zu Beginn des neuen Mondjahrs setzen die Chinesen ebenso wie wir hierzulande auf neue Hoffnungen und gute Vorsätze. Doch das neue Drachenjahr verheißt zumindest für das Portemonnaie der Menschen derzeit wenig Gutes. Denn die angespannte Wirtschaftslage wirkt sich zunehmend auf das Einkommen der Mittelschicht aus. In 38 Großstädten sind die Durchschnittsgehälter im vierten Quartal 2023 im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Vor allem die Mittelschicht hat allerdings hohe Erwartungen an den wirtschaftlichen Fortschritt, wie Jörn Petring analysiert.
Denn das ist der unausgesprochene Gesellschaftsvertrag zwischen der Kommunistischen Partei und der Bevölkerung. Und nun? Sinkende Löhne verringern die Kaufkraft der Menschen, was zu einem weiteren Rückgang der Konsumausgaben führen dürfte – und damit Chinas hartnäckiges Deflationsproblem verschärft. Es stehen im neuen Jahr also vorerst unruhige Zeiten bevor.
Unruhig ist es auch sonst in Fernost. Dort fürchten viele die atomare Aufrüstung Nordkoreas oder auch einen Angriff Chinas auf Taiwan. Das hat in Japan zu einem radikalen Umdenken geführt. Tokio sieht angesichts der Lage eine verstärkte Notwendigkeit zur militärischen Aufrüstung – und setzt dies auch um, wie Felix Lill schreibt. Die Verteidigungsausgaben steigen; bis 2027 soll sich der Rüstungsetat auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts verdoppeln. Das entspräche dem Nato-Ziel. Außerdem zählt Japans Nationale Sicherheitsstrategie neben Nordkorea und China auch Russland offiziell zu den “potenziellen Bedrohungen”.

Die angespannte Wirtschaftslage in China wirkt sich zunehmend auf das Einkommen der chinesischen Mittelschicht aus. Die durchschnittlichen Gehälter, die Unternehmen neuen Mitarbeitern in 38 chinesischen Großstädten angeboten haben, sind im vierten Quartal 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 1,3 Prozent auf 10.420 Yuan (1.458 US-Dollar) gesunken. Das geht aus Daten der größten chinesischen Online-Jobplattform Zhaopin hervor. Dies ist der stärkste Rückgang seit Beginn der Erhebung im Jahr 2016. Zudem war es das dritte Quartal in Folge, in dem ein Rückgang verzeichnet wurde. Auch das gab es noch nie.
In China sind Nachrichten über sinkende Löhne besonders brisant. Die Kommunistische Partei stützt ihren Herrschaftsanspruch auf einen unausgesprochenen Gesellschaftsvertrag, der auf einer stetigen Verbesserung des Lebensstandards basiert. Vor allem die Mittelschicht hat hohe Erwartungen an den wirtschaftlichen Fortschritt. In jüngster Zeit bekommt sie jedoch die sich häufenden wirtschaftlichen Probleme immer stärker zu spüren. Nicht nur, dass die anhaltende Krise auf dem Immobilienmarkt das Vermögen der Menschen schmälert. Die sinkenden Gehälter sorgen nun auch noch dafür, dass jeden Monat weniger frisches Geld auf dem Konto landet.
Laut Zhaopin sinken nicht nur bei Neuverträgen die Löhne. Auch Menschen in bestehenden Arbeitsverhältnissen klagten zuletzt vermehrt über Kürzungen. So gaben 32 Prozent der Befragten einer weiteren Zhaopin-Umfrage an, dass ihr Einkommen im vergangenen Jahr gesunken sei – der höchste Wert seit mindestens 2018, wie Bloomberg errechnete.
Sinkende Löhne verringern die Kaufkraft der Menschen, was zu einem weiteren Rückgang der Konsumausgaben führen kann. Dies dürfte Chinas Deflationsproblem verschärfen, da die Unternehmen auf die sinkende Nachfrage mit Preissenkungen reagieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Und das schmälert wiederum deren Einnahmen weiter und folglich die Fähigkeit, gute Gehälter zu zahlen. Es ist ein Teufelskreis.
Immer mehr Experten gehen davon aus, dass die seit 2023 verzeichnete Deflation weiter anhalten wird. Daten vom Januar zeigen, dass die Verbraucherpreise im Jahresvergleich um 0,8 Prozent gefallen sind, der stärkste Rückgang seit mehr als 14 Jahren.
Sinkende Löhne sind derweil nicht das einzige Problem für die Arbeitnehmer in China. Das Wall Street Journal untersuchte kürzlich die Schwierigkeiten der chinesischen Mittelschicht und sprach mit Betroffenen.
Die staatliche Zeitung Global Times widerspricht dem pessimistischen Blick auf den chinesischen Arbeitsmarkt und berichtet von einer “optimistischen Einschätzung” chinesischer Experten. Demnach sei bis 2024 mit einer stabilen Beschäftigungslage und steigenden Einkommen zu rechnen. Vor allem in neuen Wirtschaftszweigen wie den neuen Energien habe es im vergangenen Jahr Lohnsteigerungen gegeben.
Das mag stimmen, doch Chinas neue Boombranchen sind nicht in der Lage, die gesamte arbeitssuchende Bevölkerung aufzunehmen. Sie stellen nur einen Teil des Arbeitsmarktes dar.

Japan ist auf dem Weg, eine der finanziell am besten ausgestatteten Militärmächte zu werden. Und das vor allem mit Blick auf China. Bis 2027 soll sich der Verteidigungsetat auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts verdoppeln. Japan würde damit das Nato-Ziel erfüllen und könnte als drittgrößte Volkswirtschaft in den Top 5 der Militärmächte landen – hinter derzeit den USA, China, Russland und Indien. Das im Dezember beschlossene Budget für 2024 ebnet den Weg: Es markiert die zwölfte Erhöhung in Folge und die bisher höchste – ein Zuwachs von 16 Prozent auf 7,95 Billionen Yen (rund 50 Milliarden Euro).
Das ist erstaunlich, da das ostasiatische Land offiziell ein Staat ohne Militär ist: “Im aufrichtigen Streben nach einem auf Gerechtigkeit und Ordnung gegründeten internationalen Frieden verzichtet das japanische Volk für immer auf den Krieg als ein souveränes Recht der Nation.” So garantiert es Artikel 9 der Verfassung, die seit Japans Niederlage im Zweiten Weltkrieg, an der Seite Nazi-Deutschlands, ihre Gültigkeit hat. In der Verfassung heißt es zudem: “Um das im vorangehenden Absatz bezeichnete Ziel zu erreichen, werden niemals mehr Land-, See- und Luftstreitkräfte sowie andere Mittel zur Kriegsführung unterhalten werden.” Die Armee heißt offiziell “Selbstverteidigungskraft”.
Grundlage für die enorme Aufrüstung der letzten Zeit ist die Nationale Sicherheitsstrategie, die das Kabinett von Premierminister Fumio Kishida im Dezember 2022 beschlossen hat. Darin heißt es, Japan befinde sich im “ärgsten und kompliziertesten Sicherheitsumfeld” seit dem Zweiten Weltkrieg. Neben der deutlichen Erhöhung der Aufwendungen für die Landesverteidigung autorisiert das Papier die Selbstverteidigungskräfte künftig auch zu militärischen Gegenschlägen.
Nicht nur Deutschland erlebt also eine sicherheitspolitische “Zeitenwende.” Für Japan, das sich seit den Abwürfen der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki durch die USA im August 1945 und dem daraus folgenden Zusammenbruch und Kriegsende als pazifistische Nation verstanden hat, ist diese Wende sogar noch etwas grundlegender. Denn bei kriegerischen Konflikten haben die Selbstverteidigungskräfte bisher eher als humanitäre Helfer teilgenommen. Auch schickte Tokio keine tödlichen Waffen ins Ausland. Für Japans Verteidigung sind bislang eher die USA zuständig gewesen.
Das ändert sich gerade. Die Nationale Sicherheitsstrategie zählt neben Nordkorea und China nun auch Russland offiziell zu “potenziellen Bedrohungen.” Wie mit China trägt Japan auch mit Russland Territorialstreitigkeiten aus. Tokio trägt zudem die westlichen Sanktionen gegen Moskau infolge der Ukraine-Invasion weitgehend mit.
Und sollte China Taiwan angreifen, dürfte Japans Regierung dies auch als Angriff auf die eigene Sicherheit betrachten. Dann bräche ein großer Krieg im Pazifik aus, mit Taiwan, den USA und Japan auf der einen und China sowie womöglich Russland auf der anderen Seite. China hat eine gewaltsame Eroberung Taiwans nie ausgeschlossen.
Um sich für Szenarios dieser Art zu wappnen, rüstet Japan nun derart schnell auf, dass der US-Botschafter in Tokio, Rahm Emanuel, dies schon als “beispiellos” sowie als Zeichen für “Japans geteilte Verantwortung zur Abschreckung” gelobt hat. Waffensysteme, die Tokio nun zukauft, kommen vor allem aus den USA. So etwa das Tarnkappen-Mehrzweckkampfflugzeug F-35 oder Tomahawk-Marschflugkörper.
Zugleich wird Japan auch die Produktion heimische Güter verstärken: Für die bereits entwickelten Land-Schiff-Lenkflugkörper des Typ 12 von Mitsubishi Heavy Industries beginnt die Serienproduktion. Hinzu kommt die Entwicklung einer Hyperschallrakete mit 3.000 Kilometern Reichweite. Diese soll entlegene Inseln verteidigen, könnte prinzipiell aber auch chinesisches und nordkoreanisches Territorium erreichen. Auch der Bau zweier mit dem Warn- und Feuerleitsystem Aegis ausgestatteter Kriegsschiffe ist geplant.
Des Weiteren entwickelt Japan in Zusammenarbeit mit Italien und Großbritannien einen Kampfjet, der dann auch zum Exportprodukt werden soll – wofür Premier Kishida in Kürze rechtliche Beschränkungen lockern will, da Japan nach den eigenen Regeln bislang eben keine potenziell tödlichen Waffen exportieren darf.
Ken Jimbo, Politikprofessor der Keio Universität in Tokio und Experte für Sicherheitsfragen, sieht hierin einen Grund, warum Japans Rüstungsindustrie derzeit noch eher schwach dasteht. “Japanische Unternehmen konnten über Jahrzehnte nicht am internationalen Wettbewerb teilnehmen. So ergaben sich kaum Aufträge.” Dies soll sich nun ändern. Die deutliche Etaterhöhung des Verteidigungsbudgets beinhaltet denn auch Subventionsprogramme in Höhe von umgerechnet einer halben Milliarde Euro für die heimische Industrie, damit sie schnellstmöglich wettbewerbsfähig werde.
Innenpolitisch hat sich die Debatte über Japans Aufrüstung seit Russlands Vollinvasion der Ukraine im Februar 2022 verschoben, vom “Ob” auf das “Wie.” Während manche den in der Verfassung festgeschriebenen Pazifismus lange als Argument gegen jede Aufrüstung vorbrachten, sind solche Stimmen leiser geworden. In den Vordergrund rückte stattdessen die Frage der Finanzierung.
Kontrovers ist zum Beispiel, dass für die Aufrüstung nun ein Staatsdefizit in Kauf genommen wird. Die Regierung argumentiert, es handle sich bei den kreditfinanzierten Ausgaben um Investitionen in die Zukunft. Denn künftig würden dadurch die Rüstungsexporte und damit auch die Einnahmen des Staates steigen.
Allerdings wird Japan mit dieser rapiden Aufrüstung seine sicherheitspolitischen Herausforderungen noch lange nicht lösen. Vor allem konservative Politiker betonen, dass die bis jetzt beschlossenen Aufstockungen noch nicht ausreichen. Zugleich wächst mit zunehmendem Gerät der Bedarf an Rekruten. Das ist ein Problem, da es den Selbstverteidigungskräften schon seit Jahren akut an Personal mangelt.
Fragt man Insider, dürfte das auch so bleiben. Bisher gingen junge Japaner vor allem deshalb zum Militär, weil es als sicherer Arbeitgeber ohne wirkliches Kriegsrisiko gilt, sagt etwa Yuushi Kodama, der bis vor kurzem Infanterist war und heute den Youtube-Channel “Jieitai No Ace” leitet, der regelmäßig über die Selbstverteidigungskräfte informiert. “Niedrige Gehälter nahm man dann in Kauf.”
Heute, bei akuter Kriegsgefahr, müssten die Gehälter deutlich steigen, so Kodama, der sich auch selbst nie “als eingefleischter Soldat verstanden” hat. Und selbst mit höherem Sold wird es angesichts Japans schrumpfender Bevölkerung noch schwer sein, neue Soldatinnen und Soldaten zu finden. Arbeitskräftemangel herrscht schließlich in diversen Branchen. Felix Lill
Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.
Die drei wichtigsten chinesischen Aktienmärkte haben erstmals Richtlinien für börsennotierte Unternehmen zur verpflichtenden Offenlegung von Informationen zur Nachhaltigkeit veröffentlicht. Die Shanghai Stock Exchange (SSE), die Shenzhen Stock Exchange (SZSE) und die Beijing Stock Exchange (BSE) holen noch bis Ende Februar öffentliches Feedback zu ihren jeweils separat publizierten Entwürfen ein. Diese enthalten laut einer Notiz der Unternehmensberatung Deloitte Vorschriften für die Berichterstattung über “ein breites Spektrum von Umwelt-, Sozial- und Governance-Kategorien (ESG) – darunter den Schutz des Klimas, des Ökosystems und der biologischen Vielfalt, sowie Kreislaufwirtschaft, Energienutzung, Sicherheit der Lieferkette und Wiederbelebung des ländlichen Raums, Korruptions- und Bestechungsbekämpfung”.
Gemäß den Richtlinien von SSE und SZSE werden Unternehmen, die in den Indizes SSE 180, STAR 50, SZSE 100 und ChiNext vertreten sind, einer Berichtspflicht für diese ESG-Bereiche unterliegen. Für andere im In- und Ausland notierte Unternehmen, sowie die an der BSE gelisteten zumeist kleineren Firmen ist die ESG-Berichterstattung freiwillig; sie sollen dazu “ermuntert” werden. China hatte im Juni 2021 erstmals Regeln erlassen, wonach Börsenfirmen in ihren Halb- und Jahresberichten freiwillig darstellen, welche Maßnahmen sie zur Reduzierung ihrer Kohlenstoffemissionen während des Berichtszeitraums ergriffen haben und welche Auswirkungen diese haben. Eine Pflicht wäre also neu.
Ziel der neuen Leitlinien sei es, die ESG-Berichterstattung der Börsenfirmen zu standardisieren und sie bei der Umsetzung des Nachhaltigkeitskonzepts anzuleiten und eine qualitative Entwicklung der Firmen zu fördern, schrieb die BSE laut der South China Morning Post.
Die Hongkonger Börse hatte bereits im April 2023 vorgeschlagen, alle börsennotierten Unternehmen ab dem 1. Januar dazu zu verpflichten, klimabezogene Informationen in ihre ESG-Berichte aufzunehmen. Die Umsetzung wurde aber um ein Jahr auf Anfang 2025 verschoben, um den Firmen mehr Zeit zu geben, sich mit den neuen Anforderungen auseinanderzusetzen. Die Unternehmen in Festlandchina bekommen noch mehr Zeit. Laut den Entwürfen müssen meldepflichtige Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsberichte erstmals für das Kalenderjahr 2025 veröffentlichen, und zwar bis zum 30. April 2026. ck
Der Finanzdienstleister MSCI hat in seiner aktuellen vierteljährlichen Überprüfung 66 chinesische Unternehmen aus seinem MSCI China Index gestrichen. Das sei die höchste Zahl seit mindestens zwei Jahren, berichtete Bloomberg. Die Änderungen werden mit Börsenschluss am 29. Februar wirksam und gelten dann auch für den MSCI All Country World Index. Gestrichen werden laut dem Bericht unter anderem die Immobilienentwickler Gemdale und Greentown China Holdings, sowie die Fluggesellschaft China Southern Airlines und die Versicherung Ping An Healthcare and Technology.
Umgekehrt wird der Indexanbieter fünf Unternehmen der Volksrepublik neu in den MSCI China Index aufnehmen, darunter den Elektrogerätehersteller Midea Group und das Hautbehandlungsunternehmen Giant Biogene Holding.
Grund für die Streichungen ist der Einbruch am chinesischen Aktienmarkt, der Billionen von US-Dollar an Werten chinesischer Papiere vernichtet hat. Die Streichung ist ein weiterer Schlag für das Ansehen der Firmen. Generell ist die Gewichtung Chinas in globalen Portfolios laut Bloomberg zuletzt zurückgegangen – aufgrund der Besorgnis über den angeschlagenen Immobiliensektor und den schwachen Konsum. Auch haben demnach Alternativen wie Indien an Gewicht gewonnen. ck
Trotz geopolitischer Unsicherheiten will BASF weiter auf den chinesischen Markt setzen. Der Chemiekonzern gehe davon aus, dass bis 2030 rund 80 Prozent des weltweiten Wachstums der chemischen Produktion in China generiert werden, sagte Finanzchef Dirk Elvermann in einem Gespräch mit den Nachrichtenagenturen dpa-AFX und dpa. “Wir wollen und müssen als globales Chemieunternehmen daran teilhaben.” Das China-Geschäft mache derzeit rund 15 Prozent des BASF-Umsatzes aus, so Elvermann. Bis 2030 peile man etwa 20 Prozent an. Den chinesischen Markt hält Elvermann für unverzichtbar.
Zwar sehe auch BASF, dass die Wachstumsraten im Riesenreich derzeit nachlassen, sagte Elvermann. “Aber das haben wir bei unseren Investitionsentscheidungen so berücksichtigt.” Was an Absicherung gemacht werden könne, werde getan, versicherte er. Ein Restrisiko bleibe aber – “wie bei jeder Auslandsinvestition”. Teil der Absicherung sei, dass BASF in China für den lokalen Markt fertige. “Das heißt, wir bauen dort keinen Exportstandort, sondern haben ein China-für-China-Investment. Das gibt uns eine gewisse Sicherheit, was Transportwege, Logistik und Absatz angeht.” Zudem finanziere der Konzern das gesamte China-Geschäft lokal. “Die Vorstellung, dass wir Geldmittel von Europa oder sonst wo nach China transferieren, ist falsch.”
Elvermann ging zudem auf die jüngsten Vorwürfe gegen sein Unternehmen ein. BASF ist neben Volkswagen das einzige deutsche Unternehmen, das auch in der Provinz Xinjiang fertigen lässt, wo es gravierende Menschenrechtsverletzungen gegen die muslimische Minderheit der Uiguren gibt. Vor wenigen Tagen hatte der Konzern mitgeteilt, seine Anteile an zwei Joint Ventures in Xinjiang zu verkaufen.
Zwar hätten “regelmäßige Sorgfaltsmaßnahmen einschließlich interner und externer Audits” in den Gemeinschaftsfirmen keine Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen ergeben, betonte Elvermann. Dennoch hätten Berichte schwerwiegende Vorwürfe enthalten, die auf Aktivitäten des Joint-Venture-Partners Markor hinweisen, “die nicht mit den Werten von BASF vereinbar sind”. So sollen sich Markor-Mitarbeitende an der Überwachung von Uiguren in der Region beteiligt haben. flee
Trotz geopolitischer Unsicherheiten will BASF weiter auf den chinesischen Markt setzen. Der Chemiekonzern gehe davon aus, dass bis 2030 rund 80 Prozent des weltweiten Wachstums der chemischen Produktion in China generiert werden, sagte Finanzchef Dirk Elvermann in einem Gespräch mit den Nachrichtenagenturen dpa-AFX und dpa. “Wir wollen und müssen als globales Chemieunternehmen daran teilhaben.” Das China-Geschäft mache derzeit rund 15 Prozent des BASF-Umsatzes aus, so Elvermann. Bis 2030 peile man etwa 20 Prozent an. Den chinesischen Markt hält Elvermann für unverzichtbar.
Zwar sehe auch BASF, dass die Wachstumsraten im Riesenreich derzeit nachlassen, sagte Elvermann. “Aber das haben wir bei unseren Investitionsentscheidungen so berücksichtigt.” Was an Absicherung gemacht werden könne, werde getan, versicherte er. Ein Restrisiko bleibe aber – “wie bei jeder Auslandsinvestition”. Teil der Absicherung sei, dass BASF in China für den lokalen Markt fertige. “Das heißt, wir bauen dort keinen Exportstandort, sondern haben ein China-für-China-Investment. Das gibt uns eine gewisse Sicherheit, was Transportwege, Logistik und Absatz angeht.” Zudem finanziere der Konzern das gesamte China-Geschäft lokal. “Die Vorstellung, dass wir Geldmittel von Europa oder sonst wo nach China transferieren, ist falsch.”
Elvermann ging zudem auf die jüngsten Vorwürfe gegen sein Unternehmen ein. BASF ist neben Volkswagen das einzige deutsche Unternehmen, das auch in der Provinz Xinjiang fertigen lässt, wo es gravierende Menschenrechtsverletzungen gegen die muslimische Minderheit der Uiguren gibt. Vor wenigen Tagen hatte der Konzern mitgeteilt, seine Anteile an zwei Joint Ventures in Xinjiang zu verkaufen.
Zwar hätten “regelmäßige Sorgfaltsmaßnahmen einschließlich interner und externer Audits” in den Gemeinschaftsfirmen keine Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen ergeben, betonte Elvermann. Dennoch hätten Berichte schwerwiegende Vorwürfe enthalten, die auf Aktivitäten des Joint-Venture-Partners Markor hinweisen, “die nicht mit den Werten von BASF vereinbar sind”. So sollen sich Markor-Mitarbeitende an der Überwachung von Uiguren in der Region beteiligt haben. flee
Das Berliner KI-Unternehmen Nyonic GmbH hat offenbar seine führenden Köpfe verloren, darunter die frühere KI-Chefin des Softwareriesen SAP Feiyu Xu sowie Hans Uzkoreit, der auch wissenschaftlicher Leiter des Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) ist. Das berichtet das Handelsblatt in seiner Online-Ausgabe und beruft sich auf Unternehmenskreisen.
Vier der fünf Gründer der Firma, die als eine der großen deutschen Hoffnungen im globalen Rennen um Künstliche Intelligenz (KI) gilt, seien gegangen. Auch Johannes Otterbach, der unter anderem für den ChatGPT-Entwickler OpenAI gearbeitet hat sowie Vanessa Cann, die ehemalige Geschäftsführerin des KI-Bundesverbands, hätten die Firma verlassen.
Als Grund werden “strategische Differenzen zwischen den Gründern” genannt. Firmenchef Dong Han, deutscher Staatsbürger, der aber nach Handelsblatt-Informationen in Shanghai lebt, habe das Unternehmen immer stärker auf China ausrichten wollen. Das zeige sich auch daran, dass er offenbar Kompetenzen vom deutschen Teil der Firma in den chinesischen Teil umverteilt habe.
Nyonic ist erst vor einem Jahr unter anderem von Uzkoreit und Feiyu Xu gegründet worden und entwickelt Sprachmodelle für die Industrie. Das Unternehmen Software entwickeln und internes Wissen über einfache Sprachabfragen zugänglich machen. Von “ChatGPT für Unternehmen” schreibt das Handelsblatt. flee

Nach langen Verhandlungen im Trilog hat Deutschland den im Dezember erzielten Konsens für ein europäisches Lieferkettengesetz infrage gestellt. Doch viele Unternehmen in Deutschland – darunter auch viele kleine und mittlere – haben sich längst auf den Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaft gemacht und setzen umfassende Sorgfaltspflichten um. Sie unterstützen eine Regulierung, die Klarheit für alle in Europa schaffen würde. Auch wir plädieren für ein starkes europäisches Lieferkettengesetz, die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD).
Spätestens seit der Covid-Pandemie und dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ist klar, dass Europa strategische Autonomie braucht, auch in der Wirtschaft. Ein zentraler Baustein dafür ist die Diversifizierung der Beziehungen in verschiedenen Sektoren. Damit diese gelingt, müssen die Mitgliedstaaten dringend ihre Anforderungen koordinieren. Eine europäische Regulierung sorgt für die Vereinheitlichung der unterschiedlichen Gesetze und schafft Orientierung für Partnerländer.
In den vergangenen Jahren hat sich auch in Drittstaaten der Druck auf Regierungen und die Wirtschaft erhöht, Nachhaltigkeits- und Menschenrechtsstandards umzusetzen. Die USA sind mit ihrer strikten Gesetzgebung gegen Zwangsarbeit für viele Unternehmen sehr wichtig. Australien und Neuseeland haben Gesetze gegen moderne Sklaverei. Die japanische Regierung hat Leitlinien für Unternehmen erlassen, in Indien und Thailand gibt es Nationale Aktionspläne für Wirtschaft und Menschenrechte, und auch Südkorea, Malaysia und Indonesien beschäftigen sich mit dem Thema.
Die mexikanische Regierung nutzt den Trend zur Einhaltung von Sozialstandards als Argument, um Unternehmen aus China abzuwerben. In Kolumbien gibt es einen Gesetzentwurf, und auch in Brasilien wird ein Gesetz diskutiert. Selbst die chinesische Regierung nimmt ihre Firmen mittlerweile in die Pflicht: Diese sollen sich im Ausland an den OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen orientieren.
Die EU ist einer der großen globalen Wirtschaftsakteure. Die CSDDD bietet der EU jetzt die Chance, die globale Standardsetzung bei Umwelt- und Sozialthemen in ihrem Sinne zu beeinflussen. Das gibt europäischen Unternehmen eine klare Orientierung und verschafft ihnen einen Wettbewerbsvorteil.
Kritiker argumentieren, dass eine europäische Regulierung aktuellen Bemühungen von Versorgungssicherheit entgegensteht, weil Unternehmen mit bürokratischen Anforderungen konfrontiert werden. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Die Umsetzung von Sorgfaltspflichten trägt dazu bei, dass Unternehmen ihre Lieferketten besser kennenlernen. Sie setzen sich nicht nur damit auseinander, aus welchen Ländern ihre Produkte kommen, sondern auch damit, welche Akteure daran beteiligt sind und unter welchen Bedingungen sie hergestellt werden. Das betrifft insbesondere Branchen, in denen die Lieferketten intransparent sind, die Lieferanten häufig wechseln und die Beziehungen sehr unverbindlich sind.
Die Auseinandersetzung führt auch zu mehr Kooperation mit Lieferanten und Partnern. Schon jetzt ist zu sehen, wie die Transparenz durch Datenerhebung und Datenpooling erhöht wird. Weil die EU für viele in Drittstaaten ein sehr wichtiger Markt ist, stellen sich viele Unternehmen bereits auf die EU-Regulierung ein. Diese führt also in der Praxis nicht zu weniger Kooperation, sondern zu mehr Austausch und Verlässlichkeit zwischen Handelspartnern. “Lieferantenhopping” auf der reinen Suche nach dem niedrigsten Preis – das erweist sich als Auslaufmodell. Der direkte Kontakt mit Produzenten wird stärker gesucht und Agenturen werden zunehmend umgangen.
Etwa die Hälfte deutscher Exporte, gerade aus dem Mittelstand, geht in den europäischen Binnenmarkt. Damit ist das der wichtigste Exportmarkt deutscher Unternehmen. Dieser Erfolg unseres Mittelstands beruht wesentlich darauf, dass Gesetze im europäischen Binnenmarkt vereinheitlicht wurden. Kommt die CSDDD nicht zustande, sind deutsche Mittelständler weiterhin mit einem Flickenteppich an Regulierungen konfrontiert.
Mit der Corporate Sustainability Reporting Initiative (CSRD) besteht bereits eine einheitliche Berichtspflicht in der EU, ohne dass die zugrunde liegenden Prozesse reguliert sind. Und auch die EU-Taxonomie entfaltet bereits ihre Wirkung. Immer mehr Investoren setzen hohe Umwelt- und Sozialstandards voraus, wenn sie in Unternehmen investieren. Daneben gibt es weitere EU-Regulierungen, etwa zu Konfliktmineralien, die Unternehmen zu beachten haben.
Die CSDDD würde die vielen Anforderungen zugrunde liegenden Sorgfaltsprozesse regulieren und einen einheitlichen Standard für Nachhaltigkeitsprozesse schaffen. Das wäre eine deutliche Entlastung der Unternehmen. Gerade um die bürokratische Belastung gering zu halten und deutsche Unternehmen zielgerichtet bei der Umsetzung von Sorgfaltspflichten zu unterstützen, ist daher eine EU-weite Regelung sinnvoll.
Die CSDDD kann darüber hinaus sogar wirtschaftliche Impulse liefern, weil sie einen weiteren Standardisierungsschub bei Risikomanagementdaten und -tools bringen wird. 2023 haben Investoren dreistellige Millionenbeträge in Start-ups investiert, die digitale Lösungen für das Lieferkettenmanagement entwickeln. Diese Standardisierung wird das Risikomanagement auf Sicht deutlich vereinfachen und günstiger machen. Dies hilft KMUs und schafft neue Marktmöglichkeiten.
Markus Löning hat sich als Bundestagsabgeordneter der FDP und als Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung mit internationalen Beziehungen und Menschenrechten beschäftigt. Seit zehn Jahren unterstützt er Unternehmen beim Aufbau menschenrechtlicher Sorgfaltsprozesse.
Melanie Müller ist Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Sie leitet die SWP-Komponente im Forschungsnetzwerk Nachhaltige Lieferketten und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den Lieferketten von metallischen Rohstoffen.
Sourour Stanke ist seit Anfang Februar Leiterin der Hauptabteilung Strategie, Services, Media House, Marktkommunikation für Europa und China bei der BMW Group. Zuvor war sie Head of Corporate Communications und Government Affairs bei Giesecke + Devrient.
Benjamin Behrens ist seit Anfang Januar für die HR Business Coordination für Joint Ventures der Volkswagen Group in China tätig. Behrens war zuvor Assistent der Geschäftsleitung bei Volkswagen.
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Die Neujahrs-Festivitäten gehen auch am vierten Tag des Drachenjahres weiter, denn die meisten Chinesen haben noch immer frei. In Peking ist der Ditan-Park bekannt für Neujahrsdekorationen und Freiluft-Shows, auch bei klirrender Kälte. Hier führen Männer einen traditionellen Drachentanz auf.
zu Beginn des neuen Mondjahrs setzen die Chinesen ebenso wie wir hierzulande auf neue Hoffnungen und gute Vorsätze. Doch das neue Drachenjahr verheißt zumindest für das Portemonnaie der Menschen derzeit wenig Gutes. Denn die angespannte Wirtschaftslage wirkt sich zunehmend auf das Einkommen der Mittelschicht aus. In 38 Großstädten sind die Durchschnittsgehälter im vierten Quartal 2023 im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Vor allem die Mittelschicht hat allerdings hohe Erwartungen an den wirtschaftlichen Fortschritt, wie Jörn Petring analysiert.
Denn das ist der unausgesprochene Gesellschaftsvertrag zwischen der Kommunistischen Partei und der Bevölkerung. Und nun? Sinkende Löhne verringern die Kaufkraft der Menschen, was zu einem weiteren Rückgang der Konsumausgaben führen dürfte – und damit Chinas hartnäckiges Deflationsproblem verschärft. Es stehen im neuen Jahr also vorerst unruhige Zeiten bevor.
Unruhig ist es auch sonst in Fernost. Dort fürchten viele die atomare Aufrüstung Nordkoreas oder auch einen Angriff Chinas auf Taiwan. Das hat in Japan zu einem radikalen Umdenken geführt. Tokio sieht angesichts der Lage eine verstärkte Notwendigkeit zur militärischen Aufrüstung – und setzt dies auch um, wie Felix Lill schreibt. Die Verteidigungsausgaben steigen; bis 2027 soll sich der Rüstungsetat auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts verdoppeln. Das entspräche dem Nato-Ziel. Außerdem zählt Japans Nationale Sicherheitsstrategie neben Nordkorea und China auch Russland offiziell zu den “potenziellen Bedrohungen”.

Die angespannte Wirtschaftslage in China wirkt sich zunehmend auf das Einkommen der chinesischen Mittelschicht aus. Die durchschnittlichen Gehälter, die Unternehmen neuen Mitarbeitern in 38 chinesischen Großstädten angeboten haben, sind im vierten Quartal 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 1,3 Prozent auf 10.420 Yuan (1.458 US-Dollar) gesunken. Das geht aus Daten der größten chinesischen Online-Jobplattform Zhaopin hervor. Dies ist der stärkste Rückgang seit Beginn der Erhebung im Jahr 2016. Zudem war es das dritte Quartal in Folge, in dem ein Rückgang verzeichnet wurde. Auch das gab es noch nie.
In China sind Nachrichten über sinkende Löhne besonders brisant. Die Kommunistische Partei stützt ihren Herrschaftsanspruch auf einen unausgesprochenen Gesellschaftsvertrag, der auf einer stetigen Verbesserung des Lebensstandards basiert. Vor allem die Mittelschicht hat hohe Erwartungen an den wirtschaftlichen Fortschritt. In jüngster Zeit bekommt sie jedoch die sich häufenden wirtschaftlichen Probleme immer stärker zu spüren. Nicht nur, dass die anhaltende Krise auf dem Immobilienmarkt das Vermögen der Menschen schmälert. Die sinkenden Gehälter sorgen nun auch noch dafür, dass jeden Monat weniger frisches Geld auf dem Konto landet.
Laut Zhaopin sinken nicht nur bei Neuverträgen die Löhne. Auch Menschen in bestehenden Arbeitsverhältnissen klagten zuletzt vermehrt über Kürzungen. So gaben 32 Prozent der Befragten einer weiteren Zhaopin-Umfrage an, dass ihr Einkommen im vergangenen Jahr gesunken sei – der höchste Wert seit mindestens 2018, wie Bloomberg errechnete.
Sinkende Löhne verringern die Kaufkraft der Menschen, was zu einem weiteren Rückgang der Konsumausgaben führen kann. Dies dürfte Chinas Deflationsproblem verschärfen, da die Unternehmen auf die sinkende Nachfrage mit Preissenkungen reagieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Und das schmälert wiederum deren Einnahmen weiter und folglich die Fähigkeit, gute Gehälter zu zahlen. Es ist ein Teufelskreis.
Immer mehr Experten gehen davon aus, dass die seit 2023 verzeichnete Deflation weiter anhalten wird. Daten vom Januar zeigen, dass die Verbraucherpreise im Jahresvergleich um 0,8 Prozent gefallen sind, der stärkste Rückgang seit mehr als 14 Jahren.
Sinkende Löhne sind derweil nicht das einzige Problem für die Arbeitnehmer in China. Das Wall Street Journal untersuchte kürzlich die Schwierigkeiten der chinesischen Mittelschicht und sprach mit Betroffenen.
Die staatliche Zeitung Global Times widerspricht dem pessimistischen Blick auf den chinesischen Arbeitsmarkt und berichtet von einer “optimistischen Einschätzung” chinesischer Experten. Demnach sei bis 2024 mit einer stabilen Beschäftigungslage und steigenden Einkommen zu rechnen. Vor allem in neuen Wirtschaftszweigen wie den neuen Energien habe es im vergangenen Jahr Lohnsteigerungen gegeben.
Das mag stimmen, doch Chinas neue Boombranchen sind nicht in der Lage, die gesamte arbeitssuchende Bevölkerung aufzunehmen. Sie stellen nur einen Teil des Arbeitsmarktes dar.

Japan ist auf dem Weg, eine der finanziell am besten ausgestatteten Militärmächte zu werden. Und das vor allem mit Blick auf China. Bis 2027 soll sich der Verteidigungsetat auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts verdoppeln. Japan würde damit das Nato-Ziel erfüllen und könnte als drittgrößte Volkswirtschaft in den Top 5 der Militärmächte landen – hinter derzeit den USA, China, Russland und Indien. Das im Dezember beschlossene Budget für 2024 ebnet den Weg: Es markiert die zwölfte Erhöhung in Folge und die bisher höchste – ein Zuwachs von 16 Prozent auf 7,95 Billionen Yen (rund 50 Milliarden Euro).
Das ist erstaunlich, da das ostasiatische Land offiziell ein Staat ohne Militär ist: “Im aufrichtigen Streben nach einem auf Gerechtigkeit und Ordnung gegründeten internationalen Frieden verzichtet das japanische Volk für immer auf den Krieg als ein souveränes Recht der Nation.” So garantiert es Artikel 9 der Verfassung, die seit Japans Niederlage im Zweiten Weltkrieg, an der Seite Nazi-Deutschlands, ihre Gültigkeit hat. In der Verfassung heißt es zudem: “Um das im vorangehenden Absatz bezeichnete Ziel zu erreichen, werden niemals mehr Land-, See- und Luftstreitkräfte sowie andere Mittel zur Kriegsführung unterhalten werden.” Die Armee heißt offiziell “Selbstverteidigungskraft”.
Grundlage für die enorme Aufrüstung der letzten Zeit ist die Nationale Sicherheitsstrategie, die das Kabinett von Premierminister Fumio Kishida im Dezember 2022 beschlossen hat. Darin heißt es, Japan befinde sich im “ärgsten und kompliziertesten Sicherheitsumfeld” seit dem Zweiten Weltkrieg. Neben der deutlichen Erhöhung der Aufwendungen für die Landesverteidigung autorisiert das Papier die Selbstverteidigungskräfte künftig auch zu militärischen Gegenschlägen.
Nicht nur Deutschland erlebt also eine sicherheitspolitische “Zeitenwende.” Für Japan, das sich seit den Abwürfen der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki durch die USA im August 1945 und dem daraus folgenden Zusammenbruch und Kriegsende als pazifistische Nation verstanden hat, ist diese Wende sogar noch etwas grundlegender. Denn bei kriegerischen Konflikten haben die Selbstverteidigungskräfte bisher eher als humanitäre Helfer teilgenommen. Auch schickte Tokio keine tödlichen Waffen ins Ausland. Für Japans Verteidigung sind bislang eher die USA zuständig gewesen.
Das ändert sich gerade. Die Nationale Sicherheitsstrategie zählt neben Nordkorea und China nun auch Russland offiziell zu “potenziellen Bedrohungen.” Wie mit China trägt Japan auch mit Russland Territorialstreitigkeiten aus. Tokio trägt zudem die westlichen Sanktionen gegen Moskau infolge der Ukraine-Invasion weitgehend mit.
Und sollte China Taiwan angreifen, dürfte Japans Regierung dies auch als Angriff auf die eigene Sicherheit betrachten. Dann bräche ein großer Krieg im Pazifik aus, mit Taiwan, den USA und Japan auf der einen und China sowie womöglich Russland auf der anderen Seite. China hat eine gewaltsame Eroberung Taiwans nie ausgeschlossen.
Um sich für Szenarios dieser Art zu wappnen, rüstet Japan nun derart schnell auf, dass der US-Botschafter in Tokio, Rahm Emanuel, dies schon als “beispiellos” sowie als Zeichen für “Japans geteilte Verantwortung zur Abschreckung” gelobt hat. Waffensysteme, die Tokio nun zukauft, kommen vor allem aus den USA. So etwa das Tarnkappen-Mehrzweckkampfflugzeug F-35 oder Tomahawk-Marschflugkörper.
Zugleich wird Japan auch die Produktion heimische Güter verstärken: Für die bereits entwickelten Land-Schiff-Lenkflugkörper des Typ 12 von Mitsubishi Heavy Industries beginnt die Serienproduktion. Hinzu kommt die Entwicklung einer Hyperschallrakete mit 3.000 Kilometern Reichweite. Diese soll entlegene Inseln verteidigen, könnte prinzipiell aber auch chinesisches und nordkoreanisches Territorium erreichen. Auch der Bau zweier mit dem Warn- und Feuerleitsystem Aegis ausgestatteter Kriegsschiffe ist geplant.
Des Weiteren entwickelt Japan in Zusammenarbeit mit Italien und Großbritannien einen Kampfjet, der dann auch zum Exportprodukt werden soll – wofür Premier Kishida in Kürze rechtliche Beschränkungen lockern will, da Japan nach den eigenen Regeln bislang eben keine potenziell tödlichen Waffen exportieren darf.
Ken Jimbo, Politikprofessor der Keio Universität in Tokio und Experte für Sicherheitsfragen, sieht hierin einen Grund, warum Japans Rüstungsindustrie derzeit noch eher schwach dasteht. “Japanische Unternehmen konnten über Jahrzehnte nicht am internationalen Wettbewerb teilnehmen. So ergaben sich kaum Aufträge.” Dies soll sich nun ändern. Die deutliche Etaterhöhung des Verteidigungsbudgets beinhaltet denn auch Subventionsprogramme in Höhe von umgerechnet einer halben Milliarde Euro für die heimische Industrie, damit sie schnellstmöglich wettbewerbsfähig werde.
Innenpolitisch hat sich die Debatte über Japans Aufrüstung seit Russlands Vollinvasion der Ukraine im Februar 2022 verschoben, vom “Ob” auf das “Wie.” Während manche den in der Verfassung festgeschriebenen Pazifismus lange als Argument gegen jede Aufrüstung vorbrachten, sind solche Stimmen leiser geworden. In den Vordergrund rückte stattdessen die Frage der Finanzierung.
Kontrovers ist zum Beispiel, dass für die Aufrüstung nun ein Staatsdefizit in Kauf genommen wird. Die Regierung argumentiert, es handle sich bei den kreditfinanzierten Ausgaben um Investitionen in die Zukunft. Denn künftig würden dadurch die Rüstungsexporte und damit auch die Einnahmen des Staates steigen.
Allerdings wird Japan mit dieser rapiden Aufrüstung seine sicherheitspolitischen Herausforderungen noch lange nicht lösen. Vor allem konservative Politiker betonen, dass die bis jetzt beschlossenen Aufstockungen noch nicht ausreichen. Zugleich wächst mit zunehmendem Gerät der Bedarf an Rekruten. Das ist ein Problem, da es den Selbstverteidigungskräften schon seit Jahren akut an Personal mangelt.
Fragt man Insider, dürfte das auch so bleiben. Bisher gingen junge Japaner vor allem deshalb zum Militär, weil es als sicherer Arbeitgeber ohne wirkliches Kriegsrisiko gilt, sagt etwa Yuushi Kodama, der bis vor kurzem Infanterist war und heute den Youtube-Channel “Jieitai No Ace” leitet, der regelmäßig über die Selbstverteidigungskräfte informiert. “Niedrige Gehälter nahm man dann in Kauf.”
Heute, bei akuter Kriegsgefahr, müssten die Gehälter deutlich steigen, so Kodama, der sich auch selbst nie “als eingefleischter Soldat verstanden” hat. Und selbst mit höherem Sold wird es angesichts Japans schrumpfender Bevölkerung noch schwer sein, neue Soldatinnen und Soldaten zu finden. Arbeitskräftemangel herrscht schließlich in diversen Branchen. Felix Lill
Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.
Die drei wichtigsten chinesischen Aktienmärkte haben erstmals Richtlinien für börsennotierte Unternehmen zur verpflichtenden Offenlegung von Informationen zur Nachhaltigkeit veröffentlicht. Die Shanghai Stock Exchange (SSE), die Shenzhen Stock Exchange (SZSE) und die Beijing Stock Exchange (BSE) holen noch bis Ende Februar öffentliches Feedback zu ihren jeweils separat publizierten Entwürfen ein. Diese enthalten laut einer Notiz der Unternehmensberatung Deloitte Vorschriften für die Berichterstattung über “ein breites Spektrum von Umwelt-, Sozial- und Governance-Kategorien (ESG) – darunter den Schutz des Klimas, des Ökosystems und der biologischen Vielfalt, sowie Kreislaufwirtschaft, Energienutzung, Sicherheit der Lieferkette und Wiederbelebung des ländlichen Raums, Korruptions- und Bestechungsbekämpfung”.
Gemäß den Richtlinien von SSE und SZSE werden Unternehmen, die in den Indizes SSE 180, STAR 50, SZSE 100 und ChiNext vertreten sind, einer Berichtspflicht für diese ESG-Bereiche unterliegen. Für andere im In- und Ausland notierte Unternehmen, sowie die an der BSE gelisteten zumeist kleineren Firmen ist die ESG-Berichterstattung freiwillig; sie sollen dazu “ermuntert” werden. China hatte im Juni 2021 erstmals Regeln erlassen, wonach Börsenfirmen in ihren Halb- und Jahresberichten freiwillig darstellen, welche Maßnahmen sie zur Reduzierung ihrer Kohlenstoffemissionen während des Berichtszeitraums ergriffen haben und welche Auswirkungen diese haben. Eine Pflicht wäre also neu.
Ziel der neuen Leitlinien sei es, die ESG-Berichterstattung der Börsenfirmen zu standardisieren und sie bei der Umsetzung des Nachhaltigkeitskonzepts anzuleiten und eine qualitative Entwicklung der Firmen zu fördern, schrieb die BSE laut der South China Morning Post.
Die Hongkonger Börse hatte bereits im April 2023 vorgeschlagen, alle börsennotierten Unternehmen ab dem 1. Januar dazu zu verpflichten, klimabezogene Informationen in ihre ESG-Berichte aufzunehmen. Die Umsetzung wurde aber um ein Jahr auf Anfang 2025 verschoben, um den Firmen mehr Zeit zu geben, sich mit den neuen Anforderungen auseinanderzusetzen. Die Unternehmen in Festlandchina bekommen noch mehr Zeit. Laut den Entwürfen müssen meldepflichtige Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsberichte erstmals für das Kalenderjahr 2025 veröffentlichen, und zwar bis zum 30. April 2026. ck
Der Finanzdienstleister MSCI hat in seiner aktuellen vierteljährlichen Überprüfung 66 chinesische Unternehmen aus seinem MSCI China Index gestrichen. Das sei die höchste Zahl seit mindestens zwei Jahren, berichtete Bloomberg. Die Änderungen werden mit Börsenschluss am 29. Februar wirksam und gelten dann auch für den MSCI All Country World Index. Gestrichen werden laut dem Bericht unter anderem die Immobilienentwickler Gemdale und Greentown China Holdings, sowie die Fluggesellschaft China Southern Airlines und die Versicherung Ping An Healthcare and Technology.
Umgekehrt wird der Indexanbieter fünf Unternehmen der Volksrepublik neu in den MSCI China Index aufnehmen, darunter den Elektrogerätehersteller Midea Group und das Hautbehandlungsunternehmen Giant Biogene Holding.
Grund für die Streichungen ist der Einbruch am chinesischen Aktienmarkt, der Billionen von US-Dollar an Werten chinesischer Papiere vernichtet hat. Die Streichung ist ein weiterer Schlag für das Ansehen der Firmen. Generell ist die Gewichtung Chinas in globalen Portfolios laut Bloomberg zuletzt zurückgegangen – aufgrund der Besorgnis über den angeschlagenen Immobiliensektor und den schwachen Konsum. Auch haben demnach Alternativen wie Indien an Gewicht gewonnen. ck
Trotz geopolitischer Unsicherheiten will BASF weiter auf den chinesischen Markt setzen. Der Chemiekonzern gehe davon aus, dass bis 2030 rund 80 Prozent des weltweiten Wachstums der chemischen Produktion in China generiert werden, sagte Finanzchef Dirk Elvermann in einem Gespräch mit den Nachrichtenagenturen dpa-AFX und dpa. “Wir wollen und müssen als globales Chemieunternehmen daran teilhaben.” Das China-Geschäft mache derzeit rund 15 Prozent des BASF-Umsatzes aus, so Elvermann. Bis 2030 peile man etwa 20 Prozent an. Den chinesischen Markt hält Elvermann für unverzichtbar.
Zwar sehe auch BASF, dass die Wachstumsraten im Riesenreich derzeit nachlassen, sagte Elvermann. “Aber das haben wir bei unseren Investitionsentscheidungen so berücksichtigt.” Was an Absicherung gemacht werden könne, werde getan, versicherte er. Ein Restrisiko bleibe aber – “wie bei jeder Auslandsinvestition”. Teil der Absicherung sei, dass BASF in China für den lokalen Markt fertige. “Das heißt, wir bauen dort keinen Exportstandort, sondern haben ein China-für-China-Investment. Das gibt uns eine gewisse Sicherheit, was Transportwege, Logistik und Absatz angeht.” Zudem finanziere der Konzern das gesamte China-Geschäft lokal. “Die Vorstellung, dass wir Geldmittel von Europa oder sonst wo nach China transferieren, ist falsch.”
Elvermann ging zudem auf die jüngsten Vorwürfe gegen sein Unternehmen ein. BASF ist neben Volkswagen das einzige deutsche Unternehmen, das auch in der Provinz Xinjiang fertigen lässt, wo es gravierende Menschenrechtsverletzungen gegen die muslimische Minderheit der Uiguren gibt. Vor wenigen Tagen hatte der Konzern mitgeteilt, seine Anteile an zwei Joint Ventures in Xinjiang zu verkaufen.
Zwar hätten “regelmäßige Sorgfaltsmaßnahmen einschließlich interner und externer Audits” in den Gemeinschaftsfirmen keine Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen ergeben, betonte Elvermann. Dennoch hätten Berichte schwerwiegende Vorwürfe enthalten, die auf Aktivitäten des Joint-Venture-Partners Markor hinweisen, “die nicht mit den Werten von BASF vereinbar sind”. So sollen sich Markor-Mitarbeitende an der Überwachung von Uiguren in der Region beteiligt haben. flee
Trotz geopolitischer Unsicherheiten will BASF weiter auf den chinesischen Markt setzen. Der Chemiekonzern gehe davon aus, dass bis 2030 rund 80 Prozent des weltweiten Wachstums der chemischen Produktion in China generiert werden, sagte Finanzchef Dirk Elvermann in einem Gespräch mit den Nachrichtenagenturen dpa-AFX und dpa. “Wir wollen und müssen als globales Chemieunternehmen daran teilhaben.” Das China-Geschäft mache derzeit rund 15 Prozent des BASF-Umsatzes aus, so Elvermann. Bis 2030 peile man etwa 20 Prozent an. Den chinesischen Markt hält Elvermann für unverzichtbar.
Zwar sehe auch BASF, dass die Wachstumsraten im Riesenreich derzeit nachlassen, sagte Elvermann. “Aber das haben wir bei unseren Investitionsentscheidungen so berücksichtigt.” Was an Absicherung gemacht werden könne, werde getan, versicherte er. Ein Restrisiko bleibe aber – “wie bei jeder Auslandsinvestition”. Teil der Absicherung sei, dass BASF in China für den lokalen Markt fertige. “Das heißt, wir bauen dort keinen Exportstandort, sondern haben ein China-für-China-Investment. Das gibt uns eine gewisse Sicherheit, was Transportwege, Logistik und Absatz angeht.” Zudem finanziere der Konzern das gesamte China-Geschäft lokal. “Die Vorstellung, dass wir Geldmittel von Europa oder sonst wo nach China transferieren, ist falsch.”
Elvermann ging zudem auf die jüngsten Vorwürfe gegen sein Unternehmen ein. BASF ist neben Volkswagen das einzige deutsche Unternehmen, das auch in der Provinz Xinjiang fertigen lässt, wo es gravierende Menschenrechtsverletzungen gegen die muslimische Minderheit der Uiguren gibt. Vor wenigen Tagen hatte der Konzern mitgeteilt, seine Anteile an zwei Joint Ventures in Xinjiang zu verkaufen.
Zwar hätten “regelmäßige Sorgfaltsmaßnahmen einschließlich interner und externer Audits” in den Gemeinschaftsfirmen keine Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen ergeben, betonte Elvermann. Dennoch hätten Berichte schwerwiegende Vorwürfe enthalten, die auf Aktivitäten des Joint-Venture-Partners Markor hinweisen, “die nicht mit den Werten von BASF vereinbar sind”. So sollen sich Markor-Mitarbeitende an der Überwachung von Uiguren in der Region beteiligt haben. flee
Das Berliner KI-Unternehmen Nyonic GmbH hat offenbar seine führenden Köpfe verloren, darunter die frühere KI-Chefin des Softwareriesen SAP Feiyu Xu sowie Hans Uzkoreit, der auch wissenschaftlicher Leiter des Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) ist. Das berichtet das Handelsblatt in seiner Online-Ausgabe und beruft sich auf Unternehmenskreisen.
Vier der fünf Gründer der Firma, die als eine der großen deutschen Hoffnungen im globalen Rennen um Künstliche Intelligenz (KI) gilt, seien gegangen. Auch Johannes Otterbach, der unter anderem für den ChatGPT-Entwickler OpenAI gearbeitet hat sowie Vanessa Cann, die ehemalige Geschäftsführerin des KI-Bundesverbands, hätten die Firma verlassen.
Als Grund werden “strategische Differenzen zwischen den Gründern” genannt. Firmenchef Dong Han, deutscher Staatsbürger, der aber nach Handelsblatt-Informationen in Shanghai lebt, habe das Unternehmen immer stärker auf China ausrichten wollen. Das zeige sich auch daran, dass er offenbar Kompetenzen vom deutschen Teil der Firma in den chinesischen Teil umverteilt habe.
Nyonic ist erst vor einem Jahr unter anderem von Uzkoreit und Feiyu Xu gegründet worden und entwickelt Sprachmodelle für die Industrie. Das Unternehmen Software entwickeln und internes Wissen über einfache Sprachabfragen zugänglich machen. Von “ChatGPT für Unternehmen” schreibt das Handelsblatt. flee

Nach langen Verhandlungen im Trilog hat Deutschland den im Dezember erzielten Konsens für ein europäisches Lieferkettengesetz infrage gestellt. Doch viele Unternehmen in Deutschland – darunter auch viele kleine und mittlere – haben sich längst auf den Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaft gemacht und setzen umfassende Sorgfaltspflichten um. Sie unterstützen eine Regulierung, die Klarheit für alle in Europa schaffen würde. Auch wir plädieren für ein starkes europäisches Lieferkettengesetz, die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD).
Spätestens seit der Covid-Pandemie und dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ist klar, dass Europa strategische Autonomie braucht, auch in der Wirtschaft. Ein zentraler Baustein dafür ist die Diversifizierung der Beziehungen in verschiedenen Sektoren. Damit diese gelingt, müssen die Mitgliedstaaten dringend ihre Anforderungen koordinieren. Eine europäische Regulierung sorgt für die Vereinheitlichung der unterschiedlichen Gesetze und schafft Orientierung für Partnerländer.
In den vergangenen Jahren hat sich auch in Drittstaaten der Druck auf Regierungen und die Wirtschaft erhöht, Nachhaltigkeits- und Menschenrechtsstandards umzusetzen. Die USA sind mit ihrer strikten Gesetzgebung gegen Zwangsarbeit für viele Unternehmen sehr wichtig. Australien und Neuseeland haben Gesetze gegen moderne Sklaverei. Die japanische Regierung hat Leitlinien für Unternehmen erlassen, in Indien und Thailand gibt es Nationale Aktionspläne für Wirtschaft und Menschenrechte, und auch Südkorea, Malaysia und Indonesien beschäftigen sich mit dem Thema.
Die mexikanische Regierung nutzt den Trend zur Einhaltung von Sozialstandards als Argument, um Unternehmen aus China abzuwerben. In Kolumbien gibt es einen Gesetzentwurf, und auch in Brasilien wird ein Gesetz diskutiert. Selbst die chinesische Regierung nimmt ihre Firmen mittlerweile in die Pflicht: Diese sollen sich im Ausland an den OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen orientieren.
Die EU ist einer der großen globalen Wirtschaftsakteure. Die CSDDD bietet der EU jetzt die Chance, die globale Standardsetzung bei Umwelt- und Sozialthemen in ihrem Sinne zu beeinflussen. Das gibt europäischen Unternehmen eine klare Orientierung und verschafft ihnen einen Wettbewerbsvorteil.
Kritiker argumentieren, dass eine europäische Regulierung aktuellen Bemühungen von Versorgungssicherheit entgegensteht, weil Unternehmen mit bürokratischen Anforderungen konfrontiert werden. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Die Umsetzung von Sorgfaltspflichten trägt dazu bei, dass Unternehmen ihre Lieferketten besser kennenlernen. Sie setzen sich nicht nur damit auseinander, aus welchen Ländern ihre Produkte kommen, sondern auch damit, welche Akteure daran beteiligt sind und unter welchen Bedingungen sie hergestellt werden. Das betrifft insbesondere Branchen, in denen die Lieferketten intransparent sind, die Lieferanten häufig wechseln und die Beziehungen sehr unverbindlich sind.
Die Auseinandersetzung führt auch zu mehr Kooperation mit Lieferanten und Partnern. Schon jetzt ist zu sehen, wie die Transparenz durch Datenerhebung und Datenpooling erhöht wird. Weil die EU für viele in Drittstaaten ein sehr wichtiger Markt ist, stellen sich viele Unternehmen bereits auf die EU-Regulierung ein. Diese führt also in der Praxis nicht zu weniger Kooperation, sondern zu mehr Austausch und Verlässlichkeit zwischen Handelspartnern. “Lieferantenhopping” auf der reinen Suche nach dem niedrigsten Preis – das erweist sich als Auslaufmodell. Der direkte Kontakt mit Produzenten wird stärker gesucht und Agenturen werden zunehmend umgangen.
Etwa die Hälfte deutscher Exporte, gerade aus dem Mittelstand, geht in den europäischen Binnenmarkt. Damit ist das der wichtigste Exportmarkt deutscher Unternehmen. Dieser Erfolg unseres Mittelstands beruht wesentlich darauf, dass Gesetze im europäischen Binnenmarkt vereinheitlicht wurden. Kommt die CSDDD nicht zustande, sind deutsche Mittelständler weiterhin mit einem Flickenteppich an Regulierungen konfrontiert.
Mit der Corporate Sustainability Reporting Initiative (CSRD) besteht bereits eine einheitliche Berichtspflicht in der EU, ohne dass die zugrunde liegenden Prozesse reguliert sind. Und auch die EU-Taxonomie entfaltet bereits ihre Wirkung. Immer mehr Investoren setzen hohe Umwelt- und Sozialstandards voraus, wenn sie in Unternehmen investieren. Daneben gibt es weitere EU-Regulierungen, etwa zu Konfliktmineralien, die Unternehmen zu beachten haben.
Die CSDDD würde die vielen Anforderungen zugrunde liegenden Sorgfaltsprozesse regulieren und einen einheitlichen Standard für Nachhaltigkeitsprozesse schaffen. Das wäre eine deutliche Entlastung der Unternehmen. Gerade um die bürokratische Belastung gering zu halten und deutsche Unternehmen zielgerichtet bei der Umsetzung von Sorgfaltspflichten zu unterstützen, ist daher eine EU-weite Regelung sinnvoll.
Die CSDDD kann darüber hinaus sogar wirtschaftliche Impulse liefern, weil sie einen weiteren Standardisierungsschub bei Risikomanagementdaten und -tools bringen wird. 2023 haben Investoren dreistellige Millionenbeträge in Start-ups investiert, die digitale Lösungen für das Lieferkettenmanagement entwickeln. Diese Standardisierung wird das Risikomanagement auf Sicht deutlich vereinfachen und günstiger machen. Dies hilft KMUs und schafft neue Marktmöglichkeiten.
Markus Löning hat sich als Bundestagsabgeordneter der FDP und als Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung mit internationalen Beziehungen und Menschenrechten beschäftigt. Seit zehn Jahren unterstützt er Unternehmen beim Aufbau menschenrechtlicher Sorgfaltsprozesse.
Melanie Müller ist Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Sie leitet die SWP-Komponente im Forschungsnetzwerk Nachhaltige Lieferketten und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den Lieferketten von metallischen Rohstoffen.
Sourour Stanke ist seit Anfang Februar Leiterin der Hauptabteilung Strategie, Services, Media House, Marktkommunikation für Europa und China bei der BMW Group. Zuvor war sie Head of Corporate Communications und Government Affairs bei Giesecke + Devrient.
Benjamin Behrens ist seit Anfang Januar für die HR Business Coordination für Joint Ventures der Volkswagen Group in China tätig. Behrens war zuvor Assistent der Geschäftsleitung bei Volkswagen.
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Die Neujahrs-Festivitäten gehen auch am vierten Tag des Drachenjahres weiter, denn die meisten Chinesen haben noch immer frei. In Peking ist der Ditan-Park bekannt für Neujahrsdekorationen und Freiluft-Shows, auch bei klirrender Kälte. Hier führen Männer einen traditionellen Drachentanz auf.