Table.Briefing: Bildung

Schulbuch-Verlage machen KI + David Klett im Interview + Bitkom verlangt Transparenz + Ärger um Dienstgeräte in Berlin

  • Schulbuchverlage: Wir können KI
  • David Klett: “Das Schulbuch ist nicht tot”
  • Lehrer Jan Vedder über die Abschaffung des Stundenplans in Berenbostel
  • Bitkom: Digitalpakt braucht Transparenz
  • Berlin: Zoff um Dienstgeräte
  • Didaktik & Tools I: Schulleiter Steffen Siegert über ThingLink
  • Didaktik & Tools II: Coach Caroline Deinert über Sparring
Liebe Leserin, lieber Leser,

woran erinnern Sie sich, wenn Sie an die Schulbücher Ihrer Kindheit oder die Ihrer Kinder denken? Waren sie nicht meist unpassend: für die Einen zu langweilig, den Anderen zu kompliziert – und immer auch etwas hinter der Zeit zurück? Schulbücher waren nie nur Lektüren und Lernstoff, sondern immer auch Anlass erbitterter Auseinandersetzungen zwischen Bildungsbürgern.

Die Digitalisierung unserer Bildungssysteme wird daran nichts ändern. Im Gespräch diskutieren der Schulbuchverleger und Digitalist David Klett und der Leiter des Bildung.Table, Christian Füller, die wichtigsten Fragen, die sich um das Lernmaterial der nahen Zukunft ranken. Es geht um die Gefahren politischer Einflussnahme auf das Denken von Kindern, um Chancen und Risiken des KI-Einsatzes im Schulalltag und auch um nackte Macht- und Wirtschaftsinteressen. Ein Gespräch, das ich Ihnen empfehlen möchte.

Zumal, wenn Sie es im Zusammenhang mit den aktuellen Entwicklungen des KI-Projektes der Bundesländer lesen, denen das Table-Team in der heutigen Ausgabe nachgeht – und in der knallharte Wettbewerbs- und Lobbyismusfragen aufscheinen. Wen wundert es, dass die Schulbuchverlage ihre tradierte Vormachtstellung nicht kampflos aufgeben werden, wenn Tablets die Schulbücher in den Ranzen ersetzen?

Ihre
Antje Sirleschtov
Bild von Antje  Sirleschtov

Analyse

Schulbuchverlage machen jetzt KI

Es ist nicht mehr genau herauszubekommen, ob es eine Ausschreibung, ein Pitch oder schlicht ein Schein-Wettbewerb war. Jeder sagt etwas anderes. Jedenfalls scheiterten diverse Bewerber, als die KMK unter Federführung Sachsens ein Modell-Projekt zu Künstlicher Intelligenz (KI) startete. Es galt, ein Lernmanagementsystem zu küren, das KI einsetzt. Der Gewinner war schließlich “Area9 Lyceum”, ein relativ unbekannter Anbieter. Zu den Verlierern unter den 17 Bewerbern zählten auch die Schulbuchverlage.

Nun kommt heraus: die Verlage sind gar nicht die Verlierer, sie sind urplötzlich wieder im Spiel. Auch die Schulbuchverlage machen jetzt KI. “Es wird zu Kooperationen kommen”, sagte der Geschäftsführer des Verbandes der Bildungsmedien, Christoph Pienkoß, zur Zusammenarbeit mit Area9. “Es ist gewollt, dass man sich beim Content bei den anerkannten Profis bedient – den Schulbuchverlagen.” 

Intelligentes tutorielles System statt KI

Was sich beim KI-Modellversuch in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern gerade zuträgt, erweckt den Anschein, als gebe es ein Drehbuch. Als der Bund und die Länder im September 2020 zum ersten Mal über Künstliche Intelligenz redeten, gaben sie die Sprachregelung aus, besser den Begriff “intelligente tutorielle Systeme” (ITS) zu verwenden. Ein Begriff wie ein Watte-Bausch. Man weiß nicht genau, was er eigentlich bedeutet, aber er macht den Menschen nicht so viel Angst wie KI. Auch Arndt Kwiatkowski von Bettermarks, einem der wenigen arrivierten Startups, spricht von smarten Tutorsystemen.

Als Kwiatkowski aber bei der Bewerbung für das ITS in Sachsen dabei war, sollte er auf einmal wieder KI sagen. “Dabei wurde auch die Frage gestellt, ob Bettermarks im Fach Mathematik bereits KI-Tools integriert hat,” berichtete Kwiatkowski Bildung.Table. Seine Antwort lautete pflichtgemäß, “dass ‘starke KI’, also selbstlernende Systeme, bei uns bisher nicht im Einsatz sind”. Möglicherweise gereichte ihm aber genau das zum Nachteil. Denn der Beamte des Projektleiters Sachsen trug nun als Vorzug von Area9 vor, “dass die meisten anderen Anbieter gar nicht mit Künstlicher Intelligenz arbeiten”. Also bekam das dänische Unternehmen mit Niederlassungen in den USA und Leipzig den Zuschlag – und Bettermarks war raus. So berichten es mehrere Teilnehmer und Kenner der Entscheidungsfindung. 

Verlage passen als Inhalteanbieter zu KI-Anwendern

Die Schulbuchverlage freilich sind nicht raus. Die Verlierer sind wieder auf der Gewinnerstraße. Verlage bestätigten Bildung.Table, dass sie bereits mit Area9 Lyceum in Verhandlungen stünden. Das sei ein logischer, fast zwingender Schritt. Denn das LMS Area9Rhapsode sei allein ein technisches System. “Wir bieten einem Schulsystem oder einem Unternehmen eine Technologie, wir bieten keinen Inhalt”, sagte Area-Geschäftsführer Andreas Kambach zu Bildung.Table. “Wir sprechen natürlich mit den Schulbuchverlagen. Die hatten sofort Interesse, als wir ihnen gezeigt haben, was wir machen.” 

Freilich bestehen erhebliche Zweifel, ob man die Inhalte der Schulbuchverlage problemlos in das KI-bewährte Lernmanagementsystem (LMS) von Area9 implantieren könnte. “Wenn man jetzt die tradierten Inhalte der Schulbuchverlage in ein LMS integrieren will – dann fängt man dort ja quasi bei Null an”, wunderte sich Daniel Bialecki von der “Initiative deutscher digitaler Bildungsanbieter”. Eine solche Fusion eines KI-Systems mit großen Inhaltskorpora nehme wahrscheinlich Jahre in Anspruch. Die Entscheidung sei daher nicht nachvollziehbar, gerade ordnungspolitisch nicht. Erneut kreiere der Staat ein Produkt, das es am Markt bereits gibt. Bettermarks, Sofatutor, Simpleclub, Eduki und viele andere Lernplattformen hätten Technologie und Inhalte über viele Jahre zusammen geführt – ohne staatliche Zuschüsse.

Tutorsysteme: keine Förderfähigkeit durch den Bund

Bialeckis und die Bedenken anderer rühren daher, dass man Content nicht so einfach in ein KI-basiertes LMS integrieren kann, wie man etwa ein Schulbuch in ein Bücherregal stellt. Dazu müssen die Inhalte operationalisiert, codiert und nach verschiedenen Lernniveaus gestaffelt werden. Selbst aus den Reihen der Schulbuchverleger kam hier Skepsis: “Grundsätzlich ist es in meinen Augen nicht so einfach, ein technisches System, gewissermaßen inhaltefrei, zu programmieren – und danach entwickelt da jemand was rein”, sagte David Klett von “Klett Lernen und Information”, den internationalen Schulbuchverlagen von Klett. (Siehe Interview unten). “Das wäre ja ein ganz schöner Akt, die Inhalte der Schulbuchverlage jetzt zu digitalisieren und für KI bereitzustellen,” gesteht auch ein anderer aus der Verlegerbranche. “Und es ist ja nicht so, dass es da schon ein fertiges Produkt gäbe, was man rüberschiebt und sagt: ‘Baut das mal eben da rein’.”

Wie kommt so eine Entscheidung aber zustande? Das hängt womöglich damit zusammen, dass einerseits große Unwissenheit herrscht und deswegen andererseits Marktinteressen mittels guter Beziehungen durchsetzbar werden. So entsteht eine seltsame Gemengelage. Fragt man bei der KMK oder auch bei Ländern zum Modellversuch KI an, trifft man nicht selten auf Nichtwissen. Gleichzeitig verbreiten sich unter Marktteilnehmern Gerüchte, etwa, dass für die Entwicklung eines KI-fähigen Lernmanagementsystems über 20 Millionen Euro vom Bund bereitgestellt würden. Das Bundesbildungsministerium dementierte sofort. “Bei ‘intelligenten tutoriellen Systemen’ geht es um eine Inhalte-Vermittlung, nicht um Investitionen in die kommunale Bildungsinfrastruktur”, sagte eine Sprecherin auf Anfrage. “Damit besteht auch keine Förderfähigkeit von ITS im Schulbetrieb durch das BMBF.” Das für den Modellversuch zuständige Kultusministerium in Sachsen ficht das nicht weiter an. “Die Länder gehen davon aus, dass die Weiterentwicklung des Systems förderfähig aus dem Digitalpakt Schule 2019 – 2024 ist”, sagte ein Sprecher. Digitalpolitik voller Irrungen und Wirrungen.

Bettermarks ist KI-fähig – und hat Inhalte

Diese Konstellation vor Augen, fragt man sich, warum Bettermarks eigentlich nicht zum Zug kam. Bettermarks ist ein intelligentes tutorielles System, das bereits seit zehn Jahren mathematische Inhalte in kleine Teilchen zerlegt, programmiert und diese in Aufgaben, Spielen und Übungen präsentiert. Bettermarks ist also ein fertiges KI-fähiges System – und zugleich voller Inhalte. Arndt Kwiatkowski sagte jüngst bei einem Vortrag in Potsdam, Bettermarks sei grundsätzlich ein Schulbuch-ersetzendes System. Möglicherweise sind es solche Sätze, die ihn nun den Job in den drei Modellländern gekostet haben. Aber vielleicht hat es auch gar nichts mit Kwiatkowski zu tun. Könnte es sein, dass die Kultusminister lieber auf altbewährte Partner setzen als auf digitale Newcomer?

Dazu ist es hilfreich, in die jüngere und jüngste Vergangenheit zu blicken. Vor bald zehn Jahren beschlossen die Kultusminister, zusammen mit den Schulbuchverlagen einen sogenannten Schulbuchtrojaner zu programmieren. Die Software sollte Lehrer-Laptops danach ausspionieren, ob die Pädagogen dort Schulbücher digitalisiert haben. Eine Art Lauschangriff auf die deutsche Lehrerschaft – und ein Fanal gegen Digitalisierung. Diese finsteren Zeiten sind inzwischen vorbei. Aber so richtig warm werden die Kultusminister mit Startups und digitalen Bildungsanbietern immer noch nicht.

Kultusminister lassen Startups abblitzen – seit Monaten

Im Mai schrieben die Digital-Startups den Bildungsministern von Bund und Ländern einen Brief und boten an, sich mit digitalen Angeboten zur Schließung von Lernlücken zu beteiligen. Die Bildungsanbieter warteten geduldig drei Monate lang, ohne Antwort zu bekommen. Bund und Länder bezichtigten sich gegenseitig. Ein Treffen zusammen mit der Bundesbildungsministerin sei ein protokollarisches Unding, hieß es sinngemäß aus der KMK. Es kam zu keiner Einladung, genauer: irgendwie schaffte die KMK es nicht, den Brief den Startups erfolgreich zuzustellen. Unterdessen setzten sich die Bildungsanbieter hin und schrieben erneut einen Brief an die Kultusminister. Das Ergebnis war ähnlich. Erst hieß es, dass ein Treffen stattfinden könne. Dann wurde auf Anja Karliczek verwiesen. Eine Begegnung, so diesmal das Argument, sei nur zusammen mit ihr, der Bundesbildungsministerin, zu machen. “Wir fühlen uns gerade etwas wie der Spielball im bildungsförderalen Pingpong, lassen aber auf keinen Fall locker”, sagte Daniel Bialecki dazu.

Ganz egal, was die Startups auch machen – für sie gibt es offenbar keinen offiziellen Eingang, kein eigenes Budget und kein Programm, in das sie ihre Kompetenz einbringen könnten. mit Christine Keilholz

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    “Das Schulbuch gibt Sicherheit”

    David Klett über KI in der Schule.
    David Klett, Vorstand der Ernst Klett AG

    Herr Klett, die Bildungsminister einiger Länder experimentieren plötzlich mit Künstlicher Intelligenz. Sind die aus dem Dornröschenschlaf erwacht? 

    Es heißt, mehrere Staatssekretäre von verschiedenen Bundesländern haben Firmen eingeladen, die ihnen ein intelligentes tutorielles System bauen sollten…

    … eines, das Künstliche Intelligenz in die Schule bringen wird.

    Wenn Sie es so nennen wollen, ja. Und hier beginnt eines der Missverständnisse. Mein Eindruck ist, dass bisher nicht sehr breit bekannt ist, was KI in der Schule eigentlich kann und soll. Mal heißt das adaptive learning sytem, mal intelligentes tutorielles System. Diese Begriffe dienen womöglich auch dazu, den stets etwas bedrohlich wirkenden Begriff Künstliche Intelligenz zu vermeiden.

    Was kann KI in der Schule? 

    Die Politik erhofft sich, dass daraus ein System entsteht, das individuelle Lernwege in allen Fächern für alle Schüler bereitstellt. Die Inhalte dafür sollen, wie jetzt bei dem Auftrag für “Area9 Lyceum”, dem Vernehmen nach auch die Verlage entwickeln.

    Kann das denn klappen, jetzt im Schnellverfahren etwas zu entwickeln, wofür zum Beispiel Bettermarks und Sofatutor zehn Jahre gebraucht haben? 

    Das werden wir sehen. Grundsätzlich ist es in meinen Augen nicht so einfach, ein technisches System gewissermaßen inhaltefrei zu programmieren – und danach entwickelt da jemand was rein. Das ist zumindest meine Erfahrung, wir beschäftigen uns seit Jahren mit adaptiven Lernumgebungen, die ja in vielen Ländern schon im Einsatz sind.

    Vielleicht ist es überhaupt keine technische Frage, sondern eine des gesteuerten Marktes: die KMK hilft den Schulbuchverlagen, einen jahrzehntelangen Entwicklungsrückstand aufzuholen. 

    Ich sehe das grundsätzlicher. Vielleicht haben wir es mit dem Phänomen zu tun, dass Bildungspolitiker oder Beamte in höheren Verwaltungsebenen sagen, wir sind die besseren Bildungsmedien-Entwickler und die besseren Techniker. Es kann aber auch sein, dass hoch droben eine Entscheidung fällt, ohne die echten Probleme der Schulen im Blick zu haben. Meine Erfahrung ist, dass Bildungsmedien am besten sehr nah an und mit den Lehrkräften entwickelt werden können.

    Trifft das auf die beiden bundesweiten Plattformen zu, bei denen sich Lehrkräfte digitales Unterrichtsmaterial herunterladen können. Braucht man da das gute alte Schulbuch und seine Produzenten überhaupt noch, die Schulbuchverlage?

    Ich sehe diese Form von Verdrängung nicht. Didaktische Prozesse laufen lang und sind komplex, das kann sich über einen Zeitraum von ganzen Schuljahren erstrecken. Lehrer brauchen Orientierung und Sicherheit, um diese Prozesse aufbauen zu können. Das Schulbuch gibt ihnen Sicherheit. Was jetzt “Mundo” und “WirLernenOnline“…

    … das sind beiden zentralen Portale…

    … ja, was die und viele andere als Lernidee oder -inhalt anbieten, ist einfach eine Ergänzung des Schulbuchs. Das gab es schon immer, nur eben jetzt zentral finanziert durch den Bund. Das Schulbuch wird – wenn Sie so wollen – einmal mehr durch Bildungsinhalte in verschiedensten medialen Ausspielformen komplettiert. 

    Kritiker sagen, dass Schulbücher für unsere schnelllebige Zeit einfach zu langsam sind. 

    Das liegt in der Natur der Sache. Wenn Sie etwas drucken müssen, und es gibt plötzlich Neuigkeiten, dann können sie das nicht mal eben aktualisieren. Tatsache ist aber, dass um das Schulbuch herum wahnsinnig viel aktuelles Material entsteht – von den Verlagen selbst, aber auch von anderen Anbietern. Und bei digitalen Schulbüchern, wenn man sie so nennen will, ist das Aktualisieren normal. Ich selber bin für einen der größten Bildungsmedien-Verlage in den Niederlanden zuständig. Die Nachfrage nach digitalen Medien ist da viel größer und für uns ist es selbstverständlich, Inhalte laufend frisch zu halten. 

    Der Bund fördert auch die Produktion offener Bildungsinhalte – sogenannter open educational resources. Sind diese OER das bessere Schulbuch? 

    OER steht zunächst für Lernmedien unter offener Lizenz. Was gute digitale Bildungsmedien sind, ist damit noch nicht entschieden. OER ist zuallererst eine rechtliche Kategorie. Bildungsmedien machen in meinen Augen nur dann einen Unterschied für bessere Bildung, wenn sie gut gemacht sind und wenn viele Lehrkräfte sie annehmen. Die Entscheidung über Qualität treffen also am Ende die, die damit gut unterrichten wollen.

    Die Kunden am Schulbuchmarkt sind doch die Kultusminister – und nicht die Lehrer.

    Ich bin der tiefen Überzeugung, dass die Lehrer wählen können müssen zwischen ganz verschiedenen Angeboten. Das ist in vielen Ländern Europas normal. Auch in Deutschland. Wessen Angebote nicht gewählt werden, der sollte meines Erachtens daraus Nachteile haben. Sonst gibt es keinen Anreiz, sich mit der besten Idee am Markt halten zu müssen.

    Die Schulbuchverlage stellen ja nicht nur Schulbücher, sondern vielerlei Bildungsmedien her. Nun kommt der Zentralstaat und fördert mit vielen Millionen Euro sowohl OER als auch Plattformen, die sie vertreiben. Wie finden Sie das? 

    Wenn der Bund zwei große Plattformen fördert, dann ist das außerhalb des Wettbewerbs. Dort werden zwar Bildungsmedien produziert. Aber ob die 800.000 Lehrkräfte in diesem Land sie annehmen oder nicht, das können wir nicht wissen. Ja, wir werden es vielleicht nie erfahren, weil diese OER-Medien oft einfach vor sich hin produziert werden von zum Teil sehr kleinen, staatlich geförderten Gruppen oder Institutionen, die im harten Wettbewerb um die Gunst der Lehrkräfte vermutlich keine Rolle spielen dürften.

    Bei ihrem Geschäft übt allerdings nicht nur der Lehrer Kontrolle aus, sondern vor dem Markt kommt die staatliche Qualitätskontrolle durch die Kultusminister. Diese Kontrolle wirkt protektionistisch – weil sie Konkurrenten ausschließt.

    Dass der Staat wie verrückt von morgens bis abends alles kontrolliert, stimmt nicht. Es heißt, Bayern sei strenger, die anderen Bundesländer weniger oder setzten andere Schwerpunkte. Da muss man schon genauer hinsehen. Qualitätskontrolle der Verlage heißt übrigens nicht, dass hier nur stur die curricularen Vorgaben des Staates umgesetzt werden. Den entscheidenden, kreativen Job machen die Verlage. Ihre Marken sind nichts anderes als ein Versprechen: die Lehrerinnen und Lehrer können sich darauf verlassen, dass sich die Verlagsleute richtig ins Zeug legen. Wir kennen die Realität der Schule und wissen, was dort geleistet werden muss. Das entlastet die Lehrkräfte, das ist wichtig und das wird in meinen Augen auch wichtig bleiben. 

    Wer könnte die Qualität von open educational resources kontrollieren? 

    Das weiß ich nicht, und ich stelle mir ziemlich kompliziert vor, alle gemixten und geremixten Elaborate zu kontrollieren, die da draußen auffindbar sind. Wenn Sie das aber allein dem Schwarm überlassen wollen und wenn sich die Lehrkräfte auf allen möglichen Plattformen ihre Materialien selbst zusammen suchen sollen, dann entlasten sie diese nicht. 

    OER und andere mediale Inhalteträger sind also im Grunde überflüssig? 

    Nein, ein Schuh wird daraus, wenn die Dinge nebeneinander bestehen. Die meisten Lehrkräfte sind froh, dass sie sich an den roten Faden der kurstragenden Lehrwerke halten können – und immer da etwas hinzunehmen können, wo sie was ergänzen wollen. Sei es bei Mundo oder dem Lehrermarktplatz oder meinunterricht.de von Klett. 

    Ist es eigentlich mit der föderalen Ordnung vereinbar, dass der Zentralstaat plötzlich beginnt, Unterrichtsinhalte zu produzieren? 

    Ich glaube nicht, dass die Kulturhoheit durch das Bundes-Portal “WirLernenOnline” unterlaufen wird. Mit bestimmten Einschränkungen kann der Bund sehr viele Initiativen starten, die der Bildung in der Bundesrepublik zuträglich sind. Ob das erfolgreich wird, daran habe ich Zweifel.

    Wie meinen Sie das?

    Wenn ich mir anschaue, wie Bildungsmedien in den Staaten um uns herum zentral entwickelt und dann den Schulen ungefragt bereitgestellt werden, dann klappt das in der Regel nicht. Egal, ob in Holland oder Polen, in Kroatien oder Bulgarien sehen wir Geschichten des Scheiterns. Das Einzige, was alle diese Initiativen gemein haben, scheint mir zu sein, dass sie an den Realitäten der Lehrerinnen und Lehrer vorbeientwickelt wurden – und dann kaum genutzt werden. Viele dieser Projekte werden irgendwann stillschweigend eingestellt oder vegetieren vor sich hin. Und das ist dann die eher harmlose Variante.

    Gibt es auch eine gefährliche?

    Ja, der viel gefährlichere Fall ist, wenn die zentrale Entwicklung von Bildungsmedien ganz klar ein politisches Motiv hat. In Osteuropa sieht man das sehr deutlich. Da geht es darum, die Kontrolle über Bildungsprozesse zu bekommen oder eine bestimmte Parteidoktrin in die Köpfe der Kinder zu pflanzen. Der Staat schließt oder verstaatlicht mancherorts die Verlage – und schreibt die Geschichtsbücher neu.

    Wäre das in Deutschland möglich? 

    Kaum vorstellbar. Aber nur ein Hinweis: ich möchte keinen Bundesbildungsminister von der AfD, der den Nationalsozialismus in Geschichtsbüchern als Fliegenschiss verhandeln lässt. Das wäre zentral relativ einfach zu machen. Etwa wenn ein solcher Minister so etwas über ein rechtes Netzwerk produzieren lässt. Mit anderen Worten: in freihändig produziertem, nicht auf Überwältigung geprüftem Lernmaterial steckt ein strukturelles Risiko.

    David Klett gehört seit vergangenem Jahr dem Vorstand der Ernst Klett AG an, die 750 Millionen Euro Umsatz erzielt (2018). Er ist der Urenkel von Ernst Klett, der 1897 den Verlag gründete. David Klett ist selbst Gründer der Online-Plattform meinunterricht.de. (Eine Kurzfassung des Gesprächs erschien im Rotary-Magazin.)

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      Blogpost

      Theo stellt die Schule auf den Kopf

      Ein Gastbeitrag von Jan Vedder

      Corona hat es uns nicht leicht gemacht. Dennoch sind wir den Weg auch im Jahr der Pandemie weitergegangen. Wir haben unsere Schule umgebaut.

      Der Anspruch ist groß: Wir wollen die Selbstständigkeit und Selbstverantwortung für das eigene Lernen stärken. Dazu haben wir unseren Stundenplan völlig umgestellt: er ist jetzt geprägt von längeren, fächerübergreifenden Lernzeiten. Wir nennen das “themenorientiertes Lernen”, kurz Theo. Wie geht das? Wir haben die Fächerstruktur weitgehend aufgelöst. Unterricht, genauer das Lernen, denken wir nun von Themen und Perspektiven her. Herkömmlicher Unterricht soll nicht mit alternativen Prüfungsformaten und/oder digitalen Highlights lediglich aufgehübscht werden. Was wir tun, stellt die Schule auf den Kopf – und den Unterricht.

      Unsere Lernenden lernen seit 2020 in vier großen Themenbereichen: Natur & Raum, Mensch & Gesellschaft, Zeit & Geschichte sowie Technik & Zukunft. Diese Perspektiven bilden den roten Faden über die gesamte Schulzeit hinweg. Die Schüler:innen suchen sich darin ihre Projekte. Mit Theo lernen sie, Themen in größeren Zusammenhängen zu denken und aus verschiedenen Blickrichtungen zu betrachten. Die Inhalte fusionieren zu Projekten, welche die Schüler über einen Zeitraum von acht Wochen erarbeiten. 

      Schüler wählen ihre Tutoren selbst

      Die Neugestaltung des Stundenplans war die große Herausforderung. Jeder Tag beginnt bei uns mit der Theo-Planung. Die Schüler:innen strukturieren ihren Tag und ihr Lernen möglichst eigenverantwortlich. Wir begleiten sie dabei. Etwa im wöchentlich stattfindenden Lernentwicklungsaustausch, das sind regelmäßige Gespräche. Welcher Lehrer ihr Tutor sein soll, wählen die Schüler selbst. 

      Die einzelnen Theos finden immer im Doppeljahrgang statt, in der fünften und sechsten Klasse usw. bis zur zehnten Klasse. In Theo-Camps setzen die Schüler:innen ihre Schwerpunkte und Themen. Die Camps funktionieren so ähnlich wie Barcamps. Das heißt, in Zukunft diskutieren die Schüler in spontan organisierten Runden, welche Themen ihnen wichtig sind

      Projekte rein, Fächer raus

      Jeder Theo-Unterricht wird von einem 8- bis 12-köpfigen Lehrer:innen-Team geplant und vorbereitet. Möglichst viele Fachdisziplinen kommen dabei zum Tragen. Bereits in der ersten Phase der Pandemie im März 2019 hat ein Großteil des Kollegiums Disziplinen vernetzt. In den themenorientierten Perspektiven definieren wir Lehrende Kernaufgaben, die über die Fächer hinausgreifen. Aus den Kernaufgaben leiten sich im Folgenden verschiedene Lernbereiche ab. In jedem Theo erwartet die Schüler also ein Pflichtthema mit übergeordneter Kernaufgabe.

      Im aktuellen Theo zum Beispiel für den Jahrgang 5/6, “Ein Wald voller Rätsel”, erstellen die Lernenden in den Lernbereichen Rätsel rund um das Thema Wald. Es zählt zur Perspektive “Natur und Raum”. An den Waldtagen experimentieren die Schüler:innen zu den verschiedensten Themen im Wald. Im Lernbereich “Waldausflug” haben sie vorher gelernt, gut vorbereitet auf Exkursion zu gehen.

      Schüler lernen, ihr Lernen selbst zu planen

      Innerhalb der Lernbereiche werden Aufgaben, Materialien, Experimente etc. in drei farblich gekennzeichneten Schwierigkeitsstufen von uns Lehrenden vorbereitet. Das reicht vom Schüler mit Förderbedarf bis hin zu Schülern, die im Erweiterungsniveau lernen. 

      Klar ist, dass so ein Konzept nicht von heute auf morgen eingeführt werden kann. Uns Lehrkräften haben wir ja das vertraute Unterrichtssetting buchstäblich unter den Füßen weggezogen. Die Belastung während der Planung ist groß, der Frust während der Durchführung nicht immer gering. Nicht alle Schüler:innen können bekanntermaßen sofort selbständig planen und arbeiten. Manchmal müssen wir als Lernbegleitende nun auch mit uns ungewohnten Materialien Aufgabenstellungen anderer arbeiten oder mit unfertigen Strukturen klarkommen. 

      Und natürlich machen wir Fehler. Dies kommuniziert die Schulleitung auch regelmäßig in die Richtung der Eltern. Dennoch sind wir überzeugt, dass der Weg der richtige ist und es im Grunde keine Alternative gibt. Die Lehre im Gleichschritt jedenfalls ist ein totes Gleis. Unsere Jugendlichen sollen Selbstwirksamkeit erfahren und Schule wieder als echten Lernort begreifen.

      Wichtig ist, aus den Erfahrungen zu lernen. Die folgenden Entwicklungsfelder scheinen mir wesentlich zu sein: 

      Schüler verbringen (zu) viel Zeit am Tablet

      An unserer Schule gibt es eine 1:1-Ausstattung mit Tablets und (meistens) eine stabile Internetverbindung. So konnten wir die Theos auch im Distanzlernen angehen. Das gesamte Material und alle Aufgaben liegen für acht Wochen im Voraus digital bereit. In diesem von uns intendierten Setting arbeiten die Kinder oft für sich und lernen eben individuell. Das ist auf der einen Seite gut – aber auf der anderen Seite verbringen sie mitunter sehr viel Zeit am Tablet und mit sich allein. Es liegt an uns Lernbegleitern, noch mehr Phasen von Gruppenzusammenkünften und Methoden wie Standbilder, Partnerarbeiten oder Rollenspiel zu integrieren und kooperatives Lernen auch im Theo weiter zu fördern.

      Input: Es gibt kaum frontale Phasen mehr. Diese sind zukünftig in den Theocamps zwar möglich, dennoch kommen immer wieder Rückmeldungen dazu – sowohl von den Lernenden als auch von den Lehrenden. Klar, beide Seiten sind es anders aus der Schule gewohnt. Dennoch lassen sich nicht alle Erklärphasen etwa durch Videos ersetzen, da dann wieder das gemeinsame Klassengespräch zu kurz kommt. 

      Sprachen bilden eine Sonderstellung. Um eine Sprache zu lernen, muss ich sie sprechen, hören und ich benötige Sprachvorbilder. Für das Fach Englisch haben wir daher “Speaking Sessions” in die Wochenstruktur integriert. Hier wird gemeinsam gesprochen, kooperativ gelernt und aktiv kommuniziert. Nur mit einem gewissen Grundwortschatz können die Lernenden dann später selbstständig in den Lernbereichen Aufgaben auf Englisch bearbeiten. Daher ist in den unteren Jahrgängen innerhalb des Pflichtthemas in der Regel ein zusätzlicher Lernbereich für das Fach Englisch ausgewiesen.

      Lernende arbeiten sich (zu) oft an Arbeitsblättern ab

      Arbeitsblätter: Mit dem Fortschreiten des Schuljahres und der Entwicklung wird uns bewusst, dass die Lernenden oft Arbeitsblätter abarbeiten und nacheinander Aufgaben (Lernschritte) bearbeiten. Hier merken wir, dass es mehr handlungsorientierte Ansätze, wie zum Beispiel Waldtage oder Forscherboxen, und entsprechende Materialien braucht. Nur so lässt sich eine echte Ganzheitlichkeit schaffen. Mit Kopf, Herz und Hand, denn das Setting des Schreibsaals wollten wir schließlich mit unserem neuen Konzept auflösen. Hier liegt sicherlich der größte Nachholbedarf im Theo. Ein Großteil der Kolleg:innen ist sich dessen bewusst.

      Noten: Mit der Einführung von Theo haben wir uns von klassischen Begriffen wie Arbeit, Test oder Referat verabschiedet. Die Schüler:innen erbringen in den Lernbereichen Gelingensnachweise. Sie können sich dafür individuell anmelden. Sie entscheiden also selbst, wann sie ihr Gelingen nachweisen. Dies können klassische Arbeiten sein, aber auch gestaltete E-Books, Audiofiles, mündliche Gespräche oder Protokolle von Experimenten. Unser größtes Problem liegt dabei in den rechtlichen Vorgaben des Landes Niedersachsen für unsere Schulform (Oberschule). Wir müssen in den Zeugnissen Ziffernnoten in einzelnen Fächern ausweisen. Um dies umzusetzen, sind wir also gezwungen, die miteinander verwobenen Strukturen für die Notengebung wieder aufzulösen und in Noten zu gießen

      Zwölf neue Theos stellen die Schule auf den Kopf

      Diese Hürden wollen wir zukünftig überwinden – und haben uns u.a. aus dem Grund für das Modellprojekt Zukunftsschule beworben. In dem Modellprojekt wollen wir die Schwerpunkte Bildung für nachhaltige Entwicklung und Demokratiebildung ebenfalls weiter schärfen und ausbauen. Ein kräftezehrendes Schuljahr liegt hinter uns – und das nächste wird wohl nicht weniger anstrengend. Bis zu zwölf neue Theos werden an der OBS Berenbostel entstehen. Im Prozess werden sicherlich viele neu Baustellen zu bearbeiten sein. Genau wie erste Erfolgserlebnisse gefeiert werden wollen. Ich freue mich auf die Arbeit mit dem großartigen Kollegium der Oberschule Berenbostel. 

      Jan Vedder ist Mitglied des didaktischen Teams der Oberschule Berenbostel in Garbsen. Er twittert als Vedducation und organisiert über seinen Blog Weiterbildungen für Lehrkräfte.

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        Bitkom fordert Transparenz beim Digitalpakt

        Der Bitkom will das dauernde Frage- und Antwort-Spiel um den Digitalpakt Schule nicht mehr mitmachen. “Wir brauchen ein zentrales Online-Dashboard, um offen und ehrlich allen Menschen zu zeigen, wie der Stand bei der Umsetzung des Digitalpakts, beim Infrastrukturausbau und weiteren Digitalisierungsprozessen an Schulen ist”, sagte Daniel Breitinger, Referent für Bildungspolitik und Public Affairs beim “Bundesverband Informationswirtschaft,Telekommunikation und neue Medien”. Der Bitkom will das Dashboard auch als Prüfstein für die bevorstehende Bundestagswahl verwenden. Das Online-Register, eine Art Mikroskop für den Digitalpakt, soll aufklären, auf welchem Stand das Milliardenprojekt jeweils ist.

        Die Forderung des Bitkom ist eine Reaktion auf das Hin und Her rund um den Digitalpakt und seine drei Zusatzvereinbarungen, die Fördermittel von 6,5 Milliarden Euro vom Bund in die Länder transferieren. Weil die Mittel der einzelnen Digitalpakte nur sehr unterschiedlich und teils zögerlich abfließen, ist eine Art parlamentarischer Volkssport entstanden: Abgeordnete triezen die Bundesregierung mit zum Teil seriellen Kleinen Anfragen. So hieß es auf die jüngste Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion gleich an mehreren Stellen, die Antworten fänden sich in den Bundestagsdrucksachen auf ältere Anfragen – die allerdings zum Teil nur wenige Wochen zurückliegen. Solche Anfragen sind zwar wichtig, bringen oft aber wenig Aufklärung. Zuletzt zeigte sich bei einer Anfrage zum Stand des Digitalpaktes in Nordrhein-Westfalen, dass die Landesregierung über den Mittelabfluss nur mittelmäßig informiert war.

        Der Bitkom verspricht sich durch das Online-Dashboard mehr Transparenz. Breitinger empfahl, die Kompetenzen der Bundesländer zu fokussieren. “Wie beim Dashboard für das Onlinezugangsgesetz könnte jedes Bundesland die Verantwortung für einen Themenbereich übernehmen, um Kompetenzen zu bündeln”, sagte der Bildungsexperte. Dafür müsse man aber auch bereit sein, die dringend notwendige Reform des Bildungsföderalismus anzupacken. red

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          Berlin gibt Word frei

          Erneut ist es zu Differenzen um das Dienstgeräte-Programm der Bundesregierung gekommen, diesmal in Berlin. Zum Schulstart am Montag beklagten sich in der Hauptstadt diverse Lehrer darüber, dass es ihnen nicht erlaubt sei, die Microsoft-Programme Word und Power Point zu installieren. Ein Sprecher der Berliner Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) wies die Vorwürfe zurück. “MS Office ist auf den Geräten und kann genutzt werden”, sagte Martin Klesmann Bildung.Table. Später präzisierte die Schulverwaltung, “das Office-Paket wird zeitnah freigeschaltet, sobald die üblichen lizenzrechtlichen Fragen final geklärt sind”. Mit dem Datenschutz habe das wenig zu tun. Es gebe bereits eine Nutzungsvereinbarung und auch die Rahmenvereinbarung stehe kurz vor dem Abschluss.

          Zuletzt hatte es in Sachsen-Anhalt Probleme und Missverständnisse mit den Dienstgeräten gegeben. Bei den Dienstgeräten für Lehrkräfte stellt sich die grundsätzliche Frage, ob das Land als Dienstherr oder die Kommune als Sachaufwandsträger für die Schulen für Administration und den Support zuständig ist. In Berlin war nun das Problem aufgetreten, dass die Lehrkräfte keine Administratorenrechte hätten. Man könne Programme aus einem Store installieren, es seien aber nur sehr wenige, äußerten Lehrer auf Twitter. Es sei auch nicht möglich, Einstellungen des Geräts zu verändern, etwa die Startseite im Browser. “Im Moment sind die Geräte nur für diejenigen sinnvoll einsetzbar, die bisher keine Geräte hatten,” sagte ein Lehrer Bildung.Table.

          Neue Software nur übers Unternehmensportal

          Auch das relativierte sich freilich beim Blick auf die Hilfeseite der Senatsverwaltung. “Um die Sicherheit und Zuverlässigkeit Ihres Endgeräts sicherzustellen, ist die Installation neuer Software nur über das Unternehmensportal der Senatsverwaltung möglich”, heißt es dort. Dann wird haarklein beschrieben, wie Lehrkräfte “in der unteren linken Ecke des Desktops ´Unternehmensportal´ in das Suchfeld der Windows-Taskleiste eingeben” können, um sich Programme herunterzuladen. red

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            Mit einem ThingLink kann man auf Bilder oder Videos (auch in 360°) mit Tags zu weiterführenden Links und Inhalten versehen. Ich habe daraus eine mathematische Landkarte über die Themen und Inhalte der neunten Klasse gebaut. Das Ziel ist, dass die Schüler ganz bewusst jene Themen auswählen können, wo sie noch Lernbedarf sehen. Hinter den Themen sind unterschiedliche Inhalte hinterlegt – sowohl in analoger Form als Arbeitsblätter als auch digitale Zugänge. So können sich meine Schüler gezielt das Wissen verschaffen, das ihnen fehlt. Es gibt zu Beginn eine kleine Übersicht dessen, was sie können sollten. So kann jeder hier ziemlich frei entscheiden, was er wiederholen will und dabei auch das Medium und das Material wählen.

            Welche technischen Voraussetzungen braucht man?

            Wenige. Es ist ein Tool, das ausschließlich browserbasiert ist und meines Wissens auch mit jedem Browser funktioniert. Es bedarf lediglich einer Anmeldung durch den Lehrer. In der Grundvariante ist es kostenlos. Wenn man nun kollaborativ mit den Schülern arbeiten will oder die Schüler untereinander kooperieren lassen möchte, dann muss man “Plätze zukaufen”. Die Schüler selbst müssen sich nicht anmelden. Es gibt zudem die Möglichkeit, in ThingLink eigene E-Mail-Adressen zu generieren, die die Schüler dann einmalig verwenden können. 

            Auf jeden Fall. In der Präsenz bietet dieses Tool vor allem für das Differenzieren und Individualisieren ganz viele Möglichkeiten. Ich habe es eingesetzt zum Üben und Wiederholen auf eine Prüfung hin. Die Schüler können auch wunderbar selbst damit arbeiten. Es hat ganz viele Einsatzmöglichkeiten, z.B. könnte ich hinter dem Tag ein Arbeitsblatt hinterlegen – und es, je nach Leistungsstufe, mit unterschiedlichen Tipps oder Hilfen bestücken. Kurz: ein sehr einfaches und effizientes Differenzierungstool.

            Pro Tipp

            Im Jahr 2020 konnten wir keine Fahrt ins Schullandheim machen. Also habe ich dann für die Klassen mit ThingLink ein virtuelles Schullandheim zusammengebaut. Die Schüler konnten sich durch das Gelände des Schullandheims bewegen, wo sie eigentlich gewesen wären. Es gab Filme dazu, es fanden sich Angebote zum Basteln und zum Ausprobieren, ich habe Tonstücke, Filme und Bildergalerien eingebaut, kurz: es war kein gleichwertiger Ersatz, aber zumindest die Möglichkeit, den Ort virtuell zu erkunden. Noch größer sind die Spielräume, wenn die Schüler selbst in Gruppen an einem ThingLink arbeiten – und ihrer Fantasie freien Lauf lassen können. Das ist unglaublich gewinnbringend. 

            Kritik

            Wie bei jedem Online-Tool muss man sehr kritisch abwägen, wo hört der didaktische Vorteil auf, wo beginnt das datenschutzrechtliche Risiko. Mit den anonymen Schülermails gibt es da Möglichkeiten, aber im Grunde müsste man eine echte datenschutzrechtliche Abwägung vornehmen lassen. Die Limitierung eines ThingLinks auf 12.000 Aufrufe finde ich zu streng. Ich habe die Zahl mit meinen Schülern noch nicht erreicht, aber man kann sich ja vorstellen, wie schnell das Limit, je nach Schulgröße und Zahl der eingearbeiteten Links, erreicht sein wird.

            Steffen Siegert ist Musik- und Mathelehrer sowie stellvertretender Schulleiter der Josef-Schmitt-Realschule in Lauda-Königshofen. Er ist immer wieder als Sessiongeber bei den Fortbildungen von Saskia Ebel zu finden und bloggt auch.

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              • Datenschutz
              • Digitalisierung

              Sparring für Lehrer

              Wie kann Sparring vor Erschöpfung schützen?

              Der Volksmund sagt, “es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen”. Das stimmt. Üben kann wirklich hilfreich sein – gerade für Lehrkräfte, die als Einzelkämpfer gelten. Dagegen hilft Sparring oder auf Deutsch: sich in einem Zweier-Team zusammen tun. Wenn es z.B. um schwierige Eltern-Gespräche geht oder wenn ich eine Präsentation halten muss, dann hilft es, einen Partner als kritischen Freund zu haben. So entsteht im Austausch eine andere Kreativität. Man hinterfragt seine eigene Sichtweise. Das sollte natürlich auf Vertrauen basieren und auf einem unbedingten Wollen, sich gegenseitig zu unterstützen. Ich würde gerade Lehrer:innen empfehlen, sich eine feste Tandem-Partnerin oder einen Partner zu suchen, mit der oder mit dem man immer wieder in den Austausch geht. 

              Welche Voraussetzungen braucht man für Sparring?

              Vertrauen. Und gegenseitiges Wohlwollen. Wichtig ist allerdings, Sparrings gut vorzubereiten. Nehmen wir das Beispiel Eltern-Gespräch, gerade solche mit komplizierten Eltern. Dazu sollten Sie sich ein festes Zeitfenster geben. Sonst ufert das vielleicht zeitlich aus. Es kann auch leicht passieren, in private Themen abzuschweifen. Hilfreich ist deswegen, sich vorab Ziele für das Gespräch zu setzen. Sie notieren sich Fragen und einen Ablauf oder einen Leitfaden. Erst dann gehen Sie in das Gespräch mit dem Sparrings-Partner. Auch die Formate sind wichtig. Sie können etwa mit einem Rollenspiel starten. Das heißt, sie üben regelrecht, wie das Eltern-Gespräch ablaufen soll. Danach würde ich noch Feedback einbauen oder kritische Punkte gegebenenfalls vertieft besprechen. Wichtig ist, ein wirklich ehrliches und wertschätzendes Feedback zu geben. Nochmal zur Technik: Das Gute ist, dass Videokonferenzen Sparrings sehr erleichtern. Durch die Etablierung der Videotechnik ist es nun nicht mehr zwingend notwendig, sich für ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht zu verabreden.

              Wie kann man ein Sparring in einen engen Zeitablauf in der Schule einbauen? 

              Ich würde die Freistunde nutzen und versuchen, dass meine Sparringspartnerin oder mein Partner in der Zeit auch frei ist. Da kann man dann wunderbar ein Gespräch führen. Oder dem Partner eine Präsentation zeigen, die man halten möchte. Es ist wichtig für Sie, von einem Dritten zu hören, wo Sie noch einen blinden Fleck oder gar etwas vergessen haben. Das Wichtigste aber scheint mir zu sein, sich Zeit für Sparrings zu nehmen. 

              Caroline Deinert ist Business-Coach und Hypnotiseurin. Sie bietet in den Ferien Coachings an – auch zu Sparring.

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                Licenses:
                  • Schulbuchverlage: Wir können KI
                  • David Klett: “Das Schulbuch ist nicht tot”
                  • Lehrer Jan Vedder über die Abschaffung des Stundenplans in Berenbostel
                  • Bitkom: Digitalpakt braucht Transparenz
                  • Berlin: Zoff um Dienstgeräte
                  • Didaktik & Tools I: Schulleiter Steffen Siegert über ThingLink
                  • Didaktik & Tools II: Coach Caroline Deinert über Sparring
                  Liebe Leserin, lieber Leser,

                  woran erinnern Sie sich, wenn Sie an die Schulbücher Ihrer Kindheit oder die Ihrer Kinder denken? Waren sie nicht meist unpassend: für die Einen zu langweilig, den Anderen zu kompliziert – und immer auch etwas hinter der Zeit zurück? Schulbücher waren nie nur Lektüren und Lernstoff, sondern immer auch Anlass erbitterter Auseinandersetzungen zwischen Bildungsbürgern.

                  Die Digitalisierung unserer Bildungssysteme wird daran nichts ändern. Im Gespräch diskutieren der Schulbuchverleger und Digitalist David Klett und der Leiter des Bildung.Table, Christian Füller, die wichtigsten Fragen, die sich um das Lernmaterial der nahen Zukunft ranken. Es geht um die Gefahren politischer Einflussnahme auf das Denken von Kindern, um Chancen und Risiken des KI-Einsatzes im Schulalltag und auch um nackte Macht- und Wirtschaftsinteressen. Ein Gespräch, das ich Ihnen empfehlen möchte.

                  Zumal, wenn Sie es im Zusammenhang mit den aktuellen Entwicklungen des KI-Projektes der Bundesländer lesen, denen das Table-Team in der heutigen Ausgabe nachgeht – und in der knallharte Wettbewerbs- und Lobbyismusfragen aufscheinen. Wen wundert es, dass die Schulbuchverlage ihre tradierte Vormachtstellung nicht kampflos aufgeben werden, wenn Tablets die Schulbücher in den Ranzen ersetzen?

                  Ihre
                  Antje Sirleschtov
                  Bild von Antje  Sirleschtov

                  Analyse

                  Schulbuchverlage machen jetzt KI

                  Es ist nicht mehr genau herauszubekommen, ob es eine Ausschreibung, ein Pitch oder schlicht ein Schein-Wettbewerb war. Jeder sagt etwas anderes. Jedenfalls scheiterten diverse Bewerber, als die KMK unter Federführung Sachsens ein Modell-Projekt zu Künstlicher Intelligenz (KI) startete. Es galt, ein Lernmanagementsystem zu küren, das KI einsetzt. Der Gewinner war schließlich “Area9 Lyceum”, ein relativ unbekannter Anbieter. Zu den Verlierern unter den 17 Bewerbern zählten auch die Schulbuchverlage.

                  Nun kommt heraus: die Verlage sind gar nicht die Verlierer, sie sind urplötzlich wieder im Spiel. Auch die Schulbuchverlage machen jetzt KI. “Es wird zu Kooperationen kommen”, sagte der Geschäftsführer des Verbandes der Bildungsmedien, Christoph Pienkoß, zur Zusammenarbeit mit Area9. “Es ist gewollt, dass man sich beim Content bei den anerkannten Profis bedient – den Schulbuchverlagen.” 

                  Intelligentes tutorielles System statt KI

                  Was sich beim KI-Modellversuch in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern gerade zuträgt, erweckt den Anschein, als gebe es ein Drehbuch. Als der Bund und die Länder im September 2020 zum ersten Mal über Künstliche Intelligenz redeten, gaben sie die Sprachregelung aus, besser den Begriff “intelligente tutorielle Systeme” (ITS) zu verwenden. Ein Begriff wie ein Watte-Bausch. Man weiß nicht genau, was er eigentlich bedeutet, aber er macht den Menschen nicht so viel Angst wie KI. Auch Arndt Kwiatkowski von Bettermarks, einem der wenigen arrivierten Startups, spricht von smarten Tutorsystemen.

                  Als Kwiatkowski aber bei der Bewerbung für das ITS in Sachsen dabei war, sollte er auf einmal wieder KI sagen. “Dabei wurde auch die Frage gestellt, ob Bettermarks im Fach Mathematik bereits KI-Tools integriert hat,” berichtete Kwiatkowski Bildung.Table. Seine Antwort lautete pflichtgemäß, “dass ‘starke KI’, also selbstlernende Systeme, bei uns bisher nicht im Einsatz sind”. Möglicherweise gereichte ihm aber genau das zum Nachteil. Denn der Beamte des Projektleiters Sachsen trug nun als Vorzug von Area9 vor, “dass die meisten anderen Anbieter gar nicht mit Künstlicher Intelligenz arbeiten”. Also bekam das dänische Unternehmen mit Niederlassungen in den USA und Leipzig den Zuschlag – und Bettermarks war raus. So berichten es mehrere Teilnehmer und Kenner der Entscheidungsfindung. 

                  Verlage passen als Inhalteanbieter zu KI-Anwendern

                  Die Schulbuchverlage freilich sind nicht raus. Die Verlierer sind wieder auf der Gewinnerstraße. Verlage bestätigten Bildung.Table, dass sie bereits mit Area9 Lyceum in Verhandlungen stünden. Das sei ein logischer, fast zwingender Schritt. Denn das LMS Area9Rhapsode sei allein ein technisches System. “Wir bieten einem Schulsystem oder einem Unternehmen eine Technologie, wir bieten keinen Inhalt”, sagte Area-Geschäftsführer Andreas Kambach zu Bildung.Table. “Wir sprechen natürlich mit den Schulbuchverlagen. Die hatten sofort Interesse, als wir ihnen gezeigt haben, was wir machen.” 

                  Freilich bestehen erhebliche Zweifel, ob man die Inhalte der Schulbuchverlage problemlos in das KI-bewährte Lernmanagementsystem (LMS) von Area9 implantieren könnte. “Wenn man jetzt die tradierten Inhalte der Schulbuchverlage in ein LMS integrieren will – dann fängt man dort ja quasi bei Null an”, wunderte sich Daniel Bialecki von der “Initiative deutscher digitaler Bildungsanbieter”. Eine solche Fusion eines KI-Systems mit großen Inhaltskorpora nehme wahrscheinlich Jahre in Anspruch. Die Entscheidung sei daher nicht nachvollziehbar, gerade ordnungspolitisch nicht. Erneut kreiere der Staat ein Produkt, das es am Markt bereits gibt. Bettermarks, Sofatutor, Simpleclub, Eduki und viele andere Lernplattformen hätten Technologie und Inhalte über viele Jahre zusammen geführt – ohne staatliche Zuschüsse.

                  Tutorsysteme: keine Förderfähigkeit durch den Bund

                  Bialeckis und die Bedenken anderer rühren daher, dass man Content nicht so einfach in ein KI-basiertes LMS integrieren kann, wie man etwa ein Schulbuch in ein Bücherregal stellt. Dazu müssen die Inhalte operationalisiert, codiert und nach verschiedenen Lernniveaus gestaffelt werden. Selbst aus den Reihen der Schulbuchverleger kam hier Skepsis: “Grundsätzlich ist es in meinen Augen nicht so einfach, ein technisches System, gewissermaßen inhaltefrei, zu programmieren – und danach entwickelt da jemand was rein”, sagte David Klett von “Klett Lernen und Information”, den internationalen Schulbuchverlagen von Klett. (Siehe Interview unten). “Das wäre ja ein ganz schöner Akt, die Inhalte der Schulbuchverlage jetzt zu digitalisieren und für KI bereitzustellen,” gesteht auch ein anderer aus der Verlegerbranche. “Und es ist ja nicht so, dass es da schon ein fertiges Produkt gäbe, was man rüberschiebt und sagt: ‘Baut das mal eben da rein’.”

                  Wie kommt so eine Entscheidung aber zustande? Das hängt womöglich damit zusammen, dass einerseits große Unwissenheit herrscht und deswegen andererseits Marktinteressen mittels guter Beziehungen durchsetzbar werden. So entsteht eine seltsame Gemengelage. Fragt man bei der KMK oder auch bei Ländern zum Modellversuch KI an, trifft man nicht selten auf Nichtwissen. Gleichzeitig verbreiten sich unter Marktteilnehmern Gerüchte, etwa, dass für die Entwicklung eines KI-fähigen Lernmanagementsystems über 20 Millionen Euro vom Bund bereitgestellt würden. Das Bundesbildungsministerium dementierte sofort. “Bei ‘intelligenten tutoriellen Systemen’ geht es um eine Inhalte-Vermittlung, nicht um Investitionen in die kommunale Bildungsinfrastruktur”, sagte eine Sprecherin auf Anfrage. “Damit besteht auch keine Förderfähigkeit von ITS im Schulbetrieb durch das BMBF.” Das für den Modellversuch zuständige Kultusministerium in Sachsen ficht das nicht weiter an. “Die Länder gehen davon aus, dass die Weiterentwicklung des Systems förderfähig aus dem Digitalpakt Schule 2019 – 2024 ist”, sagte ein Sprecher. Digitalpolitik voller Irrungen und Wirrungen.

                  Bettermarks ist KI-fähig – und hat Inhalte

                  Diese Konstellation vor Augen, fragt man sich, warum Bettermarks eigentlich nicht zum Zug kam. Bettermarks ist ein intelligentes tutorielles System, das bereits seit zehn Jahren mathematische Inhalte in kleine Teilchen zerlegt, programmiert und diese in Aufgaben, Spielen und Übungen präsentiert. Bettermarks ist also ein fertiges KI-fähiges System – und zugleich voller Inhalte. Arndt Kwiatkowski sagte jüngst bei einem Vortrag in Potsdam, Bettermarks sei grundsätzlich ein Schulbuch-ersetzendes System. Möglicherweise sind es solche Sätze, die ihn nun den Job in den drei Modellländern gekostet haben. Aber vielleicht hat es auch gar nichts mit Kwiatkowski zu tun. Könnte es sein, dass die Kultusminister lieber auf altbewährte Partner setzen als auf digitale Newcomer?

                  Dazu ist es hilfreich, in die jüngere und jüngste Vergangenheit zu blicken. Vor bald zehn Jahren beschlossen die Kultusminister, zusammen mit den Schulbuchverlagen einen sogenannten Schulbuchtrojaner zu programmieren. Die Software sollte Lehrer-Laptops danach ausspionieren, ob die Pädagogen dort Schulbücher digitalisiert haben. Eine Art Lauschangriff auf die deutsche Lehrerschaft – und ein Fanal gegen Digitalisierung. Diese finsteren Zeiten sind inzwischen vorbei. Aber so richtig warm werden die Kultusminister mit Startups und digitalen Bildungsanbietern immer noch nicht.

                  Kultusminister lassen Startups abblitzen – seit Monaten

                  Im Mai schrieben die Digital-Startups den Bildungsministern von Bund und Ländern einen Brief und boten an, sich mit digitalen Angeboten zur Schließung von Lernlücken zu beteiligen. Die Bildungsanbieter warteten geduldig drei Monate lang, ohne Antwort zu bekommen. Bund und Länder bezichtigten sich gegenseitig. Ein Treffen zusammen mit der Bundesbildungsministerin sei ein protokollarisches Unding, hieß es sinngemäß aus der KMK. Es kam zu keiner Einladung, genauer: irgendwie schaffte die KMK es nicht, den Brief den Startups erfolgreich zuzustellen. Unterdessen setzten sich die Bildungsanbieter hin und schrieben erneut einen Brief an die Kultusminister. Das Ergebnis war ähnlich. Erst hieß es, dass ein Treffen stattfinden könne. Dann wurde auf Anja Karliczek verwiesen. Eine Begegnung, so diesmal das Argument, sei nur zusammen mit ihr, der Bundesbildungsministerin, zu machen. “Wir fühlen uns gerade etwas wie der Spielball im bildungsförderalen Pingpong, lassen aber auf keinen Fall locker”, sagte Daniel Bialecki dazu.

                  Ganz egal, was die Startups auch machen – für sie gibt es offenbar keinen offiziellen Eingang, kein eigenes Budget und kein Programm, in das sie ihre Kompetenz einbringen könnten. mit Christine Keilholz

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                    • Sachsen

                    “Das Schulbuch gibt Sicherheit”

                    David Klett über KI in der Schule.
                    David Klett, Vorstand der Ernst Klett AG

                    Herr Klett, die Bildungsminister einiger Länder experimentieren plötzlich mit Künstlicher Intelligenz. Sind die aus dem Dornröschenschlaf erwacht? 

                    Es heißt, mehrere Staatssekretäre von verschiedenen Bundesländern haben Firmen eingeladen, die ihnen ein intelligentes tutorielles System bauen sollten…

                    … eines, das Künstliche Intelligenz in die Schule bringen wird.

                    Wenn Sie es so nennen wollen, ja. Und hier beginnt eines der Missverständnisse. Mein Eindruck ist, dass bisher nicht sehr breit bekannt ist, was KI in der Schule eigentlich kann und soll. Mal heißt das adaptive learning sytem, mal intelligentes tutorielles System. Diese Begriffe dienen womöglich auch dazu, den stets etwas bedrohlich wirkenden Begriff Künstliche Intelligenz zu vermeiden.

                    Was kann KI in der Schule? 

                    Die Politik erhofft sich, dass daraus ein System entsteht, das individuelle Lernwege in allen Fächern für alle Schüler bereitstellt. Die Inhalte dafür sollen, wie jetzt bei dem Auftrag für “Area9 Lyceum”, dem Vernehmen nach auch die Verlage entwickeln.

                    Kann das denn klappen, jetzt im Schnellverfahren etwas zu entwickeln, wofür zum Beispiel Bettermarks und Sofatutor zehn Jahre gebraucht haben? 

                    Das werden wir sehen. Grundsätzlich ist es in meinen Augen nicht so einfach, ein technisches System gewissermaßen inhaltefrei zu programmieren – und danach entwickelt da jemand was rein. Das ist zumindest meine Erfahrung, wir beschäftigen uns seit Jahren mit adaptiven Lernumgebungen, die ja in vielen Ländern schon im Einsatz sind.

                    Vielleicht ist es überhaupt keine technische Frage, sondern eine des gesteuerten Marktes: die KMK hilft den Schulbuchverlagen, einen jahrzehntelangen Entwicklungsrückstand aufzuholen. 

                    Ich sehe das grundsätzlicher. Vielleicht haben wir es mit dem Phänomen zu tun, dass Bildungspolitiker oder Beamte in höheren Verwaltungsebenen sagen, wir sind die besseren Bildungsmedien-Entwickler und die besseren Techniker. Es kann aber auch sein, dass hoch droben eine Entscheidung fällt, ohne die echten Probleme der Schulen im Blick zu haben. Meine Erfahrung ist, dass Bildungsmedien am besten sehr nah an und mit den Lehrkräften entwickelt werden können.

                    Trifft das auf die beiden bundesweiten Plattformen zu, bei denen sich Lehrkräfte digitales Unterrichtsmaterial herunterladen können. Braucht man da das gute alte Schulbuch und seine Produzenten überhaupt noch, die Schulbuchverlage?

                    Ich sehe diese Form von Verdrängung nicht. Didaktische Prozesse laufen lang und sind komplex, das kann sich über einen Zeitraum von ganzen Schuljahren erstrecken. Lehrer brauchen Orientierung und Sicherheit, um diese Prozesse aufbauen zu können. Das Schulbuch gibt ihnen Sicherheit. Was jetzt “Mundo” und “WirLernenOnline“…

                    … das sind beiden zentralen Portale…

                    … ja, was die und viele andere als Lernidee oder -inhalt anbieten, ist einfach eine Ergänzung des Schulbuchs. Das gab es schon immer, nur eben jetzt zentral finanziert durch den Bund. Das Schulbuch wird – wenn Sie so wollen – einmal mehr durch Bildungsinhalte in verschiedensten medialen Ausspielformen komplettiert. 

                    Kritiker sagen, dass Schulbücher für unsere schnelllebige Zeit einfach zu langsam sind. 

                    Das liegt in der Natur der Sache. Wenn Sie etwas drucken müssen, und es gibt plötzlich Neuigkeiten, dann können sie das nicht mal eben aktualisieren. Tatsache ist aber, dass um das Schulbuch herum wahnsinnig viel aktuelles Material entsteht – von den Verlagen selbst, aber auch von anderen Anbietern. Und bei digitalen Schulbüchern, wenn man sie so nennen will, ist das Aktualisieren normal. Ich selber bin für einen der größten Bildungsmedien-Verlage in den Niederlanden zuständig. Die Nachfrage nach digitalen Medien ist da viel größer und für uns ist es selbstverständlich, Inhalte laufend frisch zu halten. 

                    Der Bund fördert auch die Produktion offener Bildungsinhalte – sogenannter open educational resources. Sind diese OER das bessere Schulbuch? 

                    OER steht zunächst für Lernmedien unter offener Lizenz. Was gute digitale Bildungsmedien sind, ist damit noch nicht entschieden. OER ist zuallererst eine rechtliche Kategorie. Bildungsmedien machen in meinen Augen nur dann einen Unterschied für bessere Bildung, wenn sie gut gemacht sind und wenn viele Lehrkräfte sie annehmen. Die Entscheidung über Qualität treffen also am Ende die, die damit gut unterrichten wollen.

                    Die Kunden am Schulbuchmarkt sind doch die Kultusminister – und nicht die Lehrer.

                    Ich bin der tiefen Überzeugung, dass die Lehrer wählen können müssen zwischen ganz verschiedenen Angeboten. Das ist in vielen Ländern Europas normal. Auch in Deutschland. Wessen Angebote nicht gewählt werden, der sollte meines Erachtens daraus Nachteile haben. Sonst gibt es keinen Anreiz, sich mit der besten Idee am Markt halten zu müssen.

                    Die Schulbuchverlage stellen ja nicht nur Schulbücher, sondern vielerlei Bildungsmedien her. Nun kommt der Zentralstaat und fördert mit vielen Millionen Euro sowohl OER als auch Plattformen, die sie vertreiben. Wie finden Sie das? 

                    Wenn der Bund zwei große Plattformen fördert, dann ist das außerhalb des Wettbewerbs. Dort werden zwar Bildungsmedien produziert. Aber ob die 800.000 Lehrkräfte in diesem Land sie annehmen oder nicht, das können wir nicht wissen. Ja, wir werden es vielleicht nie erfahren, weil diese OER-Medien oft einfach vor sich hin produziert werden von zum Teil sehr kleinen, staatlich geförderten Gruppen oder Institutionen, die im harten Wettbewerb um die Gunst der Lehrkräfte vermutlich keine Rolle spielen dürften.

                    Bei ihrem Geschäft übt allerdings nicht nur der Lehrer Kontrolle aus, sondern vor dem Markt kommt die staatliche Qualitätskontrolle durch die Kultusminister. Diese Kontrolle wirkt protektionistisch – weil sie Konkurrenten ausschließt.

                    Dass der Staat wie verrückt von morgens bis abends alles kontrolliert, stimmt nicht. Es heißt, Bayern sei strenger, die anderen Bundesländer weniger oder setzten andere Schwerpunkte. Da muss man schon genauer hinsehen. Qualitätskontrolle der Verlage heißt übrigens nicht, dass hier nur stur die curricularen Vorgaben des Staates umgesetzt werden. Den entscheidenden, kreativen Job machen die Verlage. Ihre Marken sind nichts anderes als ein Versprechen: die Lehrerinnen und Lehrer können sich darauf verlassen, dass sich die Verlagsleute richtig ins Zeug legen. Wir kennen die Realität der Schule und wissen, was dort geleistet werden muss. Das entlastet die Lehrkräfte, das ist wichtig und das wird in meinen Augen auch wichtig bleiben. 

                    Wer könnte die Qualität von open educational resources kontrollieren? 

                    Das weiß ich nicht, und ich stelle mir ziemlich kompliziert vor, alle gemixten und geremixten Elaborate zu kontrollieren, die da draußen auffindbar sind. Wenn Sie das aber allein dem Schwarm überlassen wollen und wenn sich die Lehrkräfte auf allen möglichen Plattformen ihre Materialien selbst zusammen suchen sollen, dann entlasten sie diese nicht. 

                    OER und andere mediale Inhalteträger sind also im Grunde überflüssig? 

                    Nein, ein Schuh wird daraus, wenn die Dinge nebeneinander bestehen. Die meisten Lehrkräfte sind froh, dass sie sich an den roten Faden der kurstragenden Lehrwerke halten können – und immer da etwas hinzunehmen können, wo sie was ergänzen wollen. Sei es bei Mundo oder dem Lehrermarktplatz oder meinunterricht.de von Klett. 

                    Ist es eigentlich mit der föderalen Ordnung vereinbar, dass der Zentralstaat plötzlich beginnt, Unterrichtsinhalte zu produzieren? 

                    Ich glaube nicht, dass die Kulturhoheit durch das Bundes-Portal “WirLernenOnline” unterlaufen wird. Mit bestimmten Einschränkungen kann der Bund sehr viele Initiativen starten, die der Bildung in der Bundesrepublik zuträglich sind. Ob das erfolgreich wird, daran habe ich Zweifel.

                    Wie meinen Sie das?

                    Wenn ich mir anschaue, wie Bildungsmedien in den Staaten um uns herum zentral entwickelt und dann den Schulen ungefragt bereitgestellt werden, dann klappt das in der Regel nicht. Egal, ob in Holland oder Polen, in Kroatien oder Bulgarien sehen wir Geschichten des Scheiterns. Das Einzige, was alle diese Initiativen gemein haben, scheint mir zu sein, dass sie an den Realitäten der Lehrerinnen und Lehrer vorbeientwickelt wurden – und dann kaum genutzt werden. Viele dieser Projekte werden irgendwann stillschweigend eingestellt oder vegetieren vor sich hin. Und das ist dann die eher harmlose Variante.

                    Gibt es auch eine gefährliche?

                    Ja, der viel gefährlichere Fall ist, wenn die zentrale Entwicklung von Bildungsmedien ganz klar ein politisches Motiv hat. In Osteuropa sieht man das sehr deutlich. Da geht es darum, die Kontrolle über Bildungsprozesse zu bekommen oder eine bestimmte Parteidoktrin in die Köpfe der Kinder zu pflanzen. Der Staat schließt oder verstaatlicht mancherorts die Verlage – und schreibt die Geschichtsbücher neu.

                    Wäre das in Deutschland möglich? 

                    Kaum vorstellbar. Aber nur ein Hinweis: ich möchte keinen Bundesbildungsminister von der AfD, der den Nationalsozialismus in Geschichtsbüchern als Fliegenschiss verhandeln lässt. Das wäre zentral relativ einfach zu machen. Etwa wenn ein solcher Minister so etwas über ein rechtes Netzwerk produzieren lässt. Mit anderen Worten: in freihändig produziertem, nicht auf Überwältigung geprüftem Lernmaterial steckt ein strukturelles Risiko.

                    David Klett gehört seit vergangenem Jahr dem Vorstand der Ernst Klett AG an, die 750 Millionen Euro Umsatz erzielt (2018). Er ist der Urenkel von Ernst Klett, der 1897 den Verlag gründete. David Klett ist selbst Gründer der Online-Plattform meinunterricht.de. (Eine Kurzfassung des Gesprächs erschien im Rotary-Magazin.)

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                      Theo stellt die Schule auf den Kopf

                      Ein Gastbeitrag von Jan Vedder

                      Corona hat es uns nicht leicht gemacht. Dennoch sind wir den Weg auch im Jahr der Pandemie weitergegangen. Wir haben unsere Schule umgebaut.

                      Der Anspruch ist groß: Wir wollen die Selbstständigkeit und Selbstverantwortung für das eigene Lernen stärken. Dazu haben wir unseren Stundenplan völlig umgestellt: er ist jetzt geprägt von längeren, fächerübergreifenden Lernzeiten. Wir nennen das “themenorientiertes Lernen”, kurz Theo. Wie geht das? Wir haben die Fächerstruktur weitgehend aufgelöst. Unterricht, genauer das Lernen, denken wir nun von Themen und Perspektiven her. Herkömmlicher Unterricht soll nicht mit alternativen Prüfungsformaten und/oder digitalen Highlights lediglich aufgehübscht werden. Was wir tun, stellt die Schule auf den Kopf – und den Unterricht.

                      Unsere Lernenden lernen seit 2020 in vier großen Themenbereichen: Natur & Raum, Mensch & Gesellschaft, Zeit & Geschichte sowie Technik & Zukunft. Diese Perspektiven bilden den roten Faden über die gesamte Schulzeit hinweg. Die Schüler:innen suchen sich darin ihre Projekte. Mit Theo lernen sie, Themen in größeren Zusammenhängen zu denken und aus verschiedenen Blickrichtungen zu betrachten. Die Inhalte fusionieren zu Projekten, welche die Schüler über einen Zeitraum von acht Wochen erarbeiten. 

                      Schüler wählen ihre Tutoren selbst

                      Die Neugestaltung des Stundenplans war die große Herausforderung. Jeder Tag beginnt bei uns mit der Theo-Planung. Die Schüler:innen strukturieren ihren Tag und ihr Lernen möglichst eigenverantwortlich. Wir begleiten sie dabei. Etwa im wöchentlich stattfindenden Lernentwicklungsaustausch, das sind regelmäßige Gespräche. Welcher Lehrer ihr Tutor sein soll, wählen die Schüler selbst. 

                      Die einzelnen Theos finden immer im Doppeljahrgang statt, in der fünften und sechsten Klasse usw. bis zur zehnten Klasse. In Theo-Camps setzen die Schüler:innen ihre Schwerpunkte und Themen. Die Camps funktionieren so ähnlich wie Barcamps. Das heißt, in Zukunft diskutieren die Schüler in spontan organisierten Runden, welche Themen ihnen wichtig sind

                      Projekte rein, Fächer raus

                      Jeder Theo-Unterricht wird von einem 8- bis 12-köpfigen Lehrer:innen-Team geplant und vorbereitet. Möglichst viele Fachdisziplinen kommen dabei zum Tragen. Bereits in der ersten Phase der Pandemie im März 2019 hat ein Großteil des Kollegiums Disziplinen vernetzt. In den themenorientierten Perspektiven definieren wir Lehrende Kernaufgaben, die über die Fächer hinausgreifen. Aus den Kernaufgaben leiten sich im Folgenden verschiedene Lernbereiche ab. In jedem Theo erwartet die Schüler also ein Pflichtthema mit übergeordneter Kernaufgabe.

                      Im aktuellen Theo zum Beispiel für den Jahrgang 5/6, “Ein Wald voller Rätsel”, erstellen die Lernenden in den Lernbereichen Rätsel rund um das Thema Wald. Es zählt zur Perspektive “Natur und Raum”. An den Waldtagen experimentieren die Schüler:innen zu den verschiedensten Themen im Wald. Im Lernbereich “Waldausflug” haben sie vorher gelernt, gut vorbereitet auf Exkursion zu gehen.

                      Schüler lernen, ihr Lernen selbst zu planen

                      Innerhalb der Lernbereiche werden Aufgaben, Materialien, Experimente etc. in drei farblich gekennzeichneten Schwierigkeitsstufen von uns Lehrenden vorbereitet. Das reicht vom Schüler mit Förderbedarf bis hin zu Schülern, die im Erweiterungsniveau lernen. 

                      Klar ist, dass so ein Konzept nicht von heute auf morgen eingeführt werden kann. Uns Lehrkräften haben wir ja das vertraute Unterrichtssetting buchstäblich unter den Füßen weggezogen. Die Belastung während der Planung ist groß, der Frust während der Durchführung nicht immer gering. Nicht alle Schüler:innen können bekanntermaßen sofort selbständig planen und arbeiten. Manchmal müssen wir als Lernbegleitende nun auch mit uns ungewohnten Materialien Aufgabenstellungen anderer arbeiten oder mit unfertigen Strukturen klarkommen. 

                      Und natürlich machen wir Fehler. Dies kommuniziert die Schulleitung auch regelmäßig in die Richtung der Eltern. Dennoch sind wir überzeugt, dass der Weg der richtige ist und es im Grunde keine Alternative gibt. Die Lehre im Gleichschritt jedenfalls ist ein totes Gleis. Unsere Jugendlichen sollen Selbstwirksamkeit erfahren und Schule wieder als echten Lernort begreifen.

                      Wichtig ist, aus den Erfahrungen zu lernen. Die folgenden Entwicklungsfelder scheinen mir wesentlich zu sein: 

                      Schüler verbringen (zu) viel Zeit am Tablet

                      An unserer Schule gibt es eine 1:1-Ausstattung mit Tablets und (meistens) eine stabile Internetverbindung. So konnten wir die Theos auch im Distanzlernen angehen. Das gesamte Material und alle Aufgaben liegen für acht Wochen im Voraus digital bereit. In diesem von uns intendierten Setting arbeiten die Kinder oft für sich und lernen eben individuell. Das ist auf der einen Seite gut – aber auf der anderen Seite verbringen sie mitunter sehr viel Zeit am Tablet und mit sich allein. Es liegt an uns Lernbegleitern, noch mehr Phasen von Gruppenzusammenkünften und Methoden wie Standbilder, Partnerarbeiten oder Rollenspiel zu integrieren und kooperatives Lernen auch im Theo weiter zu fördern.

                      Input: Es gibt kaum frontale Phasen mehr. Diese sind zukünftig in den Theocamps zwar möglich, dennoch kommen immer wieder Rückmeldungen dazu – sowohl von den Lernenden als auch von den Lehrenden. Klar, beide Seiten sind es anders aus der Schule gewohnt. Dennoch lassen sich nicht alle Erklärphasen etwa durch Videos ersetzen, da dann wieder das gemeinsame Klassengespräch zu kurz kommt. 

                      Sprachen bilden eine Sonderstellung. Um eine Sprache zu lernen, muss ich sie sprechen, hören und ich benötige Sprachvorbilder. Für das Fach Englisch haben wir daher “Speaking Sessions” in die Wochenstruktur integriert. Hier wird gemeinsam gesprochen, kooperativ gelernt und aktiv kommuniziert. Nur mit einem gewissen Grundwortschatz können die Lernenden dann später selbstständig in den Lernbereichen Aufgaben auf Englisch bearbeiten. Daher ist in den unteren Jahrgängen innerhalb des Pflichtthemas in der Regel ein zusätzlicher Lernbereich für das Fach Englisch ausgewiesen.

                      Lernende arbeiten sich (zu) oft an Arbeitsblättern ab

                      Arbeitsblätter: Mit dem Fortschreiten des Schuljahres und der Entwicklung wird uns bewusst, dass die Lernenden oft Arbeitsblätter abarbeiten und nacheinander Aufgaben (Lernschritte) bearbeiten. Hier merken wir, dass es mehr handlungsorientierte Ansätze, wie zum Beispiel Waldtage oder Forscherboxen, und entsprechende Materialien braucht. Nur so lässt sich eine echte Ganzheitlichkeit schaffen. Mit Kopf, Herz und Hand, denn das Setting des Schreibsaals wollten wir schließlich mit unserem neuen Konzept auflösen. Hier liegt sicherlich der größte Nachholbedarf im Theo. Ein Großteil der Kolleg:innen ist sich dessen bewusst.

                      Noten: Mit der Einführung von Theo haben wir uns von klassischen Begriffen wie Arbeit, Test oder Referat verabschiedet. Die Schüler:innen erbringen in den Lernbereichen Gelingensnachweise. Sie können sich dafür individuell anmelden. Sie entscheiden also selbst, wann sie ihr Gelingen nachweisen. Dies können klassische Arbeiten sein, aber auch gestaltete E-Books, Audiofiles, mündliche Gespräche oder Protokolle von Experimenten. Unser größtes Problem liegt dabei in den rechtlichen Vorgaben des Landes Niedersachsen für unsere Schulform (Oberschule). Wir müssen in den Zeugnissen Ziffernnoten in einzelnen Fächern ausweisen. Um dies umzusetzen, sind wir also gezwungen, die miteinander verwobenen Strukturen für die Notengebung wieder aufzulösen und in Noten zu gießen

                      Zwölf neue Theos stellen die Schule auf den Kopf

                      Diese Hürden wollen wir zukünftig überwinden – und haben uns u.a. aus dem Grund für das Modellprojekt Zukunftsschule beworben. In dem Modellprojekt wollen wir die Schwerpunkte Bildung für nachhaltige Entwicklung und Demokratiebildung ebenfalls weiter schärfen und ausbauen. Ein kräftezehrendes Schuljahr liegt hinter uns – und das nächste wird wohl nicht weniger anstrengend. Bis zu zwölf neue Theos werden an der OBS Berenbostel entstehen. Im Prozess werden sicherlich viele neu Baustellen zu bearbeiten sein. Genau wie erste Erfolgserlebnisse gefeiert werden wollen. Ich freue mich auf die Arbeit mit dem großartigen Kollegium der Oberschule Berenbostel. 

                      Jan Vedder ist Mitglied des didaktischen Teams der Oberschule Berenbostel in Garbsen. Er twittert als Vedducation und organisiert über seinen Blog Weiterbildungen für Lehrkräfte.

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                        News

                        Bitkom fordert Transparenz beim Digitalpakt

                        Der Bitkom will das dauernde Frage- und Antwort-Spiel um den Digitalpakt Schule nicht mehr mitmachen. “Wir brauchen ein zentrales Online-Dashboard, um offen und ehrlich allen Menschen zu zeigen, wie der Stand bei der Umsetzung des Digitalpakts, beim Infrastrukturausbau und weiteren Digitalisierungsprozessen an Schulen ist”, sagte Daniel Breitinger, Referent für Bildungspolitik und Public Affairs beim “Bundesverband Informationswirtschaft,Telekommunikation und neue Medien”. Der Bitkom will das Dashboard auch als Prüfstein für die bevorstehende Bundestagswahl verwenden. Das Online-Register, eine Art Mikroskop für den Digitalpakt, soll aufklären, auf welchem Stand das Milliardenprojekt jeweils ist.

                        Die Forderung des Bitkom ist eine Reaktion auf das Hin und Her rund um den Digitalpakt und seine drei Zusatzvereinbarungen, die Fördermittel von 6,5 Milliarden Euro vom Bund in die Länder transferieren. Weil die Mittel der einzelnen Digitalpakte nur sehr unterschiedlich und teils zögerlich abfließen, ist eine Art parlamentarischer Volkssport entstanden: Abgeordnete triezen die Bundesregierung mit zum Teil seriellen Kleinen Anfragen. So hieß es auf die jüngste Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion gleich an mehreren Stellen, die Antworten fänden sich in den Bundestagsdrucksachen auf ältere Anfragen – die allerdings zum Teil nur wenige Wochen zurückliegen. Solche Anfragen sind zwar wichtig, bringen oft aber wenig Aufklärung. Zuletzt zeigte sich bei einer Anfrage zum Stand des Digitalpaktes in Nordrhein-Westfalen, dass die Landesregierung über den Mittelabfluss nur mittelmäßig informiert war.

                        Der Bitkom verspricht sich durch das Online-Dashboard mehr Transparenz. Breitinger empfahl, die Kompetenzen der Bundesländer zu fokussieren. “Wie beim Dashboard für das Onlinezugangsgesetz könnte jedes Bundesland die Verantwortung für einen Themenbereich übernehmen, um Kompetenzen zu bündeln”, sagte der Bildungsexperte. Dafür müsse man aber auch bereit sein, die dringend notwendige Reform des Bildungsföderalismus anzupacken. red

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                          Berlin gibt Word frei

                          Erneut ist es zu Differenzen um das Dienstgeräte-Programm der Bundesregierung gekommen, diesmal in Berlin. Zum Schulstart am Montag beklagten sich in der Hauptstadt diverse Lehrer darüber, dass es ihnen nicht erlaubt sei, die Microsoft-Programme Word und Power Point zu installieren. Ein Sprecher der Berliner Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) wies die Vorwürfe zurück. “MS Office ist auf den Geräten und kann genutzt werden”, sagte Martin Klesmann Bildung.Table. Später präzisierte die Schulverwaltung, “das Office-Paket wird zeitnah freigeschaltet, sobald die üblichen lizenzrechtlichen Fragen final geklärt sind”. Mit dem Datenschutz habe das wenig zu tun. Es gebe bereits eine Nutzungsvereinbarung und auch die Rahmenvereinbarung stehe kurz vor dem Abschluss.

                          Zuletzt hatte es in Sachsen-Anhalt Probleme und Missverständnisse mit den Dienstgeräten gegeben. Bei den Dienstgeräten für Lehrkräfte stellt sich die grundsätzliche Frage, ob das Land als Dienstherr oder die Kommune als Sachaufwandsträger für die Schulen für Administration und den Support zuständig ist. In Berlin war nun das Problem aufgetreten, dass die Lehrkräfte keine Administratorenrechte hätten. Man könne Programme aus einem Store installieren, es seien aber nur sehr wenige, äußerten Lehrer auf Twitter. Es sei auch nicht möglich, Einstellungen des Geräts zu verändern, etwa die Startseite im Browser. “Im Moment sind die Geräte nur für diejenigen sinnvoll einsetzbar, die bisher keine Geräte hatten,” sagte ein Lehrer Bildung.Table.

                          Neue Software nur übers Unternehmensportal

                          Auch das relativierte sich freilich beim Blick auf die Hilfeseite der Senatsverwaltung. “Um die Sicherheit und Zuverlässigkeit Ihres Endgeräts sicherzustellen, ist die Installation neuer Software nur über das Unternehmensportal der Senatsverwaltung möglich”, heißt es dort. Dann wird haarklein beschrieben, wie Lehrkräfte “in der unteren linken Ecke des Desktops ´Unternehmensportal´ in das Suchfeld der Windows-Taskleiste eingeben” können, um sich Programme herunterzuladen. red

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                            • Endgeräte
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                            Didaktik & Tools

                            ThingLink

                            Mit einem ThingLink kann man auf Bilder oder Videos (auch in 360°) mit Tags zu weiterführenden Links und Inhalten versehen. Ich habe daraus eine mathematische Landkarte über die Themen und Inhalte der neunten Klasse gebaut. Das Ziel ist, dass die Schüler ganz bewusst jene Themen auswählen können, wo sie noch Lernbedarf sehen. Hinter den Themen sind unterschiedliche Inhalte hinterlegt – sowohl in analoger Form als Arbeitsblätter als auch digitale Zugänge. So können sich meine Schüler gezielt das Wissen verschaffen, das ihnen fehlt. Es gibt zu Beginn eine kleine Übersicht dessen, was sie können sollten. So kann jeder hier ziemlich frei entscheiden, was er wiederholen will und dabei auch das Medium und das Material wählen.

                            Welche technischen Voraussetzungen braucht man?

                            Wenige. Es ist ein Tool, das ausschließlich browserbasiert ist und meines Wissens auch mit jedem Browser funktioniert. Es bedarf lediglich einer Anmeldung durch den Lehrer. In der Grundvariante ist es kostenlos. Wenn man nun kollaborativ mit den Schülern arbeiten will oder die Schüler untereinander kooperieren lassen möchte, dann muss man “Plätze zukaufen”. Die Schüler selbst müssen sich nicht anmelden. Es gibt zudem die Möglichkeit, in ThingLink eigene E-Mail-Adressen zu generieren, die die Schüler dann einmalig verwenden können. 

                            Auf jeden Fall. In der Präsenz bietet dieses Tool vor allem für das Differenzieren und Individualisieren ganz viele Möglichkeiten. Ich habe es eingesetzt zum Üben und Wiederholen auf eine Prüfung hin. Die Schüler können auch wunderbar selbst damit arbeiten. Es hat ganz viele Einsatzmöglichkeiten, z.B. könnte ich hinter dem Tag ein Arbeitsblatt hinterlegen – und es, je nach Leistungsstufe, mit unterschiedlichen Tipps oder Hilfen bestücken. Kurz: ein sehr einfaches und effizientes Differenzierungstool.

                            Pro Tipp

                            Im Jahr 2020 konnten wir keine Fahrt ins Schullandheim machen. Also habe ich dann für die Klassen mit ThingLink ein virtuelles Schullandheim zusammengebaut. Die Schüler konnten sich durch das Gelände des Schullandheims bewegen, wo sie eigentlich gewesen wären. Es gab Filme dazu, es fanden sich Angebote zum Basteln und zum Ausprobieren, ich habe Tonstücke, Filme und Bildergalerien eingebaut, kurz: es war kein gleichwertiger Ersatz, aber zumindest die Möglichkeit, den Ort virtuell zu erkunden. Noch größer sind die Spielräume, wenn die Schüler selbst in Gruppen an einem ThingLink arbeiten – und ihrer Fantasie freien Lauf lassen können. Das ist unglaublich gewinnbringend. 

                            Kritik

                            Wie bei jedem Online-Tool muss man sehr kritisch abwägen, wo hört der didaktische Vorteil auf, wo beginnt das datenschutzrechtliche Risiko. Mit den anonymen Schülermails gibt es da Möglichkeiten, aber im Grunde müsste man eine echte datenschutzrechtliche Abwägung vornehmen lassen. Die Limitierung eines ThingLinks auf 12.000 Aufrufe finde ich zu streng. Ich habe die Zahl mit meinen Schülern noch nicht erreicht, aber man kann sich ja vorstellen, wie schnell das Limit, je nach Schulgröße und Zahl der eingearbeiteten Links, erreicht sein wird.

                            Steffen Siegert ist Musik- und Mathelehrer sowie stellvertretender Schulleiter der Josef-Schmitt-Realschule in Lauda-Königshofen. Er ist immer wieder als Sessiongeber bei den Fortbildungen von Saskia Ebel zu finden und bloggt auch.

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                              Sparring für Lehrer

                              Wie kann Sparring vor Erschöpfung schützen?

                              Der Volksmund sagt, “es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen”. Das stimmt. Üben kann wirklich hilfreich sein – gerade für Lehrkräfte, die als Einzelkämpfer gelten. Dagegen hilft Sparring oder auf Deutsch: sich in einem Zweier-Team zusammen tun. Wenn es z.B. um schwierige Eltern-Gespräche geht oder wenn ich eine Präsentation halten muss, dann hilft es, einen Partner als kritischen Freund zu haben. So entsteht im Austausch eine andere Kreativität. Man hinterfragt seine eigene Sichtweise. Das sollte natürlich auf Vertrauen basieren und auf einem unbedingten Wollen, sich gegenseitig zu unterstützen. Ich würde gerade Lehrer:innen empfehlen, sich eine feste Tandem-Partnerin oder einen Partner zu suchen, mit der oder mit dem man immer wieder in den Austausch geht. 

                              Welche Voraussetzungen braucht man für Sparring?

                              Vertrauen. Und gegenseitiges Wohlwollen. Wichtig ist allerdings, Sparrings gut vorzubereiten. Nehmen wir das Beispiel Eltern-Gespräch, gerade solche mit komplizierten Eltern. Dazu sollten Sie sich ein festes Zeitfenster geben. Sonst ufert das vielleicht zeitlich aus. Es kann auch leicht passieren, in private Themen abzuschweifen. Hilfreich ist deswegen, sich vorab Ziele für das Gespräch zu setzen. Sie notieren sich Fragen und einen Ablauf oder einen Leitfaden. Erst dann gehen Sie in das Gespräch mit dem Sparrings-Partner. Auch die Formate sind wichtig. Sie können etwa mit einem Rollenspiel starten. Das heißt, sie üben regelrecht, wie das Eltern-Gespräch ablaufen soll. Danach würde ich noch Feedback einbauen oder kritische Punkte gegebenenfalls vertieft besprechen. Wichtig ist, ein wirklich ehrliches und wertschätzendes Feedback zu geben. Nochmal zur Technik: Das Gute ist, dass Videokonferenzen Sparrings sehr erleichtern. Durch die Etablierung der Videotechnik ist es nun nicht mehr zwingend notwendig, sich für ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht zu verabreden.

                              Wie kann man ein Sparring in einen engen Zeitablauf in der Schule einbauen? 

                              Ich würde die Freistunde nutzen und versuchen, dass meine Sparringspartnerin oder mein Partner in der Zeit auch frei ist. Da kann man dann wunderbar ein Gespräch führen. Oder dem Partner eine Präsentation zeigen, die man halten möchte. Es ist wichtig für Sie, von einem Dritten zu hören, wo Sie noch einen blinden Fleck oder gar etwas vergessen haben. Das Wichtigste aber scheint mir zu sein, sich Zeit für Sparrings zu nehmen. 

                              Caroline Deinert ist Business-Coach und Hypnotiseurin. Sie bietet in den Ferien Coachings an – auch zu Sparring.

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