Strategie hier, Strategie da. Im Umgang mit der Volksrepublik China ist ein weitsichtiger Handlungsfaden von elementarer Bedeutung, sonst nutzen clevere chinesische Strategen ihrerseits jeden Widerspruch. Da macht ihnen einfach niemand etwas vor. Dieses Zugeständnis sollten wir uns im Jahr 2022 einfach mal gönnen.
Umso frustrierender ist es, dass die deutsche Politik noch immer an einer stringenten Linie bastelt, während Peking seit Jahren sehr genau weiß, was es will und was es tut. Immerhin soll die Veröffentlichung der künftigen deutschen China-Strategie kurz bevorstehen.
Wie wichtig ein solches Papier, aber vor allem seine Umsetzung im Umgang mit China ist, erklärt der Sicherheitsberater der Bundesregierung, Stefan Mair, im heutigen Interview. Dabei geht es nicht allein um China, sondern auch um eine allgemeine Sicherheitsstrategie unseres Landes, die Nationale Sicherheitsstrategie.
Sinnvoll ist es aber, dass Leitlinien nicht in Stein gemeißelt, sondern dem nötigen Wandel unterworfen sind. An den Grundprinzipien sollte man dabei nicht rütteln, aber auf Veränderungen flexibel reagieren. Das wissen auch Unternehmen, die in China tätig sind.
Adidas beispielsweise. Der Sportartikel-Hersteller verkauft deutlich weniger Laufschuhe und -shirts als noch vor wenigen Jahren. Dass sich die Strategie ändern muss, ist inzwischen klar. Doch hoffentlich distanziert sich das Unternehmen nicht von seiner Sorge über Zwangsarbeit in Xinjiang, die wohl dazu beigetragen hat, dass die Verkäufe einbrachen. Denn diese Sorge zählt zu den Grundprinzipien, an denen Adidas nicht rütteln darf.

Herr Mair, Anfang 2023 will die Bundesregierung ihre Nationale Sicherheitsstrategie vorlegen. Klären wir zunächst den Begriff: Was ist eine Sicherheitsstrategie?
Eine Strategie analysiert das Umfeld eines Landes, mit welchen Bedrohungen es zu rechnen und auf welche Veränderungen es sich einzustellen hat. Dann beantwortet sie die Frage, was die nationalen Ziele im Rahmen einer Sicherheitsstrategie sind und versucht, beides zusammenzubringen: Wie können wir in diesem Umfeld unsere Ziele durchbringen, welche Instrumente und Mittel haben wir dafür, wo setzen wir die Prioritäten.
Was unterscheidet die Sicherheitsstrategie von einer militärischen Strategie?
Sicherheitspolitik ist mehr als Verteidigungs- und Militärpolitik. Sie erhebt den Anspruch, weite Teile der Außenpolitik mitzugestalten. Das umfasst ein weites Feld bis hin zur Klimaaußenpolitik. Im Prinzip ist es eher eine außenpolitische Strategie als eine Sicherheitsstrategie.
Was leitet sich aus dieser Strategie dann ab? Ich denke zum Beispiel an die künftige Aufstellung der Bundeswehr oder an ein Rüstungsexportkontrollgesetz.
Die Aufstellung der Bundeswehr leitet sich eher aus dem Weißbuch ab. Ich gehe davon aus, dass das Verteidigungsministerium auch künftig ein solches Dokument vorlegen wird. Die Sicherheitsstrategie setzt eher unsere außenpolitischen Prioritäten und zeigt auf, mit welchen Mitteln wir sie voranbringen wollen. Das soll ein schlankes Dokument werden; der Arbeitsstab spricht von 25 bis 40 Seiten. Da kann man nicht zu sehr ins Detail gehen. Ich verstehe es mehr als Dachpapier für weitere Strategien, etwa die China-Strategie, an der die Bundesregierung derzeit arbeitet.
Andere Länder legen regelmäßig Sicherheitsstrategien vor. Warum gab es das in Deutschland bisher nicht?
Das ist bisher noch in jeder Koalitionsverhandlung gescheitert. Die Forderung nach einer Sicherheitsstrategie gibt es schon lange, etwa im Bundestag oder in der sicherheitspolitischen Gemeinde. Ich habe mich gefreut, als die aktuelle Koalition festlegte, eine außenpolitische Strategie zu erarbeiten.
Wo waren denn unsere bisherigen Vorstellungen von Sicherheit niedergeschrieben?
Niederschlag fanden sie eher in internen Dokumenten im Kanzleramt, Außen- und Verteidigungsministerium. Es gab aber keine öffentliche Debatte darüber, wie wir Sicherheit definieren und wo wir Prioritäten setzen. Am nächsten kamen wir damit immer mit dem Weißbuch.
Auch Sie persönlich beraten die Bundesregierung bei der Erarbeitung der Strategie. Lassen Sie uns teilhaben: Wo liegen unsere nationalen Sicherheitsinteressen?
Die Annahme, wir seien von Freunden umgeben und könnten unsere militärischen Kapazitäten zurückbauen, trifft nicht mehr zu. Wir sehen uns wieder einer unmittelbaren militärischen Bedrohung gegenüber, die von Russland ausgeht. Darüber hinaus müssen wir mit anderen Bedrohungen rechnen, vor allem der systemischen Rivalität mit China, die sich noch nicht in einer militärischen Konfliktlage niederschlägt, was aber im Indopazifik nicht auszuschließen ist. Der internationale Terrorismus existiert noch immer und wir dürfen auch instabile Weltgegenden, die derzeit nicht so im Fokus sind, nicht vernachlässigen, zum Beispiel die Sahelzone.
Warum ist der Systemkonflikt mit China gefährlicher als der aktuelle Konflikt mit Russland?
Vor allem, weil China, anders als Russland, über die wirtschaftlichen Mittel verfügt, einen Konflikt lange durchzuhalten. Das schlägt sich auch in der gerade veröffentlichten amerikanischen Sicherheitsstrategie nieder. China hat sowohl eine andere Vorstellung seines Gesellschaftssystems als auch von der Weltordnung und es verfügt über das ökonomische Potenzial, eine zentrale Rolle bei der Revision dieser Ordnung zu spielen. Das ist bei Russland anders. Es steht wirtschaftlich auf tönernen Füßen, ist vom Rohstoffexport abhängig und schafft es nicht, nachhaltiges Wachstum zu generieren.
Was folgt aus Ihrer Beschreibung zu China für unsere Sicherheitsstrategie?
Wir werden den Dreiklang in der China-Politik beibehalten. Danach ist das Land unverzichtbarer Partner, um globale Herausforderungen wie den Klimawandel zu bewältigen, ökonomischer und technologischer Wettbewerber und systemischer Rivale, was sich insbesondere bei Menschenrechten und Ordnungsfragen niederschlägt.
Betrachten wir die Bedrohungen eine Nummer kleiner: Die Russen erlauben den Israelis Überflüge in Syrien, um iranische Waffentransporte für die Hisbollah zu bombardieren. Gleichzeitig halten sich die Israelis bei der Unterstützung der Ukraine zurück, obwohl sie eine Demokratie sind. Wie kann man solche ad hoc entstehenden Querallianzen in einer Sicherheitsstrategie berücksichtigen?
Unheimlich schwer. Wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, in einer sehr unsicheren und unübersichtlichen Welt zu leben, wo genau diese Art von merkwürdigen Allianzen entstehen werden. Wir müssen uns verstärkt Ländern zuwenden, die man nicht der einen oder anderen Seite zuordnen kann. Und wir müssen mit ihnen umgehen lernen, auf sie zugehen, sie in unsere politischen Ansätze einbinden. Das haben wir in der Vergangenheit vernachlässigt. Die Bundeskanzlerin hat oft China und die USA besucht, andere Weltgegenden eher selten.
Russland, die USA und andere Länder diskutieren wieder den Nuklearwaffeneinsatz. Inwieweit wird die Nuklearwaffen-Politik Teil unserer deutschen Sicherheitsstrategie sein?
Nuklearwaffen sind noch immer ein Tabuthema. Der Bundeskanzler hat in seiner Zeitenwende-Rede zwar klargemacht, dass sich Deutschland weiter an der nuklearen Teilhabe beteiligen wird, aber wenn wir 2024 eine neue Regierung in den USA sehen, müssen wir vermutlich über einen eigenen europäischen nuklearen Schutzschirm reden. Macron hat dazu 2020 ein Gesprächsangebot gemacht.
Ist es nicht zu spät, wenn wir uns erst 2024 darüber Gedanken machen?
Ja, wir sollten es spätestens 2024 tun. Ich glaube aber, dass es dazu nächstes Jahr umfassendere und intensivere Diskussionen geben wird.
Gerade erst haben die USA ihre Nationale Sicherheitsstrategie vorgelegt, Frankreich folgt in Kürze. Das sind Deutschlands wichtigste Partner. Inwiefern waren wir bei der Erarbeitung dieser Strategien involviert?
Ich komme gerade aus Washington, wo ich einen der Autoren der US-Sicherheitsstrategie getroffen habe. Die Amerikaner haben viele Gespräche mit ihren Partnern geführt, auch mit uns. Umgekehrt tun wir das auch mit unseren europäischen und amerikanischen Partnern.
Wie lange ist eine Sicherheitsstrategie gültig?
Ich würde mir wünschen, dass wir uns einen ähnlichen Rhythmus gäben wie die USA: Mit jeder neuen Bundesregierung würde die Sicherheitsstrategie überarbeitet oder neu formuliert.
Stefan Mair ist promovierter Politologe und Volkswirt. Seit 2020 ist er Direktor des Deutschen Instituts für Internationale Politik und Sicherheit und geschäftsführender Vorsitzender der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP. Die SWP berät das Parlament und die Regierung in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik. Zuvor war Mair Mitglied der Geschäftsführung des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI).

Auf Björn Gulden kommt viel Arbeit zu. Der langjährige Puma-Chef wird im Januar die Führung bei Adidas übernehmen. Der bisherige Adidas-Vorstandschef, Kasper Rorsted, musste nach sechs Jahren an der Spitze das Unternehmen vor zwei Wochen verlassen. Rorsted wurde einst wegen seiner wirtschaftlichen Erfolge gefeiert, zuletzt galt er aber zunehmend als glückloser Konzernlenker. Beides hat viel mit dem China-Geschäft von Adidas zu tun.
Die Umsätze brachen auf dem wichtigen chinesischen Markt im dritten Quartal abermals um 27 Prozent ein. Laut Adidas sind zum Teil die strengen Covid-Maßnahmen für das schwache Ergebnis verantwortlich. Doch heimische chinesische Marken scheinen weniger darunter zu leiden. So stieg zuletzt das chinesische Unternehmen Anta erstmals zur größten Sport-Marke in China auf.
Anta meldete für das erste Halbjahr einen Umsatz von 25,9 Milliarden Yuan (3,5 Milliarden Euro), ein Anstieg von 13,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das reichte, um am bisherigen Branchen-Primus Nike vorbeizuziehen (China.Table berichtete). Adidas rutschte dagegen auf den vierten Platz im Ranking ab, da auch Li-Ning, die zweite große heimische Marke in China, mehr verkaufte als die Deutschen.
Dabei lief es für Adidas lange richtig gut in China. Zwischen 2009 und 2019 konnte der Konzern seinen Marktanteil auf mehr als 20 Prozent verdoppeln. Doch dann begannen die Probleme. Wie auch andere westliche Firmen geriet Adidas unter Druck, nachdem es als Mitglied der Better Cotton Initiative (BCI) angeprangert wurde. Die BCI hatte 2020 in einer Studie ein steigendes Risiko von Zwangsarbeit bei Baumwollfarmen in der westchinesischen Region Xinjiang festgestellt.
Zahlreiche Unternehmen gaben Stellungnahmen ab, wonach sie besorgt über Zwangsarbeit seien und keine Baumwolle mehr aus Xinjiang beziehen würden – oder dies nie getan hätten. Was bei westlichen Menschenrechtlern auf Zustimmung stieß, hatte in China den entgegengesetzten Effekt: Unternehmen, die uns Schuhe und Kleidung verkaufen, aber nicht mal unsere Baumwolle nutzen, haben hier nichts zu suchen, lautete der Tenor in Chinas Staatsmedien (China.Table berichtete). Chinesische Hersteller wie Anta nutzten diese Nationalismus-Welle, um Marktanteile zu gewinnen (China.Table berichtete).
Dass Adidas jedoch selbst im direkten Vergleich zu Nike schlecht in China abschneidet, hat andere Gründe, was auch der scheidende Rorsted kürzlich in einem Interview mit dem Handelsblatt eingestand. “Natürlich haben wir in China Fehler gemacht”, sagte der Manager (China.Table berichtete). Adidas habe zeitweise nicht die richtigen Produkte für den Markt vorrätig gehabt. “Wir waren nicht gut genug darin, die Konsumenten zu verstehen”, so Rorsted. Die Käufer vor Ort wollten zum Beispiel einen “chinesischen Touch”.
Auch Allison Malmsten von der Beratungsgesellschaft Daxue Consulting ist überzeugt: Nike leide auf dem chinesischen Markt deutlich weniger als Adidas. “Der Grund hierfür scheint zu sein, dass Adidas in den Augen chinesischer Verbraucher eine weniger eindeutige Marktpositionierung hat”, erklärt Malmsten im Gespräch mit China.Table. Für diejenigen, die erschwingliche Qualitätsprodukte wollen, gebe es die inländischen Marken. Und Nike werde klar als Premium-Marke wahrgenommen. “Adidas ist zwischen diesen beiden Positionen eingeklemmt”, meint Malmsten. Dem künftigen Unternehmenschef Gulden rät sie, Adidas wieder innovativer zu machen. Vor allem die Zusammenarbeit mit chinesischen Designern und Athleten müsse der Konzern stärken.
Zumindest muss sich Gulden den Herausforderungen in China nicht alleine stellen. Ihm steht als China-Chef Adrian Siu zur Seite. Siu kennt sowohl Adidas als auch den chinesischen Markt sehr genau. Er arbeitete sich bei Adidas in China durch die Ränge, bis er das Unternehmen 2019 verließ. Seit April ist Siu zurück und wird von Branchenkennern als Feuerwehrmann gesehen, der schon jetzt einige richtige Entscheidungen getroffen hat. Die Personalie soll dazu beitragen, dass für Adidas in China wieder bessere Zeiten anbrechen. Jörn Petring

Teil-Lockdown in Guangzhou, weitere Todesfälle in Peking und der Staatspräsident als Kontaktperson: Am Montag hat sich die Corona-Situation in China weiter verschärft. Besonders die Covid-Infektion von Hongkongs Regierungschef John Lee dürfte in den kommenden Tagen für Gesprächsstoff sorgen. Denn Lee hatte nur wenige Stunden vor seinem Positivtest beim Apec-Gipel in Thailand neben Chinas Staatschef Xi Jinping gesessen – beide unmaskiert.
Lee war am Sonntagabend bei seiner Rückkehr nach Hongkong am Flughafen getestet und umgehend in Quarantäne gesetzt worden. Über eine mögliche Infektion von Xi, der während eines geschlossenen Treffens der Apec-Staaten rund anderthalb Meter von Lee entfernt gesessen hatte, war am Montag noch nichts bekannt gegeben worden. Xi hatte wegen der Pandemie mehr als zwei Jahre lang die Volksrepublik nicht verlassen, ehe er vor wenigen Monaten erstmals wieder ins Ausland gereist war. Kurz vor dem Apec-Gipfel war Xi beim Treffen der G20 auf Bali mit zahlreichen Regierungschefs zusammen gekommen (China.Table berichtete).
Derweil meldeten die Behörden der chinesischen Hauptstadt am Montag 27.095 Neuinfektionen und zwei weitere Todesopfer im Zusammenhang mit einer Covid-Erkrankung. Zwei Hochbetagte im Alter von 88 und 91 Jahren sind demnach verstorben. Bereits am Wochenende hatten die Pekinger Behörden die Corona-Maßnahmen in der Stadt deutlich verschärft und zahlreiche öffentliche Einrichtungen geschlossen. (China.Table berichtete.)
In Teilen des südchinesischen Guangzhou gilt seit Montag wieder ein coronabedingter Lockdown. Im Stadtbezirk Baiyun müssen die 3,7 Millionen Bewohner einen negativen PCR-Test vorlegen, wenn sie das Haus verlassen wollen. Der öffentliche Nahverkehr rollt nicht mehr, Schulen und Universitäten haben auf Distanzunterricht umgestellt. Die Maßnahmen gelten zunächst einmal bis einschließlich Freitag. grz
Die Weltklimakonferenz COP27 ist mit enttäuschenden Ergebnissen zu Ende gegangen, doch China hat die Schuldigen schon ausgemacht: Demnach seien die traditionellen Industriestaaten für die unzureichenden Resultate in Scharm el-Scheich verantwortlich. “Die globale Klimapolitik hat noch einen weiten Weg zu gehen”, sagte die Außenamtssprecherin am Montag in Peking. Die Industrieländer hätten “noch nicht ihre Verpflichtung erfüllt, jedes Jahr 100 Milliarden Dollar an Klimafinanzierung an Entwicklungsländer” zu zahlen.
Was die Zahlungen angeht, hat Peking recht: 2009 hatten Industriestaaten wie die USA oder Deutschland zugesagt, spätestens ab 2020 die Entwicklungsländer jährlich mit 100 Milliarden US-Dollar (96,9 Milliarden Euro) zu unterstützen. Das Geld soll verwendet werden für Maßnahmen zum Schutz des Klimas oder zur Anpassung an die Erderwärmung. Bislang fallen die Zahlungen jedoch weit geringer aus: So kamen 2020 lediglich 83,3 Milliarden Dollar zusammen.
China selbst aber wurde auf der Weltklimakonferenz seiner Verantwortung nicht gerecht. Als zweitgrößte Volkswirtschaft und vor allem als größter Schadstoff-Emittent der Welt hat man sich erfolgreich gegen Forderungen der EU und anderer Industriestaaten gewehrt, nicht mehr die gleichen Ansprüche wie ein Entwicklungsland stellen zu können, sondern wegen seiner Wirtschaftskraft selbst Klimahilfen für ärmere Staaten zahlen zu müssen (China.Table berichtete). rad
Vertreter des chinesischen Außenministeriums haben am Montag bestritten, dass eines seiner Küstenwachschiffe gegenüber einem philippinischen Schiff Gewalt angewendet habe. Konkret ging es um die Bergung eines im Meer schwimmenden Stücks einer Rakete, welches am Schlepptau eines philippinischen Schiffs im Südchinesischen Meer hing.
Die Außenamtssprecherin sagte auf einer Pressekonferenz in Peking, dass es sich bei dem Objekt um Stücke der Nutzlastverkleidung einer chinesischen Rakete handele – der Hülle, die den vorderen Kegel schütze. “Die philippinische Seite hatte das schwimmende Objekt zuerst geborgen und abgeschleppt. Nachdem beide Seiten vor Ort freundschaftliche Verhandlungen geführt haben, übergaben die Philippinen das schwimmende Objekt an uns”, sagte die Sprecherin. “Es war keine Situation, in der wir dem Objekt auflauerten und es uns schnappten.”
Ein philippinischer Militärkommandant hatte zuvor behauptet, die chinesische Küstenwache habe das Objekt “gewaltsam zurückgeholt”. Man sei dabei gewesen, das Objekt abzuschleppen, als sich ein chinesisches Schiff näherte, den Kurs zweimal blockierte, anschließend die Schleppleine durchtrennte und schließlich die Teile der Rakete zum Schiff der Küstenwache brachte, schilderte Vizeadmiral Alberto Carlos den Vorgang. Der Zwischenfall ereignete sich rund 700 Meter vor der Küste der Insel Pag-asa, die zu den umstrittenen Spratly-Inseln im Südchinesischen Meer gehört.
Kurze Zeit später landete US-Vizepräsidentin Kamala Harris auf den Philippinen und sicherte Manila das “unerschütterliche Engagement der USA” zu. Harris ist die ranghöchste US-Beamtin, die Manila seit der Machtübernahme von Präsident Ferdinand Marcos Junior im Juni besucht. Beobachter nehmen an, dass die Visite die Spannungen mit China anheizen könnte. Harris will am Dienstag unter anderem auch Puerto Princesa in der westlichen Inselprovinz Palawan besuchen, zu der die Insel Pag-asa gehört. rad

Die chinesisch geführte Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) hat mit einer Kreditvergabe in Kambodscha scharfe Kritik von Menschenrechtlern provoziert. Acht zivilgesellschaftliche Organisationen aus Südostasien und Europa, darunter die in Köln ansässige Stiftung Asienhaus und Urgewald e.V. aus Sassenberg, beklagen die Bewilligung von 175 Millionen US-Dollar an kambodschanische Mikrofinanzinstitute. Der Sektor ist in Kambodscha in den vergangenen Jahren mit unlauteren Praktiken aufgefallen, die zahlreiche Mikrokreditnehmer ihrer Lebensgrundlage beraubt haben.
Die Kredite gingen im Frühjahr dieses Jahres an zwei Mikro-Finanzierungsdienste, deren Praktiken in der Vergangenheit zu zahlreichen schuldengetriebenen Landverkäufen durch Kreditnehmer geführt haben. Eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hatte zuvor eine “alarmierend hohe” und “inakzeptable” Anzahl solcher Landverkäufe festgestellt. In den vergangenen fünf Jahren sei es zu 167.000 Fällen gekommen.
Mikrofinanzanbieter in Kambodscha verlangen häufig die Verpfändung von Landtiteln als Sicherheit. Diese Praxis gilt als unethisch. “Es ist enttäuschend, dass die AIIB sich entschieden hat, zu einem Zeitpunkt in den kambodschanischen Mikrokreditsektor zu investieren, an dem dieser grundlegend hinterfragt wird. Berichte von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Journalist:innen und Studien von anderen Investoren haben weit verbreitete Landnahmen, den Verlust von Lebensgrundlagen, gesundheitliche Beeinträchtigungen, den Landverlust von indigenen Völkern, die Gefährdung der Ernährungssicherheit und Kinderarbeit nachgewiesen”, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Menschenrechtsorganisationen.
Deutschland zählt zu den Gründungsmitgliedern der AIIB und hat einen Stimmanteil von gut vier Prozent. Die Volksrepublik als Gründerin der Bank genießt mit einem Stimmrecht von 26,5 Prozent den größten Einfluss auf ihre Geschicke. grz

Die deutsche Botschaft in Peking verzichtet in chinesischen Sozialmedien weiterhin auf Selbstzensur. Nachdem sie vor wenigen Wochen auf geschickte Art und Weise bereits an das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens erinnert hatte, lenkte sie nun die Aufmerksamkeit auf den in chinesischer Haft verstorbenen Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo.
Die Botschaft nutzt dazu das 50-jährige Jubiläum der diplomatischen Beziehungen, in deren Rahmen sie an prägende Ereignisse in beiden Ländern aus jedem der vergangenen 50 Jahren erinnert. In Gedenken an das Jahr 2012 veröffentlichte die deutsche Repräsentanz am Sonntag zwei Fotos. Das eine zeigt Mo Yan, wie er vor zehn Jahren als erster Chinese den Literatur-Nobelpreis verliehen bekam, obwohl er als regimetreuer Schriftsteller gilt.
Daneben stellte die Botschaft ein Bild des leeren Stuhls von Liu Xiaobo von seiner Ehrung 2010 in Oslo. Der Stuhl symbolisierte damals die haftbedingte Abwesenheit des Preisträgers. “Zwei Jahre zuvor, als ein anderer chinesischer Schriftsteller mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, blieb sein Sitz frei: Liu Xiaobo durfte nicht an der Preisverleihung teilnehmen. 2017 starb Liu Xiaobo nach vielen Jahren Gefängnis an Leberkrebs. 2018 konnte seine Frau nach acht Jahren Hausarrest nach Deutschland zur medizinischen Behandlung”, schrieb die Botschaft dazu. Der Post erhielt über 2000 Likes und mehr als 400 Kommentare.
Liu war Initiator der Charta08, einem politischen Manifest zur Verfassungsänderung und Demokratisierung in der Volksrepublik. Kurz vor ihrer Veröffentlichung war Liu festgenommen und später zu elf Jahren Gefängnis verurteilt worden.
Deutschlands neue Botschafterin in Peking, Patricia Flor, hatte in einem Interview mit China.Table vor einigen Wochen erklärt, dass sie Sozialmedien verstärkt als Kommunikationskanal nutzen wolle. grz

Im internationalen Vergleich ist die Zahl der in China lebenden Ausländer gering, und sie hat in letzter Zeit noch weiter abgenommen. Ende 2020 lebten nach der Volkszählung des Landes lediglich rund 845.000 Ausländer in China, was gerade einmal 0,06 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht. Dies ist ein außergewöhnlich niedriger Anteil, nicht nur im Vergleich zu westlichen Ländern wie den Vereinigten Staaten (15,4 Prozent), Deutschland (15,7 Prozent) oder Frankreich (12,8 Prozent), sondern auch im Vergleich zu Chinas ostasiatischen Nachbarn Japan (2,0 Prozent) oder Südkorea (2,3 Prozent) und selbst im Vergleich zum ähnlich bevölkerungsreichen – aber wirtschaftlich weniger entwickelten – Indien (0,4 Prozent).
In vielen chinesischen Provinzen ist die Zahl der Ausländer im Jahr 2020 im Vergleich zu 2010 sogar noch gesunken. So halbierte sich die Zahl der in Peking lebenden Ausländer von mehr als 91.000 auf weniger als 45.000 Personen, und auch in Shanghai ging die Zahl der Ausländer um fast ein Drittel zurück. In China insgesamt ist speziell die Zahl der Ausländer aus wirtschaftlich hoch entwickelten Ländern im gleichen Zeitraum stark zurückgegangen. Dies gilt insbesondere für Ausländer aus Chinas ostasiatischen Nachbarländern Südkorea (-51 Prozent) und Japan (-44 Prozent), aber auch für Ausländer aus westlichen Ländern wie Frankreich (-39 Prozent), den USA (-23 Prozent) und Deutschland (-22 Prozent).
Der Rückgang der in China lebenden Ausländer hat schon vor der Covid-19-Pandemie eingesetzt. In den mittlerweile fast drei Jahren der Pandemie, in denen die chinesische Regierung strenge Reisebeschränkungen und wiederholte strenge Lockdowns verhängte, hat sich der Rückgang aber noch erheblich beschleunigt. Und er wird sich wohl auch noch weiter fortsetzen. In einer Umfrage des Magazins “That’s Shanghai”, die während des strengen Lockdowns der Metropole im April dieses Jahres unter Ausländern in Shanghai durchgeführt wurde, gaben 85 Prozent der 950 Befragten an, dass der Lockdown sie dazu veranlasst hat, ihre Zukunft in China neu zu überdenken. 22 Prozent beziehungsweise 26 Prozent der Befragten gaben an, dass sie China so bald wie möglich bzw. innerhalb von 12 Monaten verlassen wollen. Nur ein geringer Anteil von 15 Prozent der Befragten plante noch, langfristig in China zu bleiben.
Seit Beginn der Pandemie gehören die strikten Reisebeschränkungen und damit verbundene Herausforderungen im Bereich des Personalmanagements zu den größten operativen Herausforderungen vieler westlicher Unternehmen in China. Insbesondere haben sich die Probleme der Unternehmen, ausländische Mitarbeiter zu binden und neue zu gewinnen, erheblich verschärft, was zu einem (weiteren) Rückgang der ausländischen Beschäftigten in China geführt hat. Die Gründe für die Schwierigkeiten der Unternehmen, ausländische Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten, gehen jedoch über die mit der Pandemie verbundenen Beschränkungen hinaus. Sie umfassen überhöhte Gehaltsvorstellungen, hohe Lebenshaltungskosten, insbesondere für Familien in den Städten, schlechte Luftqualität, strikte Medienzensur, zunehmende Ressentiments der chinesischen Bevölkerung gegenüber Ausländern sowie internationale politische Spannungen.
Trotz der Covid-19 bedingten Beschränkungen und der zunehmenden Schwierigkeiten, ausländische Fachkräfte zur Unterstützung ihrer Geschäftstätigkeit in China zu halten und anzuwerben, betrachten viele westliche Unternehmen China weiterhin als einen Schlüsselmarkt und wichtigen Investitionsstandort. Die Zuflüsse ausländischer Direktinvestitionen nach China nahmen selbst in den Jahren der Pandemie weiter zu und erreichten im Jahr 2021 ein neues Rekordniveau von mehr als 180 Milliarden Dollar. Allerdings haben sich die Investitionspläne vieler westlicher Unternehmen in China aufgrund der zahlreichen lokalen Omikron-Ausbrüche und strengen Lockdowns in Shanghai und mehreren anderen chinesischen Provinzen seit Frühjahr 2022 eingetrübt. Bislang haben viele westliche Unternehmen auf die Schwierigkeiten während der Pandemie jedoch vielmehr mit verstärkten Lokalisierungsbemühungen reagiert. Sie haben die lokale Beschaffung und lokale Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten weiter ausgebaut und technisches und betriebliches Know-how sowie Entscheidungsbefugnisse zunehmend auf ihre chinesischen Tochtergesellschaften übertragen und verstärkt ausländische durch einheimische Mitarbeiter ersetzt.
Die Substitution ausländischer durch einheimische Mitarbeiter ist zum Teil ein natürlicher, effizienzsteigernder Prozess, bei dem die Unternehmen das wachsende Reservoir hoch qualifizierter chinesischer Arbeitskräfte nutzen, um die (Arbeits-)Kosten zu senken und vom spezifischen Wissen und den persönlichen Verbindungen der einheimischen Arbeitnehmer zu profitieren. Die strikten Reisebeschränkungen und zunehmenden Schwierigkeiten bei der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer haben viele Unternehmen jedoch dazu gezwungen, diesen Prozess über das von ihnen als optimal betrachtete Maß hinaus zu beschleunigen. Eine solchermaßen “erzwungene” übermäßige Substitution ausländischer Experten durch einheimische Talente kann jedoch zu erheblichen Effizienzverlusten führen, etwa in Bezug auf die internationale Koordination, den Wissenstransfer innerhalb des multinationalen Unternehmens oder die Meinungsvielfalt bei der Entscheidungsfindung.
Indem sie Informations- und Transaktionskosten senken, fördern internationale Migration und insbesondere zugewanderte internationale Fachkräfte den internationalen Austausch von Waren, Kapital und Wissen. Für die chinesische Wirtschaft als Ganzes bedeutet die sinkende Zahl ausländischer Fachkräfte und der in China lebenden Ausländer somit tendenziell weniger wirtschaftlich vorteilhaften internationalen Handel, weniger internationale Direktinvestitionen und weniger Technologietransfer und somit ein geringeres Wachstums- und Entwicklungspotenzial. In verschiedenen technologischen Schlüsselbereichen sind die chinesischen Unternehmen derzeit noch weit von der chinesischen Regierung angestrebten Technologieführerschaft entfernt. Und bei vielen spezifischen, vor allem technologisch und qualitativ anspruchsvollen Vorleistungen sind die Unternehmen in China derzeit noch von Importen und Lieferanten aus dem Ausland abhängig. Um seine ehrgeizigen Wachstums- und Entwicklungsziele zu erreichen, wird China daher auch weiterhin auf internationalen Handel und Investitionen sowie auf den Transfer von ausländischem Wissen angewiesen sein.
Vor allem aufgrund der zu erwartenden negativen Auswirkungen auf den internationalen Handel und internationale Investitionen könnte der Rückgang der ausländischen Arbeitskräfte und der ausländischen Bevölkerung in China auch außerhalb Chinas negative wirtschaftliche Effekte haben. Europa mit seinen zahlreichen in China tätigen Unternehmen und seinen intensiven Handels- und Investitionsbeziehungen dürfte davon besonders stark betroffen sein. Die durch die anhaltenden Reisebeschränkungen und die sinkende Zahl von Ausländern in China ausgelöste “zwischenmenschliche Entkopplung” könnte so zu einem weiteren Treiber der umfassenderen wirtschaftlichen und technologischen Entkopplungstendenzen zwischen China und dem Westen werden. Und sie wird das gegenseitige Verständnis zwischen China und dem Westen nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Politik und der Gesellschaft insgesamt weiter verringern.
Frank Bickenbach ist stellvertretender Leiter des Forschungszentrums “Internationaler Handel und Investitionen” und Senior Researcher im Forschungszentrum “Innovation und internationaler Wettbewerb” am Kiel Institut für Weltwirtschaft.
Wan-Hsin Liu ist Senior Researcherin in den Forschungszentren “Internationaler Handel und Investitionen” und “Innovation und internationaler Wettbewerb” am Kiel Institut für Weltwirtschaft. Sie ist außerdem Koordinatorin des Kieler Zentrums für Globalisierung.
Dieser Artikel ist eine gekürzte und aktualisierte Version eines Textes von Bickenbach und Liu veröffentlicht in Intereconomics. Er steht im Kontext der Veranstaltungsreihe Global China Conversations des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW). Am Donnerstag (11.00 Uhr MEZ) diskutieren Maximilian Butek, Delegationsleiter der Deutschen Industrie- und Handelskammer Shanghai und Wan-Hsin Liu, Senior Researcherin am Kiel Institut für Weltwirtschaft, über das Thema: “Expats verlassen China: Welche Konsequenzen ergeben sich für multinationale Unternehmen und Chinas Wirtschaft?”. China.Table ist der Medienpartner dieser Veranstaltungsreihe.
Xu Xiaoliang ist neuer Vorstandsvorsitzender der Fosun Tourism Group. Der 49-jährige studierte Betriebswirt folgt auf Qian Jiannong, der in den Ruhestand geht, aber “Ehrenvorsitzender” des Aufsichtsrats bleiben soll. Zur Fosun Tourism Group gehören unter anderem Club Med, Thomas Cook und Hotelmarken wie Casa Cook.
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Mit zahlreichen öffentlichen Illuminationen im ganzen Land würdigte die Volksrepublik China am vergangenen Samstag den Internationalen Tag der Kinderrechte. Der Tag erinnert an den 20. November 1989, als die UN-Kinderrechtskonvention verabschiedet wurde. Hier erstrahlt ein Hochhaus-Komplex in Wuhan. Das Datum ist nicht zu verwechseln mit dem Weltkindertag, der jährlich am 20. September begangen wird.
Strategie hier, Strategie da. Im Umgang mit der Volksrepublik China ist ein weitsichtiger Handlungsfaden von elementarer Bedeutung, sonst nutzen clevere chinesische Strategen ihrerseits jeden Widerspruch. Da macht ihnen einfach niemand etwas vor. Dieses Zugeständnis sollten wir uns im Jahr 2022 einfach mal gönnen.
Umso frustrierender ist es, dass die deutsche Politik noch immer an einer stringenten Linie bastelt, während Peking seit Jahren sehr genau weiß, was es will und was es tut. Immerhin soll die Veröffentlichung der künftigen deutschen China-Strategie kurz bevorstehen.
Wie wichtig ein solches Papier, aber vor allem seine Umsetzung im Umgang mit China ist, erklärt der Sicherheitsberater der Bundesregierung, Stefan Mair, im heutigen Interview. Dabei geht es nicht allein um China, sondern auch um eine allgemeine Sicherheitsstrategie unseres Landes, die Nationale Sicherheitsstrategie.
Sinnvoll ist es aber, dass Leitlinien nicht in Stein gemeißelt, sondern dem nötigen Wandel unterworfen sind. An den Grundprinzipien sollte man dabei nicht rütteln, aber auf Veränderungen flexibel reagieren. Das wissen auch Unternehmen, die in China tätig sind.
Adidas beispielsweise. Der Sportartikel-Hersteller verkauft deutlich weniger Laufschuhe und -shirts als noch vor wenigen Jahren. Dass sich die Strategie ändern muss, ist inzwischen klar. Doch hoffentlich distanziert sich das Unternehmen nicht von seiner Sorge über Zwangsarbeit in Xinjiang, die wohl dazu beigetragen hat, dass die Verkäufe einbrachen. Denn diese Sorge zählt zu den Grundprinzipien, an denen Adidas nicht rütteln darf.

Herr Mair, Anfang 2023 will die Bundesregierung ihre Nationale Sicherheitsstrategie vorlegen. Klären wir zunächst den Begriff: Was ist eine Sicherheitsstrategie?
Eine Strategie analysiert das Umfeld eines Landes, mit welchen Bedrohungen es zu rechnen und auf welche Veränderungen es sich einzustellen hat. Dann beantwortet sie die Frage, was die nationalen Ziele im Rahmen einer Sicherheitsstrategie sind und versucht, beides zusammenzubringen: Wie können wir in diesem Umfeld unsere Ziele durchbringen, welche Instrumente und Mittel haben wir dafür, wo setzen wir die Prioritäten.
Was unterscheidet die Sicherheitsstrategie von einer militärischen Strategie?
Sicherheitspolitik ist mehr als Verteidigungs- und Militärpolitik. Sie erhebt den Anspruch, weite Teile der Außenpolitik mitzugestalten. Das umfasst ein weites Feld bis hin zur Klimaaußenpolitik. Im Prinzip ist es eher eine außenpolitische Strategie als eine Sicherheitsstrategie.
Was leitet sich aus dieser Strategie dann ab? Ich denke zum Beispiel an die künftige Aufstellung der Bundeswehr oder an ein Rüstungsexportkontrollgesetz.
Die Aufstellung der Bundeswehr leitet sich eher aus dem Weißbuch ab. Ich gehe davon aus, dass das Verteidigungsministerium auch künftig ein solches Dokument vorlegen wird. Die Sicherheitsstrategie setzt eher unsere außenpolitischen Prioritäten und zeigt auf, mit welchen Mitteln wir sie voranbringen wollen. Das soll ein schlankes Dokument werden; der Arbeitsstab spricht von 25 bis 40 Seiten. Da kann man nicht zu sehr ins Detail gehen. Ich verstehe es mehr als Dachpapier für weitere Strategien, etwa die China-Strategie, an der die Bundesregierung derzeit arbeitet.
Andere Länder legen regelmäßig Sicherheitsstrategien vor. Warum gab es das in Deutschland bisher nicht?
Das ist bisher noch in jeder Koalitionsverhandlung gescheitert. Die Forderung nach einer Sicherheitsstrategie gibt es schon lange, etwa im Bundestag oder in der sicherheitspolitischen Gemeinde. Ich habe mich gefreut, als die aktuelle Koalition festlegte, eine außenpolitische Strategie zu erarbeiten.
Wo waren denn unsere bisherigen Vorstellungen von Sicherheit niedergeschrieben?
Niederschlag fanden sie eher in internen Dokumenten im Kanzleramt, Außen- und Verteidigungsministerium. Es gab aber keine öffentliche Debatte darüber, wie wir Sicherheit definieren und wo wir Prioritäten setzen. Am nächsten kamen wir damit immer mit dem Weißbuch.
Auch Sie persönlich beraten die Bundesregierung bei der Erarbeitung der Strategie. Lassen Sie uns teilhaben: Wo liegen unsere nationalen Sicherheitsinteressen?
Die Annahme, wir seien von Freunden umgeben und könnten unsere militärischen Kapazitäten zurückbauen, trifft nicht mehr zu. Wir sehen uns wieder einer unmittelbaren militärischen Bedrohung gegenüber, die von Russland ausgeht. Darüber hinaus müssen wir mit anderen Bedrohungen rechnen, vor allem der systemischen Rivalität mit China, die sich noch nicht in einer militärischen Konfliktlage niederschlägt, was aber im Indopazifik nicht auszuschließen ist. Der internationale Terrorismus existiert noch immer und wir dürfen auch instabile Weltgegenden, die derzeit nicht so im Fokus sind, nicht vernachlässigen, zum Beispiel die Sahelzone.
Warum ist der Systemkonflikt mit China gefährlicher als der aktuelle Konflikt mit Russland?
Vor allem, weil China, anders als Russland, über die wirtschaftlichen Mittel verfügt, einen Konflikt lange durchzuhalten. Das schlägt sich auch in der gerade veröffentlichten amerikanischen Sicherheitsstrategie nieder. China hat sowohl eine andere Vorstellung seines Gesellschaftssystems als auch von der Weltordnung und es verfügt über das ökonomische Potenzial, eine zentrale Rolle bei der Revision dieser Ordnung zu spielen. Das ist bei Russland anders. Es steht wirtschaftlich auf tönernen Füßen, ist vom Rohstoffexport abhängig und schafft es nicht, nachhaltiges Wachstum zu generieren.
Was folgt aus Ihrer Beschreibung zu China für unsere Sicherheitsstrategie?
Wir werden den Dreiklang in der China-Politik beibehalten. Danach ist das Land unverzichtbarer Partner, um globale Herausforderungen wie den Klimawandel zu bewältigen, ökonomischer und technologischer Wettbewerber und systemischer Rivale, was sich insbesondere bei Menschenrechten und Ordnungsfragen niederschlägt.
Betrachten wir die Bedrohungen eine Nummer kleiner: Die Russen erlauben den Israelis Überflüge in Syrien, um iranische Waffentransporte für die Hisbollah zu bombardieren. Gleichzeitig halten sich die Israelis bei der Unterstützung der Ukraine zurück, obwohl sie eine Demokratie sind. Wie kann man solche ad hoc entstehenden Querallianzen in einer Sicherheitsstrategie berücksichtigen?
Unheimlich schwer. Wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, in einer sehr unsicheren und unübersichtlichen Welt zu leben, wo genau diese Art von merkwürdigen Allianzen entstehen werden. Wir müssen uns verstärkt Ländern zuwenden, die man nicht der einen oder anderen Seite zuordnen kann. Und wir müssen mit ihnen umgehen lernen, auf sie zugehen, sie in unsere politischen Ansätze einbinden. Das haben wir in der Vergangenheit vernachlässigt. Die Bundeskanzlerin hat oft China und die USA besucht, andere Weltgegenden eher selten.
Russland, die USA und andere Länder diskutieren wieder den Nuklearwaffeneinsatz. Inwieweit wird die Nuklearwaffen-Politik Teil unserer deutschen Sicherheitsstrategie sein?
Nuklearwaffen sind noch immer ein Tabuthema. Der Bundeskanzler hat in seiner Zeitenwende-Rede zwar klargemacht, dass sich Deutschland weiter an der nuklearen Teilhabe beteiligen wird, aber wenn wir 2024 eine neue Regierung in den USA sehen, müssen wir vermutlich über einen eigenen europäischen nuklearen Schutzschirm reden. Macron hat dazu 2020 ein Gesprächsangebot gemacht.
Ist es nicht zu spät, wenn wir uns erst 2024 darüber Gedanken machen?
Ja, wir sollten es spätestens 2024 tun. Ich glaube aber, dass es dazu nächstes Jahr umfassendere und intensivere Diskussionen geben wird.
Gerade erst haben die USA ihre Nationale Sicherheitsstrategie vorgelegt, Frankreich folgt in Kürze. Das sind Deutschlands wichtigste Partner. Inwiefern waren wir bei der Erarbeitung dieser Strategien involviert?
Ich komme gerade aus Washington, wo ich einen der Autoren der US-Sicherheitsstrategie getroffen habe. Die Amerikaner haben viele Gespräche mit ihren Partnern geführt, auch mit uns. Umgekehrt tun wir das auch mit unseren europäischen und amerikanischen Partnern.
Wie lange ist eine Sicherheitsstrategie gültig?
Ich würde mir wünschen, dass wir uns einen ähnlichen Rhythmus gäben wie die USA: Mit jeder neuen Bundesregierung würde die Sicherheitsstrategie überarbeitet oder neu formuliert.
Stefan Mair ist promovierter Politologe und Volkswirt. Seit 2020 ist er Direktor des Deutschen Instituts für Internationale Politik und Sicherheit und geschäftsführender Vorsitzender der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP. Die SWP berät das Parlament und die Regierung in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik. Zuvor war Mair Mitglied der Geschäftsführung des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI).

Auf Björn Gulden kommt viel Arbeit zu. Der langjährige Puma-Chef wird im Januar die Führung bei Adidas übernehmen. Der bisherige Adidas-Vorstandschef, Kasper Rorsted, musste nach sechs Jahren an der Spitze das Unternehmen vor zwei Wochen verlassen. Rorsted wurde einst wegen seiner wirtschaftlichen Erfolge gefeiert, zuletzt galt er aber zunehmend als glückloser Konzernlenker. Beides hat viel mit dem China-Geschäft von Adidas zu tun.
Die Umsätze brachen auf dem wichtigen chinesischen Markt im dritten Quartal abermals um 27 Prozent ein. Laut Adidas sind zum Teil die strengen Covid-Maßnahmen für das schwache Ergebnis verantwortlich. Doch heimische chinesische Marken scheinen weniger darunter zu leiden. So stieg zuletzt das chinesische Unternehmen Anta erstmals zur größten Sport-Marke in China auf.
Anta meldete für das erste Halbjahr einen Umsatz von 25,9 Milliarden Yuan (3,5 Milliarden Euro), ein Anstieg von 13,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das reichte, um am bisherigen Branchen-Primus Nike vorbeizuziehen (China.Table berichtete). Adidas rutschte dagegen auf den vierten Platz im Ranking ab, da auch Li-Ning, die zweite große heimische Marke in China, mehr verkaufte als die Deutschen.
Dabei lief es für Adidas lange richtig gut in China. Zwischen 2009 und 2019 konnte der Konzern seinen Marktanteil auf mehr als 20 Prozent verdoppeln. Doch dann begannen die Probleme. Wie auch andere westliche Firmen geriet Adidas unter Druck, nachdem es als Mitglied der Better Cotton Initiative (BCI) angeprangert wurde. Die BCI hatte 2020 in einer Studie ein steigendes Risiko von Zwangsarbeit bei Baumwollfarmen in der westchinesischen Region Xinjiang festgestellt.
Zahlreiche Unternehmen gaben Stellungnahmen ab, wonach sie besorgt über Zwangsarbeit seien und keine Baumwolle mehr aus Xinjiang beziehen würden – oder dies nie getan hätten. Was bei westlichen Menschenrechtlern auf Zustimmung stieß, hatte in China den entgegengesetzten Effekt: Unternehmen, die uns Schuhe und Kleidung verkaufen, aber nicht mal unsere Baumwolle nutzen, haben hier nichts zu suchen, lautete der Tenor in Chinas Staatsmedien (China.Table berichtete). Chinesische Hersteller wie Anta nutzten diese Nationalismus-Welle, um Marktanteile zu gewinnen (China.Table berichtete).
Dass Adidas jedoch selbst im direkten Vergleich zu Nike schlecht in China abschneidet, hat andere Gründe, was auch der scheidende Rorsted kürzlich in einem Interview mit dem Handelsblatt eingestand. “Natürlich haben wir in China Fehler gemacht”, sagte der Manager (China.Table berichtete). Adidas habe zeitweise nicht die richtigen Produkte für den Markt vorrätig gehabt. “Wir waren nicht gut genug darin, die Konsumenten zu verstehen”, so Rorsted. Die Käufer vor Ort wollten zum Beispiel einen “chinesischen Touch”.
Auch Allison Malmsten von der Beratungsgesellschaft Daxue Consulting ist überzeugt: Nike leide auf dem chinesischen Markt deutlich weniger als Adidas. “Der Grund hierfür scheint zu sein, dass Adidas in den Augen chinesischer Verbraucher eine weniger eindeutige Marktpositionierung hat”, erklärt Malmsten im Gespräch mit China.Table. Für diejenigen, die erschwingliche Qualitätsprodukte wollen, gebe es die inländischen Marken. Und Nike werde klar als Premium-Marke wahrgenommen. “Adidas ist zwischen diesen beiden Positionen eingeklemmt”, meint Malmsten. Dem künftigen Unternehmenschef Gulden rät sie, Adidas wieder innovativer zu machen. Vor allem die Zusammenarbeit mit chinesischen Designern und Athleten müsse der Konzern stärken.
Zumindest muss sich Gulden den Herausforderungen in China nicht alleine stellen. Ihm steht als China-Chef Adrian Siu zur Seite. Siu kennt sowohl Adidas als auch den chinesischen Markt sehr genau. Er arbeitete sich bei Adidas in China durch die Ränge, bis er das Unternehmen 2019 verließ. Seit April ist Siu zurück und wird von Branchenkennern als Feuerwehrmann gesehen, der schon jetzt einige richtige Entscheidungen getroffen hat. Die Personalie soll dazu beitragen, dass für Adidas in China wieder bessere Zeiten anbrechen. Jörn Petring

Teil-Lockdown in Guangzhou, weitere Todesfälle in Peking und der Staatspräsident als Kontaktperson: Am Montag hat sich die Corona-Situation in China weiter verschärft. Besonders die Covid-Infektion von Hongkongs Regierungschef John Lee dürfte in den kommenden Tagen für Gesprächsstoff sorgen. Denn Lee hatte nur wenige Stunden vor seinem Positivtest beim Apec-Gipel in Thailand neben Chinas Staatschef Xi Jinping gesessen – beide unmaskiert.
Lee war am Sonntagabend bei seiner Rückkehr nach Hongkong am Flughafen getestet und umgehend in Quarantäne gesetzt worden. Über eine mögliche Infektion von Xi, der während eines geschlossenen Treffens der Apec-Staaten rund anderthalb Meter von Lee entfernt gesessen hatte, war am Montag noch nichts bekannt gegeben worden. Xi hatte wegen der Pandemie mehr als zwei Jahre lang die Volksrepublik nicht verlassen, ehe er vor wenigen Monaten erstmals wieder ins Ausland gereist war. Kurz vor dem Apec-Gipfel war Xi beim Treffen der G20 auf Bali mit zahlreichen Regierungschefs zusammen gekommen (China.Table berichtete).
Derweil meldeten die Behörden der chinesischen Hauptstadt am Montag 27.095 Neuinfektionen und zwei weitere Todesopfer im Zusammenhang mit einer Covid-Erkrankung. Zwei Hochbetagte im Alter von 88 und 91 Jahren sind demnach verstorben. Bereits am Wochenende hatten die Pekinger Behörden die Corona-Maßnahmen in der Stadt deutlich verschärft und zahlreiche öffentliche Einrichtungen geschlossen. (China.Table berichtete.)
In Teilen des südchinesischen Guangzhou gilt seit Montag wieder ein coronabedingter Lockdown. Im Stadtbezirk Baiyun müssen die 3,7 Millionen Bewohner einen negativen PCR-Test vorlegen, wenn sie das Haus verlassen wollen. Der öffentliche Nahverkehr rollt nicht mehr, Schulen und Universitäten haben auf Distanzunterricht umgestellt. Die Maßnahmen gelten zunächst einmal bis einschließlich Freitag. grz
Die Weltklimakonferenz COP27 ist mit enttäuschenden Ergebnissen zu Ende gegangen, doch China hat die Schuldigen schon ausgemacht: Demnach seien die traditionellen Industriestaaten für die unzureichenden Resultate in Scharm el-Scheich verantwortlich. “Die globale Klimapolitik hat noch einen weiten Weg zu gehen”, sagte die Außenamtssprecherin am Montag in Peking. Die Industrieländer hätten “noch nicht ihre Verpflichtung erfüllt, jedes Jahr 100 Milliarden Dollar an Klimafinanzierung an Entwicklungsländer” zu zahlen.
Was die Zahlungen angeht, hat Peking recht: 2009 hatten Industriestaaten wie die USA oder Deutschland zugesagt, spätestens ab 2020 die Entwicklungsländer jährlich mit 100 Milliarden US-Dollar (96,9 Milliarden Euro) zu unterstützen. Das Geld soll verwendet werden für Maßnahmen zum Schutz des Klimas oder zur Anpassung an die Erderwärmung. Bislang fallen die Zahlungen jedoch weit geringer aus: So kamen 2020 lediglich 83,3 Milliarden Dollar zusammen.
China selbst aber wurde auf der Weltklimakonferenz seiner Verantwortung nicht gerecht. Als zweitgrößte Volkswirtschaft und vor allem als größter Schadstoff-Emittent der Welt hat man sich erfolgreich gegen Forderungen der EU und anderer Industriestaaten gewehrt, nicht mehr die gleichen Ansprüche wie ein Entwicklungsland stellen zu können, sondern wegen seiner Wirtschaftskraft selbst Klimahilfen für ärmere Staaten zahlen zu müssen (China.Table berichtete). rad
Vertreter des chinesischen Außenministeriums haben am Montag bestritten, dass eines seiner Küstenwachschiffe gegenüber einem philippinischen Schiff Gewalt angewendet habe. Konkret ging es um die Bergung eines im Meer schwimmenden Stücks einer Rakete, welches am Schlepptau eines philippinischen Schiffs im Südchinesischen Meer hing.
Die Außenamtssprecherin sagte auf einer Pressekonferenz in Peking, dass es sich bei dem Objekt um Stücke der Nutzlastverkleidung einer chinesischen Rakete handele – der Hülle, die den vorderen Kegel schütze. “Die philippinische Seite hatte das schwimmende Objekt zuerst geborgen und abgeschleppt. Nachdem beide Seiten vor Ort freundschaftliche Verhandlungen geführt haben, übergaben die Philippinen das schwimmende Objekt an uns”, sagte die Sprecherin. “Es war keine Situation, in der wir dem Objekt auflauerten und es uns schnappten.”
Ein philippinischer Militärkommandant hatte zuvor behauptet, die chinesische Küstenwache habe das Objekt “gewaltsam zurückgeholt”. Man sei dabei gewesen, das Objekt abzuschleppen, als sich ein chinesisches Schiff näherte, den Kurs zweimal blockierte, anschließend die Schleppleine durchtrennte und schließlich die Teile der Rakete zum Schiff der Küstenwache brachte, schilderte Vizeadmiral Alberto Carlos den Vorgang. Der Zwischenfall ereignete sich rund 700 Meter vor der Küste der Insel Pag-asa, die zu den umstrittenen Spratly-Inseln im Südchinesischen Meer gehört.
Kurze Zeit später landete US-Vizepräsidentin Kamala Harris auf den Philippinen und sicherte Manila das “unerschütterliche Engagement der USA” zu. Harris ist die ranghöchste US-Beamtin, die Manila seit der Machtübernahme von Präsident Ferdinand Marcos Junior im Juni besucht. Beobachter nehmen an, dass die Visite die Spannungen mit China anheizen könnte. Harris will am Dienstag unter anderem auch Puerto Princesa in der westlichen Inselprovinz Palawan besuchen, zu der die Insel Pag-asa gehört. rad

Die chinesisch geführte Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) hat mit einer Kreditvergabe in Kambodscha scharfe Kritik von Menschenrechtlern provoziert. Acht zivilgesellschaftliche Organisationen aus Südostasien und Europa, darunter die in Köln ansässige Stiftung Asienhaus und Urgewald e.V. aus Sassenberg, beklagen die Bewilligung von 175 Millionen US-Dollar an kambodschanische Mikrofinanzinstitute. Der Sektor ist in Kambodscha in den vergangenen Jahren mit unlauteren Praktiken aufgefallen, die zahlreiche Mikrokreditnehmer ihrer Lebensgrundlage beraubt haben.
Die Kredite gingen im Frühjahr dieses Jahres an zwei Mikro-Finanzierungsdienste, deren Praktiken in der Vergangenheit zu zahlreichen schuldengetriebenen Landverkäufen durch Kreditnehmer geführt haben. Eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hatte zuvor eine “alarmierend hohe” und “inakzeptable” Anzahl solcher Landverkäufe festgestellt. In den vergangenen fünf Jahren sei es zu 167.000 Fällen gekommen.
Mikrofinanzanbieter in Kambodscha verlangen häufig die Verpfändung von Landtiteln als Sicherheit. Diese Praxis gilt als unethisch. “Es ist enttäuschend, dass die AIIB sich entschieden hat, zu einem Zeitpunkt in den kambodschanischen Mikrokreditsektor zu investieren, an dem dieser grundlegend hinterfragt wird. Berichte von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Journalist:innen und Studien von anderen Investoren haben weit verbreitete Landnahmen, den Verlust von Lebensgrundlagen, gesundheitliche Beeinträchtigungen, den Landverlust von indigenen Völkern, die Gefährdung der Ernährungssicherheit und Kinderarbeit nachgewiesen”, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Menschenrechtsorganisationen.
Deutschland zählt zu den Gründungsmitgliedern der AIIB und hat einen Stimmanteil von gut vier Prozent. Die Volksrepublik als Gründerin der Bank genießt mit einem Stimmrecht von 26,5 Prozent den größten Einfluss auf ihre Geschicke. grz

Die deutsche Botschaft in Peking verzichtet in chinesischen Sozialmedien weiterhin auf Selbstzensur. Nachdem sie vor wenigen Wochen auf geschickte Art und Weise bereits an das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens erinnert hatte, lenkte sie nun die Aufmerksamkeit auf den in chinesischer Haft verstorbenen Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo.
Die Botschaft nutzt dazu das 50-jährige Jubiläum der diplomatischen Beziehungen, in deren Rahmen sie an prägende Ereignisse in beiden Ländern aus jedem der vergangenen 50 Jahren erinnert. In Gedenken an das Jahr 2012 veröffentlichte die deutsche Repräsentanz am Sonntag zwei Fotos. Das eine zeigt Mo Yan, wie er vor zehn Jahren als erster Chinese den Literatur-Nobelpreis verliehen bekam, obwohl er als regimetreuer Schriftsteller gilt.
Daneben stellte die Botschaft ein Bild des leeren Stuhls von Liu Xiaobo von seiner Ehrung 2010 in Oslo. Der Stuhl symbolisierte damals die haftbedingte Abwesenheit des Preisträgers. “Zwei Jahre zuvor, als ein anderer chinesischer Schriftsteller mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, blieb sein Sitz frei: Liu Xiaobo durfte nicht an der Preisverleihung teilnehmen. 2017 starb Liu Xiaobo nach vielen Jahren Gefängnis an Leberkrebs. 2018 konnte seine Frau nach acht Jahren Hausarrest nach Deutschland zur medizinischen Behandlung”, schrieb die Botschaft dazu. Der Post erhielt über 2000 Likes und mehr als 400 Kommentare.
Liu war Initiator der Charta08, einem politischen Manifest zur Verfassungsänderung und Demokratisierung in der Volksrepublik. Kurz vor ihrer Veröffentlichung war Liu festgenommen und später zu elf Jahren Gefängnis verurteilt worden.
Deutschlands neue Botschafterin in Peking, Patricia Flor, hatte in einem Interview mit China.Table vor einigen Wochen erklärt, dass sie Sozialmedien verstärkt als Kommunikationskanal nutzen wolle. grz

Im internationalen Vergleich ist die Zahl der in China lebenden Ausländer gering, und sie hat in letzter Zeit noch weiter abgenommen. Ende 2020 lebten nach der Volkszählung des Landes lediglich rund 845.000 Ausländer in China, was gerade einmal 0,06 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht. Dies ist ein außergewöhnlich niedriger Anteil, nicht nur im Vergleich zu westlichen Ländern wie den Vereinigten Staaten (15,4 Prozent), Deutschland (15,7 Prozent) oder Frankreich (12,8 Prozent), sondern auch im Vergleich zu Chinas ostasiatischen Nachbarn Japan (2,0 Prozent) oder Südkorea (2,3 Prozent) und selbst im Vergleich zum ähnlich bevölkerungsreichen – aber wirtschaftlich weniger entwickelten – Indien (0,4 Prozent).
In vielen chinesischen Provinzen ist die Zahl der Ausländer im Jahr 2020 im Vergleich zu 2010 sogar noch gesunken. So halbierte sich die Zahl der in Peking lebenden Ausländer von mehr als 91.000 auf weniger als 45.000 Personen, und auch in Shanghai ging die Zahl der Ausländer um fast ein Drittel zurück. In China insgesamt ist speziell die Zahl der Ausländer aus wirtschaftlich hoch entwickelten Ländern im gleichen Zeitraum stark zurückgegangen. Dies gilt insbesondere für Ausländer aus Chinas ostasiatischen Nachbarländern Südkorea (-51 Prozent) und Japan (-44 Prozent), aber auch für Ausländer aus westlichen Ländern wie Frankreich (-39 Prozent), den USA (-23 Prozent) und Deutschland (-22 Prozent).
Der Rückgang der in China lebenden Ausländer hat schon vor der Covid-19-Pandemie eingesetzt. In den mittlerweile fast drei Jahren der Pandemie, in denen die chinesische Regierung strenge Reisebeschränkungen und wiederholte strenge Lockdowns verhängte, hat sich der Rückgang aber noch erheblich beschleunigt. Und er wird sich wohl auch noch weiter fortsetzen. In einer Umfrage des Magazins “That’s Shanghai”, die während des strengen Lockdowns der Metropole im April dieses Jahres unter Ausländern in Shanghai durchgeführt wurde, gaben 85 Prozent der 950 Befragten an, dass der Lockdown sie dazu veranlasst hat, ihre Zukunft in China neu zu überdenken. 22 Prozent beziehungsweise 26 Prozent der Befragten gaben an, dass sie China so bald wie möglich bzw. innerhalb von 12 Monaten verlassen wollen. Nur ein geringer Anteil von 15 Prozent der Befragten plante noch, langfristig in China zu bleiben.
Seit Beginn der Pandemie gehören die strikten Reisebeschränkungen und damit verbundene Herausforderungen im Bereich des Personalmanagements zu den größten operativen Herausforderungen vieler westlicher Unternehmen in China. Insbesondere haben sich die Probleme der Unternehmen, ausländische Mitarbeiter zu binden und neue zu gewinnen, erheblich verschärft, was zu einem (weiteren) Rückgang der ausländischen Beschäftigten in China geführt hat. Die Gründe für die Schwierigkeiten der Unternehmen, ausländische Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten, gehen jedoch über die mit der Pandemie verbundenen Beschränkungen hinaus. Sie umfassen überhöhte Gehaltsvorstellungen, hohe Lebenshaltungskosten, insbesondere für Familien in den Städten, schlechte Luftqualität, strikte Medienzensur, zunehmende Ressentiments der chinesischen Bevölkerung gegenüber Ausländern sowie internationale politische Spannungen.
Trotz der Covid-19 bedingten Beschränkungen und der zunehmenden Schwierigkeiten, ausländische Fachkräfte zur Unterstützung ihrer Geschäftstätigkeit in China zu halten und anzuwerben, betrachten viele westliche Unternehmen China weiterhin als einen Schlüsselmarkt und wichtigen Investitionsstandort. Die Zuflüsse ausländischer Direktinvestitionen nach China nahmen selbst in den Jahren der Pandemie weiter zu und erreichten im Jahr 2021 ein neues Rekordniveau von mehr als 180 Milliarden Dollar. Allerdings haben sich die Investitionspläne vieler westlicher Unternehmen in China aufgrund der zahlreichen lokalen Omikron-Ausbrüche und strengen Lockdowns in Shanghai und mehreren anderen chinesischen Provinzen seit Frühjahr 2022 eingetrübt. Bislang haben viele westliche Unternehmen auf die Schwierigkeiten während der Pandemie jedoch vielmehr mit verstärkten Lokalisierungsbemühungen reagiert. Sie haben die lokale Beschaffung und lokale Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten weiter ausgebaut und technisches und betriebliches Know-how sowie Entscheidungsbefugnisse zunehmend auf ihre chinesischen Tochtergesellschaften übertragen und verstärkt ausländische durch einheimische Mitarbeiter ersetzt.
Die Substitution ausländischer durch einheimische Mitarbeiter ist zum Teil ein natürlicher, effizienzsteigernder Prozess, bei dem die Unternehmen das wachsende Reservoir hoch qualifizierter chinesischer Arbeitskräfte nutzen, um die (Arbeits-)Kosten zu senken und vom spezifischen Wissen und den persönlichen Verbindungen der einheimischen Arbeitnehmer zu profitieren. Die strikten Reisebeschränkungen und zunehmenden Schwierigkeiten bei der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer haben viele Unternehmen jedoch dazu gezwungen, diesen Prozess über das von ihnen als optimal betrachtete Maß hinaus zu beschleunigen. Eine solchermaßen “erzwungene” übermäßige Substitution ausländischer Experten durch einheimische Talente kann jedoch zu erheblichen Effizienzverlusten führen, etwa in Bezug auf die internationale Koordination, den Wissenstransfer innerhalb des multinationalen Unternehmens oder die Meinungsvielfalt bei der Entscheidungsfindung.
Indem sie Informations- und Transaktionskosten senken, fördern internationale Migration und insbesondere zugewanderte internationale Fachkräfte den internationalen Austausch von Waren, Kapital und Wissen. Für die chinesische Wirtschaft als Ganzes bedeutet die sinkende Zahl ausländischer Fachkräfte und der in China lebenden Ausländer somit tendenziell weniger wirtschaftlich vorteilhaften internationalen Handel, weniger internationale Direktinvestitionen und weniger Technologietransfer und somit ein geringeres Wachstums- und Entwicklungspotenzial. In verschiedenen technologischen Schlüsselbereichen sind die chinesischen Unternehmen derzeit noch weit von der chinesischen Regierung angestrebten Technologieführerschaft entfernt. Und bei vielen spezifischen, vor allem technologisch und qualitativ anspruchsvollen Vorleistungen sind die Unternehmen in China derzeit noch von Importen und Lieferanten aus dem Ausland abhängig. Um seine ehrgeizigen Wachstums- und Entwicklungsziele zu erreichen, wird China daher auch weiterhin auf internationalen Handel und Investitionen sowie auf den Transfer von ausländischem Wissen angewiesen sein.
Vor allem aufgrund der zu erwartenden negativen Auswirkungen auf den internationalen Handel und internationale Investitionen könnte der Rückgang der ausländischen Arbeitskräfte und der ausländischen Bevölkerung in China auch außerhalb Chinas negative wirtschaftliche Effekte haben. Europa mit seinen zahlreichen in China tätigen Unternehmen und seinen intensiven Handels- und Investitionsbeziehungen dürfte davon besonders stark betroffen sein. Die durch die anhaltenden Reisebeschränkungen und die sinkende Zahl von Ausländern in China ausgelöste “zwischenmenschliche Entkopplung” könnte so zu einem weiteren Treiber der umfassenderen wirtschaftlichen und technologischen Entkopplungstendenzen zwischen China und dem Westen werden. Und sie wird das gegenseitige Verständnis zwischen China und dem Westen nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Politik und der Gesellschaft insgesamt weiter verringern.
Frank Bickenbach ist stellvertretender Leiter des Forschungszentrums “Internationaler Handel und Investitionen” und Senior Researcher im Forschungszentrum “Innovation und internationaler Wettbewerb” am Kiel Institut für Weltwirtschaft.
Wan-Hsin Liu ist Senior Researcherin in den Forschungszentren “Internationaler Handel und Investitionen” und “Innovation und internationaler Wettbewerb” am Kiel Institut für Weltwirtschaft. Sie ist außerdem Koordinatorin des Kieler Zentrums für Globalisierung.
Dieser Artikel ist eine gekürzte und aktualisierte Version eines Textes von Bickenbach und Liu veröffentlicht in Intereconomics. Er steht im Kontext der Veranstaltungsreihe Global China Conversations des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW). Am Donnerstag (11.00 Uhr MEZ) diskutieren Maximilian Butek, Delegationsleiter der Deutschen Industrie- und Handelskammer Shanghai und Wan-Hsin Liu, Senior Researcherin am Kiel Institut für Weltwirtschaft, über das Thema: “Expats verlassen China: Welche Konsequenzen ergeben sich für multinationale Unternehmen und Chinas Wirtschaft?”. China.Table ist der Medienpartner dieser Veranstaltungsreihe.
Xu Xiaoliang ist neuer Vorstandsvorsitzender der Fosun Tourism Group. Der 49-jährige studierte Betriebswirt folgt auf Qian Jiannong, der in den Ruhestand geht, aber “Ehrenvorsitzender” des Aufsichtsrats bleiben soll. Zur Fosun Tourism Group gehören unter anderem Club Med, Thomas Cook und Hotelmarken wie Casa Cook.
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Mit zahlreichen öffentlichen Illuminationen im ganzen Land würdigte die Volksrepublik China am vergangenen Samstag den Internationalen Tag der Kinderrechte. Der Tag erinnert an den 20. November 1989, als die UN-Kinderrechtskonvention verabschiedet wurde. Hier erstrahlt ein Hochhaus-Komplex in Wuhan. Das Datum ist nicht zu verwechseln mit dem Weltkindertag, der jährlich am 20. September begangen wird.