Table.Briefing: Agrifood

EU-Wahl: Was danach relevant wird + Novel Food: Gesetz schreckt Start-ups ab 

Liebe Leserin, lieber Leser,

vom 6. bis 9. Juni wird ein neues EU-Parlament gewählt. Anlass, um einen Blick darauf zu werfen, welche Themen in der EU-Agrar- und Ernährungspolitik in der kommenden Legislaturperiode eine Rolle spielen werden. Einige unvollendete und nicht eingelöste Vorhaben, aber auch neue Initiativen stehen auf der Agenda, wie unsere Brüsseler Korrespondentin Julia Dahm berichtet. Mit diesem umfangreichen Überblick starten wir im heutigen Briefing unsere EU-Wahlserie, exklusiv zu den Themen und Dossiers, die für den Agrar- und Ernährungssektor nach den EU-Wahlen relevant sein werden.

Auf Bundesebene bleibt in den kommenden Wochen die nationale Umsetzung der GAP-Lockerungen interessant. Die einzelnen EU-Mitgliedstaaten haben gewissen Spielraum. Beim Fruchtwechsel (GLÖZ 7) können sie beispielsweise entscheiden, die Vorgabe durch Nutzpflanzenvielfalt zu ersetzen. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) will am Fruchtwechsel festhalten, betonte er während des Treffens der EU-Agrarminister vor einer Woche. Der EVP-Politiker und Vorsitzende des EU-Agrarausschusses Norbert Lins hingegen fordert, “alle Spielräume” zu nutzen.

Möglich, dass Özdemir und Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) versuchen werden, ihre Zustimmung zur Lockerung von GLÖZ 7 an mehr Biodiversität und mehr Geld für die Öko-Regelungen zu knüpfen. An diesem Ziel waren sie allerdings bereits bei der “GLÖZ 8”-Debatte gescheitert.

Wir wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre!

Ihre
Henrike Schirmacher
Bild von Henrike  Schirmacher

Analyse

EU-Wahl: Was bei Agrifood in der neuen Legislaturperiode zu erwarten ist

Anfang Juni wird ein neues EU-Parlament gewählt, auch das Kollegium der Europäischen Kommission wird dann neu besetzt. Wie die scheidende Kommission es mit dem Green Deal als übergreifendem Konzept tat, wird dann das neue (oder wiedergewählte) Personal eigene Akzente setzen. Allgemeine Trends lassen sich schon absehen: Umwelt- und Klimaschutz dürften erst einmal weniger im Fokus stehen als nach der letzten Wahl 2019. Fuhren damals grüne Parteien Rekordgewinne ein, prägen heute Bauernproteste und ein projiziertes Erstarken des Mitte-rechten bis rechten Flügels das Bild.

Vor allem, wenn Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin wiedergewählt wird, dürfte sich die neue Kommission in ihrer Arbeit auch auf den Abschlussbericht des Strategiedialogs Landwirtschaft berufen, der für den Spätsommer erwartet wird, und die Entlastungspläne für Bauern weiter verfolgen. Auch wenn darüber hinaus vieles vom Wahlausgang, der Verteilung und dem Zuschnitt von Posten abhängt: Anhaltspunkte dafür, was nach der Wahl auf der Agenda steht, gibt es bereits.

Offen geblieben auf der To-do-Liste

Anhaltspunkt 1: Nicht eingelöste Vorhaben aus dieser Legislaturperiode. Davon gibt es einige. Vor allem beim Green Deal wurde in kaum einem Politikfeld so wenig umgesetzt wie in Landwirtschaft und Ernährung. Dass Dossiers, die schon der scheidenden Kommission zu heikel waren, nach der Wahl doch noch eins zu eins umgesetzt werden, ist eher unwahrscheinlich. Aber: Teils wurde viel Vorarbeit geleistet. Auch, wenn sich politische Prioritäten verschieben, könnte die neue Kommission Versatzstücke wieder aufgreifen, zumal betroffene Verbände weiter Handlungsbedarf anmahnen.

  • Lebensmittel-Etikettierung: Eigentlich sollte es neue, EU-weite Regeln geben. Das Thema sei komplex, die Arbeit noch nicht abgeschlossen, hieß es zuletzt aus der Kommission. Abgeschreckt wird letztere wohl vor allem von der hochemotionalen Debatte um eine europaweite Einführung des Nutri-Scores. Auch das deutsche Herzensthema Herkunftskennzeichnung sollte hier adressiert werden und blieb ungelöst.
  • Tierschutzpaket: Der EU-Tierschutzrahmen gilt als veraltet, die Kommission wollte ihn umfassend reformieren. Obwohl das komplexe Paket dem Vernehmen nach weitestgehend ausgearbeitet war, kam nur ein Vorschlag zu Tiertransporten (siehe unten). Haltung, Schlachtung und Tierwohllabel sparte man aus, wohl zu heikel vor der anstehenden Wahl.
  • Gesetz zu nachhaltigen Lebensmittelsystemen (SFS): Dieses hatte die Kommission ursprünglich für den Herbst 2023 als ein “Flaggschiff” der Farm-to-Fork-Strategie angekündigt, legte es aber nie vor. Neben dem Labeling-Gesetz war es als eines der Projekte für die “Fork-Seite” geplant. Doch es blieb schwer fassbar. Standen Anfang 2023 noch ein freiwilliges Nachhaltigkeitslabel und Maßnahmen zur öffentlichen Beschaffung im Raum, war später mehr von Ernährungssicherheit die Rede.

Sonderfall:

  • Pestizidverordnung (SUR): Die umstrittene Verordnung war schon auf den Weg gebracht, die Kommission zog sie aber Anfang des Jahres zurück, nachdem zuvor auch das Parlament den Prozess blockiert hatte. Von der Leyen ließ damals wissen: Das Ziel der Pestizidreduktion bleibe bestehen, man wolle möglicherweise einen neuen Anlauf starten – mit einem weniger polarisierenden Vorschlag.

Unvollendete Projekte

Anhaltspunkt 2: Laufende Gesetzgebungsverfahren. Diese gehen nach der Wahl weiter – vorausgesetzt, das neu besetzte EU-Parlament und die Kommission stimmen dem zu.

  • Neue Züchtungstechniken (NGTs): Das Parlament hat seine Position festgezurrt, doch im Ministerrat ist das Thema festgefahren. Gelingt der belgischen Ratspräsidentschaft nicht doch noch bis Ende Juni der Durchbruch, dürfte sich die weitere Arbeit deutlich verzögern. Sieht die Kommission die Situation als zu vertrackt, hätte sie theoretisch auch die Möglichkeit, den Vorschlag nach der Wahl zurückzuziehen und neu vorzulegen – zum Beispiel mit mehr Klarheit zum Thema Patente. Dann gingen allerdings die Fortschritte im Parlament verloren.
  • Tiertransporte: Darauf, dass die Kommission in Sachen Tierschutz wenigstens noch die Reform der Regeln zu Lebendtransporten vorlegt, hatten laut gut informierten Kreisen vor allem die Grünen hingewirkt. Der Vorschlag kam dann aber so spät, dass er kaum mehr rechtzeitig verabschiedet werden konnte. Auf Parlament und Ministerrat kommt das Thema nach der Wahl wieder zu. Eilig hatten beide Institutionen es bisher nicht.
  • Saatgutverordnung: Das Parlament hat seine Verhandlungsposition angenommen, die EU-Agrarminister haben die Arbeit aber noch nicht begonnen. Das Gesetzgebungsverfahren dürfte nach der Wahl weiter seinen Lauf nehmen.
  • Green Claims: Das Verhandlungsmandat des Parlaments steht, eine Einigung der Mitgliedstaaten soll bald folgen. Nach der Wahl könnten dann die Trilogverhandlungen aufgenommen werden.
  • Reduktion von Lebensmittelabfällen: Auch hier haben die EU-Abgeordneten ihr Verhandlungsmandat angenommen, die 27 Minister noch nicht.

Sonderfälle:

  • Renaturierungsgesetz (NRL): Das umstrittene Gesetz stand kurz vor der Ziellinie, steckt nun aber im Ministerrat fest. Die ausstehende Ratsabstimmung ist der letzte Schritt zur Verabschiedung. Die wäre also theoretisch noch vor der Wahl möglich. Momentan zeichnet sich aber keine Mehrheit ab, auch wenn sich von der Leyen in einem Brief, den die Kollegen von Contexte veröffentlicht haben, zuletzt für das Gesetz starkmacht.
  • Entwaldungsfreie Lieferketten: Die Verordnung wurde schon im letzten Jahr verabschiedet, aktuell gibt es aber – auch aus der Bundesregierung – Druck, das Inkrafttreten der neuen Regeln zu verschieben. Die neue Kommission steht vor der Entscheidung, ob sie sich dem beugt, oder durch zusätzliche Vorkehrungen die Gemüter beruhigt.

Anstehende Aufgaben

Eine Reihe neuer Aufgaben kommt nach der Wahl auf die EU-Institutionen zu.

  • GAP-Reform: Erste Vorschläge der EU-Kommission für die GAP nach 2027 werden fürs kommende Jahr erwartet. Ein schwieriger Spagat: Einerseits besteht hoher Reformdruck, um die GAP weiter an die Klima- und Biodiversitätskrise anzupassen und fit für den Beitrittsprozess der Ukraine zu machen. Andererseits dürfte der Appetit auf drastische Umbrüche nach den Bauernprotesten erst einmal gedämpft sein.
  • Ukraine: Auch darüber hinaus bleibt die Ukraine Thema. Nach dem Hin und Her um die Verlängerung der Handelserleichterungen will die Kommission ein längerfristiges Abkommen mit Kiew aushandeln. Sowohl die Unterstützung der Ukraine als auch die Entlastung der Landwirtschaft dürften für die neue Kommission wichtig bleiben. Sie muss darüber nachdenken, wie sie beides in Einklang bringt.
  • Marktmacht der Bauern: Die will die Kommission im Nachgang der Bauernproteste stärken. Schon im Herbst will sie ein Gesetz vorlegen, um unfaire Handelspraktiken (UTP) grenzüberschreitend besser zu ahnden. Das dürfte noch das jetzige Personal vorbereiten, die neue Besetzung es dann vorlegen. 2025 ist eine Bewertung der UTP-Richtlinie angesetzt, wenn nötig, soll eine Reform folgen.
  • Weitere Entlastungen: Auf dem Zettel der Kommission ist in Sachen Entlastungen für Bauern auch eine Analyse zur Bürokratielast im Herbst dieses Jahres.
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Neuartige Lebensmittel: Warum der EU-Zulassungsprozess Start-ups abschreckt

Vergangenen Sommer hatte das Hamburger Food-Tech-Start-up BLUU Seafood gute Neuigkeiten zu vermelden: Für Fischstäbchen und -bällchen aus Zellkulturen gehe man die Marktzulassung an. Der Haken: Zulassungsanträge stellte das deutsche Unternehmen erst einmal in den USA und Singapur, die EU soll erst später folgen.

Ähnliche Fälle gibt es immer wieder. Während andere Weltregionen bei der Zulassung von Zellfleisch und Co. “voranschreiten, stellen europäische Firmen Anträge außerhalb Europas“, heißt es in einem Bericht des Thinktanks EIT Food von 2023, der auf einer Umfrage unter Herstellern alternativer Proteine fußt. Die USA und Singapur haben Produkte aus zellbasiertem Fleisch zugelassen, bei der EU ist bisher kein Antrag eingegangen, wie die Europäische Kommission bestätigt.

EU-Regeln unter den strengsten der Welt

Der Zulassungsprozess für den europäischen Markt ist in der EU-Novel-Foods-Verordnung geregelt und gilt als besonders streng. Produkte, die vor Mai 1997 noch nicht als Lebensmittel auf dem europäischen Markt angeboten wurden, fallen darunter. Weil der Gesundheitsschutz Priorität habe, habe die EU “Vorschriften zur Lebensmittelsicherheit, die zu den strengsten der Welt gehören”, betont eine Sprecherin der Kommission.

Schrecken also strenge Standards Unternehmen ab? So einfach sei es nicht, meint Ivo Rzegotta vom Good Food Institute, das sich für die Verbreitung alternativer Proteinquellen einsetzt. Grundsätzlich stehe ein Großteil der Unternehmen hinter der Verordnung. Das Problem liege eher in der praktischen Umsetzung, betont auch EIT Food.

Verzögerungen und Unsicherheit im Zulassungsprozess

Die sieht so aus: In einer ersten Phase prüft die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die Unterlagen zur Produktsicherheit und bewertet das Risiko, das von dem neuartigen Lebensmittel ausgeht. Basierend darauf entscheiden im zweiten Schritt EU-Kommission und Mitgliedstaaten über die Zulassung. In beiden Phasen monieren Unternehmen laut der EIT-Umfrage Verzögerungen und Unsicherheitsfaktoren.

Kritikpunkt 1: Die EFSA-Prüfung sei zu langwierig und schwer zu navigieren. Zwar hat die Behörde ein Zeitlimit von neun Monaten, der Countdown wird aber angehalten, wenn Unterlagen nachgefordert werden. “Es gibt Ineffizienzen im Prozess, den man beschleunigen könnte, ohne Sicherheitsstandards zu senken”, meint Rzegotta. Das betreffe zum Beispiel die Gestaltung von Rückfragen an Unternehmen und die Bearbeitung nachgereichter Dokumente.

EFSA will Unternehmen besser beraten

Zudem mangle es Unternehmen vorab an Beratungsmöglichkeiten dazu, welche teils aufwändigen Tests die EFSA erwarte, kritisieren die von EIT befragten Unternehmen. EU-Kommission und EFSA betonen auf Anfrage: Hieran arbeite man bereits. Zum Beispiel durch einen detaillierteren Leitfaden, den die EFSA in Kürze vorlegen will. Zudem organisiere die Behörde Treffen und Informationsveranstaltungen, bemühe sich um Effizienz und darum, Erwartungen im Voraus klar zu kommunizieren, sagt Wolfgang Gelbmann, Senior Scientific Officer bei EFSA. “EFSA hat das Problem erkannt und arbeitet daran”, meint auch Rzegotta.

Schwerer zu lösen scheint Kritikpunkt 2. Dabei geht es um die zweite Phase, in der Kommission und EU-Länder als “Risk Manager” das Risiko abwägen müssen. Für die Marktzulassung braucht es eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten. Das gibt einer relativ kleinen Gruppe die Möglichkeit, Zulassungen zu blockieren – bei polarisierenden Themen wie Zellfleisch ein echtes Risiko, meint Rzegotta.

Novel Foods sind politisch heikel

Zudem gibt es hier kein Zeitlimit. Selbst ohne die nötige sogenannte Blockademinderheit könnten einzelne Länder den Prozess verzögern. “Das bringt zusätzliche Unsicherheit, die Unternehmen abschreckt“, erklärt er. EIT Foods fordert: Im Zulassungsverfahren “müssen der Verbraucherschutz und die Lebensmittelsicherheit Vorrang vor allen anderen Erwägungen haben”. Eine Politisierung gelte es zu vermeiden.

Wie politisch heikel neuartige Lebensmittel sein können, zeigen aktuelle Beispiele: Im November verbot die italienische Regierung öffentlichkeitswirksam Laborfleisch – obwohl das Verbot gegen europäisches Recht verstoßen dürfte. Im Januar forderte das Land mit Frankreich und Österreich strengere Regeln für die Zulassung. Und auch andere Novel Foods sorgen für Furore: Nachdem die EU 2023 mehrere Zutaten aus Insekten zugelassen hatte, verbreiteten sich online Verschwörungstheorien, die auch von Politikern in EU-Ländern angeheizt wurden.

Große Konzerne haben bessere Karten

Während der gesamte Prozess im besten Fall auf 18 Monate ausgelegt sei, zeige die Erfahrung, dass bis zur Zulassung selbst bei “weniger kontroversen Lebensmitteln” zwei bis drei Jahre, teils auch mehr, vergehen können, so Rzegotta. Ein Problem vor allem für Start-ups. Denn diese “nutzen meist Venture-Capital und müssen ihren Investoren eine Perspektive bieten – das ist bei einem solch langen Prozess mit viel Unsicherheit schwierig.”

Dazu passt, dass das einzige Zellfleisch-Unternehmen, das bisher mitgeteilt hat, einen Antrag in der EU vorzubereiten, kein Start-up ist: The Cultivated B startete im vergangenen Jahr Vorabkonsultationen mit EFSA. Der Zulassungsantrag liegt noch nicht vor, könnte aber in diesem Jahr folgen. Das Unternehmen ist eine Tochter des Lebensmittelkonzerns Infamily Foods, der seine Produktpalette von Fleischprodukten zuletzt auch auf pflanzliche Ersatzprodukte erweiterte.

Große Konzerne hätten eher den nötigen langen Atem für den EU-Zulassungsprozess, meint Rzegotta. Die gute Nachricht: Den aufzubringen, könnte sich lohnen: “Es gibt Unternehmen, die sagen: Wir melden unser Produkt bewusst in der EU an, weil das der Goldstandard für den Rest der Welt ist”, sagt Rzegotta. Das betont auch die EU-Kommission: Die Novel-Foods-Verordnung sei “Marktöffner für die Ausfuhr in viele Drittländer.”

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News

Entwaldungsverordnung: Was eine Gruppe von Mitgliedsstaaten jetzt von der EU-Kommission fordert

Mit einem Ministerschreiben an EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius haben Deutschland und weitere Mitgliedstaaten ihrer Forderung Nachdruck verliehen, notwendige Grundlagen für das Inkrafttreten der EU-Entwaldungsverordnung zu schaffen. Hintergrund für die deutsche Initiative sind Verzögerungen der EU-Kommission beim digitalen Informationssystem und dem sogenannten Länder-Benchmarking – einer Liste, die jedem Land eine bestimmte Risikostufe für Entwaldung zuweist. Beides verstehen sowohl Deutschland als auch die Mitunterzeichner des Briefes – Bulgarien, Estland, Irland, Luxemburg, die Niederlande, Slowenien, Spanien und Ungarn – als zentrale Voraussetzungen für die Umsetzung der Verordnung.

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir appelliert deshalb an die EU-Kommission, Tempo bei diesen Themen zu machen. “Ohne ihr Länder-Benchmarking droht ab 2025 unverhältnismäßig hohe Bürokratie für Klein- und Kleinstwaldbesitzer und unsere Verwaltung. Das müssen wir verhindern”, fordert Özdemir. Denn: Ohne Benchmarking werden alle Länder automatisch als Standardrisiko eingestuft – so auch Deutschland. Für Özdemir steht deshalb fest: “Wenn die Kommission das nicht auf die Kette bekommt, dann braucht es hier eine Verschiebung, damit die Kommission ihren Job macht.”

EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski im Zweifel für Verschiebung

Die EU-Kommission lässt sich derweil nicht in die Karten blicken, wie weit ihre Arbeit bei der Entwicklung des Benchmarkings vorangeschritten ist. Für eine Verschiebung des Inkrafttretens der Verordnung um ein Jahr hatte sich vergangene Woche aber auch EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski beim EU-Agrarrat ausgesprochen. Anders als Umweltkommissar Sinkevičius zeichnet er jedoch nicht direkt verantwortlich für die Entwaldungsverordnung. Bislang hatte die Kommission einen Aufschub der Verordnung ausgeschlossen. Auf den Brief Deutschlands und der anderen Mitgliedsstaaten aber wolle man zeitnah antworten, so ein Kommissionssprecher.

Mit einer längerfristigen Verschiebung der Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten, wie von Österreich jüngst mit Blick auf den damit zusammenhängenden Bürokratieaufwand gefordert, ist hierbei aber kaum zu rechnen. In einer Antwort von Umweltkommissar Sinkevičius auf die Anfrage eines österreichischen Abgeordneten heißt es, die Entwaldungsverordnung falle nicht in den Bereich, für den die Kommission kurzfristige Bürokratieerleichterungen angekündigt habe. heu

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EU-Neuseeland: Warum der neu in Kraft getretene Deal als Vorbild gilt

Seit dem 1. Mai ist das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Neuseeland in Kraft. Es ist selbst im europäischen Agrarsektor deutlich weniger umstritten als viele andere. Lob gab es nach der Unterzeichnung im vergangenen Jahr vor allem für das beispiellose Nachhaltigkeitskapitel, darunter auch Vereinbarungen zu nachhaltigen Lebensmittelsystemen. Dieses umgeht die heikle Debatte zu Spiegelklauseln – also die Anwendung heimischer Standards auf Importe -, indem es stattdessen auf das Konzept der Gleichwertigkeit setzt.

Beide Seiten verpflichten sich auf ein gewisses Ambitionsniveau in Sachen Nachhaltigkeit, können dieses aber durch ihre jeweils eigenen Standards und Gesetze erreichen. Das hat den Vorteil, dass Nachhaltigkeitsstandards nicht durch Importprodukte unterlaufen werden. Gleichzeitig fühlt sich keiner der beiden Handelspartner bevormundet, weil er Regeln des anderen umsetzen muss. Möglich wurde das, weil Brüssel und Wellington in Sachen Umwelt- und Klimaschutz ohnehin auf einer ähnlichen Wellenlänge sind. Inwiefern der Ansatz auf Verhandlungen mit anderen Ländern übertragbar ist, muss sich erst noch zeigen.

Schutzklauseln für sensible Agrarprodukte

Zufrieden zeigte sich der EU-Bauerndachverband Copa Cogeca nach der Unterzeichnung des Abkommens zwar nicht, die Kritik fiel aber deutlich milder aus als beispielsweise beim geplanten EU-Mercosur-Abkommen. Als Erfolg verbuchen kann die hiesige Landwirtschaft, dass bei sensiblen Agrarprodukten wie Rind- und Lammfleisch nur kleine Mengen zollfrei aus Neuseeland importiert werden können. Diese Schutzmaßnahmen gehen dem Verband aber nicht weit genug.

Wellington hat sich auch verpflichtet, die in der EU geschützten Herkunftsangaben anzuerkennen. Hiesige Landwirte profitieren zudem “von der Abschaffung der Zölle auf wichtige EU-Exportgüter wie Schweinefleisch, Wein und Sekt, Schokolade, Süßwaren und Kekse”, argumentiert die Europäische Kommission. jd

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Frankreich: Agrarpolitik bekommt ein neues Gesicht

Der Kampf um die Wahlliste bei den französischen Konservativen Les Républicains (LR) war erbittert, am Dienstag wurde sie in Paris vorgestellt. Mit Umfragen, die sie bei sechs Prozent der Stimmen sehen, können die von François-Xavier Bellamy angeführten französischen Konservativen nur auf eine sehr begrenzte Anzahl von Abgeordneten im nächsten Europäischen Parlament hoffen und zwischen sechs und acht Sitze erreichen.

Die Europaabgeordnete und erste Quästorin des Europäischen Parlaments Anne Sander belegt den zehnten Platz. Die Straßburgerin, die sich auf landwirtschaftliche Fragen spezialisiert hat und selbst aus einer Familie mit Bezug zum Agrarsektor stammt, hatte sich durch ihren erbitterten Widerstand gegen den Gesetzentwurf zur Wiederherstellung der Natur an der Seite der niederländischen Europaabgeordneten Esther de Lange und der deutschen Europaabgeordneten Christine Schneider (CDU) hervorgetan.

Die 41-jährige Getreidezüchterin Céline Imart, die auf dem zweiten Platz kandidiert, dürfte sich dann für die französischen Konservativen im Europäischen Parlament um landwirtschaftliche Fragen kümmern. Sie ist Mitglied der Fédération nationale des syndicats d’exploitants agricoles (FNSEA) und Sprecherin von Intercéréales. Imart hat einen atypischen Werdegang: Sie ist Absolventin des renommierten Sciences Po und der ESSEC Business School. Bevor sie 2010 den Familienbetrieb übernahm, war sie Finanzdirektorin einer Tochtergesellschaft des Konzerns von Vincent Bolloré in Chile und arbeitete für die Beratungsfirma PwC.

Laut französischen Medienberichten war es Eric Ciotti, der Vorsitzende der Partei Les Républicains, der sich für Céline Imart entschieden hat. Er bezeichnet sie als “das Gesicht der Zukunft unserer ländlichen Regionen, die von den derzeitigen Machthabern verachtet und vergessen werden”. Als Neuling in der Politik hat sie sich in Frankreich bereits durch ihre Medienauftritte einen Namen gemacht. So kritisierte Imart beispielsweise Präsident Emmanuel Macron und warf ihm vor, die Krise in der Landwirtschaft “wie einen Streik bei der SNCF” zu handhaben.

Nadine Morano und Brice Hortefeux, zwei ehemalige Minister des ehemaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy, stehen auf den eher sicheren Plätzen sechs und sieben. Diese Nominierungen könnten bei einigen Mitgliedern für Überraschung gesorgt haben, da die Stimmen innerhalb der Partei für eine Erneuerung der politischen Persönlichkeiten in den letzten Wochen immer lauter geworden waren. cst

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  • Landwirtschaft

Plastikabkommen: Welche Punkte nach den Verhandlungen in Ottawa ungeklärt sind

Nach der vierten Verhandlungsrunde für ein UN-Plastikabkommen im kanadischen Ottawa ist weiterhin strittig, wie weitreichend das Abkommen sein soll – also ob es spezifische Verpflichtungen für alle Staaten oder grundsätzliche Ziele geben wird. Auch kontrovers diskutiert wurden Regelungen für den Anfang des Lebenszyklus, wie Verbote bestimmter Plastikprodukte oder Reduktionsziele für die Produktion von Primärplastik.

Viele aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft, die einen ambitionierten Vertrag fordern, zeigen sich nach dem vorerst vorletzten Treffen daher ernüchtert. Dass ein Mandat für Zwischen-Verhandlungen bis zur nächsten Runde vereinbart wurde, werten Beobachter allerdings als Erfolg – bei der vorherigen Runde in Nairobi war das nicht gelungen. “Es gibt noch viele umstrittene und teils hochpolitische Schlüsselthemen, bei denen die Staaten sich dringend weiter annähern müssen”, kommentiert Florian Titze, Senior Policy Advisor beim WWF Deutschland, die Einigung auf die sogenannte “intersessional work”.

Für diese Verhandlungen vereinbarten die Staaten nach langem Ringen, dass es bis zur Runde in Busan, Südkorea, um die Möglichkeiten zur Umsetzung, schädliche Chemikalien und das Design von Produkten gehen soll. Streitthemen wie Reichweite oder Primärplastikprodukt sind nicht Teil des Mandats. Das Center for International Environmental Law (CIEL) befürchtet daher, dass ein Abschluss des Abkommens bis Jahresende unrealistisch ist.

Kritik äußert die Umwelt-Organisation an dem aus ihrer Sicht erheblichen Einfluss der Chemie- und Fossilbranche. Fast 200 Vertreter seien für die Verhandlungen registriert gewesen bei insgesamt 2.500 Teilnehmern – was aus Sicht von Beobachtern erklärt, warum sich die Diskussionen vor allem um Bestimmungen fürs Recycling drehen. Doch auch Industriestaaten stehen in der Kritik, weil sie ihre ambitionierten Ziele nicht gegen Widerstände verteidigt hätten, heißt es von CIEL. nh

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Studie: Klimawandel könnte Möglichkeiten für Wiederaufforstung stark einschränken

In bestimmten Regionen Europas könnten bis zu 50 Prozent der dort wachsenden Baumarten künftigen Klimabedingungen nicht mehr standhalten – was erhebliche, negative Folgen für die Wiederaufforstung hätte. Denn auch Baumarten, die heute gepflanzt werden, müssten unter veränderten klimatischen Bedingungen wachsen. Aber die Zahl der dafür geeigneten Arten werde voraussichtlich abnehmen. Das ist das Ergebnis einer Studie, die am Montag in Nature Ecology & Evolution erschienen ist.

“Der Mehrwert der Studie besteht im Hinweis auf einen möglichen Bottleneck-Effekt bei der Klimaanpassung der Wälder”, sagt Uta Berger, Forscherin an der TU Dresden. “Neu an dieser Arbeit ist nun, dass nicht nur die heutige und die zukünftige Arealeignung für Baumarten bestimmt wurde, sondern dass die Dynamik des Klimawandels mit den langen Umtriebszeiten, wie sie in der Forstwirtschaft üblich sind, in Bezug gesetzt wurde“, ergänzt Arthur Gessler, der das Forschungsprogramm Walddynamik, Waldwachstum und Klima am Schweizer WSL leitet.

Weitere Faktoren wichtig

Eher als konservativ schätzt Henrik Hartmann die Modellierung ein. Die künftige Eignung der Baumarten werde nur durch klimatische Einflüsse berechnet. “Das kann man sicherlich mit einem großen Fragezeichen versehen”, denn die vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass Stress durch Klimafolgen “in vielen Fällen zu einer verstärkten Anfälligkeit gegenüber biotischen Störungsfaktoren führt”, sagt der Leiter des Instituts für Waldschutz am Julius Kühn-Institut.

Die Modellierung berücksichtige “methodisch und konzeptionell” nicht “die angemessenen Grenzen der Modellierbarkeit des Klimawandels und der Reaktionen von komplexen Ökosystemen”, sagt Pierre Ibisch, Forscher an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Studien zeigten, dass etwa Dürren als Folge des Klimawandels “schneller voranschreiten als modelliert”. Problematisch sei auch, dass “die Lebens- und Anpassungsfähigkeit von Bäumen beziehungsweise Wäldern lokal und regional ganz erheblich auch von den Böden, dem Mikroklima, der Landnutzung und der Forstwirtschaft” abhänge, ergänzt der Wissenschaftler. nh

  • Dürre
  • Klimaschäden
  • Wald

Time.Table

07.05.2024 – 11:00-16:00 Uhr, Berlin/online
BDI, Konferenz ESG-Reporting – Gesetz zur CSRD-Umsetzung in Deutschland
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) informiert über den erwarteten deutschen Gesetzentwurf zur Umsetzung der europäischen Nachhaltigkeitsrichtlinie (CSRD). INFO & ANMELDUNG

08.05.2024 – 10.00 Uhr / Versuchs- und Bildungszentrum Landwirtschaft Haus Düsse, Bad Sassendorf
Informationsveranstaltung des BMEL und der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen Modellställe für die Zukunft der Tierhaltung
Wie die Zukunft der Tierhaltung aussehen kann, darüber informiert das BMEL gemeinsam mit der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen beim Einblick in zwei zukunftsorientierte Modellställe. Die Parlamentarische Staatssekretärin im BMEL, Dr. Ophelia Nick, besucht dazu das Versuchs- und Bildungszentrum Landwirtschaft Haus Düsse. ANMELDUNG

15.05.2024 – 18:00 – 19:30 Uhr / online
Web-Seminar des BZL Alles eine Frage der Technik: Welche digitalen Möglichkeiten gibt es für den Ackerbaubetrieb?
Aus der Praxis für die Praxis: Im Web-Seminar erläutern zwei Betriebe des Netzwerks Leitbetriebe Pflanzenbau, wie sie in den digitalen Ackerbau gestartet sind. Lars Meinecke und Stefan Vogelsang stellen u. a. vor, welche digitalen Verfahren sie auf ihren Betrieben einsetzen und welche Vor- und Nachteile sie mit sich bringen. INFO & ANMELDUNG

15.05.024 – 14.00 – 15.00 Uhr / online
digital talk NEWMEAT: AltProtein-Etikette: “Clean Label” – der neue heilige Gral
Content is King – das gilt auch bei Lebensmitteln. Immer mehr Unternehmen im Bereich alternativer Proteine fokussieren sich darauf, ihre Rezeptur entlang einer möglichst kurzen Liste an Zusatzstoffen aufzubauen. Seien Sie dabei, wenn wir in die Untiefen der Inhaltsstoffe der neuen Produkte einsteigen und erörtern, was Zusatzstoffe mit dem Verarbeitungsgrad zu tun haben, ob es eine neue Klassifizierung von Lebensmitteln braucht und welche Bedeutung die Entwicklung für den Trend Convenience mit sich bringt. INFO & ANMELDUNG

16.05.2024 – 19.00 – 20.30 Uhr / online
Experimentierfelder Talk Vier Beispiele für den digitalen Weinbau von morgen
Ein Abend, ein Thema, viele Gäste aus Praxis und Forschung, zwei ModeratorInnen – in den Experimentierfelder Talks 2024 kommen Forscher und Landwirte ins Gespräch, tauschen Zahlen, Meinungen und Argumente aus, beleuchten unterschiedliche Aspekte eines Themas aus verschiedenen Perspektiven. Das Thema diesmal: Vier Beispiele für den Weinanbau von Morgen. INFO & ANMELDUNG

17.05.2024 – 9.30 Uhr / Berlin
Plenarsitzung Bundesrat
Die endgültige Tagesordnung liegt am Dienstag, den 7. Mai 2024 vor, etwaige Nachträge werden ergänzt. INFO

23.05.2024 – 11.00 – 16:30 Uhr / Kulturforum “Historisches U”, An der Kürassierkaserne 9, 17309 Pasewalk
Fachkonferenz Forschung.Digital Ländliche Räume in Zeiten der Digitalisierung | #FFD24
Unter dem Titel “Ländliche Räume in Zeiten der Digitalisierung” analysierten elf Forschungsprojekte aktuelle wirtschaftliche, gesellschaftliche und räumliche Veränderungen in Zusammenhang mit der Digitalisierung in den ländlichen Regionen Deutschlands. Im Anschluss wurde eine fachliche Auswertung der Fördermaßnahme vorgenommen. Die Ergebnisse möchten wir mit Ihnen in einer Fachkonferenz diskutieren. Eröffnet wird die Veranstaltung von Claudia Müller, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft. INFO & ANMELDUNG

24.05. -25.05.2024 / Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg
Jahrestagung der Jungen DLG 2024 Landwirtschaft 2040 – Herausforderungen und Chancen für eine nachhaltige Zukunft
Die Jahrestagung der Jungen DLG ist der zentrale Ort in Deutschland für Studierende, Berufseinsteiger und Young Professionals im Bereich Landwirtschaft und Agribusiness, um sich zu vernetzen, fortzubilden und miteinander Spaß zu haben. Dazu sind alle Interessierte (egal ob DLG-Mitglied, oder nicht) sehr herzlich eingeladen. INFO & ANMELDUNG

27.05.2024 / Brüssel
Tagung EU-Rat Rat für Landwirtschaft und Fischerei
Wichtigste Tagesordnungspunkte erscheinen eine Woche vor der Tagung. INFO

Must Reads

Euractiv: EU-Kommission verlängert Notfall-Beihilferegeln für Landwirte

Die EU-Kommission verlängert den Krisen- und Übergangsrahmen (Temporary Crisis and Transition Framework, TCTF) für Landwirte und Fischer um weitere sechs Monate bis Dezember 2024, um diese bei “anhaltenden” Marktstörungen zu unterstützen. Diese Verlängerung ermöglicht den Mitgliedstaaten, Unternehmen dieser Sektoren Beihilfen zu gewähren, ohne die bestehenden Obergrenzen zu ändern. Gleichzeitig prüft die Kommission eine mögliche Anhebung der Obergrenze für staatliche Beihilfen für Kleinbetriebe im Agrar- und Fischereisektor. Zum Artikel

Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt: Bürokratieabbau: Verzögert sich das Entlastungspaket der Ampel?

Die Zukunftskommission Landwirtschaft werde ihr Eckpunktepapier wohl erst im Juni vorlegen, berichtet das bayerische landwirtschaftliche Wochenblatt. Von ZKL-Mitgliedern sei zu hören, dass über zwei bis drei Punkte noch diskutiert werden müsse. Die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden von SPD, Grünen und FDP wollen den ZKL-Bericht im Juni sichten und bewerten. Zugleich arbeite man parallel weiter an Maßnahmen, um bis zum Sommer ein Maßnahmenpaket umzusetzen. Zum Artikel

AGRA Europe: Die Woche in Berlin: Bauernpartei CDU

Die CDU bekräftigt auf ihrem 36. Bundesparteitag in Berlin ihren Führungsanspruch in der Agrarpolitik. Im Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm treten die Konservativen auf die Reformbremse, sprechen sich für eine starke ökonomische Säule aus. Wie die Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung erfolgen soll, wolle die Partei rechtzeitig vor der Wahl klären, sagte Bundesvorstandsmitglied Sven Schulze. Die Partei wolle das Landwirtschaftsministerium nach der Bundestagswahl 2025 übernehmen, so der Landwirtschaftsminister Sachsen-Anhalts weiter. Zum Artikel

EPA-Studie: Enabling free movement but restricting domestic policy space? The price of mutual recognition

Der freie Warenverkehr in der EU, welcher durch gegenseitige Anerkennung gewährleistet wird, führe zwar zu wirtschaftlichen Vorteilen. Aber er schränke die Möglichkeit der EU-Mitgliedstaaten ein, auf gesellschaftliche Bedenken einzugehen, so das Ergebnis einer EPA-Studie. Am Beispiel des Nutztierschutzes in Deutschland wird verdeutlicht, wie der innereuropäische Wettbewerb politische Entscheidungsträger daran gehindert hat, strengere Rechtsvorschriften zu erlassen. Dies unterstreiche die hemmende Wirkung des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung auf die Politik der EU-Mitgliedstaaten. Für das Verständnis und den Umgang mit regulatorischer Vielfalt in integrierten Märkten sei dieses Wissen wichtig. Zur Studie

Bloomberg: Cocoa Farmers Earn More in KitKat Program, But Fall Far Short of Living Income

Nestlé SA weitet ein Programm aus, welches nach Angaben des Konzernes das Einkommen afrikanischer Bauern steigert, die Kakao für Kitkat-Riegel liefern. 11.000 teilnehmende Farmen in Ghana erhalten einen Bonus von bis zu 500 Euro, wenn sie nachweisen, dass sie qualitativen Baumschnitt durchführen und ihre Kinder zur Schule schicken. Der Lohn für die Erzeuger bleibt dennoch weit hinter einem existenzsichernden Einkommen zurück. Die Bauern haben wegen geringer Löhne Schwierigkeiten, in ihre Plantagen zu investieren und mit Herausforderungen wie Wetterextremen und Pflanzenkrankheiten fertig zu werden. Zum Artikel

AGRA Europe: Studie klimafreundliche Verpackung: Mehrweg schnell im Hintertreffen

Mehrwegverpackungen für Lebensmittel sind laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts nicht immer umweltfreundlicher als Einzelverpackungen, besonders, wenn Lebensmittelverluste berücksichtigt werden. Bei der Untersuchung von Kaffeesahne-Verpackungen in der Gastronomie wurde festgestellt, dass Mehrwegsysteme zwar weniger Treibhausgase verursachen, jedoch das Wegwerfen unverbrauchter Sahne aus Hygienegründen dazu führen kann, dass Einzelverpackungen aus Umweltsicht vorteilhafter sind. Die Studie verglich auch traditionelle Einwegverpackungen aus Polystyrol und Aluminium mit alternativen Materialien wie recycelbarem Polystyrol und Polypropylen. Zum Artikel

Destatis Studie: Trend zu Fleischersatz ungebrochen: Produktion steigt 2023 um 16,6 % gegenüber dem Vorjahr

Die Produktion von vegetarischen und veganen Fleischersatzprodukten in Deutschland stieg im Jahr 2023 um 16,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und hat sich im 5-Jahres-Vergleich seit 2019 mehr als verdoppelt. Trotz dieses Anstiegs bleibt der Wert im Vergleich zu Fleischprodukten relativ gering. Im Vergleich: Der Wert von Fleischprodukten macht fast das 80-Fache des Wertes von Fleischersatzprodukten aus. Dennoch geht der Fleischkonsum in Deutschland weiter zurück, mit einem Rückgang um knapp zwölf Prozent seit 2019 auf durchschnittlich 51,6 Kilogramm pro Kopf im Jahr 2023. Zur Studie

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Anna Cavazzini – “Den EU Green Deal ambitioniert umsetzen”

Porträtfoto von Anna Cavazzini.
Anna Cavazzini (Grüne/EFA) ist Vorsitzende des Binnenmarktausschusses und Vizepräsidentin der Brasilien-Delegation im EU-Parlament.

Anna Cavazzini klettert leidenschaftlich gern. Seit sie 2019 ins Europäische Parlament gewählt wurde, sagt sie, habe sich ihr Niveau verschlechtert. Nur noch zwei- oder dreimal im Monat schafft sie es in die Kletterhalle. Im Parlament ist sie dafür weit nach oben geklettert: 2020 übernahm sie den Vorsitz im Binnenmarktausschuss (IMCO), der für harmonisierte Produktstandards, das Zollwesen und für Verbraucherschutz zuständig ist. Dass sie bei den Europawahlen im Juni wiedergewählt wird, ist so gut wie sicher: Sie kandidiert auf dem 3. Listenplatz von Bündnis 90/Die Grünen.

Cavazzini wurde 1982 in Hessen geboren, studierte European Studies in Chemnitz und Internationale Beziehungen in Berlin. Von 2009 bis 2014 arbeitete sie bereits im EU-Parlament, damals als wissenschaftliche Mitarbeiterin von Ska Keller. Anschließend war sie im Auswärtigen Amt, für die UNO-Generalversammlung, für die Kampagnen-Plattform Campact und für Brot für die Welt tätig, stets mit Fokus auf gerechten Handel, Menschenrechte und Nachhaltigkeit.

Schattenberichterstatterin für das EU-Lieferkettengesetz

In der endenden Legislaturperiode hat Cavazzini als Ausschussvorsitzende und Schattenberichterstatterin diverse Gesetze mitverhandelt: etwa das EU-Lieferkettengesetz (CSDDD), das Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit sowie die Recht auf Reparatur-Richtlinie. Besonders im Bereich der Kreislaufwirtschaft habe die EU in den vergangenen fünf Jahren Meilensteine erreicht, sagt die 41-Jährige. Dazu gehörten auch das einheitliche Ladekabel, die Ökodesign-Verordnung und die Verpackungsverordnung.

Trotzdem spricht sie sich gegen den von den Konservativen und Liberalen geforderten “Regulierungsstopp” aus. “Wir als EU sind weiterhin nicht auf dem 1,5 Grad-Pfad und weiterhin einer der weltweit größten Produzenten von Elektroschrott“, erklärt sie. Deshalb gelte es in der kommenden Legislatur, Lücken ausfindig zu machen. Die sieht sie vor allem bei den Importen: “Die Marktüberwachung und der Zoll kommen nicht hinterher zu überwachen, dass Produkte, die nicht unseren Standards entsprechen, nicht hier auf dem EU-Binnenmarkt landen.”

Die Europäische Zollreform soll diese Schlupflöcher schließen, indem die Zollbehörden gestärkt werden. Das Vorhaben konnte leider nicht mehr vor den Wahlen abgeschlossen werden, sagt Cavazzini. Im Gegensatz zum Parlament habe der Rat sein Verhandlungsmandat noch nicht angenommen.

“In Zukunft noch mehr mit Partnerländern sprechen”

Zum 30-jährigen Bestehen des EU-Binnenmarktes zog Cavazzini im vergangenen Jahr im Gespräch mit Table.Briefings Bilanz: “Grundsätzlich ist der Binnenmarkt ein riesiger Erfolg und ein Motor der Integration”, sagt sie. Er habe dazu geführt, dass viele Hürden abgebaut und immer mehr einheitliche Produktstandards geschaffen wurden. Der starke Fokus auf den Abbau dieser Hürden habe den Diskurs über den Binnenmarkt allerdings sehr einseitig gemacht. “Wir müssen da noch einen Schritt weiter gehen”, sagt Cavazzini. Die Harmonisierung dürfe nicht auf Kosten lokaler Gemeinschaften geschehen, sondern müsse Menschenrechts- und Umweltstandards gewährleisten.

Als Vizepräsidentin der Brasilien-Delegation des Parlaments reiste Cavazzini in diesem Mandat mehrmals nach Südamerika. Sie besuchte unter anderem indigene Gemeinschaften im Amazonas-Gebiet, welche die voranschreitende Zerstörung ihres Lebensraums selbst als Genozid bezeichneten. Grundsätzlich setzt Cavazzini Hoffnung in Präsident Lulas Engagement für Umwelt und Waldschutz. Schließlich stehe er in der Schuld der indigenen Gemeinschaften, die seine Wahlkampagne massiv unterstützt hätten. “Da bewegt sich einiges, aber ich glaube, es braucht viel internationalen Druck, damit im Bereich Waldschutz auch wirklich etwas passiert.” 

Das EU-Gesetz für entwaldungsfreie Lieferketten, das bis Ende des Jahres von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden muss, steht allerdings zurzeit in der Kritik. Mehrere Mitgliedstaaten hatten zuletzt eine Verschiebung der Frist gefordert. Die Kommission hänge bei der Implementierung hinterher, erklärt Cavazzini, unter anderem habe sie noch kein Länder-Benchmarking veröffentlicht. Eine solche Anfangsphase sei jedoch leider normal. Das Argument von Drittländern, die EU wolle mit dem Gesetz ihren eigenen Markt schützen, weise sie komplett zurück: “Es geht hier um Verantwortung für unsere Lieferketten.” Die Debatte zeige aber: Die EU müsse in Zukunft während der Gesetzgebung noch mehr mit ihren Partnerländern sprechen. “Wir dürfen sie nicht vor den Kopf stoßen.”

Beim Bouldern über Europa diskutieren

In ihrem Wahlkreis in Sachsen verbindet Cavazzini manchmal das Klettern mit politischen Veranstaltungen, lädt etwa in Leipzig zum Europa-Gespräch beim Bouldern oder macht in der Sächsischen Schweiz auf das hiesige Waldsterben aufmerksam. Wenn sie sich mit den Menschen unterhält, sei Brüssel noch immer sehr weit weg, erzählt sie. “Aber die ganz konkreten Dinge werden wahrgenommen und kommen sehr gut an.”

In Sachsen hat das grün geführte Europaministerium zudem ein eigenes Interrail-Angebot geschaffen, damit junge Menschen Europa entdecken können. Eine weltoffene, proeuropäische Haltung müsse hier noch gestärkt werden, dafür brauche es viel und gute Kommunikation. Doch durch die Coronapandemie und den Krieg in der Ukraine hätten viele gemerkt: “Mit Europa sind wir stärker und können gemeinsam besser auf die Krisen reagieren.”

Die zentrale Forderung der Grünen im Wahlkampf wird allerdings die ambitionierte Umsetzung des Green Deal sein. Der Konsens über das Projekt bröckelt: “Es kann sehr gut sein, dass der Green Deal jetzt beerdigt wird“, befürchtet Cavazzini. Nachdem die EVP das Projekt in den ersten zwei oder drei Jahren mitgetragen und lediglich über Nuancen gestritten habe, sei sie zum Ende des Mandats in den “Anti-Green-Deal-Chor” von Mitte-rechts eingestiegen. Leonie Düngefeld

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Agrifood.Table Redaktion

AGRIFOOD.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    vom 6. bis 9. Juni wird ein neues EU-Parlament gewählt. Anlass, um einen Blick darauf zu werfen, welche Themen in der EU-Agrar- und Ernährungspolitik in der kommenden Legislaturperiode eine Rolle spielen werden. Einige unvollendete und nicht eingelöste Vorhaben, aber auch neue Initiativen stehen auf der Agenda, wie unsere Brüsseler Korrespondentin Julia Dahm berichtet. Mit diesem umfangreichen Überblick starten wir im heutigen Briefing unsere EU-Wahlserie, exklusiv zu den Themen und Dossiers, die für den Agrar- und Ernährungssektor nach den EU-Wahlen relevant sein werden.

    Auf Bundesebene bleibt in den kommenden Wochen die nationale Umsetzung der GAP-Lockerungen interessant. Die einzelnen EU-Mitgliedstaaten haben gewissen Spielraum. Beim Fruchtwechsel (GLÖZ 7) können sie beispielsweise entscheiden, die Vorgabe durch Nutzpflanzenvielfalt zu ersetzen. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) will am Fruchtwechsel festhalten, betonte er während des Treffens der EU-Agrarminister vor einer Woche. Der EVP-Politiker und Vorsitzende des EU-Agrarausschusses Norbert Lins hingegen fordert, “alle Spielräume” zu nutzen.

    Möglich, dass Özdemir und Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) versuchen werden, ihre Zustimmung zur Lockerung von GLÖZ 7 an mehr Biodiversität und mehr Geld für die Öko-Regelungen zu knüpfen. An diesem Ziel waren sie allerdings bereits bei der “GLÖZ 8”-Debatte gescheitert.

    Wir wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre!

    Ihre
    Henrike Schirmacher
    Bild von Henrike  Schirmacher

    Analyse

    EU-Wahl: Was bei Agrifood in der neuen Legislaturperiode zu erwarten ist

    Anfang Juni wird ein neues EU-Parlament gewählt, auch das Kollegium der Europäischen Kommission wird dann neu besetzt. Wie die scheidende Kommission es mit dem Green Deal als übergreifendem Konzept tat, wird dann das neue (oder wiedergewählte) Personal eigene Akzente setzen. Allgemeine Trends lassen sich schon absehen: Umwelt- und Klimaschutz dürften erst einmal weniger im Fokus stehen als nach der letzten Wahl 2019. Fuhren damals grüne Parteien Rekordgewinne ein, prägen heute Bauernproteste und ein projiziertes Erstarken des Mitte-rechten bis rechten Flügels das Bild.

    Vor allem, wenn Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin wiedergewählt wird, dürfte sich die neue Kommission in ihrer Arbeit auch auf den Abschlussbericht des Strategiedialogs Landwirtschaft berufen, der für den Spätsommer erwartet wird, und die Entlastungspläne für Bauern weiter verfolgen. Auch wenn darüber hinaus vieles vom Wahlausgang, der Verteilung und dem Zuschnitt von Posten abhängt: Anhaltspunkte dafür, was nach der Wahl auf der Agenda steht, gibt es bereits.

    Offen geblieben auf der To-do-Liste

    Anhaltspunkt 1: Nicht eingelöste Vorhaben aus dieser Legislaturperiode. Davon gibt es einige. Vor allem beim Green Deal wurde in kaum einem Politikfeld so wenig umgesetzt wie in Landwirtschaft und Ernährung. Dass Dossiers, die schon der scheidenden Kommission zu heikel waren, nach der Wahl doch noch eins zu eins umgesetzt werden, ist eher unwahrscheinlich. Aber: Teils wurde viel Vorarbeit geleistet. Auch, wenn sich politische Prioritäten verschieben, könnte die neue Kommission Versatzstücke wieder aufgreifen, zumal betroffene Verbände weiter Handlungsbedarf anmahnen.

    • Lebensmittel-Etikettierung: Eigentlich sollte es neue, EU-weite Regeln geben. Das Thema sei komplex, die Arbeit noch nicht abgeschlossen, hieß es zuletzt aus der Kommission. Abgeschreckt wird letztere wohl vor allem von der hochemotionalen Debatte um eine europaweite Einführung des Nutri-Scores. Auch das deutsche Herzensthema Herkunftskennzeichnung sollte hier adressiert werden und blieb ungelöst.
    • Tierschutzpaket: Der EU-Tierschutzrahmen gilt als veraltet, die Kommission wollte ihn umfassend reformieren. Obwohl das komplexe Paket dem Vernehmen nach weitestgehend ausgearbeitet war, kam nur ein Vorschlag zu Tiertransporten (siehe unten). Haltung, Schlachtung und Tierwohllabel sparte man aus, wohl zu heikel vor der anstehenden Wahl.
    • Gesetz zu nachhaltigen Lebensmittelsystemen (SFS): Dieses hatte die Kommission ursprünglich für den Herbst 2023 als ein “Flaggschiff” der Farm-to-Fork-Strategie angekündigt, legte es aber nie vor. Neben dem Labeling-Gesetz war es als eines der Projekte für die “Fork-Seite” geplant. Doch es blieb schwer fassbar. Standen Anfang 2023 noch ein freiwilliges Nachhaltigkeitslabel und Maßnahmen zur öffentlichen Beschaffung im Raum, war später mehr von Ernährungssicherheit die Rede.

    Sonderfall:

    • Pestizidverordnung (SUR): Die umstrittene Verordnung war schon auf den Weg gebracht, die Kommission zog sie aber Anfang des Jahres zurück, nachdem zuvor auch das Parlament den Prozess blockiert hatte. Von der Leyen ließ damals wissen: Das Ziel der Pestizidreduktion bleibe bestehen, man wolle möglicherweise einen neuen Anlauf starten – mit einem weniger polarisierenden Vorschlag.

    Unvollendete Projekte

    Anhaltspunkt 2: Laufende Gesetzgebungsverfahren. Diese gehen nach der Wahl weiter – vorausgesetzt, das neu besetzte EU-Parlament und die Kommission stimmen dem zu.

    • Neue Züchtungstechniken (NGTs): Das Parlament hat seine Position festgezurrt, doch im Ministerrat ist das Thema festgefahren. Gelingt der belgischen Ratspräsidentschaft nicht doch noch bis Ende Juni der Durchbruch, dürfte sich die weitere Arbeit deutlich verzögern. Sieht die Kommission die Situation als zu vertrackt, hätte sie theoretisch auch die Möglichkeit, den Vorschlag nach der Wahl zurückzuziehen und neu vorzulegen – zum Beispiel mit mehr Klarheit zum Thema Patente. Dann gingen allerdings die Fortschritte im Parlament verloren.
    • Tiertransporte: Darauf, dass die Kommission in Sachen Tierschutz wenigstens noch die Reform der Regeln zu Lebendtransporten vorlegt, hatten laut gut informierten Kreisen vor allem die Grünen hingewirkt. Der Vorschlag kam dann aber so spät, dass er kaum mehr rechtzeitig verabschiedet werden konnte. Auf Parlament und Ministerrat kommt das Thema nach der Wahl wieder zu. Eilig hatten beide Institutionen es bisher nicht.
    • Saatgutverordnung: Das Parlament hat seine Verhandlungsposition angenommen, die EU-Agrarminister haben die Arbeit aber noch nicht begonnen. Das Gesetzgebungsverfahren dürfte nach der Wahl weiter seinen Lauf nehmen.
    • Green Claims: Das Verhandlungsmandat des Parlaments steht, eine Einigung der Mitgliedstaaten soll bald folgen. Nach der Wahl könnten dann die Trilogverhandlungen aufgenommen werden.
    • Reduktion von Lebensmittelabfällen: Auch hier haben die EU-Abgeordneten ihr Verhandlungsmandat angenommen, die 27 Minister noch nicht.

    Sonderfälle:

    • Renaturierungsgesetz (NRL): Das umstrittene Gesetz stand kurz vor der Ziellinie, steckt nun aber im Ministerrat fest. Die ausstehende Ratsabstimmung ist der letzte Schritt zur Verabschiedung. Die wäre also theoretisch noch vor der Wahl möglich. Momentan zeichnet sich aber keine Mehrheit ab, auch wenn sich von der Leyen in einem Brief, den die Kollegen von Contexte veröffentlicht haben, zuletzt für das Gesetz starkmacht.
    • Entwaldungsfreie Lieferketten: Die Verordnung wurde schon im letzten Jahr verabschiedet, aktuell gibt es aber – auch aus der Bundesregierung – Druck, das Inkrafttreten der neuen Regeln zu verschieben. Die neue Kommission steht vor der Entscheidung, ob sie sich dem beugt, oder durch zusätzliche Vorkehrungen die Gemüter beruhigt.

    Anstehende Aufgaben

    Eine Reihe neuer Aufgaben kommt nach der Wahl auf die EU-Institutionen zu.

    • GAP-Reform: Erste Vorschläge der EU-Kommission für die GAP nach 2027 werden fürs kommende Jahr erwartet. Ein schwieriger Spagat: Einerseits besteht hoher Reformdruck, um die GAP weiter an die Klima- und Biodiversitätskrise anzupassen und fit für den Beitrittsprozess der Ukraine zu machen. Andererseits dürfte der Appetit auf drastische Umbrüche nach den Bauernprotesten erst einmal gedämpft sein.
    • Ukraine: Auch darüber hinaus bleibt die Ukraine Thema. Nach dem Hin und Her um die Verlängerung der Handelserleichterungen will die Kommission ein längerfristiges Abkommen mit Kiew aushandeln. Sowohl die Unterstützung der Ukraine als auch die Entlastung der Landwirtschaft dürften für die neue Kommission wichtig bleiben. Sie muss darüber nachdenken, wie sie beides in Einklang bringt.
    • Marktmacht der Bauern: Die will die Kommission im Nachgang der Bauernproteste stärken. Schon im Herbst will sie ein Gesetz vorlegen, um unfaire Handelspraktiken (UTP) grenzüberschreitend besser zu ahnden. Das dürfte noch das jetzige Personal vorbereiten, die neue Besetzung es dann vorlegen. 2025 ist eine Bewertung der UTP-Richtlinie angesetzt, wenn nötig, soll eine Reform folgen.
    • Weitere Entlastungen: Auf dem Zettel der Kommission ist in Sachen Entlastungen für Bauern auch eine Analyse zur Bürokratielast im Herbst dieses Jahres.
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    Neuartige Lebensmittel: Warum der EU-Zulassungsprozess Start-ups abschreckt

    Vergangenen Sommer hatte das Hamburger Food-Tech-Start-up BLUU Seafood gute Neuigkeiten zu vermelden: Für Fischstäbchen und -bällchen aus Zellkulturen gehe man die Marktzulassung an. Der Haken: Zulassungsanträge stellte das deutsche Unternehmen erst einmal in den USA und Singapur, die EU soll erst später folgen.

    Ähnliche Fälle gibt es immer wieder. Während andere Weltregionen bei der Zulassung von Zellfleisch und Co. “voranschreiten, stellen europäische Firmen Anträge außerhalb Europas“, heißt es in einem Bericht des Thinktanks EIT Food von 2023, der auf einer Umfrage unter Herstellern alternativer Proteine fußt. Die USA und Singapur haben Produkte aus zellbasiertem Fleisch zugelassen, bei der EU ist bisher kein Antrag eingegangen, wie die Europäische Kommission bestätigt.

    EU-Regeln unter den strengsten der Welt

    Der Zulassungsprozess für den europäischen Markt ist in der EU-Novel-Foods-Verordnung geregelt und gilt als besonders streng. Produkte, die vor Mai 1997 noch nicht als Lebensmittel auf dem europäischen Markt angeboten wurden, fallen darunter. Weil der Gesundheitsschutz Priorität habe, habe die EU “Vorschriften zur Lebensmittelsicherheit, die zu den strengsten der Welt gehören”, betont eine Sprecherin der Kommission.

    Schrecken also strenge Standards Unternehmen ab? So einfach sei es nicht, meint Ivo Rzegotta vom Good Food Institute, das sich für die Verbreitung alternativer Proteinquellen einsetzt. Grundsätzlich stehe ein Großteil der Unternehmen hinter der Verordnung. Das Problem liege eher in der praktischen Umsetzung, betont auch EIT Food.

    Verzögerungen und Unsicherheit im Zulassungsprozess

    Die sieht so aus: In einer ersten Phase prüft die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die Unterlagen zur Produktsicherheit und bewertet das Risiko, das von dem neuartigen Lebensmittel ausgeht. Basierend darauf entscheiden im zweiten Schritt EU-Kommission und Mitgliedstaaten über die Zulassung. In beiden Phasen monieren Unternehmen laut der EIT-Umfrage Verzögerungen und Unsicherheitsfaktoren.

    Kritikpunkt 1: Die EFSA-Prüfung sei zu langwierig und schwer zu navigieren. Zwar hat die Behörde ein Zeitlimit von neun Monaten, der Countdown wird aber angehalten, wenn Unterlagen nachgefordert werden. “Es gibt Ineffizienzen im Prozess, den man beschleunigen könnte, ohne Sicherheitsstandards zu senken”, meint Rzegotta. Das betreffe zum Beispiel die Gestaltung von Rückfragen an Unternehmen und die Bearbeitung nachgereichter Dokumente.

    EFSA will Unternehmen besser beraten

    Zudem mangle es Unternehmen vorab an Beratungsmöglichkeiten dazu, welche teils aufwändigen Tests die EFSA erwarte, kritisieren die von EIT befragten Unternehmen. EU-Kommission und EFSA betonen auf Anfrage: Hieran arbeite man bereits. Zum Beispiel durch einen detaillierteren Leitfaden, den die EFSA in Kürze vorlegen will. Zudem organisiere die Behörde Treffen und Informationsveranstaltungen, bemühe sich um Effizienz und darum, Erwartungen im Voraus klar zu kommunizieren, sagt Wolfgang Gelbmann, Senior Scientific Officer bei EFSA. “EFSA hat das Problem erkannt und arbeitet daran”, meint auch Rzegotta.

    Schwerer zu lösen scheint Kritikpunkt 2. Dabei geht es um die zweite Phase, in der Kommission und EU-Länder als “Risk Manager” das Risiko abwägen müssen. Für die Marktzulassung braucht es eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten. Das gibt einer relativ kleinen Gruppe die Möglichkeit, Zulassungen zu blockieren – bei polarisierenden Themen wie Zellfleisch ein echtes Risiko, meint Rzegotta.

    Novel Foods sind politisch heikel

    Zudem gibt es hier kein Zeitlimit. Selbst ohne die nötige sogenannte Blockademinderheit könnten einzelne Länder den Prozess verzögern. “Das bringt zusätzliche Unsicherheit, die Unternehmen abschreckt“, erklärt er. EIT Foods fordert: Im Zulassungsverfahren “müssen der Verbraucherschutz und die Lebensmittelsicherheit Vorrang vor allen anderen Erwägungen haben”. Eine Politisierung gelte es zu vermeiden.

    Wie politisch heikel neuartige Lebensmittel sein können, zeigen aktuelle Beispiele: Im November verbot die italienische Regierung öffentlichkeitswirksam Laborfleisch – obwohl das Verbot gegen europäisches Recht verstoßen dürfte. Im Januar forderte das Land mit Frankreich und Österreich strengere Regeln für die Zulassung. Und auch andere Novel Foods sorgen für Furore: Nachdem die EU 2023 mehrere Zutaten aus Insekten zugelassen hatte, verbreiteten sich online Verschwörungstheorien, die auch von Politikern in EU-Ländern angeheizt wurden.

    Große Konzerne haben bessere Karten

    Während der gesamte Prozess im besten Fall auf 18 Monate ausgelegt sei, zeige die Erfahrung, dass bis zur Zulassung selbst bei “weniger kontroversen Lebensmitteln” zwei bis drei Jahre, teils auch mehr, vergehen können, so Rzegotta. Ein Problem vor allem für Start-ups. Denn diese “nutzen meist Venture-Capital und müssen ihren Investoren eine Perspektive bieten – das ist bei einem solch langen Prozess mit viel Unsicherheit schwierig.”

    Dazu passt, dass das einzige Zellfleisch-Unternehmen, das bisher mitgeteilt hat, einen Antrag in der EU vorzubereiten, kein Start-up ist: The Cultivated B startete im vergangenen Jahr Vorabkonsultationen mit EFSA. Der Zulassungsantrag liegt noch nicht vor, könnte aber in diesem Jahr folgen. Das Unternehmen ist eine Tochter des Lebensmittelkonzerns Infamily Foods, der seine Produktpalette von Fleischprodukten zuletzt auch auf pflanzliche Ersatzprodukte erweiterte.

    Große Konzerne hätten eher den nötigen langen Atem für den EU-Zulassungsprozess, meint Rzegotta. Die gute Nachricht: Den aufzubringen, könnte sich lohnen: “Es gibt Unternehmen, die sagen: Wir melden unser Produkt bewusst in der EU an, weil das der Goldstandard für den Rest der Welt ist”, sagt Rzegotta. Das betont auch die EU-Kommission: Die Novel-Foods-Verordnung sei “Marktöffner für die Ausfuhr in viele Drittländer.”

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    Entwaldungsverordnung: Was eine Gruppe von Mitgliedsstaaten jetzt von der EU-Kommission fordert

    Mit einem Ministerschreiben an EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius haben Deutschland und weitere Mitgliedstaaten ihrer Forderung Nachdruck verliehen, notwendige Grundlagen für das Inkrafttreten der EU-Entwaldungsverordnung zu schaffen. Hintergrund für die deutsche Initiative sind Verzögerungen der EU-Kommission beim digitalen Informationssystem und dem sogenannten Länder-Benchmarking – einer Liste, die jedem Land eine bestimmte Risikostufe für Entwaldung zuweist. Beides verstehen sowohl Deutschland als auch die Mitunterzeichner des Briefes – Bulgarien, Estland, Irland, Luxemburg, die Niederlande, Slowenien, Spanien und Ungarn – als zentrale Voraussetzungen für die Umsetzung der Verordnung.

    Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir appelliert deshalb an die EU-Kommission, Tempo bei diesen Themen zu machen. “Ohne ihr Länder-Benchmarking droht ab 2025 unverhältnismäßig hohe Bürokratie für Klein- und Kleinstwaldbesitzer und unsere Verwaltung. Das müssen wir verhindern”, fordert Özdemir. Denn: Ohne Benchmarking werden alle Länder automatisch als Standardrisiko eingestuft – so auch Deutschland. Für Özdemir steht deshalb fest: “Wenn die Kommission das nicht auf die Kette bekommt, dann braucht es hier eine Verschiebung, damit die Kommission ihren Job macht.”

    EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski im Zweifel für Verschiebung

    Die EU-Kommission lässt sich derweil nicht in die Karten blicken, wie weit ihre Arbeit bei der Entwicklung des Benchmarkings vorangeschritten ist. Für eine Verschiebung des Inkrafttretens der Verordnung um ein Jahr hatte sich vergangene Woche aber auch EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski beim EU-Agrarrat ausgesprochen. Anders als Umweltkommissar Sinkevičius zeichnet er jedoch nicht direkt verantwortlich für die Entwaldungsverordnung. Bislang hatte die Kommission einen Aufschub der Verordnung ausgeschlossen. Auf den Brief Deutschlands und der anderen Mitgliedsstaaten aber wolle man zeitnah antworten, so ein Kommissionssprecher.

    Mit einer längerfristigen Verschiebung der Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten, wie von Österreich jüngst mit Blick auf den damit zusammenhängenden Bürokratieaufwand gefordert, ist hierbei aber kaum zu rechnen. In einer Antwort von Umweltkommissar Sinkevičius auf die Anfrage eines österreichischen Abgeordneten heißt es, die Entwaldungsverordnung falle nicht in den Bereich, für den die Kommission kurzfristige Bürokratieerleichterungen angekündigt habe. heu

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    EU-Neuseeland: Warum der neu in Kraft getretene Deal als Vorbild gilt

    Seit dem 1. Mai ist das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Neuseeland in Kraft. Es ist selbst im europäischen Agrarsektor deutlich weniger umstritten als viele andere. Lob gab es nach der Unterzeichnung im vergangenen Jahr vor allem für das beispiellose Nachhaltigkeitskapitel, darunter auch Vereinbarungen zu nachhaltigen Lebensmittelsystemen. Dieses umgeht die heikle Debatte zu Spiegelklauseln – also die Anwendung heimischer Standards auf Importe -, indem es stattdessen auf das Konzept der Gleichwertigkeit setzt.

    Beide Seiten verpflichten sich auf ein gewisses Ambitionsniveau in Sachen Nachhaltigkeit, können dieses aber durch ihre jeweils eigenen Standards und Gesetze erreichen. Das hat den Vorteil, dass Nachhaltigkeitsstandards nicht durch Importprodukte unterlaufen werden. Gleichzeitig fühlt sich keiner der beiden Handelspartner bevormundet, weil er Regeln des anderen umsetzen muss. Möglich wurde das, weil Brüssel und Wellington in Sachen Umwelt- und Klimaschutz ohnehin auf einer ähnlichen Wellenlänge sind. Inwiefern der Ansatz auf Verhandlungen mit anderen Ländern übertragbar ist, muss sich erst noch zeigen.

    Schutzklauseln für sensible Agrarprodukte

    Zufrieden zeigte sich der EU-Bauerndachverband Copa Cogeca nach der Unterzeichnung des Abkommens zwar nicht, die Kritik fiel aber deutlich milder aus als beispielsweise beim geplanten EU-Mercosur-Abkommen. Als Erfolg verbuchen kann die hiesige Landwirtschaft, dass bei sensiblen Agrarprodukten wie Rind- und Lammfleisch nur kleine Mengen zollfrei aus Neuseeland importiert werden können. Diese Schutzmaßnahmen gehen dem Verband aber nicht weit genug.

    Wellington hat sich auch verpflichtet, die in der EU geschützten Herkunftsangaben anzuerkennen. Hiesige Landwirte profitieren zudem “von der Abschaffung der Zölle auf wichtige EU-Exportgüter wie Schweinefleisch, Wein und Sekt, Schokolade, Süßwaren und Kekse”, argumentiert die Europäische Kommission. jd

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    Frankreich: Agrarpolitik bekommt ein neues Gesicht

    Der Kampf um die Wahlliste bei den französischen Konservativen Les Républicains (LR) war erbittert, am Dienstag wurde sie in Paris vorgestellt. Mit Umfragen, die sie bei sechs Prozent der Stimmen sehen, können die von François-Xavier Bellamy angeführten französischen Konservativen nur auf eine sehr begrenzte Anzahl von Abgeordneten im nächsten Europäischen Parlament hoffen und zwischen sechs und acht Sitze erreichen.

    Die Europaabgeordnete und erste Quästorin des Europäischen Parlaments Anne Sander belegt den zehnten Platz. Die Straßburgerin, die sich auf landwirtschaftliche Fragen spezialisiert hat und selbst aus einer Familie mit Bezug zum Agrarsektor stammt, hatte sich durch ihren erbitterten Widerstand gegen den Gesetzentwurf zur Wiederherstellung der Natur an der Seite der niederländischen Europaabgeordneten Esther de Lange und der deutschen Europaabgeordneten Christine Schneider (CDU) hervorgetan.

    Die 41-jährige Getreidezüchterin Céline Imart, die auf dem zweiten Platz kandidiert, dürfte sich dann für die französischen Konservativen im Europäischen Parlament um landwirtschaftliche Fragen kümmern. Sie ist Mitglied der Fédération nationale des syndicats d’exploitants agricoles (FNSEA) und Sprecherin von Intercéréales. Imart hat einen atypischen Werdegang: Sie ist Absolventin des renommierten Sciences Po und der ESSEC Business School. Bevor sie 2010 den Familienbetrieb übernahm, war sie Finanzdirektorin einer Tochtergesellschaft des Konzerns von Vincent Bolloré in Chile und arbeitete für die Beratungsfirma PwC.

    Laut französischen Medienberichten war es Eric Ciotti, der Vorsitzende der Partei Les Républicains, der sich für Céline Imart entschieden hat. Er bezeichnet sie als “das Gesicht der Zukunft unserer ländlichen Regionen, die von den derzeitigen Machthabern verachtet und vergessen werden”. Als Neuling in der Politik hat sie sich in Frankreich bereits durch ihre Medienauftritte einen Namen gemacht. So kritisierte Imart beispielsweise Präsident Emmanuel Macron und warf ihm vor, die Krise in der Landwirtschaft “wie einen Streik bei der SNCF” zu handhaben.

    Nadine Morano und Brice Hortefeux, zwei ehemalige Minister des ehemaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy, stehen auf den eher sicheren Plätzen sechs und sieben. Diese Nominierungen könnten bei einigen Mitgliedern für Überraschung gesorgt haben, da die Stimmen innerhalb der Partei für eine Erneuerung der politischen Persönlichkeiten in den letzten Wochen immer lauter geworden waren. cst

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    Plastikabkommen: Welche Punkte nach den Verhandlungen in Ottawa ungeklärt sind

    Nach der vierten Verhandlungsrunde für ein UN-Plastikabkommen im kanadischen Ottawa ist weiterhin strittig, wie weitreichend das Abkommen sein soll – also ob es spezifische Verpflichtungen für alle Staaten oder grundsätzliche Ziele geben wird. Auch kontrovers diskutiert wurden Regelungen für den Anfang des Lebenszyklus, wie Verbote bestimmter Plastikprodukte oder Reduktionsziele für die Produktion von Primärplastik.

    Viele aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft, die einen ambitionierten Vertrag fordern, zeigen sich nach dem vorerst vorletzten Treffen daher ernüchtert. Dass ein Mandat für Zwischen-Verhandlungen bis zur nächsten Runde vereinbart wurde, werten Beobachter allerdings als Erfolg – bei der vorherigen Runde in Nairobi war das nicht gelungen. “Es gibt noch viele umstrittene und teils hochpolitische Schlüsselthemen, bei denen die Staaten sich dringend weiter annähern müssen”, kommentiert Florian Titze, Senior Policy Advisor beim WWF Deutschland, die Einigung auf die sogenannte “intersessional work”.

    Für diese Verhandlungen vereinbarten die Staaten nach langem Ringen, dass es bis zur Runde in Busan, Südkorea, um die Möglichkeiten zur Umsetzung, schädliche Chemikalien und das Design von Produkten gehen soll. Streitthemen wie Reichweite oder Primärplastikprodukt sind nicht Teil des Mandats. Das Center for International Environmental Law (CIEL) befürchtet daher, dass ein Abschluss des Abkommens bis Jahresende unrealistisch ist.

    Kritik äußert die Umwelt-Organisation an dem aus ihrer Sicht erheblichen Einfluss der Chemie- und Fossilbranche. Fast 200 Vertreter seien für die Verhandlungen registriert gewesen bei insgesamt 2.500 Teilnehmern – was aus Sicht von Beobachtern erklärt, warum sich die Diskussionen vor allem um Bestimmungen fürs Recycling drehen. Doch auch Industriestaaten stehen in der Kritik, weil sie ihre ambitionierten Ziele nicht gegen Widerstände verteidigt hätten, heißt es von CIEL. nh

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    Studie: Klimawandel könnte Möglichkeiten für Wiederaufforstung stark einschränken

    In bestimmten Regionen Europas könnten bis zu 50 Prozent der dort wachsenden Baumarten künftigen Klimabedingungen nicht mehr standhalten – was erhebliche, negative Folgen für die Wiederaufforstung hätte. Denn auch Baumarten, die heute gepflanzt werden, müssten unter veränderten klimatischen Bedingungen wachsen. Aber die Zahl der dafür geeigneten Arten werde voraussichtlich abnehmen. Das ist das Ergebnis einer Studie, die am Montag in Nature Ecology & Evolution erschienen ist.

    “Der Mehrwert der Studie besteht im Hinweis auf einen möglichen Bottleneck-Effekt bei der Klimaanpassung der Wälder”, sagt Uta Berger, Forscherin an der TU Dresden. “Neu an dieser Arbeit ist nun, dass nicht nur die heutige und die zukünftige Arealeignung für Baumarten bestimmt wurde, sondern dass die Dynamik des Klimawandels mit den langen Umtriebszeiten, wie sie in der Forstwirtschaft üblich sind, in Bezug gesetzt wurde“, ergänzt Arthur Gessler, der das Forschungsprogramm Walddynamik, Waldwachstum und Klima am Schweizer WSL leitet.

    Weitere Faktoren wichtig

    Eher als konservativ schätzt Henrik Hartmann die Modellierung ein. Die künftige Eignung der Baumarten werde nur durch klimatische Einflüsse berechnet. “Das kann man sicherlich mit einem großen Fragezeichen versehen”, denn die vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass Stress durch Klimafolgen “in vielen Fällen zu einer verstärkten Anfälligkeit gegenüber biotischen Störungsfaktoren führt”, sagt der Leiter des Instituts für Waldschutz am Julius Kühn-Institut.

    Die Modellierung berücksichtige “methodisch und konzeptionell” nicht “die angemessenen Grenzen der Modellierbarkeit des Klimawandels und der Reaktionen von komplexen Ökosystemen”, sagt Pierre Ibisch, Forscher an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Studien zeigten, dass etwa Dürren als Folge des Klimawandels “schneller voranschreiten als modelliert”. Problematisch sei auch, dass “die Lebens- und Anpassungsfähigkeit von Bäumen beziehungsweise Wäldern lokal und regional ganz erheblich auch von den Böden, dem Mikroklima, der Landnutzung und der Forstwirtschaft” abhänge, ergänzt der Wissenschaftler. nh

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    • Klimaschäden
    • Wald

    Time.Table

    07.05.2024 – 11:00-16:00 Uhr, Berlin/online
    BDI, Konferenz ESG-Reporting – Gesetz zur CSRD-Umsetzung in Deutschland
    Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) informiert über den erwarteten deutschen Gesetzentwurf zur Umsetzung der europäischen Nachhaltigkeitsrichtlinie (CSRD). INFO & ANMELDUNG

    08.05.2024 – 10.00 Uhr / Versuchs- und Bildungszentrum Landwirtschaft Haus Düsse, Bad Sassendorf
    Informationsveranstaltung des BMEL und der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen Modellställe für die Zukunft der Tierhaltung
    Wie die Zukunft der Tierhaltung aussehen kann, darüber informiert das BMEL gemeinsam mit der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen beim Einblick in zwei zukunftsorientierte Modellställe. Die Parlamentarische Staatssekretärin im BMEL, Dr. Ophelia Nick, besucht dazu das Versuchs- und Bildungszentrum Landwirtschaft Haus Düsse. ANMELDUNG

    15.05.2024 – 18:00 – 19:30 Uhr / online
    Web-Seminar des BZL Alles eine Frage der Technik: Welche digitalen Möglichkeiten gibt es für den Ackerbaubetrieb?
    Aus der Praxis für die Praxis: Im Web-Seminar erläutern zwei Betriebe des Netzwerks Leitbetriebe Pflanzenbau, wie sie in den digitalen Ackerbau gestartet sind. Lars Meinecke und Stefan Vogelsang stellen u. a. vor, welche digitalen Verfahren sie auf ihren Betrieben einsetzen und welche Vor- und Nachteile sie mit sich bringen. INFO & ANMELDUNG

    15.05.024 – 14.00 – 15.00 Uhr / online
    digital talk NEWMEAT: AltProtein-Etikette: “Clean Label” – der neue heilige Gral
    Content is King – das gilt auch bei Lebensmitteln. Immer mehr Unternehmen im Bereich alternativer Proteine fokussieren sich darauf, ihre Rezeptur entlang einer möglichst kurzen Liste an Zusatzstoffen aufzubauen. Seien Sie dabei, wenn wir in die Untiefen der Inhaltsstoffe der neuen Produkte einsteigen und erörtern, was Zusatzstoffe mit dem Verarbeitungsgrad zu tun haben, ob es eine neue Klassifizierung von Lebensmitteln braucht und welche Bedeutung die Entwicklung für den Trend Convenience mit sich bringt. INFO & ANMELDUNG

    16.05.2024 – 19.00 – 20.30 Uhr / online
    Experimentierfelder Talk Vier Beispiele für den digitalen Weinbau von morgen
    Ein Abend, ein Thema, viele Gäste aus Praxis und Forschung, zwei ModeratorInnen – in den Experimentierfelder Talks 2024 kommen Forscher und Landwirte ins Gespräch, tauschen Zahlen, Meinungen und Argumente aus, beleuchten unterschiedliche Aspekte eines Themas aus verschiedenen Perspektiven. Das Thema diesmal: Vier Beispiele für den Weinanbau von Morgen. INFO & ANMELDUNG

    17.05.2024 – 9.30 Uhr / Berlin
    Plenarsitzung Bundesrat
    Die endgültige Tagesordnung liegt am Dienstag, den 7. Mai 2024 vor, etwaige Nachträge werden ergänzt. INFO

    23.05.2024 – 11.00 – 16:30 Uhr / Kulturforum “Historisches U”, An der Kürassierkaserne 9, 17309 Pasewalk
    Fachkonferenz Forschung.Digital Ländliche Räume in Zeiten der Digitalisierung | #FFD24
    Unter dem Titel “Ländliche Räume in Zeiten der Digitalisierung” analysierten elf Forschungsprojekte aktuelle wirtschaftliche, gesellschaftliche und räumliche Veränderungen in Zusammenhang mit der Digitalisierung in den ländlichen Regionen Deutschlands. Im Anschluss wurde eine fachliche Auswertung der Fördermaßnahme vorgenommen. Die Ergebnisse möchten wir mit Ihnen in einer Fachkonferenz diskutieren. Eröffnet wird die Veranstaltung von Claudia Müller, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft. INFO & ANMELDUNG

    24.05. -25.05.2024 / Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg
    Jahrestagung der Jungen DLG 2024 Landwirtschaft 2040 – Herausforderungen und Chancen für eine nachhaltige Zukunft
    Die Jahrestagung der Jungen DLG ist der zentrale Ort in Deutschland für Studierende, Berufseinsteiger und Young Professionals im Bereich Landwirtschaft und Agribusiness, um sich zu vernetzen, fortzubilden und miteinander Spaß zu haben. Dazu sind alle Interessierte (egal ob DLG-Mitglied, oder nicht) sehr herzlich eingeladen. INFO & ANMELDUNG

    27.05.2024 / Brüssel
    Tagung EU-Rat Rat für Landwirtschaft und Fischerei
    Wichtigste Tagesordnungspunkte erscheinen eine Woche vor der Tagung. INFO

    Must Reads

    Euractiv: EU-Kommission verlängert Notfall-Beihilferegeln für Landwirte

    Die EU-Kommission verlängert den Krisen- und Übergangsrahmen (Temporary Crisis and Transition Framework, TCTF) für Landwirte und Fischer um weitere sechs Monate bis Dezember 2024, um diese bei “anhaltenden” Marktstörungen zu unterstützen. Diese Verlängerung ermöglicht den Mitgliedstaaten, Unternehmen dieser Sektoren Beihilfen zu gewähren, ohne die bestehenden Obergrenzen zu ändern. Gleichzeitig prüft die Kommission eine mögliche Anhebung der Obergrenze für staatliche Beihilfen für Kleinbetriebe im Agrar- und Fischereisektor. Zum Artikel

    Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt: Bürokratieabbau: Verzögert sich das Entlastungspaket der Ampel?

    Die Zukunftskommission Landwirtschaft werde ihr Eckpunktepapier wohl erst im Juni vorlegen, berichtet das bayerische landwirtschaftliche Wochenblatt. Von ZKL-Mitgliedern sei zu hören, dass über zwei bis drei Punkte noch diskutiert werden müsse. Die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden von SPD, Grünen und FDP wollen den ZKL-Bericht im Juni sichten und bewerten. Zugleich arbeite man parallel weiter an Maßnahmen, um bis zum Sommer ein Maßnahmenpaket umzusetzen. Zum Artikel

    AGRA Europe: Die Woche in Berlin: Bauernpartei CDU

    Die CDU bekräftigt auf ihrem 36. Bundesparteitag in Berlin ihren Führungsanspruch in der Agrarpolitik. Im Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm treten die Konservativen auf die Reformbremse, sprechen sich für eine starke ökonomische Säule aus. Wie die Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung erfolgen soll, wolle die Partei rechtzeitig vor der Wahl klären, sagte Bundesvorstandsmitglied Sven Schulze. Die Partei wolle das Landwirtschaftsministerium nach der Bundestagswahl 2025 übernehmen, so der Landwirtschaftsminister Sachsen-Anhalts weiter. Zum Artikel

    EPA-Studie: Enabling free movement but restricting domestic policy space? The price of mutual recognition

    Der freie Warenverkehr in der EU, welcher durch gegenseitige Anerkennung gewährleistet wird, führe zwar zu wirtschaftlichen Vorteilen. Aber er schränke die Möglichkeit der EU-Mitgliedstaaten ein, auf gesellschaftliche Bedenken einzugehen, so das Ergebnis einer EPA-Studie. Am Beispiel des Nutztierschutzes in Deutschland wird verdeutlicht, wie der innereuropäische Wettbewerb politische Entscheidungsträger daran gehindert hat, strengere Rechtsvorschriften zu erlassen. Dies unterstreiche die hemmende Wirkung des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung auf die Politik der EU-Mitgliedstaaten. Für das Verständnis und den Umgang mit regulatorischer Vielfalt in integrierten Märkten sei dieses Wissen wichtig. Zur Studie

    Bloomberg: Cocoa Farmers Earn More in KitKat Program, But Fall Far Short of Living Income

    Nestlé SA weitet ein Programm aus, welches nach Angaben des Konzernes das Einkommen afrikanischer Bauern steigert, die Kakao für Kitkat-Riegel liefern. 11.000 teilnehmende Farmen in Ghana erhalten einen Bonus von bis zu 500 Euro, wenn sie nachweisen, dass sie qualitativen Baumschnitt durchführen und ihre Kinder zur Schule schicken. Der Lohn für die Erzeuger bleibt dennoch weit hinter einem existenzsichernden Einkommen zurück. Die Bauern haben wegen geringer Löhne Schwierigkeiten, in ihre Plantagen zu investieren und mit Herausforderungen wie Wetterextremen und Pflanzenkrankheiten fertig zu werden. Zum Artikel

    AGRA Europe: Studie klimafreundliche Verpackung: Mehrweg schnell im Hintertreffen

    Mehrwegverpackungen für Lebensmittel sind laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts nicht immer umweltfreundlicher als Einzelverpackungen, besonders, wenn Lebensmittelverluste berücksichtigt werden. Bei der Untersuchung von Kaffeesahne-Verpackungen in der Gastronomie wurde festgestellt, dass Mehrwegsysteme zwar weniger Treibhausgase verursachen, jedoch das Wegwerfen unverbrauchter Sahne aus Hygienegründen dazu führen kann, dass Einzelverpackungen aus Umweltsicht vorteilhafter sind. Die Studie verglich auch traditionelle Einwegverpackungen aus Polystyrol und Aluminium mit alternativen Materialien wie recycelbarem Polystyrol und Polypropylen. Zum Artikel

    Destatis Studie: Trend zu Fleischersatz ungebrochen: Produktion steigt 2023 um 16,6 % gegenüber dem Vorjahr

    Die Produktion von vegetarischen und veganen Fleischersatzprodukten in Deutschland stieg im Jahr 2023 um 16,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und hat sich im 5-Jahres-Vergleich seit 2019 mehr als verdoppelt. Trotz dieses Anstiegs bleibt der Wert im Vergleich zu Fleischprodukten relativ gering. Im Vergleich: Der Wert von Fleischprodukten macht fast das 80-Fache des Wertes von Fleischersatzprodukten aus. Dennoch geht der Fleischkonsum in Deutschland weiter zurück, mit einem Rückgang um knapp zwölf Prozent seit 2019 auf durchschnittlich 51,6 Kilogramm pro Kopf im Jahr 2023. Zur Studie

    Heads

    Anna Cavazzini – “Den EU Green Deal ambitioniert umsetzen”

    Porträtfoto von Anna Cavazzini.
    Anna Cavazzini (Grüne/EFA) ist Vorsitzende des Binnenmarktausschusses und Vizepräsidentin der Brasilien-Delegation im EU-Parlament.

    Anna Cavazzini klettert leidenschaftlich gern. Seit sie 2019 ins Europäische Parlament gewählt wurde, sagt sie, habe sich ihr Niveau verschlechtert. Nur noch zwei- oder dreimal im Monat schafft sie es in die Kletterhalle. Im Parlament ist sie dafür weit nach oben geklettert: 2020 übernahm sie den Vorsitz im Binnenmarktausschuss (IMCO), der für harmonisierte Produktstandards, das Zollwesen und für Verbraucherschutz zuständig ist. Dass sie bei den Europawahlen im Juni wiedergewählt wird, ist so gut wie sicher: Sie kandidiert auf dem 3. Listenplatz von Bündnis 90/Die Grünen.

    Cavazzini wurde 1982 in Hessen geboren, studierte European Studies in Chemnitz und Internationale Beziehungen in Berlin. Von 2009 bis 2014 arbeitete sie bereits im EU-Parlament, damals als wissenschaftliche Mitarbeiterin von Ska Keller. Anschließend war sie im Auswärtigen Amt, für die UNO-Generalversammlung, für die Kampagnen-Plattform Campact und für Brot für die Welt tätig, stets mit Fokus auf gerechten Handel, Menschenrechte und Nachhaltigkeit.

    Schattenberichterstatterin für das EU-Lieferkettengesetz

    In der endenden Legislaturperiode hat Cavazzini als Ausschussvorsitzende und Schattenberichterstatterin diverse Gesetze mitverhandelt: etwa das EU-Lieferkettengesetz (CSDDD), das Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit sowie die Recht auf Reparatur-Richtlinie. Besonders im Bereich der Kreislaufwirtschaft habe die EU in den vergangenen fünf Jahren Meilensteine erreicht, sagt die 41-Jährige. Dazu gehörten auch das einheitliche Ladekabel, die Ökodesign-Verordnung und die Verpackungsverordnung.

    Trotzdem spricht sie sich gegen den von den Konservativen und Liberalen geforderten “Regulierungsstopp” aus. “Wir als EU sind weiterhin nicht auf dem 1,5 Grad-Pfad und weiterhin einer der weltweit größten Produzenten von Elektroschrott“, erklärt sie. Deshalb gelte es in der kommenden Legislatur, Lücken ausfindig zu machen. Die sieht sie vor allem bei den Importen: “Die Marktüberwachung und der Zoll kommen nicht hinterher zu überwachen, dass Produkte, die nicht unseren Standards entsprechen, nicht hier auf dem EU-Binnenmarkt landen.”

    Die Europäische Zollreform soll diese Schlupflöcher schließen, indem die Zollbehörden gestärkt werden. Das Vorhaben konnte leider nicht mehr vor den Wahlen abgeschlossen werden, sagt Cavazzini. Im Gegensatz zum Parlament habe der Rat sein Verhandlungsmandat noch nicht angenommen.

    “In Zukunft noch mehr mit Partnerländern sprechen”

    Zum 30-jährigen Bestehen des EU-Binnenmarktes zog Cavazzini im vergangenen Jahr im Gespräch mit Table.Briefings Bilanz: “Grundsätzlich ist der Binnenmarkt ein riesiger Erfolg und ein Motor der Integration”, sagt sie. Er habe dazu geführt, dass viele Hürden abgebaut und immer mehr einheitliche Produktstandards geschaffen wurden. Der starke Fokus auf den Abbau dieser Hürden habe den Diskurs über den Binnenmarkt allerdings sehr einseitig gemacht. “Wir müssen da noch einen Schritt weiter gehen”, sagt Cavazzini. Die Harmonisierung dürfe nicht auf Kosten lokaler Gemeinschaften geschehen, sondern müsse Menschenrechts- und Umweltstandards gewährleisten.

    Als Vizepräsidentin der Brasilien-Delegation des Parlaments reiste Cavazzini in diesem Mandat mehrmals nach Südamerika. Sie besuchte unter anderem indigene Gemeinschaften im Amazonas-Gebiet, welche die voranschreitende Zerstörung ihres Lebensraums selbst als Genozid bezeichneten. Grundsätzlich setzt Cavazzini Hoffnung in Präsident Lulas Engagement für Umwelt und Waldschutz. Schließlich stehe er in der Schuld der indigenen Gemeinschaften, die seine Wahlkampagne massiv unterstützt hätten. “Da bewegt sich einiges, aber ich glaube, es braucht viel internationalen Druck, damit im Bereich Waldschutz auch wirklich etwas passiert.” 

    Das EU-Gesetz für entwaldungsfreie Lieferketten, das bis Ende des Jahres von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden muss, steht allerdings zurzeit in der Kritik. Mehrere Mitgliedstaaten hatten zuletzt eine Verschiebung der Frist gefordert. Die Kommission hänge bei der Implementierung hinterher, erklärt Cavazzini, unter anderem habe sie noch kein Länder-Benchmarking veröffentlicht. Eine solche Anfangsphase sei jedoch leider normal. Das Argument von Drittländern, die EU wolle mit dem Gesetz ihren eigenen Markt schützen, weise sie komplett zurück: “Es geht hier um Verantwortung für unsere Lieferketten.” Die Debatte zeige aber: Die EU müsse in Zukunft während der Gesetzgebung noch mehr mit ihren Partnerländern sprechen. “Wir dürfen sie nicht vor den Kopf stoßen.”

    Beim Bouldern über Europa diskutieren

    In ihrem Wahlkreis in Sachsen verbindet Cavazzini manchmal das Klettern mit politischen Veranstaltungen, lädt etwa in Leipzig zum Europa-Gespräch beim Bouldern oder macht in der Sächsischen Schweiz auf das hiesige Waldsterben aufmerksam. Wenn sie sich mit den Menschen unterhält, sei Brüssel noch immer sehr weit weg, erzählt sie. “Aber die ganz konkreten Dinge werden wahrgenommen und kommen sehr gut an.”

    In Sachsen hat das grün geführte Europaministerium zudem ein eigenes Interrail-Angebot geschaffen, damit junge Menschen Europa entdecken können. Eine weltoffene, proeuropäische Haltung müsse hier noch gestärkt werden, dafür brauche es viel und gute Kommunikation. Doch durch die Coronapandemie und den Krieg in der Ukraine hätten viele gemerkt: “Mit Europa sind wir stärker und können gemeinsam besser auf die Krisen reagieren.”

    Die zentrale Forderung der Grünen im Wahlkampf wird allerdings die ambitionierte Umsetzung des Green Deal sein. Der Konsens über das Projekt bröckelt: “Es kann sehr gut sein, dass der Green Deal jetzt beerdigt wird“, befürchtet Cavazzini. Nachdem die EVP das Projekt in den ersten zwei oder drei Jahren mitgetragen und lediglich über Nuancen gestritten habe, sei sie zum Ende des Mandats in den “Anti-Green-Deal-Chor” von Mitte-rechts eingestiegen. Leonie Düngefeld

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