre Angebote per Live-Stream, unterstützt von Douyin, der chinesischen Mutter von Tiktok. Die staatliche Kulturbehörde wirbt mit dem “One-Stop Service” um Kunden, denen sie Qualitätskontrolle, Echtheitsprüfung, Verpackung bis Logistik anbietet. Anfang 2022 hatten sich 561 Panjiayuan-Händler mit ihrem Business eingemietet und registrieren lassen. Bis Ende Oktober waren es 1.060 Händler, die 30 Arten “genehmigter Kulturgüter” feilbieten dürfen – darunter Jadeartikel, Juwelen, Perlen oder Mahagoni-Holz.
Mit einem Flohmarkt hat das wenig zu tun. Zeitgeschichte ist auch nicht mehr dabei. Der Partei kann es nur Recht sein.
Sun Weidong, in den vergangenen drei Jahren chinesischer Botschafter in Indien, wird neuer Vize-Außenminister der Volksrepublik.
Philipp Ludwig ist von Dillinger China zurück nach Dillingen im Saarland gewechselt. Er ist jetzt Chef der Sales-Abteilung für Energieübertragung und -verarbeitung.
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Ästhetisch, aber leider unleserlich: In Anyang versucht ein Museumsbesucher, alte Siegelzeichen zu entziffern. Die Stadt in der Provinz Henan ist berühmt für spektakuläre Funde von Orakelknochen, die als erste Zeugnisse chinesischer Schrift in der Shang-Dynastie (ca. 1.600-1.046 v. Chr.) gelten. Anyang wurde zu einer wichtigen archäologischen Ausgrabungsstätte und Standort des Nationalen Museums für Chinesische Schrift. Diese Woche hat ein neuer Teil des Museums eröffnet.