+++ Table.Alert: BMBF legt Eckpunkte für Startchancen-Programm vor +++
Table.Alert: BMBF bei Startchancen-Programm auf Kollisionskurs mit Ländern
Liebe Leserin, lieber Leser,
es ist so weit: Bettina Stark-Watzinger liefert konkrete Eckpunkte für das Startchancen-Programm; das bildungspolitische Prestigeprojekt der Ampelregierung. 60 Prozent der Förderung würden Grundschulen erhalten, Daten den Erfolg der Schulen ermitteln und ein neuer Index den Königsteiner Schlüssel ersetzen. Bayern könnte so gut wie leer ausgehen, wie Moritz Baumann analysiert. Heißt: Das BMBF geht auf Kollisionskurs mit den Ländern. Das elfseitige Papier stellen wir Ihnen zudem als Download zur Verfügung.
Mit den besten Grüßen aus der Bildung.Table-Redaktion,
Ihr Niklas Prenzel
Analyse
Startchancen mit hartem Sozialindex
Startchance für Stark-Watzinger? Die Ministerin legt Eckpunkte für ein mutiges Programm vor.
Seit Monaten arbeiten Bund und Länder daran, ein gemeinsames Förderprogramm für Brennpunktschulen aufzugleisen – und tunlichst die vielen Fehler vergangener Bund-Länder-Initiativen zu vermeiden. Kein Bürokratiemonster wie der Digitalpakt, keine Willkürverteilung wie bei den Corona-Bildungshilfen.
Wie ambitioniert das Startchancen-Programm ist, zeigt nun ein elfseitiges Eckpunktepapier des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, das Table.Media vorliegt. Zuerst berichtete die FAZ darüber. Es trägt die Handschrift einer Ministerin, die in Schulfragen nicht zuständig ist und dennoch die Länder – im Windschatten einer sich anbahnenden Bildungskrise – vor sich hertreibt. Das Papier sei eine “Maximalposition“, die sich strikt an den Bedürfnissen der Kinder und nicht den Interessen der Bundesländer orientiere, heißt es aus Kreisen der Koalition.
Viel Geld in Richtung der Grundschulen schleusen
Für Bettina Stark-Watzinger (FDP) ist das Startchancen-Programm das einzige Vehikel, ihre Vision einer modernen Schulbildung umzusetzen. Das enge Verfassungskorsett lässt ihr keine andere Wahl. Sie will mit dem Projekt die “Leistungsfähigkeit des Bildungssystems nachhaltig verbessern” – und sich wohl selbst ein Denkmal errichten. Sie weiß, dass ihr das nicht mit glänzenden Leuchtturmschulen gelingt und setzt auf Wirkung in der Fläche – läuft dabei jedoch möglicherweise in die Falle, das Programm zu überfrachten und den Fokus zu verlieren.
Bislang hat das Eckpunktepapier weder die Ressortabstimmung durchlaufen noch ist die Finanzierung gesichert. Und die vielen Sätze und Summen, die noch in eckigen Klammern stehen, offenbaren, welch immenser Gesprächsbedarf besteht. Monatelang haben sich Stark-Watzinger und die Kultusminister misstrauisch beäugt. Währenddessen sammelte die Arbeitsebene in Bund-Länder-Workshops mit der Wissenschaft dem Vernehmen nach wichtige Impulse ein. Am Dienstag starteten schließlich die offiziellen Verhandlungen – erstmal zwischen den beteiligten Staatssekretären.
Und so lautet der Plan des BMBF: Das Startchancen-Programm soll im Schuljahr 2024/2025, also in etwas mehr als einem Jahr, starten und über zehn Jahre laufen. Bundesweit sollen, wie im Koalitionsvertrag verabredet, 4000 Schulen profitieren – mindestens 60 Prozent davon Grundschulen und 20 Prozent berufsbildende Schulen. Die Auswahl der einzelnen Schulen soll nicht entlang eines bundesweit einheitlichen Sozialindex erfolgen. Stattdessen soll jedes Land einen eigenen Kriterienkatalog entwickeln, um das Startchancen-Geld zu verteilen. Dieser soll mindestens die SGB-II-Quote und die Zahl der Schüler mit Migrationshintergrund umfassen. Jedes Land muss sich zunächst das Einverständnis des Bundes abholen.
Fokus auf Mindeststandards
Binnen zehn Jahren soll der Anteil der Schüler an den Startchancen-Schulen, die das Mindestniveau in Deutsch und Mathematik verfehlen, halbiert werden. Hier knüpft das BMBF an die Empfehlungen der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusminister an und ist bereit, dafür bis zu einer Milliarde Euro jährlich zu investieren – etwa eine Milliarde Euro weniger als in den Koalitionsverhandlungen ursprünglich geplant.
Investitionsprogramm: etwa 500 Millionen Euro pro Jahr (jährliche Summen können aufgrund baulicher Planungszeit variieren)
Schulbudget: 300 Millionen Euro pro Jahr (ab 2025)
Schulsozialarbeit: 100 Millionen Euro pro Jahr (2024); 200 Millionen Euro pro Jahr (ab 2025)
So wie sich das Papier liest, muss sich das BMBF auf schwierige Verhandlungen einstellen. Die Forderung, dass sich die Länder ebenfalls mit einer Milliarde Euro pro Jahr beteiligen, hatten viele Kultusminister bislang strikt abgelehnt. Unklar bleibt, inwieweit bereits laufende Programme wie die Perspektivschulen in Schleswig-Holstein angerechnet werden können.
BMBF schlägt neuen Verteilschlüssel vor
Stark-Watzinger pariert außerdem einen Vorschlag der Länder 95 Prozent der Bundesmittel nach dem Königsteiner Schlüssel zu verteilen (lesen Sie hier mehr). Das Geld für das Investitionsprogramm müssen Bund und Länder über Artikel 104c Grundgesetz administrieren, wobei aus Sicht des Bundes der verfassungsrechtlich erforderliche Eigenanteil der Länder mindestens 50 Prozent beträgt. Das BMBF will jedoch, anders als beim Digitalpakt, die Milliarden nicht pauschal per Königsteiner Schlüssel auf die Länder verteilen, sondern schlägt einen neu entwickelten Index vor, der sich wie folgt zusammensetzt:
40 Prozent: Anteil der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren mit nicht-deutscher Familiensprache
40 Prozent: Armutsgefährdungsquote
20 Prozent: negatives Bruttoinlandsprodukt
Dass Stark-Watzinger mehr als unglücklich ist mit dem Königsteiner Schlüssel, spiegelt sich auch in den anderen beiden Säulen. Die verbleibenden 500 Millionen Euro – für Schuldbudget und Schulsozialarbeit – sollen die Länder über eine befristete Anpassung der Umsatzsteuerpunkte erhalten und diese mit eigenen Mitteln verdoppeln.
Die jährlichen Finanzmittel in Höhe von einer Milliarde Euro sollen dann in einem nächsten Schritt in einen Solidaritätstopf überwiesen werden. Länder mit vielen Kindern im SGB-II-Bezug oder mit Migrationshintergrund sollen einen “Solidaritätszuschlag” erhalten – ähnlich dem Modell, wie es die KMK im März präsentiert hat.
Zwar fehlen die Tabellen, in denen das Plus oder Minus einzelner Bundesländer genau berechnet ist. Doch grob überschlagen, könnte Stark-Watzingers Finanzierungsmodell dazu führen, dass beispielsweise Bayern und Sachsen fast leer ausgehen – und das mitten im Wahljahr. Zur Erinnerung: Nur mit Mühe hatte zuletzt der Hamburger Schulsenator Ties Rabe einzelne CDU-Länder überzeugen können, überhaupt auf ein paar Millionen Euro zu verzichten.
Prien: Keine Kofinanzierung der Länder
Das BMBF legt nun einen “kompletten Gegenentwurf” vor, wie es aus Koalitionskreisen heißt. Nicht nur das Geld des Bundes soll strikt entlang sozialer Kriterien verteilt werden, auch die Landesmittel sollen solidarisch aufgeteilt werden – eine Art versteckter Finanzausgleich im Bildungssystem. Es wäre ein absolutes Novum.
Die FDP-Berichterstatterin im Bundestag, Ria Schröder, spricht von einem “Meilenstein” und dringt auf eine faire Verteilung der Kosten. “Die Länder müssen ihren Teil beisteuern”, sagt Schröder Table.Media. “Angesichts der Anstrengungen, die Länder schon jetzt für ihre Brennpunktschulen unternehmen, kommt eine Kofinanzierung mit neuem Geld nicht infrage”, kontert dagegen Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien am Dienstag in der FAZ. Die Länder müssten den Empfehlungen der Bildungsforschung folgen und von ihrer jüngsten KMK-Positionierung abrücken, fordert Nina Stahr von den Grünen.
Schulen müssen datengestützt arbeiten
Der Bund will offensichtlich verhindern, dass die Verhandlungen das Programm verwässern und so das Ziel gefährden, Schüler im Brennpunkt so zielgenau wie möglich zu fördern. Ein Beispiel: Schulträger sollen die Mittel aus der Ausstattungssäule nicht für “ohnehin notwendige Sanierungsmaßnahmen” verwenden können – heißt: kein Austausch maroder Fenster mit Geld vom Bund.
Ein gewisses Misstrauen zeigt sich auch darin, dass der Bund den Fortschritt und die Erfolge des Programms genau beobachten will. Wissenschaftler sollen das Programm vom Start weg evaluieren und die Schulen sich verpflichten, datengestützt zu arbeiten. “Startchancen-Schulen bekennen sich zu datengestützter Diagnostik und Unterrichtsentwicklung”, heißt es. Das BMBF will noch in diesem Jahr “externe Expertise” einholen, um das wissenschaftliche Monitoring aufzusetzen. Die Kosten teilen sich Bund und Länder.
Und noch eine Aufgabe übertragt das BMBF den Ländern – und kreiert damit de facto eine vierte Programmsäule. Wie Hanna Pfänder und Markus Warnke in einem aktuellen Gastbeitrag für Table.Media fordern, brauchen vor allem die Schulleiter Unterstützung, das Programm umzusetzen. Die Länder sollen daher Angebote für “Beratung, Netzwerkarbeit und Fortbildungen” schaffen, um die “Schulleitungen befähigen, die Führungsrolle bei der Programmumsetzung an ihrer Schule wahrzunehmen und die komplexen Prozesse der Unterrichts- und Teamentwicklung sowie der außerschulischen Vernetzung zu steuern.” Das BMBF will außerdem eine digitale Transferplattform errichten und mit dem Chancenbudget eine “deutliche Stärkung der Schulautonomie” erreichen.
Gesetz soll 2024 Kabinett passieren
Nach 17 Monaten in der Regierung hat Stark-Watzinger nun auf elf Seiten ihre Ideen ausgebreitet. Das Eckpunktepapier liest sich wie ein bildungspolitisches Grundsatzprogramm – und genau hier liegt auch die größte Gefahr.
Bislang hat sich die FDP-Ministerin bei den Ländern nicht beliebt gemacht; ihr fehlen die Verbündeten. Nun verlangt sie der KMK viel ab: neue Formen der Bildungssteuerung, Transparenz, wissenschaftliche Begleitung – und das alles unter dem wachsamen Blick des Bundes. Bis das Startchancen-Gesetz, wie geplant, im ersten Quartal 2024 das Bundeskabinett passieren kann, muss noch viel passieren. Manch einer erinnert sich mit Schrecken, wie lange Bund und Länder über die Verwaltungsvereinbarung zum Ganztagsausbau verhandelt haben. Diesmal, verspricht Stark-Watzinger, soll das alles schneller gehen.
Table.Alert: BMBF bei Startchancen-Programm auf Kollisionskurs mit Ländern
Liebe Leserin, lieber Leser,
es ist so weit: Bettina Stark-Watzinger liefert konkrete Eckpunkte für das Startchancen-Programm; das bildungspolitische Prestigeprojekt der Ampelregierung. 60 Prozent der Förderung würden Grundschulen erhalten, Daten den Erfolg der Schulen ermitteln und ein neuer Index den Königsteiner Schlüssel ersetzen. Bayern könnte so gut wie leer ausgehen, wie Moritz Baumann analysiert. Heißt: Das BMBF geht auf Kollisionskurs mit den Ländern. Das elfseitige Papier stellen wir Ihnen zudem als Download zur Verfügung.
Mit den besten Grüßen aus der Bildung.Table-Redaktion,
Ihr Niklas Prenzel
Analyse
Startchancen mit hartem Sozialindex
Startchance für Stark-Watzinger? Die Ministerin legt Eckpunkte für ein mutiges Programm vor.
Seit Monaten arbeiten Bund und Länder daran, ein gemeinsames Förderprogramm für Brennpunktschulen aufzugleisen – und tunlichst die vielen Fehler vergangener Bund-Länder-Initiativen zu vermeiden. Kein Bürokratiemonster wie der Digitalpakt, keine Willkürverteilung wie bei den Corona-Bildungshilfen.
Wie ambitioniert das Startchancen-Programm ist, zeigt nun ein elfseitiges Eckpunktepapier des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, das Table.Media vorliegt. Zuerst berichtete die FAZ darüber. Es trägt die Handschrift einer Ministerin, die in Schulfragen nicht zuständig ist und dennoch die Länder – im Windschatten einer sich anbahnenden Bildungskrise – vor sich hertreibt. Das Papier sei eine “Maximalposition“, die sich strikt an den Bedürfnissen der Kinder und nicht den Interessen der Bundesländer orientiere, heißt es aus Kreisen der Koalition.
Viel Geld in Richtung der Grundschulen schleusen
Für Bettina Stark-Watzinger (FDP) ist das Startchancen-Programm das einzige Vehikel, ihre Vision einer modernen Schulbildung umzusetzen. Das enge Verfassungskorsett lässt ihr keine andere Wahl. Sie will mit dem Projekt die “Leistungsfähigkeit des Bildungssystems nachhaltig verbessern” – und sich wohl selbst ein Denkmal errichten. Sie weiß, dass ihr das nicht mit glänzenden Leuchtturmschulen gelingt und setzt auf Wirkung in der Fläche – läuft dabei jedoch möglicherweise in die Falle, das Programm zu überfrachten und den Fokus zu verlieren.
Bislang hat das Eckpunktepapier weder die Ressortabstimmung durchlaufen noch ist die Finanzierung gesichert. Und die vielen Sätze und Summen, die noch in eckigen Klammern stehen, offenbaren, welch immenser Gesprächsbedarf besteht. Monatelang haben sich Stark-Watzinger und die Kultusminister misstrauisch beäugt. Währenddessen sammelte die Arbeitsebene in Bund-Länder-Workshops mit der Wissenschaft dem Vernehmen nach wichtige Impulse ein. Am Dienstag starteten schließlich die offiziellen Verhandlungen – erstmal zwischen den beteiligten Staatssekretären.
Und so lautet der Plan des BMBF: Das Startchancen-Programm soll im Schuljahr 2024/2025, also in etwas mehr als einem Jahr, starten und über zehn Jahre laufen. Bundesweit sollen, wie im Koalitionsvertrag verabredet, 4000 Schulen profitieren – mindestens 60 Prozent davon Grundschulen und 20 Prozent berufsbildende Schulen. Die Auswahl der einzelnen Schulen soll nicht entlang eines bundesweit einheitlichen Sozialindex erfolgen. Stattdessen soll jedes Land einen eigenen Kriterienkatalog entwickeln, um das Startchancen-Geld zu verteilen. Dieser soll mindestens die SGB-II-Quote und die Zahl der Schüler mit Migrationshintergrund umfassen. Jedes Land muss sich zunächst das Einverständnis des Bundes abholen.
Fokus auf Mindeststandards
Binnen zehn Jahren soll der Anteil der Schüler an den Startchancen-Schulen, die das Mindestniveau in Deutsch und Mathematik verfehlen, halbiert werden. Hier knüpft das BMBF an die Empfehlungen der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusminister an und ist bereit, dafür bis zu einer Milliarde Euro jährlich zu investieren – etwa eine Milliarde Euro weniger als in den Koalitionsverhandlungen ursprünglich geplant.
Investitionsprogramm: etwa 500 Millionen Euro pro Jahr (jährliche Summen können aufgrund baulicher Planungszeit variieren)
Schulbudget: 300 Millionen Euro pro Jahr (ab 2025)
Schulsozialarbeit: 100 Millionen Euro pro Jahr (2024); 200 Millionen Euro pro Jahr (ab 2025)
So wie sich das Papier liest, muss sich das BMBF auf schwierige Verhandlungen einstellen. Die Forderung, dass sich die Länder ebenfalls mit einer Milliarde Euro pro Jahr beteiligen, hatten viele Kultusminister bislang strikt abgelehnt. Unklar bleibt, inwieweit bereits laufende Programme wie die Perspektivschulen in Schleswig-Holstein angerechnet werden können.
BMBF schlägt neuen Verteilschlüssel vor
Stark-Watzinger pariert außerdem einen Vorschlag der Länder 95 Prozent der Bundesmittel nach dem Königsteiner Schlüssel zu verteilen (lesen Sie hier mehr). Das Geld für das Investitionsprogramm müssen Bund und Länder über Artikel 104c Grundgesetz administrieren, wobei aus Sicht des Bundes der verfassungsrechtlich erforderliche Eigenanteil der Länder mindestens 50 Prozent beträgt. Das BMBF will jedoch, anders als beim Digitalpakt, die Milliarden nicht pauschal per Königsteiner Schlüssel auf die Länder verteilen, sondern schlägt einen neu entwickelten Index vor, der sich wie folgt zusammensetzt:
40 Prozent: Anteil der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren mit nicht-deutscher Familiensprache
40 Prozent: Armutsgefährdungsquote
20 Prozent: negatives Bruttoinlandsprodukt
Dass Stark-Watzinger mehr als unglücklich ist mit dem Königsteiner Schlüssel, spiegelt sich auch in den anderen beiden Säulen. Die verbleibenden 500 Millionen Euro – für Schuldbudget und Schulsozialarbeit – sollen die Länder über eine befristete Anpassung der Umsatzsteuerpunkte erhalten und diese mit eigenen Mitteln verdoppeln.
Die jährlichen Finanzmittel in Höhe von einer Milliarde Euro sollen dann in einem nächsten Schritt in einen Solidaritätstopf überwiesen werden. Länder mit vielen Kindern im SGB-II-Bezug oder mit Migrationshintergrund sollen einen “Solidaritätszuschlag” erhalten – ähnlich dem Modell, wie es die KMK im März präsentiert hat.
Zwar fehlen die Tabellen, in denen das Plus oder Minus einzelner Bundesländer genau berechnet ist. Doch grob überschlagen, könnte Stark-Watzingers Finanzierungsmodell dazu führen, dass beispielsweise Bayern und Sachsen fast leer ausgehen – und das mitten im Wahljahr. Zur Erinnerung: Nur mit Mühe hatte zuletzt der Hamburger Schulsenator Ties Rabe einzelne CDU-Länder überzeugen können, überhaupt auf ein paar Millionen Euro zu verzichten.
Prien: Keine Kofinanzierung der Länder
Das BMBF legt nun einen “kompletten Gegenentwurf” vor, wie es aus Koalitionskreisen heißt. Nicht nur das Geld des Bundes soll strikt entlang sozialer Kriterien verteilt werden, auch die Landesmittel sollen solidarisch aufgeteilt werden – eine Art versteckter Finanzausgleich im Bildungssystem. Es wäre ein absolutes Novum.
Die FDP-Berichterstatterin im Bundestag, Ria Schröder, spricht von einem “Meilenstein” und dringt auf eine faire Verteilung der Kosten. “Die Länder müssen ihren Teil beisteuern”, sagt Schröder Table.Media. “Angesichts der Anstrengungen, die Länder schon jetzt für ihre Brennpunktschulen unternehmen, kommt eine Kofinanzierung mit neuem Geld nicht infrage”, kontert dagegen Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien am Dienstag in der FAZ. Die Länder müssten den Empfehlungen der Bildungsforschung folgen und von ihrer jüngsten KMK-Positionierung abrücken, fordert Nina Stahr von den Grünen.
Schulen müssen datengestützt arbeiten
Der Bund will offensichtlich verhindern, dass die Verhandlungen das Programm verwässern und so das Ziel gefährden, Schüler im Brennpunkt so zielgenau wie möglich zu fördern. Ein Beispiel: Schulträger sollen die Mittel aus der Ausstattungssäule nicht für “ohnehin notwendige Sanierungsmaßnahmen” verwenden können – heißt: kein Austausch maroder Fenster mit Geld vom Bund.
Ein gewisses Misstrauen zeigt sich auch darin, dass der Bund den Fortschritt und die Erfolge des Programms genau beobachten will. Wissenschaftler sollen das Programm vom Start weg evaluieren und die Schulen sich verpflichten, datengestützt zu arbeiten. “Startchancen-Schulen bekennen sich zu datengestützter Diagnostik und Unterrichtsentwicklung”, heißt es. Das BMBF will noch in diesem Jahr “externe Expertise” einholen, um das wissenschaftliche Monitoring aufzusetzen. Die Kosten teilen sich Bund und Länder.
Und noch eine Aufgabe übertragt das BMBF den Ländern – und kreiert damit de facto eine vierte Programmsäule. Wie Hanna Pfänder und Markus Warnke in einem aktuellen Gastbeitrag für Table.Media fordern, brauchen vor allem die Schulleiter Unterstützung, das Programm umzusetzen. Die Länder sollen daher Angebote für “Beratung, Netzwerkarbeit und Fortbildungen” schaffen, um die “Schulleitungen befähigen, die Führungsrolle bei der Programmumsetzung an ihrer Schule wahrzunehmen und die komplexen Prozesse der Unterrichts- und Teamentwicklung sowie der außerschulischen Vernetzung zu steuern.” Das BMBF will außerdem eine digitale Transferplattform errichten und mit dem Chancenbudget eine “deutliche Stärkung der Schulautonomie” erreichen.
Gesetz soll 2024 Kabinett passieren
Nach 17 Monaten in der Regierung hat Stark-Watzinger nun auf elf Seiten ihre Ideen ausgebreitet. Das Eckpunktepapier liest sich wie ein bildungspolitisches Grundsatzprogramm – und genau hier liegt auch die größte Gefahr.
Bislang hat sich die FDP-Ministerin bei den Ländern nicht beliebt gemacht; ihr fehlen die Verbündeten. Nun verlangt sie der KMK viel ab: neue Formen der Bildungssteuerung, Transparenz, wissenschaftliche Begleitung – und das alles unter dem wachsamen Blick des Bundes. Bis das Startchancen-Gesetz, wie geplant, im ersten Quartal 2024 das Bundeskabinett passieren kann, muss noch viel passieren. Manch einer erinnert sich mit Schrecken, wie lange Bund und Länder über die Verwaltungsvereinbarung zum Ganztagsausbau verhandelt haben. Diesmal, verspricht Stark-Watzinger, soll das alles schneller gehen.