Table.Briefing: China

Taiwan vor der Wahl: Zuckerbrot aus Peking + Interview Wahlforscher

Liebe Leserin, lieber Leser,

am Wochenende werden in Taiwan ein neuer Präsident und ein neues Parlament gewählt. Eine freie, demokratische Wahl im chinesischen Kulturkreis! Dieses Ereignis widerlegt eindrucksvoll die aberwitzige These, dass Chinesen und Demokratie nicht zusammenpassen. Es wird ein spannendes Ereignis – mit weitreichenden Folgen für die internationale Politik, den globalen Handel, aber auch für Demokratie und Gesellschaft.

Amtsinhaberin Tsai Ing-wen tritt nicht mehr an – und die Umfragen deuten auf ein enges Rennen um ihre Nachfolge hin. Leonardo Pape hat wenige Tage vor dem Urnengang mit dem Wahlforscher Nathan Batto gesprochen. Der Wissenschaftler der Academia Sinica in Taipeh erklärt, welche Kandidaten welche politischen Ziele verfolgen, was Taiwans Wähler wollen und welche Rolle bei all dem die historische Identität spielt.

Eine wichtige Rolle bei der Wahlentscheidung spielt natürlich auch das Verhältnis zur Volksrepublik. Denn nicht nur die Kandidaten der Parteien DPP, KMT und TPP versuchen, die Wähler zu überzeugen. Auch die Führung in Peking hat ihre Ziele bei der Wahl am Samstag fest im Blick.

Fabian Peltsch zeigt, wie die KP ihrem einstigen Gegner aus Zeiten des Bürgerkriegs zum Sieg verhelfen will. Mit einer “kooperativen Entwicklungszone” zwischen Taiwan und der Küstenprovinz Fujian soll gezeigt werden, welche Chancen sich Taiwan unter der KMT bieten würden – durch eine dann engere Bindung an die Volksrepublik. Gleichzeitig warnen Chinas Staatsmedien, dass eine abermalige Wahl der DPP Taiwans Bürgern wirtschaftliche Einbußen bescheren werde. Es ist das klassische Konzept von Zuckerbrot und Peitsche.  

Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht

Ihr
Michael Radunski
Bild von Michael  Radunski

Analyse

KP China lockt im Vorfeld der Wahlen mit “Entwicklungszone” zwischen Taiwan und Fujian

Blick vom taiwanisch verwalteten Kinmen auf die chinesische Küstenstadt Xiamen.

Nur wenige Tage vor den Wahlen in Taiwan hat Peking diese Woche weitere Details seiner “kooperativen Entwicklungszone” zwischen Taiwan und der Küstenprovinz Fujian bekannt gegeben. Diese soll die demokratisch regierte Insel stärker in den Wirtschaftsraum des chinesischen Festlandes integrieren – vorausgesetzt, die Taiwaner lassen sich darauf ein. Das würde eine Stimmabgabe für die pro-chinesischer eingestellte KMT voraussetzen.

Das südöstliche Fujian ist die Provinz, die Taiwan am nächsten liegt. Von der vorgelagerten Insel Kinmen, die zu Taiwan gehört, sind es nur rund zwei Kilometer bis zur chinesischen Hafenstadt Xiamen.

Eine andere taiwanische Insel, Matsu, liegt nur rund 20 Kilometer von der Provinzhauptstadt Fuzhou entfernt. Beide sind schon jetzt eng mit dem Festland verzahnt, etwa durch direkte Fährverbindungen oder eine gemeinsame Trinkwasserversorgung. Wären sie erst einmal eingebunden in eine wirtschaftliche Modellzone, könnten sie Strahlkraft für ganz Taiwan entfalten, so das Kalkül der chinesischen Regierung.

21 Punkte für eine friedliche Wiedervereinigung”

Bereits Mitte September hatte Peking einen 21-Punkte-Plan für eine Vertiefung der integrierten Entwicklung der Taiwanstraße und Förderung des Prozesses der friedlichen Wiedervereinigung” vorgelegt. Er sieht unter anderem vor, bestimmte Handels- und Investitionsbeschränkungen zwischen Fujian und Taiwan zu beseitigen. Taiwanischen Unternehmen, die in der Pilotzone investieren wollen, garantiert der Plan eine schnellere Zollabfertigung und eine gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen und gemeinsamen Industrienormen.

Taiwaner sollen es dort auch einfacher haben, sich auf dem Festland niederzulassen, Häuser zu kaufen und am Sozialsystem teilzunehmen. Es sollen mehr Studien- und Arbeitsplätze geschaffen werden. Taiwaner dürfen auf dem Festland sogar Radio- und Fernsehprogramme produzieren, heißt es. Demokratische Werte im Sinne Taiwans dürften dort aber wohl eher kein Thema sein.

DPP will Abhängigkeit vom Festland reduzieren

Dass Chinas Regierung diese Pläne in den Monaten und Tagen vor der Wahl in Umlauf bringt, ist natürlich kein Zufall. Peking will bewirken, dass Rhetorik von Wiedervereinigung bei Taiwans Wählern nicht als militärische Drohung ankommt, sondern vor allem als vorteilhafter Ausblick in eine gemeinsame Zukunft.

Taiwans Regierung unter Tsai Ing-wen bezeichnet Pekings Integrationspläne allerdings kalt als “Wunschdenken”. Und da China mit großen Militärmanövern immer näher an ihre Insel heranrückt, empfinden viele Taiwaner Pekings Idee von der Zusammenarbeit auf Augenhöhe auch als Heuchelei. Statt mit der VR China hat sich Taiwans Regierungspartei DPP seit 2016 deshalb vor allem den USA und anderen westlichen Partnern angenähert. Sie fördert zudem Programme, um die wirtschaftlichen Abhängigkeiten vom Festland weiter zu reduzieren.

Bisher hängt Taiwan vom Festland ab

Taiwans Handel wirkungsvoll zu diversifizieren, etwa auf andere südostasiatische Märkte, könnte aber noch Jahre dauern. Die Volksrepublik ist nach wie vor Taiwans größter Handelspartner, das chinesische Festland und Hongkong die wichtigsten Ziele für Taiwans Exporte. Nach Angaben des taiwanesischen Außenhandelsbüros hatten Taiwan und China 2022 ein Handelsvolumen von 205 Milliarden Dollar.

Bis November 2023 entfielen rund 35 Prozent der gesamten Ausfuhren Taiwans auf das chinesische Festland – der niedrigste Wert seit Jahren, aber immer noch sehr hoch. Die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Festland sei “nicht der Weg, den Taiwan gehen sollte”, sagte DPP-Präsidentschaftskandidat und Umfragefavorit William Lai erst im Dezember.

Drohgebärden an DPP-Wähler

Chinas Staatsmedien warnen, dass eine erneute Wahl der DPP wirtschaftliche Folgen für Taiwans Bürger haben werde. Um die Wahlergebnisse zu beeinflussen, spielt Peking immer wieder mit den wirtschaftlichen Daumenschrauben. So verhängte die Volksrepublik wiederholt Importverbote, etwa für Früchte oder Fisch. Sie untersagte Individualreisen nach Taiwan oder verhängte Geldstrafen gegen in China tätige taiwanesische Unternehmen wie die Far Eastern Group.

Als offizieller Grund wurde unter anderem Schädlingsbefall oder der Verstoß gegen lokale Umweltschutzvorschriften genannt. Eine politische Motivation lässt sich aber in vielen Fällen leicht erkennen. Nachdem im Sommer 2022 bekannt wurde, dass die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, für ein Treffen mit Tsai Ing-wen nach Taiwan reisen werde, hatte die chinesische Zollverwaltung die Einfuhr von mehr als 2.000 Lebensmitteln aus Taiwan ausgesetzt.

Klare Botschaft direkt vor der Wahl

Und im Dezember, im Endspurt des Wahlkampfes, setzte Peking Zollsenkungen für 12 taiwanische Chemieprodukte aus, die 2010 im Rahmen des Economic Cooperation Framework Agreement” eingeführt worden waren. Dabei handelte es sich seinerzeit um ein bahnbrechendes bilaterales Handelsabkommen.

Das war ein letztes Signal Pekings an unentschlossene Wähler, am kommenden Samstag vielleicht doch eine Peking-freundlichere Partei zu wählen. Denn die Botschaft dahinter ist klar: Die bisherigen Maßnahmen hatten vor allem symbolischen Wert. China könnte Taiwan wirtschaftlich noch weit härter treffen, wenn es wollte.

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Interview

Politologe Nathan Batto: “Es herrscht in Taiwan ein Gefühl der Ermüdung”

Nathan Batto
Nathan Batto ist Politologe an Taiwans führender Bildungseinrichtung, der Academia Sinica in Taipeh. Sein Schwerpunkt liegt auf Wahlen und Demokratie.

Wer wird die bevorstehenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Taiwan am 13. Januar am ehesten gewinnen?

Die diesjährigen Umfragen geben keinen klaren Rückschluss darauf, was am Wahltag passieren wird. Es ist nicht so wie vor vier oder acht Jahren, als Tsai Ing-wen in den Umfragen einen großen Vorsprung hatte und wir ziemlich genau wussten, dass sie gewinnen und die DPP bei den Parlamentswahlen sehr gut abschneiden würde. In diesem Jahr liegen die Umfragen so nah beieinander, dass das Ergebnis noch offen ist. William Lai von der DPP ist wahrscheinlich der Favorit auf den Sieg bei der Präsidentenwahl. Aber es ist sicherlich nicht ausgeschlossen, dass Hou Yu-ih von der KMT oder sogar Ko Wen-je von der TPP gewinnen könnten.

Was ist Ihre Prognose für die Zusammensetzung des Parlaments?

Bei den Parlamentswahlen sind drei Ergebnisse möglich. Es ist möglich, dass die KMT oder die DPP mit einer Mehrheit aus der Wahl hervorgehen. Und es ist auch möglich, dass keiner von beiden die Mehrheit bekommt und die TPP als dritte Kraft das Kräfteverhältnis entscheidet.

Warum ist die Präsidentenwahl knapper als beim letzten Mal?

Nach acht Jahren mit der DPP an der Macht herrscht ein Gefühl der Ermüdung und ein Wunsch nach Veränderung. Viele der Probleme, mit denen fast jede Volkswirtschaft auf der ganzen Welt konfrontiert ist, bestehen immer noch. Wir sind nicht in einer Boom-Wirtschaft. Deshalb herrscht bei vielen Menschen Frustration, insbesondere bei jüngeren Wählern, die die Geschichten über die Generationen vor ihnen hören, denen es sehr gut ging, die in einer Gesellschaft aufwuchsen, die florierte und in der alles besser wurde. Das ist nicht die Geschichte junger Menschen von heute. Es ist derzeit nicht einfach, ein junger Hochschulabsolvent zu sein. Es gibt nur wenige hoch bezahlte Jobs für sie.

Spielt die Volksrepublik eine Rolle?

Es gibt eine gewisse Frustration über die Beziehungen zwischen beiden Seiten der Taiwanstraße und ein wenig Sorge vor der Bedrohung durch China, die schon immer da war, aber jetzt immer unmittelbarer und ernster wird. Hierdurch hat sich wahrscheinlich ein Teil der Unterstützung für die DPP abgeschwächt.

Wie präsentieren sich die DPP, die KMT und die TPP den Wählern als die jeweils bessere Alternative?

Die Parteien gehen zurück auf eine Spaltung der nationalen Identität. Diese Spaltung basiert auf Einstellungen gegenüber China und dem Chinesisch-Sein. Die Frage lautet: Wer Sind wir? Sind wir Chinesen oder nicht? Etwa 60 bis 65 Prozent der Menschen sagen “Nein, wir sind keine Chinesen”. Andere sagen “Ja, wir sind Chinesen”, oder “Wir sind Taiwaner, und wir sind Chinesen, das schließt sich nicht gegenseitig aus”. Die DPP fußt auf einer taiwanisch-nationalistischen Logik. Sie versteht sich als Repräsentantin Taiwans und von nichts anderem. Die KMT wurde vor über 100 Jahren in China gegründet, verlor den chinesischen Bürgerkrieg gegen die Kommunistische Partei, siedelte sich hier in Taiwan an und gründete sich neu. Aber sie hat ein chinesisches Erbe und ihren Anspruch auf die Macht jahrzehntelang damit gerechtfertigt, die legitime Regierung von ganz China zu sein. Sie hat also ein chinesisch-nationalistisches Erbe, das ihre Herangehensweise an die Politik prägt.

Was sind die Wünsche und Vorstellungen der Wähler?

Da die wichtigste Frage für Taiwan darin besteht, wie mit China, diesem großen Koloss im Westen, umgegangen werden soll, wird die Spaltung in der China-Frage weiterhin die Politik Taiwans prägen. Viele Taiwaner wünschen sich, dass sich die Politik mehr mit anderen Themen wie Umwelt, Sozialpolitik, ungleicher Einkommensverteilung und dergleichen befassen würde. Diese anderen Themen werden jedoch immer von der vorherrschenden Spaltung der nationalen Identität überlagert. Denn wenn sich jemand in erster Linie als Taiwaner und nur als Taiwaner betrachtet, dann neigt er oder sie dazu, für die DPP zu stimmen, egal, was er oder sie zu Themen wie Steuern oder Umweltschutz oder Infrastrukturentwicklung oder Bildungspolitik oder was auch immer denkt. Innerhalb der KMT und der DPP gibt es zu all diesen Politikbereichen alle möglichen unterschiedlichen Positionen.

Welche Auswirkungen hat der engagierte Wahlkampf der TPP auf die Positionierung der Parteien?

Es gab mehrere kleinere Parteien, die versuchten, das Duopol von KMT und DPP zu durchbrechen. Und sie haben normalerweise versucht, eine extremere Position im Spektrum pro-China vs. pro-Taiwan einzunehmen. Die meisten haben sich nicht halten können. Sie wurden von der Logik der Mehrheitsregierung aufgefressen. Die Notwendigkeit, eine Mehrheitskoalition zu bilden, hat sie in eine der beiden großen Parteien getrieben.

Taiwans Parteienlandschaft Taiwan vor der Wahl Kandidaten Umfragen

Die TPP hat einen anderen Weg eingeschlagen. Sie hat versucht, die Identitätsspaltung zu ignorieren und zu sagen, sie sei dagegen, politische Entscheidungen durch Ideologie zu treffen. Sie möchte, dass man sie für moderat hält, aber auch sie muss Stellung beziehen. Und zunehmend wird die TPP in diesen Fragen näher an der KMT verortet als an der DPP. Dennoch behauptet sie, dass sie alles andere besser machen werde, weil sie nicht auf die Frage zwischen Vereinigung und Unabhängigkeit fixiert ist. Und sie behauptet, dass die beiden großen Parteien korrupt sind, weil ihre Wähler vorher keine andere Wahl hatten, als sie zu unterstützen.

Wie ist derzeit die Einstellung der Bevölkerung zu China?

Es besteht ein weit verbreiteter Konsens darüber, dass Taiwan nicht Teil der Volksrepublik China sein möchte, dass Taiwan sein demokratisches System und seinen souveränen Status, seinen unabhängigen Status, beibehalten möchte. Ob man das nun Taiwan oder Republik China nennt, ist umstritten, aber jeder möchte Taiwans aktuellen Status beibehalten. Normalerweise geben weniger als drei Prozent in Umfragen an, dass sie die Vereinigung mit der Volksrepublik China befürworten.

Wo fangen die Debatten an?

Sobald man die Frage der Aufrechterhaltung von Taiwans aktuellem politischen System einer liberalen Demokratie mit freien und offenen Wahlen hinter sich gelassen hat, ist die viel umstrittenere Frage, wie mit China wirtschaftlich umgegangen werden soll. Es gibt Leute, die denken, dass Taiwan sich in die chinesische Wirtschaft integrieren sollte, dass dies ein riesiger Markt ist und Taiwan darin aktiv sein sollte. Und es gibt Leute, die glauben, dass China seinen Markt politisch und strategisch nutzt, um andere Länder zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen, und Taiwan dazu zwingen würde, seine Souveränität aufzugeben.

Was folgert daraus in der Praxis?

Hier kommen die Einstellungen zur Identität voll zur Geltung. Denn wenn sich jemand als Taiwaner und nur als Taiwaner identifiziert, tendiert er oder sie zu der Antwort, dass Taiwan besser Wirtschaftsbeziehungen mit anderen Ländern aufbauen sollte. Wenn die Person denkt, dass er oder sie in irgendeiner Weise Chinese ist, dann ist es für die Person selbstverständlich, dass Taiwan und China wirtschaftliche Beziehungen haben sollten.

Wie blickt die chinesische Führung auf die Wahlen?

Ich bin kein China-Experte und weiß nicht, was die chinesische Führung denkt. Doch ich glaube, dass sie nicht will, dass William Lai gewinnt. Seine Aussage vor ein paar Jahren hat sie anscheinend erschreckt. Er sagte, er sei ein pragmatischer Arbeiter für die Unabhängigkeit Taiwans, und darüber ist sie nie hinweggekommen. Sowohl Ko Wen-je als auch Hou Yu-ih sagen, dass sie konstruktiv mit China umgehen wollen. Ich denke, China geht davon aus, dass das bedeutet, dass beide das “Ein-China-Prinzip” akzeptieren werden. Und deshalb denke ich auch, dass sie sich mit einem von den beiden eher anfreunden können.

Hofft China ernstlich auf Kooperation für eine Vereinigung seitens Taiwan?

Ich bezweifle, dass China glaubt, durch die Innenpolitik Taiwans eine Vereinigung erreichen zu können. Sie hatten große Hoffnungen in Ma Ying-jeou, den Präsidenten von 2008 bis 2016, von der KMT, gesetzt. Er war ein chinesischer Nationalist, der über kurz oder lang eine Vereinigung mit China anstrebte. Er hat die Vereinigung nicht herbeigeführt, und wenn ihm das nicht gelungen ist, dann glaube ich nicht, dass China darauf hofft, dass Hou oder Ko es tun werden. Daher denke ich nicht, dass sich die chinesische Führung wirklich große Gedanken darüber macht, wer gewinnt und wer verliert, denn niemand von ihnen wird der sein, den die Volksrepublik will.

Wie könnte sich Taiwans Chinapolitik entwickeln, abhängig davon, wer die Wahlen gewinnen wird?

Wenn William Lai gewinnt, werden wir so ziemlich das Gleiche erleben wie in den letzten acht Jahren. Er wird den Konsens von 1992 nicht anerkennen, und China wird weiterhin in keiner offiziellen Form mit Taiwan kommunizieren. Es wird Taiwan weiterhin militärisch drangsalieren und den Druck weiter erhöhen. Es wird wahrscheinlich wirtschaftlichen Druck gegen Taiwan ausüben, was es das seit acht Jahren tut. Wenn Ko gewinnt, ist das Ergebnis schwer zu beurteilen, da wir nicht wissen, wie weit er im Umgang mit China gehen wird. Ko hat gesagt, dass er einen konstruktiven und positiven Dialog mit China führen möchte, aber er hat nicht erklärt, wie er das tun wird, was er zu tun bereit ist, um dies zu ermöglichen.

Und wenn Hou von der KMT gewinnt?

Wenn Hou gewinnt, hat er angedeutet, dass er grundsätzlich zur Politik von Ma Ying-jeou zurückkehren wird und den Konsens von 1992 akzeptieren. Er wird versuchen, konstruktiv mit China zusammenzuarbeiten und formelle Treffen mit chinesischen Beamten abzuhalten. Er wird die chinesischen Touristen wieder in Taiwan willkommen heißen und versuchen, mehr wirtschaftliche und soziale Beziehungen aufzubauen. Zu politischen Vereinbarungen hat Hou jedoch nichts gesagt. Daher ist er möglicherweise noch nicht bereit, so etwas anzugehen. Wenn Hou gewinnt, wird China den Druck wahrscheinlich etwas reduzieren. Aber nicht ganz. China hat diesen Druck nie vollständig zurückgenommen. Selbst als Ma Präsident war, erhöhte sich die Zahl der Raketen, die China auf Taiwan richtete. Und zu der Zeit baute China seine große Marine auf, mittlerweile die größte der Welt. Daher ist die Vorstellung, dass sich die Beziehungen zwischen China und Taiwan im Falle eines Sieges von Hou erwärmen würden, wahrscheinlich übertrieben.

Nathan Batto ist Associate Research Fellow am Institut für Politikwissenschaft der Academia Sinica und Associate Research Fellow am Election Study Center der National Chengchi University in Taipeh. In seinem Blog frozengarlic.wordpress.com kommentiert er das aktuelle Geschehen zu Wahlen in Taiwan.

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News

Militärvertreter fordern Stopp von US-Waffenlieferungen an Taiwan

China hat die USA aufgefordert, die Bewaffnung Taiwans zu stoppen. In der Taiwan-Frage sei man zu keinem Kompromiss bereit, teilte das Verteidigungsministerium am Mittwoch in Peking mit. Zuvor hatten sich Vertreter der Verteidigungsministerien von China und den USA zu einem zweitägigen Arbeitstreffen getroffen.

In Washington kamen unter anderem der stellvertretende US-Verteidigungsminister Michael Chase mit dem chinesischen General Song Yanchao zusammen. Song ist in der Zentralen Militärkommission stellvertretender Direktor des Büros für internationale militärische Zusammenarbeit. Chase ist im Pentagon für China und Taiwan zuständig.

Die chinesische Seite habe in den Gesprächen betont, dass man im Umgang mit Taiwan “niemals zurückweichen werde”, erklärte das Verteidigungsministerium weiter. Vielmehr sollte Washington “die Aufrüstung Taiwans einstellen und sich jeder Unabhängigkeit Taiwans entgegenstellen“. In einer Mitteilung des Pentagon heißt es wiederum, die US-Seite hätte ihrerseits, “die Bedeutung von Frieden und Stabilität in der Straße von Taiwan” hervorgehoben.

Am Samstag finden in Taiwan Präsident- und Parlamentswahlen statt. In den Umfragen liegen die Kandidaten eng beieinander. Der Ausgang der Wahl wird das künftige Verhältnis zwischen Taipeh und Peking maßgeblich beeinflussen. Die Militärs der USA und China sprechen erst seit dem Treffen von Xi Jinping und Joe Biden Mitte November wieder miteinander. Der Austausch soll die angespannten Beziehungen stabilisieren. rad

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VW und Toyota verlieren weiter Marktanteile

Die Automobilbauer Volkswagen und Toyota haben in China weiter an Boden verloren. So schrumpfte der Marktanteil der VW-Gemeinschaftsunternehmen FAW und SAIC im vergangenen Jahr von 14,8 auf 14,2 Prozent. Das teilte der Branchenverband China Passenger Car Association (CPCA) am Mittwoch mit. Toyotas chinesische Joint Ventures mit GAC und FAW kamen zusammen auf einen Anteil von 7,9 Prozent – verglichen mit 8,6 Prozent im Jahr 2022.

Die Zahlen zeigen, wie ausländische Automobilhersteller in China gegenüber lokalen Konkurrenten weiter Marktanteile verlieren. Offensichtlich werden ihre Schwierigkeiten, mit der Umstellung auf E-Mobilität Schritt zu halten. Denn während die beiden Autokonzerne bei den Benzinern gemessen am Absatz immer noch zu den zehn führenden Auto-Unternehmen in China gehören, sind sie bei E-Autos abgeschlagen. Doch gerade hier liegt die Zukunft.

In diesem Bereich sind die chinesischen Autobauer längst führend: So konnte der Elektrofahrzeugriese BYD seine Führungsposition auf dem Heimatmarkt auf 12,5 Prozent ausbauen gegenüber 8,8 Prozent im Jahr 2022. Auch auf dem Weltmarkt ist BYD inzwischen führend und verdrängte im vierten Quartal 2023 den US-Rivalen Tesla von der Spitze. Die Verkäufe rein batteriebetriebener Fahrzeuge sind in China im vergangenen Jahr um 20,8 Prozent gestiegen. rtr/rad

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Xi schreibt Brief an amerikanische Freundin

1985 besuchte Xi die US-Stadt Muscatine. Seitdem ist er mit Sarah Lande (vorne, Zweite von rechts) befreundet.

Chinas Präsident Xi Jinping hat die Rolle der einfachen Leute in den Beziehungen zwischen den USA und China betont. In einem Brief an Sarah Lande aus Muscatine (Iowa) regte Xi mehr persönlichen Austausch zwischen den beiden Supermächten an.

Xi will damit offenbar der Öffentlichkeit signalisieren, dass er durchaus an stabilen Beziehungen mit den USA interessiert ist – abseits der politischen und wirtschaftlichen Spannungen zwischen den beiden Staaten.

Medienberichten zufolge schrieb Xi in seinem Brief, die Erfolge in den Beziehungen zwischen China und den USA seien in erster Linie auf die Bemühungen der Menschen beider Länder zurückzuführen. Entsprechend könne ein intensiver Austausch wieder zu mehr gegenseitigem Verständnis führen. “China und die USA sind die größten Entwicklungs- und Industrieländer der Welt, und die Zukunft und das Schicksal dieses Planeten erfordern stabilere und bessere Beziehungen zwischen China und den USA“, schrieb Xi.

Xi Jinping adressierte den Brief an Sarah Lande aus Muscatine, einer kleinen Stadt im Mittleren Westen, in der er vor fast vier Jahrzehnten eine Delegation leitete. Lande und Xi trafen sich zum ersten Mal im Jahr 1985. Der damals 31 Jahre alte Xi besuchte in jenem Jahr mit einer Delegation aus Hebei die Stadt Muscatine, um sich über die landwirtschaftliche Produktion in den USA zu informieren.

Im Jahr 2012 reiste Xi abermals nach Muscatine, damals als Vizepräsident und nur wenige Monate bevor er zum Generalsekretär der Kommunistischen Partei befördert wurde. Das bislang letzte Treffen zwischen Lande und Xi erfolgte im November bei einem Essen für den chinesischen Präsidenten in San Francisco. rad

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Presseschau

Putins Krim-Annexion als Vorbild – Chinas Strategie zur Eroberung Taiwans WELT
China schließt in Gesprächen mit den USA jeglichen Kompromiss in Taiwan-Frage aus WEB.DE
Kurz vor wichtiger Wahl: Peking fordert Ende von US-Militärhilfen für Taiwan N-TV
“Vergiftetes Schweinefleisch”, “Eiermangel”: Pekings perfider Infokrieg gegen Taiwan RND
Taiwan’s de facto ambassador to US meets US House speaker, China angered REUTERS
Maldives, China sign 20 agreements after Muizzu-Xi meeting amid diplomatic row with India HINDUSTAN TIMES
China’s Communist party watchdog warns business of graft crackdown FT
The Next Front in the US-China-Battle over Chips NEW YORK TIMES
China launches Einstein probe that’s modeled after lobster eyes and designed to hunt for X-ray bursts CNN
Kann die Feststoffbatterie Chinas Dominanz brechen? HANDELSBLATT
VW und Toyota verlieren in China Marktanteile HANDELSBLATT
Mögliche Energieressourcen: China will mit Spezialschiff bis in den Erdmantel bohren SPIEGEL
In the race for AI supremacy, China and the US are travelling on entirely different tracks THE GUARDIAN
Bhutan: Neue Regierung navigiert zwischen Indien und China FAZ

Heads

Carmen Herold – deutsch-chinesische Kulturvermittlerin

Berlin spielte für die musikalische Bildung von Carmen Herold, Mitgründerin des Zhao Dai Club (招待会), keine entscheidende Rolle. Auf den ersten Blick würden das manche zwar vermuten, doch die Tochter einer Chinesin und eines Deutschen sieht sich eher in Verbindung mit den Traditionslinien des Großraums Frankfurts, wo sie auch aufwuchs. “Musik und freie Kunst waren in der Frankfurter Szene historisch immer enger verzahnt als in Berlin. Da war eine Gesamtheit von verschiedenen ästhetischen Erfahrungen präsent, die es sonst nicht gab”, sagt Herold. 

Mit einem Stipendium des Konfuzius-Instituts ging Herold für ein Jahr nach China, das war direkt nach ihrem Abitur. In dieser Zeit hat sie sich dem Studium von Sprache und Kultur vor Ort hingegeben, in der Hauptsache aber in endlosen Stadterkundungen Kontakte zur lokalen Kunstszene geknüpft. Nach einem Bachelor in Berlin, einer auserzählt wirkenden Stadt, war für sie klar, dass sie zurück muss. Eine Anstellung fand sie in der Kulturabteilung des Goethe-Instituts Beijing, für das sie kuratorische Projekte in den Bereichen Film, Theater und Diskurs realisierte. 

Teil der neuen Club-Generation

2017 schwappte dann eine Welle der Cluberöffnungen durch das Land. “Club Spaces waren in der Zeit unheimlich wichtig für subversive Kulturen, in denen konnten emanzipative Potenziale entfesselt werden.” Zusammen mit drei Verbündeten, die sie während ihres ersten Aufenthalts kennengelernt hatte, gründete Herold dann Zhao Dai. Im Programm stand mehr als nur Musik. “Die ikonischen Clubs in China waren deswegen ikonisch, weil sie auch Künstler*innen ausgestellt haben, die in Galerien nicht ausstellen konnten.” Auf diese Weise konnte künstlerischen Positionen, die im Establishment keinen Platz fanden, eine Bühne und ein Publikum geboten werden.  

Doch es gab einen größeren Traum, der lange unerreichbar schien. “In China ein Festival zu organisieren, das ist fast nicht umsetzbar.” Dann aber fand sich eine Möglichkeit: Aranya (安啊呀), ein frisch erbauter Badeort, bot künstlerischen Projekten Zuschüsse an, in der Hoffnung, dass durch den Zuzug von kulturellem Kapital sich auch finanzielles Kapital anziehen lasse. Ein solcher Ort war zwar nicht die erste Wahl von Herold, “aber dafür hatten wir kaum Restriktionen und konnten subventionierte Tickets für ein Line-up verkaufen, das wir mit freier Hand zusammengestellt haben”.

Zhao Dai On Leave, wie das Festival getauft wurde, geht nächstes Jahr in die dritte Runde. Angedacht sind neben elektronischer Musik auch erstmalig experimentelle Live-Musik und Performances von freien Künstlern. 

Ein “Make-or-Break-Moment” 

Dass der Sound in China oft beißend, brennend und brutal ist, das habe seine Gründe darin, dass sich hierdurch ein ästhetischer Widerstand ausdrücken und gemeinschaftlich erfahren lässt. Ein Widerstand, der eine Alternative zu anderen Oppositionsformen wie etwa Straßenprotesten bietet. “Eine spracharme Musik ist vor Zensur geschützt, und trotzdem kann sie ihre Leute zielgenau ansprechen. Das macht die derzeitige Szene spannender als viele andere, die ich kenne”, erklärt Herold. 

Es sei momentan aber ungewiss, ob diese Lebendigkeit sich halten könne. Die meisten Ausländer sind nicht mehr da, und auch viele der Chinesen, die die Möglichkeit dazu haben, gehen weg. “Wir haben 40 Prozent unseres alten Korpus an Alliierten verloren.” Ob der großformatige Wegzug neuen, aufstrebenden Acts die Chance zur Entfaltung geben wird, oder ob sich eine um sich selbst kreisende Szene eher früher als später erschöpft, das sei jetzt noch nicht abzusehen, meint Herold.

Überpolitisiertes, unterästhetisiertes China

Auch sie selbst ist nicht mehr vor Ort, nicht mehr im Kernteam von Zhao Dai. Mittlerweile ist sie eher so etwas wie eine beratende Auslandskorrespondentin. Denn seit einem Jahr widmet Herold sich einem Ausbildungsprogramm des Goethe-Instituts, das angehende Institutsleitungen auf ihre Entsendungen vorbereitet. Dabei ist eines sicher, ganz gleich, an welche Orte es sie noch verschlagen wird: Neben ihren engen Kontakten in die chinesische Kunstszene wird Herold immer die Erfahrungen und Überzeugungen mitbringen, die sie sich während ihres Masters in Postcolonial Studies an der New York Universität erschloss: “Wenn man sich fragt, wie sich Kulturinstitutionen zukunftsfähig machen lassen und welche Themen man noch reinbringen sollte, dann muss man feststellen: Postkoloniale Ansätze sind in Deutschland immer noch ein unterrepräsentiertes Thema.” 

Das gelte nicht nur für Kulturdiskurse und Kunstförderung. Auch für den deutschen Blick nach Fernost findet Herold klare, scharfe Worte: “Begriffe wie ‘China-Watcher’ sind so problematisch, dass es besser wäre, wenn sie verschwinden würden.” Wenn die politisch so häufig geforderte China-Kompetenz nur darin bestünde, extraktivistisches Wissen über China im Dienst ökonomischer Interessen zu generieren, dann möchte Herold nicht als China-Kompetenzlerin verstanden werden.

Wer China hingegen ernst nehmen wolle, der müsse sich mit einer vielfältigen Bandbreite an Leuten und ihren konkreten Anliegen auseinandersetzen, und zwar im persönlichen Kontakt. Dabei solle es durchaus möglich bleiben, sich differenziert und kritisch zu China zu äußern – nur eben ohne das ganze Land direkt unter Generalverdacht zu stellen, wie es immer noch häufig geschehe. 

Dazu gehört auch, dass Herold sich wünscht, dass den Chinesinnen und Chinesen mehr “ästhetische Agency” zugesprochen wird. Es bestünde in Deutschland die Tendenz, dass China, im Gegensatz zu Japan, überpolitisiert und unterästhetisiert wird. Wenn sich daran nichts ändert, so sei es kaum zu vermeiden, dass der hiesigen Beobachtung die Dissidenten und subversiven chinesischen Stimmergreifungen entwischen. Gerade dann, wenn diese Stimmen sich nicht in Sätzen und Worten, sondern in Technosounds Gehör verschaffen. Julius Schwarzwälder

  • Goethe Institut
  • Konfuzius-Institute
  • Kultur
  • Musik

Personalien

Huan-Hai Chou ist seit Anfang Januar Senior Manager IT Digital Service Sales & Commerce für Mercedes-Benz in China. Davor war er Manager für IT Parts Trading, Pricing & Service Contracts bei dem Autobauer aus Baden-Württemberg.

Stefanie Stangl ist seit Anfang Januar im Strategy Expert User Operations Center bei FAW-Audi Sales in Hangzhou tätig. Stangl war bis Ende 2023 Digital Business Market Consultant bei Audi in Ingolstadt.

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

Dessert

Was aussieht wie ein neues Videospiel, ist in Wirklichkeit Taiwans Wahl-O-Mat. Er soll unentschiedenen Wählerinnen und Wählern vor der Stimmabgabe helfen, ihren besten Kandidaten zu finden. Doch die pixeligen Anzugträger müssen hier nicht im Jump-and-Run antreten. Durch die Beantwortung von zehn Fragen kann der Benutzer zu einem Ergebnis kommen. Dieser Wahl-O-Mat stammt vom digitalen taiwanischen Medienhaus The News Lens. In Deutschland wird der Wahl-O-Mat von der Bundeszentrale für politische Bildung angeboten.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    am Wochenende werden in Taiwan ein neuer Präsident und ein neues Parlament gewählt. Eine freie, demokratische Wahl im chinesischen Kulturkreis! Dieses Ereignis widerlegt eindrucksvoll die aberwitzige These, dass Chinesen und Demokratie nicht zusammenpassen. Es wird ein spannendes Ereignis – mit weitreichenden Folgen für die internationale Politik, den globalen Handel, aber auch für Demokratie und Gesellschaft.

    Amtsinhaberin Tsai Ing-wen tritt nicht mehr an – und die Umfragen deuten auf ein enges Rennen um ihre Nachfolge hin. Leonardo Pape hat wenige Tage vor dem Urnengang mit dem Wahlforscher Nathan Batto gesprochen. Der Wissenschaftler der Academia Sinica in Taipeh erklärt, welche Kandidaten welche politischen Ziele verfolgen, was Taiwans Wähler wollen und welche Rolle bei all dem die historische Identität spielt.

    Eine wichtige Rolle bei der Wahlentscheidung spielt natürlich auch das Verhältnis zur Volksrepublik. Denn nicht nur die Kandidaten der Parteien DPP, KMT und TPP versuchen, die Wähler zu überzeugen. Auch die Führung in Peking hat ihre Ziele bei der Wahl am Samstag fest im Blick.

    Fabian Peltsch zeigt, wie die KP ihrem einstigen Gegner aus Zeiten des Bürgerkriegs zum Sieg verhelfen will. Mit einer “kooperativen Entwicklungszone” zwischen Taiwan und der Küstenprovinz Fujian soll gezeigt werden, welche Chancen sich Taiwan unter der KMT bieten würden – durch eine dann engere Bindung an die Volksrepublik. Gleichzeitig warnen Chinas Staatsmedien, dass eine abermalige Wahl der DPP Taiwans Bürgern wirtschaftliche Einbußen bescheren werde. Es ist das klassische Konzept von Zuckerbrot und Peitsche.  

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    Michael Radunski
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    KP China lockt im Vorfeld der Wahlen mit “Entwicklungszone” zwischen Taiwan und Fujian

    Blick vom taiwanisch verwalteten Kinmen auf die chinesische Küstenstadt Xiamen.

    Nur wenige Tage vor den Wahlen in Taiwan hat Peking diese Woche weitere Details seiner “kooperativen Entwicklungszone” zwischen Taiwan und der Küstenprovinz Fujian bekannt gegeben. Diese soll die demokratisch regierte Insel stärker in den Wirtschaftsraum des chinesischen Festlandes integrieren – vorausgesetzt, die Taiwaner lassen sich darauf ein. Das würde eine Stimmabgabe für die pro-chinesischer eingestellte KMT voraussetzen.

    Das südöstliche Fujian ist die Provinz, die Taiwan am nächsten liegt. Von der vorgelagerten Insel Kinmen, die zu Taiwan gehört, sind es nur rund zwei Kilometer bis zur chinesischen Hafenstadt Xiamen.

    Eine andere taiwanische Insel, Matsu, liegt nur rund 20 Kilometer von der Provinzhauptstadt Fuzhou entfernt. Beide sind schon jetzt eng mit dem Festland verzahnt, etwa durch direkte Fährverbindungen oder eine gemeinsame Trinkwasserversorgung. Wären sie erst einmal eingebunden in eine wirtschaftliche Modellzone, könnten sie Strahlkraft für ganz Taiwan entfalten, so das Kalkül der chinesischen Regierung.

    21 Punkte für eine friedliche Wiedervereinigung”

    Bereits Mitte September hatte Peking einen 21-Punkte-Plan für eine Vertiefung der integrierten Entwicklung der Taiwanstraße und Förderung des Prozesses der friedlichen Wiedervereinigung” vorgelegt. Er sieht unter anderem vor, bestimmte Handels- und Investitionsbeschränkungen zwischen Fujian und Taiwan zu beseitigen. Taiwanischen Unternehmen, die in der Pilotzone investieren wollen, garantiert der Plan eine schnellere Zollabfertigung und eine gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen und gemeinsamen Industrienormen.

    Taiwaner sollen es dort auch einfacher haben, sich auf dem Festland niederzulassen, Häuser zu kaufen und am Sozialsystem teilzunehmen. Es sollen mehr Studien- und Arbeitsplätze geschaffen werden. Taiwaner dürfen auf dem Festland sogar Radio- und Fernsehprogramme produzieren, heißt es. Demokratische Werte im Sinne Taiwans dürften dort aber wohl eher kein Thema sein.

    DPP will Abhängigkeit vom Festland reduzieren

    Dass Chinas Regierung diese Pläne in den Monaten und Tagen vor der Wahl in Umlauf bringt, ist natürlich kein Zufall. Peking will bewirken, dass Rhetorik von Wiedervereinigung bei Taiwans Wählern nicht als militärische Drohung ankommt, sondern vor allem als vorteilhafter Ausblick in eine gemeinsame Zukunft.

    Taiwans Regierung unter Tsai Ing-wen bezeichnet Pekings Integrationspläne allerdings kalt als “Wunschdenken”. Und da China mit großen Militärmanövern immer näher an ihre Insel heranrückt, empfinden viele Taiwaner Pekings Idee von der Zusammenarbeit auf Augenhöhe auch als Heuchelei. Statt mit der VR China hat sich Taiwans Regierungspartei DPP seit 2016 deshalb vor allem den USA und anderen westlichen Partnern angenähert. Sie fördert zudem Programme, um die wirtschaftlichen Abhängigkeiten vom Festland weiter zu reduzieren.

    Bisher hängt Taiwan vom Festland ab

    Taiwans Handel wirkungsvoll zu diversifizieren, etwa auf andere südostasiatische Märkte, könnte aber noch Jahre dauern. Die Volksrepublik ist nach wie vor Taiwans größter Handelspartner, das chinesische Festland und Hongkong die wichtigsten Ziele für Taiwans Exporte. Nach Angaben des taiwanesischen Außenhandelsbüros hatten Taiwan und China 2022 ein Handelsvolumen von 205 Milliarden Dollar.

    Bis November 2023 entfielen rund 35 Prozent der gesamten Ausfuhren Taiwans auf das chinesische Festland – der niedrigste Wert seit Jahren, aber immer noch sehr hoch. Die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Festland sei “nicht der Weg, den Taiwan gehen sollte”, sagte DPP-Präsidentschaftskandidat und Umfragefavorit William Lai erst im Dezember.

    Drohgebärden an DPP-Wähler

    Chinas Staatsmedien warnen, dass eine erneute Wahl der DPP wirtschaftliche Folgen für Taiwans Bürger haben werde. Um die Wahlergebnisse zu beeinflussen, spielt Peking immer wieder mit den wirtschaftlichen Daumenschrauben. So verhängte die Volksrepublik wiederholt Importverbote, etwa für Früchte oder Fisch. Sie untersagte Individualreisen nach Taiwan oder verhängte Geldstrafen gegen in China tätige taiwanesische Unternehmen wie die Far Eastern Group.

    Als offizieller Grund wurde unter anderem Schädlingsbefall oder der Verstoß gegen lokale Umweltschutzvorschriften genannt. Eine politische Motivation lässt sich aber in vielen Fällen leicht erkennen. Nachdem im Sommer 2022 bekannt wurde, dass die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, für ein Treffen mit Tsai Ing-wen nach Taiwan reisen werde, hatte die chinesische Zollverwaltung die Einfuhr von mehr als 2.000 Lebensmitteln aus Taiwan ausgesetzt.

    Klare Botschaft direkt vor der Wahl

    Und im Dezember, im Endspurt des Wahlkampfes, setzte Peking Zollsenkungen für 12 taiwanische Chemieprodukte aus, die 2010 im Rahmen des Economic Cooperation Framework Agreement” eingeführt worden waren. Dabei handelte es sich seinerzeit um ein bahnbrechendes bilaterales Handelsabkommen.

    Das war ein letztes Signal Pekings an unentschlossene Wähler, am kommenden Samstag vielleicht doch eine Peking-freundlichere Partei zu wählen. Denn die Botschaft dahinter ist klar: Die bisherigen Maßnahmen hatten vor allem symbolischen Wert. China könnte Taiwan wirtschaftlich noch weit härter treffen, wenn es wollte.

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    Interview

    Politologe Nathan Batto: “Es herrscht in Taiwan ein Gefühl der Ermüdung”

    Nathan Batto
    Nathan Batto ist Politologe an Taiwans führender Bildungseinrichtung, der Academia Sinica in Taipeh. Sein Schwerpunkt liegt auf Wahlen und Demokratie.

    Wer wird die bevorstehenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Taiwan am 13. Januar am ehesten gewinnen?

    Die diesjährigen Umfragen geben keinen klaren Rückschluss darauf, was am Wahltag passieren wird. Es ist nicht so wie vor vier oder acht Jahren, als Tsai Ing-wen in den Umfragen einen großen Vorsprung hatte und wir ziemlich genau wussten, dass sie gewinnen und die DPP bei den Parlamentswahlen sehr gut abschneiden würde. In diesem Jahr liegen die Umfragen so nah beieinander, dass das Ergebnis noch offen ist. William Lai von der DPP ist wahrscheinlich der Favorit auf den Sieg bei der Präsidentenwahl. Aber es ist sicherlich nicht ausgeschlossen, dass Hou Yu-ih von der KMT oder sogar Ko Wen-je von der TPP gewinnen könnten.

    Was ist Ihre Prognose für die Zusammensetzung des Parlaments?

    Bei den Parlamentswahlen sind drei Ergebnisse möglich. Es ist möglich, dass die KMT oder die DPP mit einer Mehrheit aus der Wahl hervorgehen. Und es ist auch möglich, dass keiner von beiden die Mehrheit bekommt und die TPP als dritte Kraft das Kräfteverhältnis entscheidet.

    Warum ist die Präsidentenwahl knapper als beim letzten Mal?

    Nach acht Jahren mit der DPP an der Macht herrscht ein Gefühl der Ermüdung und ein Wunsch nach Veränderung. Viele der Probleme, mit denen fast jede Volkswirtschaft auf der ganzen Welt konfrontiert ist, bestehen immer noch. Wir sind nicht in einer Boom-Wirtschaft. Deshalb herrscht bei vielen Menschen Frustration, insbesondere bei jüngeren Wählern, die die Geschichten über die Generationen vor ihnen hören, denen es sehr gut ging, die in einer Gesellschaft aufwuchsen, die florierte und in der alles besser wurde. Das ist nicht die Geschichte junger Menschen von heute. Es ist derzeit nicht einfach, ein junger Hochschulabsolvent zu sein. Es gibt nur wenige hoch bezahlte Jobs für sie.

    Spielt die Volksrepublik eine Rolle?

    Es gibt eine gewisse Frustration über die Beziehungen zwischen beiden Seiten der Taiwanstraße und ein wenig Sorge vor der Bedrohung durch China, die schon immer da war, aber jetzt immer unmittelbarer und ernster wird. Hierdurch hat sich wahrscheinlich ein Teil der Unterstützung für die DPP abgeschwächt.

    Wie präsentieren sich die DPP, die KMT und die TPP den Wählern als die jeweils bessere Alternative?

    Die Parteien gehen zurück auf eine Spaltung der nationalen Identität. Diese Spaltung basiert auf Einstellungen gegenüber China und dem Chinesisch-Sein. Die Frage lautet: Wer Sind wir? Sind wir Chinesen oder nicht? Etwa 60 bis 65 Prozent der Menschen sagen “Nein, wir sind keine Chinesen”. Andere sagen “Ja, wir sind Chinesen”, oder “Wir sind Taiwaner, und wir sind Chinesen, das schließt sich nicht gegenseitig aus”. Die DPP fußt auf einer taiwanisch-nationalistischen Logik. Sie versteht sich als Repräsentantin Taiwans und von nichts anderem. Die KMT wurde vor über 100 Jahren in China gegründet, verlor den chinesischen Bürgerkrieg gegen die Kommunistische Partei, siedelte sich hier in Taiwan an und gründete sich neu. Aber sie hat ein chinesisches Erbe und ihren Anspruch auf die Macht jahrzehntelang damit gerechtfertigt, die legitime Regierung von ganz China zu sein. Sie hat also ein chinesisch-nationalistisches Erbe, das ihre Herangehensweise an die Politik prägt.

    Was sind die Wünsche und Vorstellungen der Wähler?

    Da die wichtigste Frage für Taiwan darin besteht, wie mit China, diesem großen Koloss im Westen, umgegangen werden soll, wird die Spaltung in der China-Frage weiterhin die Politik Taiwans prägen. Viele Taiwaner wünschen sich, dass sich die Politik mehr mit anderen Themen wie Umwelt, Sozialpolitik, ungleicher Einkommensverteilung und dergleichen befassen würde. Diese anderen Themen werden jedoch immer von der vorherrschenden Spaltung der nationalen Identität überlagert. Denn wenn sich jemand in erster Linie als Taiwaner und nur als Taiwaner betrachtet, dann neigt er oder sie dazu, für die DPP zu stimmen, egal, was er oder sie zu Themen wie Steuern oder Umweltschutz oder Infrastrukturentwicklung oder Bildungspolitik oder was auch immer denkt. Innerhalb der KMT und der DPP gibt es zu all diesen Politikbereichen alle möglichen unterschiedlichen Positionen.

    Welche Auswirkungen hat der engagierte Wahlkampf der TPP auf die Positionierung der Parteien?

    Es gab mehrere kleinere Parteien, die versuchten, das Duopol von KMT und DPP zu durchbrechen. Und sie haben normalerweise versucht, eine extremere Position im Spektrum pro-China vs. pro-Taiwan einzunehmen. Die meisten haben sich nicht halten können. Sie wurden von der Logik der Mehrheitsregierung aufgefressen. Die Notwendigkeit, eine Mehrheitskoalition zu bilden, hat sie in eine der beiden großen Parteien getrieben.

    Taiwans Parteienlandschaft Taiwan vor der Wahl Kandidaten Umfragen

    Die TPP hat einen anderen Weg eingeschlagen. Sie hat versucht, die Identitätsspaltung zu ignorieren und zu sagen, sie sei dagegen, politische Entscheidungen durch Ideologie zu treffen. Sie möchte, dass man sie für moderat hält, aber auch sie muss Stellung beziehen. Und zunehmend wird die TPP in diesen Fragen näher an der KMT verortet als an der DPP. Dennoch behauptet sie, dass sie alles andere besser machen werde, weil sie nicht auf die Frage zwischen Vereinigung und Unabhängigkeit fixiert ist. Und sie behauptet, dass die beiden großen Parteien korrupt sind, weil ihre Wähler vorher keine andere Wahl hatten, als sie zu unterstützen.

    Wie ist derzeit die Einstellung der Bevölkerung zu China?

    Es besteht ein weit verbreiteter Konsens darüber, dass Taiwan nicht Teil der Volksrepublik China sein möchte, dass Taiwan sein demokratisches System und seinen souveränen Status, seinen unabhängigen Status, beibehalten möchte. Ob man das nun Taiwan oder Republik China nennt, ist umstritten, aber jeder möchte Taiwans aktuellen Status beibehalten. Normalerweise geben weniger als drei Prozent in Umfragen an, dass sie die Vereinigung mit der Volksrepublik China befürworten.

    Wo fangen die Debatten an?

    Sobald man die Frage der Aufrechterhaltung von Taiwans aktuellem politischen System einer liberalen Demokratie mit freien und offenen Wahlen hinter sich gelassen hat, ist die viel umstrittenere Frage, wie mit China wirtschaftlich umgegangen werden soll. Es gibt Leute, die denken, dass Taiwan sich in die chinesische Wirtschaft integrieren sollte, dass dies ein riesiger Markt ist und Taiwan darin aktiv sein sollte. Und es gibt Leute, die glauben, dass China seinen Markt politisch und strategisch nutzt, um andere Länder zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen, und Taiwan dazu zwingen würde, seine Souveränität aufzugeben.

    Was folgert daraus in der Praxis?

    Hier kommen die Einstellungen zur Identität voll zur Geltung. Denn wenn sich jemand als Taiwaner und nur als Taiwaner identifiziert, tendiert er oder sie zu der Antwort, dass Taiwan besser Wirtschaftsbeziehungen mit anderen Ländern aufbauen sollte. Wenn die Person denkt, dass er oder sie in irgendeiner Weise Chinese ist, dann ist es für die Person selbstverständlich, dass Taiwan und China wirtschaftliche Beziehungen haben sollten.

    Wie blickt die chinesische Führung auf die Wahlen?

    Ich bin kein China-Experte und weiß nicht, was die chinesische Führung denkt. Doch ich glaube, dass sie nicht will, dass William Lai gewinnt. Seine Aussage vor ein paar Jahren hat sie anscheinend erschreckt. Er sagte, er sei ein pragmatischer Arbeiter für die Unabhängigkeit Taiwans, und darüber ist sie nie hinweggekommen. Sowohl Ko Wen-je als auch Hou Yu-ih sagen, dass sie konstruktiv mit China umgehen wollen. Ich denke, China geht davon aus, dass das bedeutet, dass beide das “Ein-China-Prinzip” akzeptieren werden. Und deshalb denke ich auch, dass sie sich mit einem von den beiden eher anfreunden können.

    Hofft China ernstlich auf Kooperation für eine Vereinigung seitens Taiwan?

    Ich bezweifle, dass China glaubt, durch die Innenpolitik Taiwans eine Vereinigung erreichen zu können. Sie hatten große Hoffnungen in Ma Ying-jeou, den Präsidenten von 2008 bis 2016, von der KMT, gesetzt. Er war ein chinesischer Nationalist, der über kurz oder lang eine Vereinigung mit China anstrebte. Er hat die Vereinigung nicht herbeigeführt, und wenn ihm das nicht gelungen ist, dann glaube ich nicht, dass China darauf hofft, dass Hou oder Ko es tun werden. Daher denke ich nicht, dass sich die chinesische Führung wirklich große Gedanken darüber macht, wer gewinnt und wer verliert, denn niemand von ihnen wird der sein, den die Volksrepublik will.

    Wie könnte sich Taiwans Chinapolitik entwickeln, abhängig davon, wer die Wahlen gewinnen wird?

    Wenn William Lai gewinnt, werden wir so ziemlich das Gleiche erleben wie in den letzten acht Jahren. Er wird den Konsens von 1992 nicht anerkennen, und China wird weiterhin in keiner offiziellen Form mit Taiwan kommunizieren. Es wird Taiwan weiterhin militärisch drangsalieren und den Druck weiter erhöhen. Es wird wahrscheinlich wirtschaftlichen Druck gegen Taiwan ausüben, was es das seit acht Jahren tut. Wenn Ko gewinnt, ist das Ergebnis schwer zu beurteilen, da wir nicht wissen, wie weit er im Umgang mit China gehen wird. Ko hat gesagt, dass er einen konstruktiven und positiven Dialog mit China führen möchte, aber er hat nicht erklärt, wie er das tun wird, was er zu tun bereit ist, um dies zu ermöglichen.

    Und wenn Hou von der KMT gewinnt?

    Wenn Hou gewinnt, hat er angedeutet, dass er grundsätzlich zur Politik von Ma Ying-jeou zurückkehren wird und den Konsens von 1992 akzeptieren. Er wird versuchen, konstruktiv mit China zusammenzuarbeiten und formelle Treffen mit chinesischen Beamten abzuhalten. Er wird die chinesischen Touristen wieder in Taiwan willkommen heißen und versuchen, mehr wirtschaftliche und soziale Beziehungen aufzubauen. Zu politischen Vereinbarungen hat Hou jedoch nichts gesagt. Daher ist er möglicherweise noch nicht bereit, so etwas anzugehen. Wenn Hou gewinnt, wird China den Druck wahrscheinlich etwas reduzieren. Aber nicht ganz. China hat diesen Druck nie vollständig zurückgenommen. Selbst als Ma Präsident war, erhöhte sich die Zahl der Raketen, die China auf Taiwan richtete. Und zu der Zeit baute China seine große Marine auf, mittlerweile die größte der Welt. Daher ist die Vorstellung, dass sich die Beziehungen zwischen China und Taiwan im Falle eines Sieges von Hou erwärmen würden, wahrscheinlich übertrieben.

    Nathan Batto ist Associate Research Fellow am Institut für Politikwissenschaft der Academia Sinica und Associate Research Fellow am Election Study Center der National Chengchi University in Taipeh. In seinem Blog frozengarlic.wordpress.com kommentiert er das aktuelle Geschehen zu Wahlen in Taiwan.

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    News

    Militärvertreter fordern Stopp von US-Waffenlieferungen an Taiwan

    China hat die USA aufgefordert, die Bewaffnung Taiwans zu stoppen. In der Taiwan-Frage sei man zu keinem Kompromiss bereit, teilte das Verteidigungsministerium am Mittwoch in Peking mit. Zuvor hatten sich Vertreter der Verteidigungsministerien von China und den USA zu einem zweitägigen Arbeitstreffen getroffen.

    In Washington kamen unter anderem der stellvertretende US-Verteidigungsminister Michael Chase mit dem chinesischen General Song Yanchao zusammen. Song ist in der Zentralen Militärkommission stellvertretender Direktor des Büros für internationale militärische Zusammenarbeit. Chase ist im Pentagon für China und Taiwan zuständig.

    Die chinesische Seite habe in den Gesprächen betont, dass man im Umgang mit Taiwan “niemals zurückweichen werde”, erklärte das Verteidigungsministerium weiter. Vielmehr sollte Washington “die Aufrüstung Taiwans einstellen und sich jeder Unabhängigkeit Taiwans entgegenstellen“. In einer Mitteilung des Pentagon heißt es wiederum, die US-Seite hätte ihrerseits, “die Bedeutung von Frieden und Stabilität in der Straße von Taiwan” hervorgehoben.

    Am Samstag finden in Taiwan Präsident- und Parlamentswahlen statt. In den Umfragen liegen die Kandidaten eng beieinander. Der Ausgang der Wahl wird das künftige Verhältnis zwischen Taipeh und Peking maßgeblich beeinflussen. Die Militärs der USA und China sprechen erst seit dem Treffen von Xi Jinping und Joe Biden Mitte November wieder miteinander. Der Austausch soll die angespannten Beziehungen stabilisieren. rad

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    VW und Toyota verlieren weiter Marktanteile

    Die Automobilbauer Volkswagen und Toyota haben in China weiter an Boden verloren. So schrumpfte der Marktanteil der VW-Gemeinschaftsunternehmen FAW und SAIC im vergangenen Jahr von 14,8 auf 14,2 Prozent. Das teilte der Branchenverband China Passenger Car Association (CPCA) am Mittwoch mit. Toyotas chinesische Joint Ventures mit GAC und FAW kamen zusammen auf einen Anteil von 7,9 Prozent – verglichen mit 8,6 Prozent im Jahr 2022.

    Die Zahlen zeigen, wie ausländische Automobilhersteller in China gegenüber lokalen Konkurrenten weiter Marktanteile verlieren. Offensichtlich werden ihre Schwierigkeiten, mit der Umstellung auf E-Mobilität Schritt zu halten. Denn während die beiden Autokonzerne bei den Benzinern gemessen am Absatz immer noch zu den zehn führenden Auto-Unternehmen in China gehören, sind sie bei E-Autos abgeschlagen. Doch gerade hier liegt die Zukunft.

    In diesem Bereich sind die chinesischen Autobauer längst führend: So konnte der Elektrofahrzeugriese BYD seine Führungsposition auf dem Heimatmarkt auf 12,5 Prozent ausbauen gegenüber 8,8 Prozent im Jahr 2022. Auch auf dem Weltmarkt ist BYD inzwischen führend und verdrängte im vierten Quartal 2023 den US-Rivalen Tesla von der Spitze. Die Verkäufe rein batteriebetriebener Fahrzeuge sind in China im vergangenen Jahr um 20,8 Prozent gestiegen. rtr/rad

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    Xi schreibt Brief an amerikanische Freundin

    1985 besuchte Xi die US-Stadt Muscatine. Seitdem ist er mit Sarah Lande (vorne, Zweite von rechts) befreundet.

    Chinas Präsident Xi Jinping hat die Rolle der einfachen Leute in den Beziehungen zwischen den USA und China betont. In einem Brief an Sarah Lande aus Muscatine (Iowa) regte Xi mehr persönlichen Austausch zwischen den beiden Supermächten an.

    Xi will damit offenbar der Öffentlichkeit signalisieren, dass er durchaus an stabilen Beziehungen mit den USA interessiert ist – abseits der politischen und wirtschaftlichen Spannungen zwischen den beiden Staaten.

    Medienberichten zufolge schrieb Xi in seinem Brief, die Erfolge in den Beziehungen zwischen China und den USA seien in erster Linie auf die Bemühungen der Menschen beider Länder zurückzuführen. Entsprechend könne ein intensiver Austausch wieder zu mehr gegenseitigem Verständnis führen. “China und die USA sind die größten Entwicklungs- und Industrieländer der Welt, und die Zukunft und das Schicksal dieses Planeten erfordern stabilere und bessere Beziehungen zwischen China und den USA“, schrieb Xi.

    Xi Jinping adressierte den Brief an Sarah Lande aus Muscatine, einer kleinen Stadt im Mittleren Westen, in der er vor fast vier Jahrzehnten eine Delegation leitete. Lande und Xi trafen sich zum ersten Mal im Jahr 1985. Der damals 31 Jahre alte Xi besuchte in jenem Jahr mit einer Delegation aus Hebei die Stadt Muscatine, um sich über die landwirtschaftliche Produktion in den USA zu informieren.

    Im Jahr 2012 reiste Xi abermals nach Muscatine, damals als Vizepräsident und nur wenige Monate bevor er zum Generalsekretär der Kommunistischen Partei befördert wurde. Das bislang letzte Treffen zwischen Lande und Xi erfolgte im November bei einem Essen für den chinesischen Präsidenten in San Francisco. rad

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    Presseschau

    Putins Krim-Annexion als Vorbild – Chinas Strategie zur Eroberung Taiwans WELT
    China schließt in Gesprächen mit den USA jeglichen Kompromiss in Taiwan-Frage aus WEB.DE
    Kurz vor wichtiger Wahl: Peking fordert Ende von US-Militärhilfen für Taiwan N-TV
    “Vergiftetes Schweinefleisch”, “Eiermangel”: Pekings perfider Infokrieg gegen Taiwan RND
    Taiwan’s de facto ambassador to US meets US House speaker, China angered REUTERS
    Maldives, China sign 20 agreements after Muizzu-Xi meeting amid diplomatic row with India HINDUSTAN TIMES
    China’s Communist party watchdog warns business of graft crackdown FT
    The Next Front in the US-China-Battle over Chips NEW YORK TIMES
    China launches Einstein probe that’s modeled after lobster eyes and designed to hunt for X-ray bursts CNN
    Kann die Feststoffbatterie Chinas Dominanz brechen? HANDELSBLATT
    VW und Toyota verlieren in China Marktanteile HANDELSBLATT
    Mögliche Energieressourcen: China will mit Spezialschiff bis in den Erdmantel bohren SPIEGEL
    In the race for AI supremacy, China and the US are travelling on entirely different tracks THE GUARDIAN
    Bhutan: Neue Regierung navigiert zwischen Indien und China FAZ

    Heads

    Carmen Herold – deutsch-chinesische Kulturvermittlerin

    Berlin spielte für die musikalische Bildung von Carmen Herold, Mitgründerin des Zhao Dai Club (招待会), keine entscheidende Rolle. Auf den ersten Blick würden das manche zwar vermuten, doch die Tochter einer Chinesin und eines Deutschen sieht sich eher in Verbindung mit den Traditionslinien des Großraums Frankfurts, wo sie auch aufwuchs. “Musik und freie Kunst waren in der Frankfurter Szene historisch immer enger verzahnt als in Berlin. Da war eine Gesamtheit von verschiedenen ästhetischen Erfahrungen präsent, die es sonst nicht gab”, sagt Herold. 

    Mit einem Stipendium des Konfuzius-Instituts ging Herold für ein Jahr nach China, das war direkt nach ihrem Abitur. In dieser Zeit hat sie sich dem Studium von Sprache und Kultur vor Ort hingegeben, in der Hauptsache aber in endlosen Stadterkundungen Kontakte zur lokalen Kunstszene geknüpft. Nach einem Bachelor in Berlin, einer auserzählt wirkenden Stadt, war für sie klar, dass sie zurück muss. Eine Anstellung fand sie in der Kulturabteilung des Goethe-Instituts Beijing, für das sie kuratorische Projekte in den Bereichen Film, Theater und Diskurs realisierte. 

    Teil der neuen Club-Generation

    2017 schwappte dann eine Welle der Cluberöffnungen durch das Land. “Club Spaces waren in der Zeit unheimlich wichtig für subversive Kulturen, in denen konnten emanzipative Potenziale entfesselt werden.” Zusammen mit drei Verbündeten, die sie während ihres ersten Aufenthalts kennengelernt hatte, gründete Herold dann Zhao Dai. Im Programm stand mehr als nur Musik. “Die ikonischen Clubs in China waren deswegen ikonisch, weil sie auch Künstler*innen ausgestellt haben, die in Galerien nicht ausstellen konnten.” Auf diese Weise konnte künstlerischen Positionen, die im Establishment keinen Platz fanden, eine Bühne und ein Publikum geboten werden.  

    Doch es gab einen größeren Traum, der lange unerreichbar schien. “In China ein Festival zu organisieren, das ist fast nicht umsetzbar.” Dann aber fand sich eine Möglichkeit: Aranya (安啊呀), ein frisch erbauter Badeort, bot künstlerischen Projekten Zuschüsse an, in der Hoffnung, dass durch den Zuzug von kulturellem Kapital sich auch finanzielles Kapital anziehen lasse. Ein solcher Ort war zwar nicht die erste Wahl von Herold, “aber dafür hatten wir kaum Restriktionen und konnten subventionierte Tickets für ein Line-up verkaufen, das wir mit freier Hand zusammengestellt haben”.

    Zhao Dai On Leave, wie das Festival getauft wurde, geht nächstes Jahr in die dritte Runde. Angedacht sind neben elektronischer Musik auch erstmalig experimentelle Live-Musik und Performances von freien Künstlern. 

    Ein “Make-or-Break-Moment” 

    Dass der Sound in China oft beißend, brennend und brutal ist, das habe seine Gründe darin, dass sich hierdurch ein ästhetischer Widerstand ausdrücken und gemeinschaftlich erfahren lässt. Ein Widerstand, der eine Alternative zu anderen Oppositionsformen wie etwa Straßenprotesten bietet. “Eine spracharme Musik ist vor Zensur geschützt, und trotzdem kann sie ihre Leute zielgenau ansprechen. Das macht die derzeitige Szene spannender als viele andere, die ich kenne”, erklärt Herold. 

    Es sei momentan aber ungewiss, ob diese Lebendigkeit sich halten könne. Die meisten Ausländer sind nicht mehr da, und auch viele der Chinesen, die die Möglichkeit dazu haben, gehen weg. “Wir haben 40 Prozent unseres alten Korpus an Alliierten verloren.” Ob der großformatige Wegzug neuen, aufstrebenden Acts die Chance zur Entfaltung geben wird, oder ob sich eine um sich selbst kreisende Szene eher früher als später erschöpft, das sei jetzt noch nicht abzusehen, meint Herold.

    Überpolitisiertes, unterästhetisiertes China

    Auch sie selbst ist nicht mehr vor Ort, nicht mehr im Kernteam von Zhao Dai. Mittlerweile ist sie eher so etwas wie eine beratende Auslandskorrespondentin. Denn seit einem Jahr widmet Herold sich einem Ausbildungsprogramm des Goethe-Instituts, das angehende Institutsleitungen auf ihre Entsendungen vorbereitet. Dabei ist eines sicher, ganz gleich, an welche Orte es sie noch verschlagen wird: Neben ihren engen Kontakten in die chinesische Kunstszene wird Herold immer die Erfahrungen und Überzeugungen mitbringen, die sie sich während ihres Masters in Postcolonial Studies an der New York Universität erschloss: “Wenn man sich fragt, wie sich Kulturinstitutionen zukunftsfähig machen lassen und welche Themen man noch reinbringen sollte, dann muss man feststellen: Postkoloniale Ansätze sind in Deutschland immer noch ein unterrepräsentiertes Thema.” 

    Das gelte nicht nur für Kulturdiskurse und Kunstförderung. Auch für den deutschen Blick nach Fernost findet Herold klare, scharfe Worte: “Begriffe wie ‘China-Watcher’ sind so problematisch, dass es besser wäre, wenn sie verschwinden würden.” Wenn die politisch so häufig geforderte China-Kompetenz nur darin bestünde, extraktivistisches Wissen über China im Dienst ökonomischer Interessen zu generieren, dann möchte Herold nicht als China-Kompetenzlerin verstanden werden.

    Wer China hingegen ernst nehmen wolle, der müsse sich mit einer vielfältigen Bandbreite an Leuten und ihren konkreten Anliegen auseinandersetzen, und zwar im persönlichen Kontakt. Dabei solle es durchaus möglich bleiben, sich differenziert und kritisch zu China zu äußern – nur eben ohne das ganze Land direkt unter Generalverdacht zu stellen, wie es immer noch häufig geschehe. 

    Dazu gehört auch, dass Herold sich wünscht, dass den Chinesinnen und Chinesen mehr “ästhetische Agency” zugesprochen wird. Es bestünde in Deutschland die Tendenz, dass China, im Gegensatz zu Japan, überpolitisiert und unterästhetisiert wird. Wenn sich daran nichts ändert, so sei es kaum zu vermeiden, dass der hiesigen Beobachtung die Dissidenten und subversiven chinesischen Stimmergreifungen entwischen. Gerade dann, wenn diese Stimmen sich nicht in Sätzen und Worten, sondern in Technosounds Gehör verschaffen. Julius Schwarzwälder

    • Goethe Institut
    • Konfuzius-Institute
    • Kultur
    • Musik

    Personalien

    Huan-Hai Chou ist seit Anfang Januar Senior Manager IT Digital Service Sales & Commerce für Mercedes-Benz in China. Davor war er Manager für IT Parts Trading, Pricing & Service Contracts bei dem Autobauer aus Baden-Württemberg.

    Stefanie Stangl ist seit Anfang Januar im Strategy Expert User Operations Center bei FAW-Audi Sales in Hangzhou tätig. Stangl war bis Ende 2023 Digital Business Market Consultant bei Audi in Ingolstadt.

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    Dessert

    Was aussieht wie ein neues Videospiel, ist in Wirklichkeit Taiwans Wahl-O-Mat. Er soll unentschiedenen Wählerinnen und Wählern vor der Stimmabgabe helfen, ihren besten Kandidaten zu finden. Doch die pixeligen Anzugträger müssen hier nicht im Jump-and-Run antreten. Durch die Beantwortung von zehn Fragen kann der Benutzer zu einem Ergebnis kommen. Dieser Wahl-O-Mat stammt vom digitalen taiwanischen Medienhaus The News Lens. In Deutschland wird der Wahl-O-Mat von der Bundeszentrale für politische Bildung angeboten.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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